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by Nate Southard


  Er verpasste sich eine schallende Ohrfeige und langsam kehrte wieder Ruhe in die Welt um ihn herum ein. Wenn er sich nicht zusammenriss, wurde die Sache noch schlimmer, als sie es ohnehin schon war.

  In seinem Kopf riss er ein Blatt aus dem alten Notizblock heraus, zerknittert, aber leer. Er sah zu, wie sich das Wort To-Do-Liste in seiner Handschrift formte. Darunter schrieb er:

  1. Die beschissene Situation erfassen

  Ganz einfach. Das Flugzeug, in dem sie saßen, war abgestürzt. An Details konnte er sich nicht erinnern, aber für den Anfang reichte das Wesentliche.

  Weitere Einzelheiten fügten sich ins Bild. Sie waren in Austin an Bord gegangen, um nach New York zu fliegen. Videodreh und danach Rock’n’Roll. Er hatte vorgehabt, sich dort von den anderen abzusetzen und aufzubrechen nach …

  Verdammter Mist! Wieder versuchte er, sich aufzurichten, und wieder fuhr der Schmerz wie ein Stromstoß durch seinen Körper. Er biss die Zähne zusammen und knurrte, während er sich auf den Rücken rollte und auf seine Uhr sah, bemüht, im Dunkeln etwas zu erkennen. Es war kurz nach 1 Uhr morgens. Auf der Intensivstation würde um diese Zeit nichts los sein. Nur ein paar Nachtschwestern, die Kaffee schlürften und zwischendurch eine Mütze Schlaf tankten. Wahrscheinlich schlief Marie zusammengesunken auf einem Stuhl, wartete darauf, dass er am Morgen auftauchte, und wachte einmal pro Stunde auf, um nach dem alten Mann zu sehen.

  Verdammt! Er trat frustriert gegen einen Sitz ganz in der Nähe und in seinem Knie explodierte ein Brennen, das ihm mitteilte, er könne es mal am Arsch lecken. Er umklammerte das pochende Gelenk mit beiden Händen und keuchte, als das Schlimmste vorbei war. Tränen strömten ihm aus den Augen und er versuchte, sich zu konzentrieren. Ihm blieben immer noch fast zwei Tage. Sie waren in den Vereinigten Staaten abgestürzt und das bedeutete, dass irgendwo in der Nähe Menschen lebten. Jemand hatte den Absturz beobachtet. Oder das Krachen der Bruchlandung gehört. Ansonsten blieb immer noch das Funkgerät im Cockpit, um Hilfe zu holen. Ein Bergungstrupp würde anrücken – keine Widerrede! – und ihm blieb genug Zeit, um rechtzeitig nach dem Alten zu sehen.

  Zähneknirschend arbeitete Potter an seiner To-Do-Liste. Das Was hatte er bereits geklärt. Übrig blieben weitere Fragen: Warum war es passiert? Wo waren sie abgestürzt? Wie viele waren gestorben und wer war noch am Leben, um das herauszufinden? Vielleicht noch eine kleine Prise Wie tief stecken wir in der Scheiße? dazu. Dann ging es nur noch darum, zu überleben und gerettet zu werden.

  Doch dazu musste er endlich seinen Arsch in Bewegung setzen. Das klang nach einem Plan. Vielleicht kein guter, aber immerhin überhaupt einer. Es verschaffte ihm die Möglichkeit, die beschissene Situation besser zu erfassen.

  In seinem Hirn kritzelte er ein paar weitere Punkte hin:

  2. Nachschauen, wer überlebt hat

  3. Checken, wer verletzt ist, und Erste Hilfe leisten

  4. Mit dem Funkgerät Rettung anfordern

  5. Die Umgebung erkunden und – falls nötig – Hilfe

  holen.

  »Heute muss ich mir meine Kröten wirklich verdienen«, murmelte er. Mit schweißüberströmtem Gesicht kam er auf die Beine. Das schlimme Knie sprang hoch und kreischte ihm die Nationalhymne entgegen und sogar das unverletzte konnte sich ein Murren nicht verkneifen. Er würde in absehbarer Zeit eine Schiene improvisieren und ein paar Krücken auftreiben müssen.

  Eine Gestalt, die fast nur aus Schatten bestand, kletterte durch einen Riss an der Kabinenseite im hinteren Teil. Er konnte keine Details erkennen, aber die Größe der Gestalt verriet ihm, dass es entweder Dani oder Jen sein musste. Wenigstens wusste er damit, dass eins der Mädchen wohlauf und er nicht der einzige Überlebende war. Der Gedanke tröstete ihn. Jetzt musste er nur noch die anderen finden.

