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Down

Page 17

by Nate Southard


  Potter registrierte eine Bewegung am Rand seines Blickfelds. Er unterdrückte einen Aufschrei, doch sein ganzer Körper fühlte sich angespannt und bereit an, in Panik auszubrechen. Eine Gestalt taumelte zwischen den Kiefern hervor. Sie bewegte sich wie ein Mann, der unter schwerem Schock stand.

  »Greg!«

  Shannon schoss an ihm vorbei, bevor er etwas sagen konnte. Irgendetwas an dem Bassisten kam ihm merkwürdig vor, aber er vermochte nicht zu sagen, ob der andere verletzt war oder das Licht ihm einen Streich spielte. Greg stand unbewegt da und starrte ins Nichts. Falls er das Feuer oder Shannon oder etwas anderes registrierte, ließ er es sich zumindest nicht anmerken. Potter näherte sich ihm vorsichtig, grübelte, was genau ihn irritierte. Waren seine Nerven lediglich überspannt?

  Er hörte, wie Shannon rief: »Greg, deine Augen!«, und wusste sofort, was sie meinte. Die Augen des Bassisten sahen anders aus. Es erweckte den Anschein, als wären sie tief in sein Gesicht eingesunken. Sie spähten aus dunklen Höhlen in die Umgebung. Etwas abgrundtief Böses lag darin. Im nächsten Moment bemerkte er die schwarzen Schlieren auf den Wangen des Mannes. Er hatte recht gehabt. Etwas stimmte ganz und gar nicht.

  Er bewegte sich blitzschnell, streckte die Hand nach Shannon aus, um sie wegzuziehen, doch Greg war schneller. Ein seltsames Knurren drang aus seinem Mund, als er Shannon einen brutalen Schlag mit etwas versetzte, das wie eine Klaue aussah. Die Reporterin schrie auf, als sie zu Boden sackte. Ihr Körper erschlaffte.

  Potter zögerte und ein tief entsetzter Teil seines Verstands versuchte zu begreifen, was er gerade beobachtet hatte. Greg schien verrückt geworden zu sein. Schlimmer noch, er hatte eine körperliche Verwandlung durchgemacht. Potter preschte vor, um sich zwischen den knurrenden Mann und die zusammengebrochene Reporterin zu schieben, doch Greg kam ihm erneut zuvor. Das Knurren verwandelte sich in ein wüstes Gebell, als Greg an Shannons leblosem Körper vorbei gegen seinen Brustkorb sprang. Potter verschlug es den Atem und er prallte hart auf die Erde.

  Er schlug auf seinen Angreifer ein, den der Schwung mitgerissen hatte. Seine hektischen Gedanken beschäftigten sich mit der Frage, warum der Kerl auf einmal Klauen besaß. Potter hob beide Hände in einem verzweifelten Versuch, sich zu verteidigen, aber Greg wich ihnen spielerisch aus und ratschte mit den Pranken über seine Brust und den Bauch. Ein intensiver Schmerz verdrängte alle Gedanken. Potter gab seine Verteidigungsversuche auf und stieß stattdessen kräftig mit dem Ellenbogen zu. Er spürte, dass er seinen Angreifer am Kinn traf, und Greg plumpste zur Seite.

  Keuchend brachte er Abstand zwischen sich und den Bassisten und krabbelte neben Shannon. Sie hatte sich aufgesetzt und wiegte den Kopf vor und zurück. Als Greg sich zurück in eine aufrechte Position kämpfte, klammerte sie sich Schutz suchend an Potter fest.

  »Die Speere! Wo sind sie ...«

  Ein Schrei schälte sich aus dem Flugzeugrumpf und dann stürzte sich Greg auf ihn.

  Wider besseres Wissen ließ Jen zu, dass Kevin ihren Handrücken streichelte. Das tat er manchmal, als ob es so seine Art war – unschuldig und lieb –, bevor er anfing, sie an anderen Stellen zu berühren, bevor andere Gefühle das Kommando übernahmen und sie verbotene Dinge tat. Wann hatte er sie das erste Mal auf diese Weise angefasst? Sie glaubte, dass es fast zwei Jahre her war, doch die Tage seitdem waren eine verschwommene Abfolge von Lust, nackter Haut und Schuldgefühlen, die wie ein erdrückendes Gewicht auf ihr lasteten.

  Während er sie streichelte, betrachtete sie das flackernde Licht, das durch ein Loch in der Kabinenwand hereindrang. Es schien ein anständiges Feuer zu sein und sie hoffte, dass jemand es bemerkte. Falls sie lebend aus diesem Wald herauskamen, würde sie künftig selbst um eine grüne Wiese einen großen Bogen machen.

