»Wenn man solchen Quatsch erzählt, schon«, sagt er mit einem neckischen Grinsen, löst sich von mir und schwimmt zum Boot zurück. »Lass uns etwas essen.«
Ich gönne ihm eine kurze Pause, beschließe jedoch, dass ich wissen muss, was an dieser Sache dran ist. Denn wenn es stimmt, was er gesagt hat, wenn seine Gefühle für mich so tief sind wie meine für ihn, dann … dann … Ich kann es nicht sagen. Ich weiß, dass es eine Bedeutung hat. Eine große. Aber zum ersten Mal in meinem Leben überfordert mich der Gedanke an die Zukunft. Ich sehe sie nicht mehr. Sie ist verschwommen und eigentlich doch klar. Aber auf jeden Fall unerreichbar.
Link reicht mir sein Hemd, um mich abzutrocknen, und rubbelt sich selbst mit seiner Hose ab. Der Stoff duftet so gut nach ihm, dass ich nicht widerstehen kann und es mir überziehe, doch ich knöpfe es nicht zu. Mich erregt der Gedanke viel zu sehr, dass Link mich ansehen kann, wann immer er möchte. Und er möchte es ziemlich oft.
Er holt aus seinem Rucksack Gefäße mit Sandwiches und Fleischbällchen hervor. Als Nächstes folgen zwei Dosen Bier.
»Du hast an alles gedacht«, sage ich.
»Ich wollte, dass du es schön hast.«
Wir essen einen Moment schweigend, lauschen den fremden Geräuschen der Natur. Den Grillen, Vogelrufen, einer Waschbärfamilie, die für ein paar Minuten am Ufer auftaucht.
»Sie sind neugierig auf dich geworden«, sagt Link lachend und liefert mir damit genau die Vorlage, die ich brauche, um das Gespräch wiederaufzunehmen, das er im Wasser unterbrochen hat .
Ich räuspere mich. »Link, wegen gerade eben«, sage ich zögerlich.
»Vergiss es«, sagt er, winkt mit einer lässigen Geste ab und streckt sich der Länge nach aus. Er stützt sich auf seinen Ellbogen und nimmt einen Schluck von seinem Bier. »War ein Kurzschluss.«
Aber ich lasse nicht locker. Ich muss es wissen. »Wenn du ehrlich bist, bin ich es auch«, sage ich. Seine Mundwinkel zucken leicht, er atmet aus und schließt für einen Moment die Augen.
»Aber sag hinterher nicht, ich hätte dich nicht gewarnt. Du hast es so gewollt, denk daran.« Er lacht, nimmt erneut einen Schluck von seinem Bier. Dann stellt er die Dose vor sich ab und betrachtet sie konzentriert, während er spricht. »Also gut. Ja, es stimmt wohl irgendwie.« Ich wage es kaum, zu atmen. »Du bist wie das Puzzleteil, das mir gefehlt hat. Mit dir – ich weiß nicht – fühle ich mich ganz. Und seit vorhin ist die Welt … irgendwie vollkommen geworden.« Er hebt den Blick. »Dir nah zu sein bewirkt, dass ich keine Angst habe.«
Mein Mund ist ganz trocken geworden, während er gesprochen hat, und auch ich nippe an meinem Bier. Mein Herz schlägt schnell, und in meinem Kopf ringen die wahnwitzigsten Gedanken miteinander. »Mir geht es genauso«, flüstere ich. »Du bist das perfekte Gegenstück zu mir. Es ist, als wäre ich mit dir endlich in Balance.«
Als ich ihn ansehe, fällt mir auf, dass er lächelt. »Ich weiß«, sagt er.
»Woher …?«
Doch er unterbricht mich. »So etwas kann nicht einseitig sein.«
Einen Augenblick schweigen wir. Dann frage ich: »Link?«
»Hm? «
»Wovor hast du Angst?«
Er streicht sich verlegen die Haare aus dem Gesicht. »Dass es vorbei ist«, sagt er.
»Dass was vorbei ist?«
»Das Jetzt.« Er schluckt.
»Was passiert denn, wenn das Jetzt vorbei ist?«, frage ich.