  Oh Mann, was für eine beschissene Lage!

  Jede Bewegung schmerzte. Bei jedem Einatmen spürte Conner einen bohrenden Schmerz in der Seite, der sich schlimmer anfühlte als jeder Krampf bisher. Na ja, wenn man von der Zeit absah, als er versuchte, vom Stoff loszukommen. Tatsächlich war es damals um einiges schlimmer gewesen. Er dachte an die mächtigen Brummer zurück, hundsgemeine Attacken, unter denen er sich im Bett zusammenkrümmte, schwitzend, zitternd und mit dem Wunsch, entweder zu sterben oder sich den nächsten Schuss zu setzen.

  Aber im Moment war das anders. Warum tat es also so verflucht weh, wenn er Luft holen wollte? Und warum befand er sich irgendwo mitten im Wald? Was war das überhaupt für ein Geschrei in seinem Rücken? Er begriff überhaupt nichts mehr.

  Eventuell war es ein Albtraum oder er fantasierte. Manchmal führte ein guter Schuss dazu, dass ein paar mächtig durchgeknallte Filme in seinem Kopf abliefen. Oder das, was er Schlaffilme nannte. Dieser kam ihm so lebhaft vor, dass er ziemlich Schiss bekam. Alles war hell und laut und die Ränder knisterten wie die Glut einer Zigarette. Er konnte Öl und etwas Versengtes – nein, eher total Verbranntes! – riechen. Die Stimmen, die sich lauthals zu Wort meldeten, kamen ihm vage bekannt vor. Ströme aus flüssigem Feuer ergossen sich zäh wie Melasse vom Himmel und er hätte beinahe die Hand ausgestreckt, um einen davon zu berühren, bevor er spürte, wie heiß sie waren. Sie waren auf beängstigende Weise wunderschön, beinahe hypnotisch. Wie Musik, die als brennender Honig vom Himmel tropfte.

  Conner versenkte die Hände in den Taschen seiner Cargo-Shorts und taumelte an der tropfenden Glut vorbei. Zweige knackten unter seinen Chuck Taylors. Sein Gesicht war mit Schweiß bedeckt und er hob die linke Hand, um ihn abzuwischen. Als er sie zurückzog, war sie nicht nur klatschnass, sondern auch voller Blut. Helles Blut. Das bedeutete nichts Gutes. Was für ein durchgeknallter Traum war das denn? Er gefiel ihm überhaupt nicht. Am liebsten war es ihm, wenn es um Sex ging. Sogar seine normalen Albträume mochte er lieber. Das hier war einfach nur völlig verrückt. Wald. Blut und tropfendes Feuer. Dazu dieser Ölgeruch und die monotonen Schreie. Das ergab alles überhaupt keinen Sinn und es schmeckte ihm ganz und gar nicht.

  »Wach auf, Mann«, appellierte er an seinen Verstand. Natürlich klappte das nicht. Stattdessen stolperte er weiter ziellos durch den Wald und hielt Ausschau nach irgendetwas, das Sinn in dieses Chaos brachte.

  Etwas schimmerte durch die Dunkelheit am Rand seines Sichtfelds und sein ganzer Körper pochte, als er sich umdrehte, um genauer hinzusehen. Autsch. Okay, die Schmerzen machten ihm langsam Angst. In seinen Traumfilmen passierte das sonst nie. Es war eine gänzlich neue Empfindung und er entschied, dass er sie nicht leiden konnte. Trotzdem hielt das Schimmern weiter seinen Blick gefangen und er beschloss, sich lieber darauf zu konzentrieren als auf das Zerren in seinem Körper, das ihn aus dem Schlaf gerissen hatte.

  Warum träumte er von der Tragfläche eines Flugzeugs?

  Noch ein sinnloser Informationsbrocken. Ein zerrissenes und verbeultes Stück Metall, das aussah wie ein abgebrochenes Stück von einem Luftfahrzeug. Es hing zwischen zwei dicken Baumstämmen, die Lackierung war fast vollständig abgeplatzt. Den Bäumen schien es auch nicht besonders gut zu gehen. Ihre Zweige waren abgebrochen, Nadeln überall auf dem Waldboden.