  »Woran denkst du?«, flüsterte Kevin.

  »Meinst du die Frage ernst?«

  »Hast recht. Dumm von mir.«

  Jen seufzte und fragte sich, warum sie überhaupt angefangen hatte, mit ihm rumzuficken. Selbst, wenn man die Tatsache außer Acht ließ, dass er der Mann ihrer Schwester war, war er immer noch ein tierisch nerviger Mensch, wie ein kleines Kind, das ständig nach Aufmerksamkeit verlangte und den Hals nie voll bekam. Nicht einmal ein Baby verlangte nach so viel Zuwendung wie er. Er mochte ein Tier sein, sobald er keine Klamotten mehr anhatte, aber sie spielte Gitarre in einer Rockband. Noch dazu war sie ein scharfes und weibliches Exemplar. Sex war für sie nicht schwer zu bekommen. Also, keine Flausen und kein Kevin mehr. Sie hakte diese neuen Regeln im Kopf ab und schwor sich, sie künftig zu befolgen.

  »Greg!«

  Die Stimme der Reporterin war ziemlich leise, aber Jen hörte die Dringlichkeit, die darin mitschwang. Ohne nachzudenken, setzte sie sich auf und stützte sich auf den Ellenbogen, als ein neuerlicher Blitz aus Qual durch ihren Körper schoss. Sie schloss die Augen und biss die Zähne zusammen, doch kurz darauf war alles überstanden. Sie hörte weitere Rufe, gefolgt von etwas, das sie für ein Knurren hielt.

  »Was ist da draußen los?«, fragte Kevin.

  Sie winkte ab und hoffte, dass er die Klappe hielt, damit sie lauschen konnte. Als sie ihr Ohr näher an die Öffnung hielt, hörte sie die Geräusche eines Handgemenges. Aufeinanderprallende Körper und schmerzerfülltes Keuchen. Darüber erhob sich ein wildes Bellen, das mehr nach einem Mann klang, der ein Tier imitierte, als nach einem Hund. Es ging ihr durch und durch. Sie suchte den Boden um sich herum nach einer geeigneten Waffe ab. Sie fand nichts als leere Wasser- und Schnapsflaschen und bezweifelte, dass sie im Falle eines Kampfes sonderlich nützlich waren.

  Ein Schatten fiel auf sie. Jen hob den Kopf. Eine Gestalt war im aufklaffenden Flugzeugrumpf aufgetaucht. Sofort identifizierte sie die Umrisse ihrer Schwester, die sich vor den Flammen abzeichneten, doch Danis Anwesenheit ergab keinen Sinn. Fragen schossen ihr durch den Kopf wie Raketen und sie konnte keine davon beantworten. Sie überlegte immer noch, warum ihre Schwester zurückgekehrt war und was die Kampfgeräusche zu bedeuten hatten, als Dani ein lautes Knurren ausstieß und sich auf sie stürzte.

  Instinktiv schützte Jen ihren Kopf mit den Armen und rollte sich zur Seite ab. Sie schrie, als ihr verletztes Becken vehement gegen die unsanfte Behandlung protestierte. Heiße Tränen der Qual und Angst stiegen ihr in die Augen. Sie bereitete sich innerlich darauf vor, die Prügel zu ertragen, die ihre Schwester gleich auf sie niederprasseln ließ. Vor dem ersten Schlag rief sie: »Es tut mir so leid! Es wird nie wieder vorkommen! Ehrlich!« Sie meinte es todernst.

  Doch der Schlag blieb aus. Stattdessen fing Kevin zu kreischen an. Der Schrei raste durch die Kabine und vermischte sich mit den Tierlauten aus der Kehle ihrer Schwester. Kevin erklomm vor lauter Panik immer höhere Stimmlagen und schwor, dass sie sich nie wieder anfassen würden und es von Anfang an nicht seine Schuld gewesen sei. Jede Silbe – jede Lüge – versetzte ihr einen Stich. Ihre Schwester hatte allen Grund, stocksauer zu sein, doch hier passte einiges nicht zusammen. Das, was sich auf Kevin gestürzt hatte, konnte unmöglich Dani sein. Ihre Schwester war kein Monster. Das bellende Ding, das aussah wie Dani, musste irgendeine Art von Tier sein. Sie ignorierte die Schmerzen, die sich in ihrem Körper ausbreiteten, und schleifte sich von dem kämpfenden Paar weg. Entsetzt beobachtete sie, wie Dani sich auf Kevin hockte und ihn mit den Beinen zu Boden drückte, während ihr Mann hilflos mit den Armen fuchtelte.