»… dann kommt das Danach. Und keiner weiß, wie das Danach wird.«
»Merkwürdig, dass du das sagst.« Ich zögere kurz. Dann: »Denn ich dachte immer, ich wüsste es.« Ich sehe auf, und unsere Blicke treffen sich. Sanfte Blicke, Blicke voller Zuneigung und Verständnis. »Ich hatte die ganze Zukunftssache im Griff. Alles, was ich getan habe, jede einzelne Entscheidung war für die Zukunft. Aber jetzt …«
»Jetzt ist jetzt«, sagt Link mit festerer Stimme. »Und ich will, dass es ewig andauert.«
Ich muss daran denken, wie er unser erstes Mal unterbrochen hat, damit es nicht aufhört. Und ich glaube, ich verstehe ihn. Ich verstehe, dass ich das Jetzt vernachlässigt habe. Dass die Zukunft nicht immer beeinflussbar ist.
»Das möchte ich auch«, sage ich, und als hätte Link nur darauf gewartet, kniet er sich hin und streift mir zum zweiten Mal an diesem Tag sein Hemd von den Schultern. Seine Bewegungen, seine sanften Befehle sind drängend, als gäbe es eine unsichtbare Macht, die verlangt, dass wir erneut eins werden.
»Ich will dich jetzt«, sagt er. »Sag, dass du mich willst.«
»Ich will dich«, erwidere ich atemlos, während er sich ein weiteres Kondom überzieht. Mit einem einzigen Stoß dringt er in mich ein, und diesmal hält ihn nichts zurück. Er verlangsamt seine Bewegungen kein einziges Mal, als wäre unser Liebesspiel eine Notwendigkeit, eine Sache auf Leben und Tod. Noch während er in mich stößt, wird mir auf ferne, verschwommene Weise bewusst, dass ich noch nie Zeuge wurde, wie ein Mensch sich so fallen lässt. Und allein der Gedanke daran lässt mich erzittern. Es ist eine machtvolle Ekstase, und obwohl ich selbst diesmal keinen Orgasmus habe, gehört dieser Moment zu den wunderbarsten, die ich je erlebt habe.
»Ich kümmere mich gleich um dich«, sagt Link schwer schnaufend an meinem Ohr, als er gekommen ist.
»Lieber nicht«, erwidere ich mit einem Lächeln. »Ich bin viel zu wund.«
»Oh«, macht er, »tut mir leid.« Er haucht einen Kuss auf meine Schläfe, dann auf meine Brust. Danach auf meinen Bauch und schließlich auf meine Vulva. Er öffnet meine Schamlippen und küsst mich ganz sanft und vorsichtig direkt auf meinen Eingang. Es fühlt sich schön an, heilsam. »Tut mir leid«, sagt er noch mal und kommt dann wieder nach oben zu mir. »Morgen«, kündigt er an und klingt nun wirklich müde. »Morgen verwöhne ich dich.« Und ein aufgeregtes Kribbeln durchfährt mich.
Kurze Zeit später hat Link eine weitere Decke aus seinem Rucksack gezogen und uns damit zugedeckt. Wir lauschen den Geräuschen der Nacht, genießen unsere Nähe. Wir riechen den Duft der Sümpfe, der sich mit dem Duft von unseren Körpern und von schwitzigem Sex vermischt hat. Es ist eine betörende Mischung, die mich schläfrig werden lässt.
Kurz bevor ich tatsächlich wegdämmere, regt Link sich neben mir. »Ich liebe alles an dir«, murmelt er, und ich zerspringe beinahe. Denn ich liebe auch alles an ihm.
30
Lincoln
Ich fühle mich, als würde ich schweben. Mit beiden Füßen fest auf dem Boden. Es mag komisch klingen, aber genau das trifft es. Ich spüre es bei jedem Schritt. Wenn mein Fuß federnd den Boden verlässt, wenn er wieder fest und sicher auf dem Boden aufkommt.
Eine Nacht mit Frenzy zu verbringen war das größte Glück und gleichzeitig das größte Unglück, denn wie soll irgendetwas diesem Vergleich standhalten? Oder vielleicht muss es das gar nicht. Vielleicht habe ich mein Nonplusultra gefunden. Ein zerbrechliches, flüchtiges Nonplusultra, dessen Gegenwart ich in mich aufsauge, dessen Nähe ich speichere, dessen Anwesenheit eine Kostbarkeit ist, solange sie anhält. Doch ich denke nicht darüber nach, was all das bedeutet. Ich lebe im Moment. Verdränge Verlust. Darin bin ich gut. Darin bin ich groß. Musik, Sex, Verdrängung. Die drei Pfeiler, auf denen mein Leben aufgebaut ist.