  Scheiße, wenn so etwas mit ihrem Flieger passiert wäre …

  Dieser Gedanke ließ ihn innehalten. Er stand reglos da und starrte den zerbrochenen Flügel an, während die Erkenntnis in Form einer eiskalten Flüssigkeit durch seinen Körper schwappte. Sie waren aus Austin abgeflogen. Nach knapp einer Viertelstunde hatte er sich eine volle Dröhnung verpasst, um bis zur Landung durchschlafen zu können. Träumte er deshalb einen solchen Quatsch?

  »Okay, Conner. Reiß deinen faulen Arsch hoch, okay? Wach endlich auf, Mann. Wach auf!« Seine laute Stimme knallte an seine Ohren, als hätte ihm jemand eine Schneeschaufel in die Rippen gerammt. Er heulte und fiel auf die Knie, hob die Hände vors Gesicht, als ob er sich hinter ihnen vor dem Rest der Welt verstecken könnte. Doch statt sich zu verstecken, schluchzte er hemmungslos.

  Es war real. Musste real sein. Nein. Nein, nein, nein!

  Langsam wischte er sich die Tränen aus den Augen und drehte den Kopf nach rechts, in die Richt
ung, aus der die Schreie kamen. Eine Sekunde später sah er das Flugzeug. Oder zumindest die verdrehte Röhre aus Metall, die früher mal ein Flugzeug gewesen war. Ihr Flugzeug. Jetzt war es nichts als ein Wrack – zerknautschtes Metall, mit Brandflecken übersät, und einem wüsten Haufen aus verstreutem Gepäck, Sitzen und Instrumentenkoffern.

  Ach verdammt! Conner stand so schnell auf, wie seine Beine es zuließen. Eine Welle aus traumatischem Schwindel überschwemmte ihn und drückte ihn für einen Augenblick in die Knie, doch er ließ sich davon nicht bremsen. Er würde es schaffen. Er würde sich zum Flugzeug vorkämpfen, nachschauen, wie es dem Rest der Band ging, und sich vergewissern, dass mit ihnen alles in Ordnung war. Bitte, es musste alles in Ordnung sein mit ihnen. Er näherte sich dem Wrack und war erst wenige Meter vorwärtsgekommen, als er ein Brüllen hörte, das die Nacht wie eine Sense zerteilte.

  Als Dani das Flugzeug verließ, starrte sie ihre Umgebung einfach nur an. Die Trümmer, die sich zwischen flackerndem Feuer und schwarzen Rauchsäulen abzeichneten. Rechts vor ihr ragte die verbogene Masse auf, die früher das Heck des Fliegers gewesen war. Eine der Tragflächen schien vielleicht 30 Meter weiter hinten gegen einen kahlen Baum geprallt zu sein. Ein Blick nach links offenbarte die Bruchstelle, an der sie vom Rumpf abgetrennt wurde. Metallsplitter blitzten wie Fleischfetzen auf.

  Das Wrack hatte sich seinen Weg etwa 50 bis 60 Meter weit durch einen Kiefernwald gepflügt, Bäume versengt und den Boden aufgewühlt. Sie erinnerte sich an die Dunkelheit, die sie durch die Fenster wahrgenommen hatte, an das Kratzen von Bäumen gegen die Unterseite des Rumpfes. Sie wünschte sich, sie wären in der Nähe eines dichter besiedelten Gebiets und nicht mitten in einem Kiefernwald abgestürzt. Benommen trat sie vom Riss in der Seite der Maschine zurück und spähte in die Richtung, in der sie das Cockpit erwartete.

  Fehlanzeige. Das Flugzeug hörte knapp fünf Meter vor der Stelle, an der sich einst der Flügel befunden haben musste, abrupt auf. Alles weiter vorn war einer zerknautschten Mauer aus Metall gewichen. Sie glaubte, in der Dunkelheit die vordere Hälfte des Flugzeugs, ein zusammengedrücktes Durcheinander aus Trümmerstücken, ausmachen zu können. Nachdem dort das Feuer weitgehend erloschen war, konnte sie in den Schatten kaum etwas erkennen. Sie trat näher und zuckte zusammen, als sich eine morbide Kulisse vor ihr aufbaute. Schaudernd erkannte sie, dass das abgetrennte Cockpit noch mindestens zehn Meter weiter geschleudert worden war. Das, was sie zuerst dafür gehalten hatte, entpuppte sich lediglich als ein anderer Abschnitt des vorderen Rumpfes.