  Dani hob eine Hand hoch über den Kopf und Jen erkannte, dass sie nicht in Fingern, sondern in Klauen endete. Sie wollte schreien, doch der Schock und die Schmerzen verschlugen ihr den Atem. Kevin sprudelte entsetzte Laute hervor – wie ein Gebet, das er allein verstand. Jen hätte sich gerne weiter zurückgezogen, doch die Ereignisse lähmten sie. Sie fühlte sich wie festgenagelt und konnte die Augen nicht abwenden, als ihre Schwester Kevin den Brustkorb aufriss.

  Der Schrei erstarb in ihrer Kehle und alles wurde kalt. Sie konnte nur starr dasitzen und zusehen, wie Klauen sich in das Fleisch von Kevins Oberkörper wühlten. Sie lauschte einem Chor aus feuchten, reißenden Geräuschen und Kevins Wehklagen, das in sinnlose Wortfetzen überging, bevor
ein einziger lang gezogener Laut der Qual daraus wurde. Über allem lag das tollwütige Bellen von Dani. Jen hörte, wie die Zähne am Ende jedes wütenden, stakkatoartigen Gebells aufeinanderknallten. Dann brach etwas. Kevins Rippen? Es war ohnehin egal.

  Im nächsten Moment kroch Dani vorwärts und schlug die Zähne tief in die Kehle ihres Ehemanns. Kevins Wimmern wich einem Gurgeln, und dann Schweigen. Sein Oberkörper zuckte und seine Arme schlugen gegen den Kabinenboden. Stränge aus Fleisch und Sehnen dehnten sich und rissen, als Dani den Kopf zurückwarf und dabei ununterbrochen knurrte. Kevins Körper blieb reglos liegen. Einen Augenblick lang überlagerten die Kaugeräusche ihrer Schwester alles andere.

  »Dani?« Der Name lag auf ihren Lippen wie ein geflüstertes Gebet, kaum mehr als ein verängstigter Atemzug.

  Ihre Schwester wirbelte herum, kletterte von Kevins Leiche und wartete. Das Knurren in ihrer Kehle wurde sekündlich lauter. Da sie keine andere Wahl hatte, rollte Jen sich auf den Bauch und kroch weg, wobei sie gepeinigt aufstöhnte. Jede Bewegung verwandelte ihren Körper in eine Kraterlandschaft, verbrannt und wieder aufgebaut, nur um erneut niederzubrennen. Sie kreischte durch zusammengebissene Zähne. Zentimeter um quälenden Zentimeter näherte sie sich dem Riss in der Kabinenseite. Durch eine Wand aus Schmerzen drang Kampfgetümmel an ihre Ohren und sie wusste, dass sie in der Falle saß. Trotzdem kroch sie weiter, mit heißen Tränen in den Augen und einem Becken, das nichts als eine wütende Masse gebrochener, sich aneinander reibender Knochen war. Sie kroch, weil sie immer noch die feuchten Geräusche hörte, als ihr Liebhaber in Stücke gefetzt wurde, weil sie Danis Knurren und Bellen und den schrecklichen Laut hörte, als sie ihre Zähne und Klauen in sein Fleisch schlug. Wo zur Hölle kamen die Klauen ihrer Schwester her?

  Die Antwort war nicht so wichtig wie die Flucht. Wenn es ihr gelang, aus dem Wrack herauszukommen, konnte sie in den Wald kriechen und sich dort verstecken. Sie streckte beide Hände aus und griff nach einem Sitz, der noch in der Verankerung hing. Sie zog sich ein Stück näher an die Öffnung heran, war jetzt weniger als zwei Meter davon entfernt.

  Hinter sich hörte sie wütende Schritte. Ein Schrei riss sich aus ihrer Kehle los und sie unternahm einen letzten, verzweifelten Versuch zu entkommen, trat mit den Beinen um sich und schluchzte, als der Schmerz ihr den Großteil der Kraft raubte. Ihre Fingerspitzen gruben sich in den dünnen, nutzlosen Teppich. Selbst als Klauen ihre Haare zu fassen bekamen und ihren Kopf zurückrissen, versuchte sie weiter, voranzukommen.

  »Nein!« Das Wort brachte ihre Situation auf den Punkt.

  Die Hände – die Klauen – packten sie fester und drückten sie nach unten. Sie schrie, als der Boden auf sie zugerast kam. Dann schlug sie hart auf und alles verschwand.