Da der Sex aufgrund von Mangel an Örtlichkeiten in den letzten Tagen deutlich zu kurz gekommen ist – zu mir nach Hause kann ich Frenzy nicht mitnehmen, und sie fühlt sich beim Gedanken nicht wohl, ihr Zimmer im Haus ihrer Gasteltern zu entjungfern –, bleibt die Verdrängung und die Musik. Heute proben wir endlich einmal wieder, Weston und Maya sind bei meinen Eltern, und wir haben den Proberaum die ganze Nacht für uns. Nicht nur arbeiten wir an unserem Timing und der Tightness mancher Songs, wir wollen außerdem ein paar neue Songideen austauschen und verfeinern.
Jasper hat gerade eine Melodie vorgespielt, die ihm laut eigener Aussage seit ein paar Tagen im Kopf herumspukt. Seine Melodien und Harmonien sind schon immer die ausgefeiltesten. Seine klassische Ausbildung kommt ihm dabei zugute. Bei Sal und Bonnie steht oft der Groove im Vordergrund. Und ich? Ich befinde mich irgendwo dazwischen.
Er schlägt sie immer wieder an, experimentiert mit Akkorden, Tempi u
nd Modi. Bonnie stimmt mit ein und begleitet ihn auf dem Bass, und auch Curtis beginnt mit dem Besen über seine Becken und Trommeln zu streichen. Tsss tsssp tsss tsssp. Ich summe die Melodie nach. Einmal, zweimal.
»Könnte das was für den Text sein, den du neulich über den spur of the moment geschrieben hast?«, fragt Jasper.
»Vielleicht, ja.« Ich räuspere mich. »Things are being said, things are being done. Nobody knows the meaning of it all … in the spur of the moment«, singe ich. Es ist nicht genau der Text, den ich geschrieben habe, aber so passt es besser zu Jaspers feiner Melodie.
Sal wippt im Takt, wartet, lauert auf seinen Einsatz. Und er findet ihn. Auf die Hundertstelsekunde perfekt mit einem Klang, der durch Mark und Bein geht. Nach ein paar Takten brechen wir ab, diskutieren, versuchen es wieder. So läuft es jedes Mal. Wir tauschen Ideen aus, feilen, verbessern. Jeder wird gehört, alles wird ausprobiert. Und manchmal haben wir am Ende eine Idee von einem Song, an der wir dann weiterarbeiten.
Während Jasper und Bonnie diskutieren, denke ich an den spur of the moment, in dem ich Frenzy beinahe aus Versehen gesagt habe, was sie mir bedeutet. Dieser Moment im Wasser nach unserem ersten Mal, nach ihrem Sprung. Ein Moment, der alles zwischen uns auf die Probe gestellt hat und durch den es noch enger, noch intensiver wurde. Ein Moment, in den ich die gesamte Verzweiflung gelegt habe, die ich in mir hatte, ohne so recht zu wissen, was ich tue. Und sie hat ihn genommen, angenommen, und statt auf die Bremse zu treten, sind wir gemeinsam vorangeprescht. In eine Zukunft, auch wenn sie nur von kurzer Dauer ist.
»Hey, Leute«, sage ich, denn mir kommt auf einmal eine Idee. »Ich habe auch eine Melodie im Kopf. Ich trage sie schon ein wenig länger mit mir herum als Jasper, und sie ist irgendwie etwas ganz anderes als das, was wir sonst spielen, aber ich glaube, vielleicht könnte man etwas daraus machen. Also, wenn ihr Lust habt.«
»Zeig«, sagt Sal, und ich tue, wie mir geheißen.
Die leisen Akkorde, die einfachen Tonabfolgen, aus denen sich diese für mich ganz untypische und besondere Melodie ergibt, erfüllen den Raum. Ich summe etwas dazu, doch einen Text gibt es noch nicht. Ich denke an mein Gespräch mit Blythe am Fluss, an den Augenblick mit Frenzy an ebendieser Stelle. Ich spiele die Melodie wieder und wieder. Dann halte ich inne.
»Was meint ihr?«, frage ich seltsam nervös.