  »Wie …?« Aber sie brachte die Frage nicht zu Ende. Ihr rationales Denken setzte aus, als die Befürchtung, ihre Familie könnte womöglich tot sein, die Oberhand gewann. Sie vergaß das Flugzeug und die Trümmer und den Wald, in dem sie sich befand, stolperte von der Stelle weg, an der sie wie angewurzelt gestanden hatte, und fing an, zu suchen. Instrumentenkoffer und verstreute Gepäckstücke bedeckten das Gelände. Sie entdeckte eine von Conners SGs mit abgeknicktem Hals, die nur noch von den Saiten zusammengehalten wurde. Sie lief daran vorbei und trieb sich zur Eile an, bis sie den Rand des Trümmerfelds erreichte. Dort entdeckte sie Kleider und kleine Wasserflaschen. Sie war erstaunt, wie weit die Bruchstücke verteilt lagen.

  »Dani?«

  Beim Klang der Stimme ihrer Schwester wirbelte sie herum. Es klang schwach und gepresst vor Schmerz, aber sie identifizierte sie mit ähnlich schlafwandlerischer Sicherheit wie ihr eigenes Gesicht. »Jen!« Durch die Finsternis um sich herum konnte sie ihre Schwester zwar nicht sehen, wusste aber, dass sie sich die Stimme nicht eingebildet hatte.

  »Dani?«

  Sie hielt auf das Geräusch zu und bewegte sich so schnell, wie ihr verletzter Körper es zuließ. Ihre Haut spannte und fühlte sich heiß an und sie spürte, dass sich erste Brandblasen bildeten. Die Schatten verschluckten sie. Für einen Augenblick bestand alles nur aus Dunkelheit und Atem, ihr raues Keuchen war der einzige Laut, der die Schwärze durchdrang. Ein Gefühl wie von tanzenden Fingerspitzen kletterte ihr Rückgrat hinauf und dann fühlte sich alles ungeheuer kalt an. Wo steckte ihre Schwester bloß?

  »Dani!«

  Der Ruf riss sie aus der Dunkelheit und Einsamkeit heraus und führte sie in den Wald zurück. Dani spähte nach rechts, wo ein Paar mit Sneakers bekleidete Füße hinter einer nahe stehenden Kiefer hervorragten. Selbst in dem Schatten registrierte sie das charakteristische rot-schwarze Schachbrettmuster der Schuhe ihrer Schwester sofort. Sie legte die restliche Entfernung im Laufschritt zurück, ging neben Jens liegender Gestalt auf die Knie und streckte beide Hände aus, um ihr Gesicht zu ertasten.

  »Oh mein Gott, Jen. Alles klar bei dir?« Der gequälte Blick und der Schweißfilm auf dem Gesicht ihrer Schwester verrieten ihr, dass es Jen alles andere als gut ging. Etwas stimmte nicht, aber sie konnte nicht sagen, was es war.

  Jen nahm einige tiefe Atemzüge. Sie öffnete die Augen nicht, sondern kniff die Lider fest zusammen.

  »Es tut mir leid. Es tut mir so leid. Es tut mir so leid!«

  »Jen, was ist los?«

  Noch ein tiefer Atemzug. Sie schien sich zu sammeln, bevor sie sprach. »Das Becken, glaube ich. Brennt wie Sau.«

  In Danis Brust tat sich ein tiefer Abgrund auf. Ein gebrochenes Becken? Welche bleibenden Schäden zog so eine Verletzung nach sich? Weitere Fragen drängten in ihren Kopf, durchzuckten ihr Hirn wie Kometenschweife. Sie strengte sich an, sie zu ignorieren. Stattdessen wollte sie ihre Schwester beschäftigen, um sie von den Schmerzen abzulenken.

  »Wie bist du so weit von der Absturzstelle weggekommen?«

  »Bin gekrabbelt. Dachte … es fliegt vielleicht in die Luft.«

  Sie zwang sich zu einem Lächeln, das ihre Schwester aber nicht sehen konnte. »Ich sag’s dir nur ungern, aber fliegen wird es definitiv nicht mehr.«

  Ihre Schwester rülpste ein einzelnes Lachen heraus, gefolgt von einem gequälten Stöhnen. So vorsichtig, wie sie konnte, legte Dani ihre Arme um Jen und drückte sie. Sie wollte Kevin finden, aber im Augenblick brauchte ihre Schwester sie dringender.

  Stehen erwies sich als schwierig und Gehen war schier unmöglich. Aber Potter kam irgendwie voran, schleppte sich durch den Mittelgang und hielt sich an Sitzlehnen fest, sowohl, um sich abzustützen, als auch, um sich abzustoßen. Sein Knie bestand aus einem einzigen Pochen und sein Schädel schien mit Toffee gefüllt zu sein. Alles klang gedämpft und weit entfernt. Nur das Stöhnen konnte er deutlich hören. Es stach durch den Toffeenebel direkt in sein Innerstes und lotste ihn wie ein akustisches Signalfeuer.