  Zwölf

  Potter begriff erst, dass man ihn bewusstlos geschlagen hatte, als er hochschreckte. Er setzte sich hastig und ruckartig auf. Sein Kopf fühlte sich weich und schwer an und er wäre beinahe wieder ohnmächtig geworden. Er wälzte sich herum und kam auf die Knie, schob sich die Hand in den Mund und biss zu. Die Zähne, die an seiner Haut ritzten, machten ihn schlagartig hellwach. Er stand auf, wobei er sich bemühte, sein verletztes Knie zu schonen. Alles pochte. Blitzartige Erinnerungsfetzen verrieten ihm, dass Greg ihn niedergeschlagen hatte mit Fäusten, die Klauen waren, und dass er dabei Zähne gefletscht hatte, die eher an ein Raubtier als an einen Menschen erinnerten. Er wollte es nicht glauben, aber die Tatsache, dass er wieder auf den Beinen war und einen sengenden Schmerz verspürte, bewies, dass dies die Wirklichkeit und kein schrecklicher Albtraum war.

  Shannon!

  Die Reporterin war bei ihm gewesen, als Greg zum Angriff ansetzte, aber nun entdeckte er keine Spur mehr von ihr. Er war allein neben dem Feuer, das sie angezündet hatten. Er suchte seine Umgebung ab. Keine Spuren. Wohin mochte Greg sie verschleppt haben? Und warum hatte er ihn nicht ebenfalls mitgenommen? Möglicherweise plante der Bassist, sich später um ihn zu kümmern.

  Er löcherte sich immer noch selbst mit Fragen, als sein Blick den zerstörten Rumpf streifte und ihm Jen und Kevin einfielen. Kalte Furcht erfüllte ihn, während er auf das abgestürzte Flugzeug zuraste. Er hörte keine Stimmen, keine Hilfeschreie oder panischen Ausrufe. Als er ihre Namen brüllte, kam keine Antwort. Trotzdem gab er die Hoffnung nicht auf.

  Doch seine Hoffnung erstarb, als er in das Flugzeugwrack kletterte und Kevins Leiche sah. Zuerst glaubte er, das Monster hätte ihn getötet. Kein Mensch war in der Lage, einen Körper derart zuzurichten. Was von Danis Ehemann übrig war, glich weniger einem Torso als einem Fleischhaufen, der auf ein Dutzend unterschiedliche Arten zerrissen, verdreht und auseinandergezerrt worden war. Seine Kehle erinnerte an eine aufgeschlitzte Ruine, Brust und Bauch an ein Brachland aus zerstörten Organen und zersplitterten Knochen. Zu allem Überfluss starrten Kevins Augen zur Decke, als hätten sie dort etwas Furchtbares entdeckt. Sein Mund stand weit offen mit einem Todesschrei auf den Lippen, der längst verstummt war.

  Potter taumelte rückwärts, stolperte über ein herumliegendes Sitzkissen und fiel auf den Kabinenboden. Er starrte immer noch auf Kevins zermalmte Überbleibsel. Sie fesselten ihn wie eine Drohung, die er nicht ignorieren konnte. Erst als ihm langsam dämmerte, dass Jen nicht hier war, dass sich keine Spur von ihr entdecken ließ, kam er wieder zu sich.

  Du lieber Gott. Jen und Shannon waren beide verschwunden. Es war nicht auszuschließen, dass Greg zurückkam, um ihn zu holen, aber herumsitzen und geduldig darauf zu warten kam für ihn nicht infrage. Er kletterte schwerfällig aus dem zerstörten Flugzeugrumpf und durchforstete seinen Geist nach einer Idee, was er als Nächstes tun sollte. Als er den fallen gelassenen Speer sah, schnappte er ihn sich und hielt ihn gut fest.

  In welche Richtung mochten sie gegangen sein? Nirgends war ein Anhaltspunkt zu finden. Nichts schien sich verändert zu haben. Es herrschte das gleiche Durcheinander wie schon seit über 24 Stunden. Nichts als Trümmer und Chaos. Nur das Feuer war neu hinzugekommen, aber aus ihm ließ sich keine Spur ablesen. Seit dem Absturz hatte er sich nicht mehr so verloren gefühlt. Er vermutete, dass das Papier des vergilbten Notizbuchs, das für seine geistige To-Do-Liste herhalten musste, irgendwo brannte.

  Die ersten Tränen stiegen ihm in die Augen, bevor er ihre Ankunft bemerkte. Sein Gesicht rötete sich vor lauter Hitze und sie kullerten seine Wangen herunter, als das erste Schluchzen in seiner Kehle gluckste. Der zweite Schluchzer schien ihn in der Mitte spalten zu wollen. Der Alte. Marie. Die Frequency Brothers. Shannon. Einen nach dem anderen hatte er sie im Stich gelassen. Er hatte als Sohn und als Bruder versagt, als Manager, als Freund und Beschützer. Etwas floss aus ihm heraus und ihm wurde klar, dass es das letzte Quäntchen Kraft gewesen war, der letzte Rest an Willenskraft, den er noch besessen hatte.