Für ein paar Sekunden sagt niemand ein Wort. Dann räuspert sich Jasper. »Blythe hätte es geliebt«, sagt er und lächelt sanft. »Das ist genau der Sound, den sie sich von dir gewünscht hat, erinnerst du dich?«
Ich nicke und sehe kurz zu Bonnie. Doch sie hat ihren Blick auf den Boden gerichtet.
»Merkwürdig, oder? Dass ich jetzt damit ankomme?«, frage ich.
»Ehrlich gesagt, finde ich es gar nicht merkwürdig«, sagt Bonnie langsam.
»Wie meinst du das?«
»Na ja, du bist zum ersten Mal in deinem Leben dort, wo Blythe dich immer gesehen hat.« Sie zuckt mit den Schultern. Als sie meinen fragenden Blick bemerkt, sagt sie: »Sicher, Link. Du bist sicher. Du bist ruhig. Und ehrlich zu dir. Oder habe ich nicht recht?«
»Doch, das hast du«, gebe ich zu und spüre, wie sich eine zufriedene Wärme in mir ausbreitet.
»Spiel es noch mal«, sagt Jasper, und das tue ich. Nur diesmal begleitet er mich mit ein paar Akkorden auf dem Klavier. Die Harmonien sind weniger verspielt als sonst, der Klang ist klarer, auf den ersten Blick verständlicher vielleicht. Auch Bonnie setzt ein und mit ihr Curtis. Wir spielen ein paar Takte und kehren zum Anfang zurück. Wir wiederholen es so lange, bis wir das Gefühl haben, dass es stimmt. Und in diesem Moment spielt Sal ein Trompetensolo auf die Harmonien. Es ist ein heiseres, bewegtes Solo, das jeden von uns berührt. Es baut sich langsam auf, ganz vorsichtig und behutsam. Die Melodie ist auch bei Sal einfach, aber sie bringt etwas in uns allen zum Klingen, das merkt man ganz deutlich. Und dann kehren wir zur Melodie der Strophe zurück. Und ich habe Frenzys Gesicht vor Augen. Spüre ihren Körper an meinem Körper, ihre Haut unter meinen Fingern, unter denen eigentlich meine Gitarre ist. Frenzys Körper und der der Gitarre werden eins unter meinen Berührungen, und ich spiele mein Instrument, wie ich Frenzy spielen möchte.
»Wow«, sagt Bonnie ehrfürchtig, als wir langsam immer leiser werden und die Töne schließlich ganz verklungen sind. »Das ist der Wahnsinn, Link. Und Blythe hatte offensichtlich recht. Das kann auch unser Sound sein.«
Solange wir die richtige Inspiration haben, denke ich und lächle in mich hinein.
31
Franzi
Jemand rüttelt an der Tür, und sofort spanne ich mich an.
»Lass sie«, flüstert Link. »Ich habe abgesperrt.«
Aber die Stimmung ist dahin. Zwar spüre ich nach wie vor die heißen Bahnen, die Links Lippen und seine Zunge auf meinem Oberkörper hinterlassen haben, aber um hier im Lager des Cat’s Cradle mit ihm zu schlafen, brauche ich wenigstens das Gefühl, dass uns keiner stört.
Ich richte mich auf, und Link gibt ein frustriertes Stöhnen von sich.
»Wenn das so weitergeht, müssen wir bald wieder in die Sümpfe«, sagt er.
Die Erinnerung daran lässt mich meine Bedenken beinahe über Bord werfen. Aber gleichzeitig kommt es mir unwürdig vor, hier im Hinterzimmer einer Bar auf einem Sofa Sex zu haben, auf dem vermutlich schon Generationen von Musikern mit Generationen von Groupies geschlafen haben. Und Link ist einer von ihnen. Sein geübter Umgang mit dem zickigen Schloss … Ich bin mir sicher, dass er an genau diesem Ort bereits x Frauen vor mir hatte.
Ich angle nach meinem T-Shirt und ziehe es mir über. Die Tatsache, dass Link in den letzten Tagen immer wieder versucht hat, an den merkwürdigsten Orten mit mir Sex zu haben, schmeichelt mir. Das Feuer zwischen uns lässt meine lauten Gedanken in den Hintergrund treten. Und ich kann nicht behaupten, dass ich seit unserer Nacht in den Sümpfen an sonderlich viel anderes gedacht habe als an unsere schweißnassen, eng umschlungenen Körper. Die Sehnsucht nach ihm zerreißt mich beinahe innerlich, selbst wenn wir zusammen sind. Selbst wenn wir uns küssen. Selbst wenn ich sein Begehren spüre.