  Eine Ewigkeit schien zu verstreichen, bis er den ersten Rufenden erreichte. Die Stöhn- und Zischlaute kamen von rechts, aber die zertrümmerte Kabine war viel zu dunkel, um in dem Gewirr aus zerstörten Sitzen und herabgefallenem Gepäck etwas zu erkennen. Gott, warum hatten sie nur so viele Koffer und Taschen mitgenommen?

  »Hallo?«, fragte er. Etwas knallte gegen die Rückwand der Kabine und zog seinen Blick an, doch dann verwandelten sich die gequälten Laute zu seiner Rechten in eine menschliche Stimme.

  »Bist du das, Potter?«

  Kevin. Mit protestierendem Knie lehnte er sich zur Seite und blinzelte, bis er den Gitarrentechniker in der Schwärze ausmachen konnte. Seine Beine waren unnatürlich verdreht und er begriff, dass Danis Mann den kaputten Sitz in der Nähe weggestoßen haben musste. Kevins Gesicht blieb äußerlich ruhig, aber Potter konnte die Angst spüren, die hinter seinen Augen aufblitzte.

  »Bist du in Ordnung?«

  »Mehr oder weniger. Hab gesehen, wie Dani ins Freie gestolpert ist. Schätze, sie hat mich nicht bemerkt.«

  »Oder sie ist sauer.«

  »Als ob sie jemals sauer wäre.«

  »Du würdest dich wundern, was ich dir alles erzählen kann.«

  »Das bezweifle ich. Hast du sonst noch jemanden gesehen?«

  »Nur Conner. Hat den Gurt gelöst und ist rausgegangen, ein paar Sekunden, nachdem ich zu mir kam. Einfach ins Freie, als ob es das Selbstverständlichste auf der Welt wäre.«

  »Unser magischer Junkie.«


  »So in der Art. Was für ein Arschloch.«

  Das Klopfen an der Rückwand wiederholte sich. Potter verrenkte den Hals, um herauszufinden, was es auslöste. Der Schwindel drohte ihn zu überwältigen. Er lehnte sich schwer gegen die Sitze, um auf den Beinen zu bleiben.

  »Du solltest besser mal nach dem Rechten sehen«, meinte Kevin.

  »Ja. Willst du mit rauskommen und mir helfen, die anderen zu finden?«

  Im Dunkeln sah er, wie Kevins Augen sich zu Schlitzen verengten und sein Gesicht in einem Anflug von Angst und Traurigkeit verkrampfte. In seinem Geist fügten sich die Puzzlestücke zusammen. Er war seiner Frau nicht aus der Maschine gefolgt. Die Art, wie seine Beine unnatürlich verdreht dalagen. Das ließ nur einen Schluss zu …

  »Oh, Scheiße«, raunte Potter. »Wie schlimm ist es?«

  »Unterhalb der Gürtellinie spüre ich gar nichts.«

  »Bist du sicher?«

  Kevin nickte. Er wollte noch etwas sagen, aber ein Schluchzen kam ihm dazwischen. Er hob seine Hand, um die Augen abzuschirmen.

  »Das kommt wieder in Ordnung«, versicherte ihm Potter, ohne selbst überzeugt zu sein.

  »Einen Scheiß wird es.«

  »Äh … kann ich irgendwas …?«

  »Finde Dani. Finde Jen. Erzähl ihnen noch nichts. Das Wichtigste ist erst mal, dass es ihnen gut geht.«

  »In Ordnung. Ich komme so schnell wie möglich zurück.«

  Das Klopfen drang wieder an seine Ohren und er machte sich auf in Richtung Kabinenrückwand. Um ihn herum drehte sich alles. Er biss sich auf die Unterlippe, um einen kühlen Kopf zu bewahren. Während er sich dem Riss in der Seite des Flugzeugs näherte, spendeten kleinere Brände im Außenbereich etwas Licht. Er sah, wie sich eine schlanke Frauenhand ausstreckte und gegen die Kabinenwand schlug. Jen? Ein kleiner Haufen aus Gepäck und Sitzen verdeckte alles mit Ausnahme ihres Arms. Er knurrte unter dem Schmerz, den jede Bewegung ihm zufügte, erreicht die Stelle und schleuderte entschlossen Teil für Teil zur Seite, um seine Gitarristin zu befreien.

 

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