  Er wollte nicht mehr weiterleben, konnte den Gedanken nicht ertragen, um etwas so Grundsätzliches wie sein Überleben kämpfen zu müssen. Dieser Gedanke wog zu schwer und er konnte ihn nicht über Wasser halten. Er ging mit ihm unter, fiel zu Boden und schrie in den Staub, versuchte, all seine Erschöpfung, seine Wut und seine Nutzlosigkeit in einem einzigen, gequälten Laut zu bündeln. Als das nicht genügte, hämmerte er mit den Fäusten in den Dreck. Etwas in seinem Geist ermahnte ihn, dass er sich wie ein ungezogenes Kind aufführte, doch den Rest von ihm kümmerte das nicht. Das Monster sollte ruhig aus dem Wald gestampft kommen und ihn vernichten. Er verdiente es.

  Ein Ruf schnitt durch die Nacht, erfüllt von Schmerz und Entsetzen, und zog sofort seine Aufmerksamkeit auf sich. Er erstarb und erhob sich von Neuem. Potter konzentrierte sich darauf, aus welcher Richtung er kam. Sein Atem rasselte. Der Ruf ertönte wieder und legte einen Schalter in seinem Inneren um. Sein Mund verwandelte sich in eine grimmige Linie der Entschlossenheit. Erneut streckte er die Hand nach dem Speer aus und krampfte seine Faust fest um ihn. Er durfte sich jetzt nicht unterkriegen lassen. Jen und Shannon brauchten ihn. Ohne einen weiteren Gedanken stellte er sich auf seine unsicheren Beine und lief mit großen Schritten der Dunkelheit entgegen – wild entschlossen zu tun, was immer zu tun war.

  Sh
annon kroch aus dem schwarzen Nebel der Bewusstlosigkeit hervor, einen Moment, bevor Greg sie von seiner Schulter auf den Boden knallte. Der Aufprall dimmte die Lichter in ihrem Kopf und sie befürchtete, dass sie wieder ausgehen würden. Sie kniff die Augen zusammen und spannte jeden Muskel an, den sie finden konnte. Das schien irgendwie zu helfen. Ihre Benommenheit verschwand und sie hob den Kopf vom Boden, um mitzubekommen, was vor sich ging.

  Zuerst registrierte sie die drei Gestalten. Ohne den Schein des Feuers brauchte sie ein wenig, um die beiden Piloten wiederzuerkennen. Einen Augenblick später erkannte sie Curtis, dessen Körper schlaff an den beiden anderen lehnte. Sein T-Shirt war vollständig durchnässt und er hatte ein Loch im Bauch. Greg hatte ihr berichtet, wie das Monster den Körper seines Freundes von einem Stück gezacktem Metallschrott heruntergerissen hatte. Nun hatte sie den Beweis vor Augen.

  In ihr glühte immer noch ein Rest von Zuneigung für Greg, doch sie konnte ihm nicht verzeihen, dass er sie angegriffen hatte, oder verdrängen, dass er gerade wie ein wütender Gorilla über die Lichtung stakste und die glänzenden, schwarzen Klauen, die einmal seine Hände gewesen waren, fast bis auf den Boden baumelten. Das Puzzle setzte sich schneller und schneller zusammen, brachte sie der Wahrheit ihrer momentanen Situation näher.

  Neben sich entdeckte sie Jens ausgestreckt daliegenden Körper. Selbst in der Bewusstlosigkeit zeichneten sich Schmerzen auf dem Gesicht der Frau ab. Ihre Haut glänzte vor Schweiß, der Mund war grotesk verzerrt.

  Bevor sie Jen genauer untersuchen konnte, näherte sich das Monster. Es hielt etwas in einer seiner Klauen, das nach einem Oberschenkelknochen aussah, dessen Ende sich wie ein Dolch zuspitzte. Das Biest trampelte zielstrebig über die Lichtung und die drei Leichen in derern Mitte. Als ihr bewusst wurde, dass es zu ihr wollte, füllte ein Schrei ihren Brustkorb aus und plärrte aus ihrer Kehle. Es kam immer näher und hob den geschärften Knochen über den Schädel. Sie versuchte wegzukrabbeln, doch ihre Beine fühlten sich langsam und schwach an, als sie damit gegen den Boden trat. Innerhalb von Sekunden thronte das Monster über ihr, und das Entsetzen strich als warmer Lufthauch durch ihre taube Kehle.

 

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