Auch heute konnte ich nach der letzten Zugabe gar nicht so schnell schauen, wie Link zu mir kam.
»Komm mit«, raunte er in mein Ohr und zog mich an der Hand hinter sich her. Zielstrebig bahnte er uns einen Weg durch die Menge, ignorierte all die Leute, die ihm auf den Rücken klopften und ihm zuriefen, wie gut er war.
In dem Moment, als die Tür hinter uns ins Schloss fiel, presste er mich dagegen und küsste mich so leidenschaftlich, dass unsere Zähne gegeneinanderschlugen. Ich spürte, wie er die Tür abschloss. Hörte sein Stöhnen, als unsere Zungen aufeinandertrafen.
Und nun wurden wir wieder gestört. Auch ich bin frustriert. Doch es muss eine bessere Lösung geben als das Lager im Cat’s Cradle.
»Ich …«, sagt Link jetzt und reibt sich über seine Haare. »Ich kann dich nicht erst den ganzen Abend ansehen und dich dann nicht haben. Das ist Folter.«
»Du hast mich angesehen?«, frage ich, obwohl es mir natürlich aufgefallen ist. Und natürlich habe ich ihn auch angesehen. Ich sehe nur noch ihn. Als wäre der Rest der Welt unsichtbar.
»Ich sehe dich immer. Selbst wenn du nicht da bist.«
Er beugt sich zu mir und haucht mir einen Kuss auf den Nacken. Ich liebe seine Berührungen, jede einzelne Empfindung, jeden Nadelstich, den ich auf der Haut spüre, wenn wir uns nah sind. Doch es reicht nicht. So wie es Link nicht reicht, ist es mir auch nicht mehr genug .
»Es wäre leichter, wenn wir zu dir könnten.« Ich weiß, dass er abblocken wird. Und eigentlich hatte ich vor, ihn nicht zu drängen. Aber gleichzeitig wäre es eine einfache Lösung für unser Problem.
»Wir könnten doch auch zu dir gehen«, sagt er ausweichend.
Diese Unterhaltung haben wir schon einmal geführt. Ich fühle mich nicht wohl bei dem Gedanken, Besuch mit zu Faye und Victor zu bringen. Erst recht nicht, wenn es sich dabei um Sex-Besuch handelt.
»Du weißt, dass das nicht geht«, sage ich sanft. »Es wäre nicht richtig.«
»Ich überlege mir was«, sagt er. »Versprochen.«
 
; Wieder ist er dem Thema elegant ausgewichen. Und heute Abend – ich weiß auch nicht – nervt es mich wieder einmal.
»Wo hast du denn mit den anderen geschlafen?«, frage ich, und mich durchzuckt ein feiner Stich beim Gedanken an »die anderen«.
»Frenzy?« Link runzelt die Stirn, weil er meinen leicht bitteren Tonfall bemerkt hat.
»Na komm schon, sag es. Eine der Optionen wird ja wohl gut genug für mich sein.«
»Keine Option ist gut genug für dich.«
»In dunklen Gassen? Am Fluss?«
Link räuspert sich. Er merkt, dass er mir nicht mehr ausweichen kann. Und beinahe tut es mir leid, dass ich ihn in Bedrängnis bringe. Aber in dem Moment, als ich mich auf ihn eingelassen habe, ist etwas passiert. Etwas Besonderes. Es war das erste Mal, dass ich eine so große Entscheidung getroffen habe, ohne an meine Zukunft zu denken. Und jetzt will ich nicht, dass sie umsonst gewesen ist.
»Bei ihnen zu Hause. Im Hotel. Keine Ahnung …«, sagt er le ise, und ich verfluche mich dafür, dass ich das Thema angeschnitten habe.
»Bei dir?«, frage ich.
Kurz flackert etwas in seinem Blick. »Nein«, sagt er.
»Und warum nicht?«
»Können wir das Thema wechseln?« Die Barschheit in seiner Stimme erschreckt mich.
Ich habe keine Lust mehr auf das hier. Und es geht nicht um Sex oder um dessen Abwesenheit, sondern einzig und allein darum, dass er mich zum wiederholten Mal abschmettert. Ich habe das Gefühl, ausgeschlossen zu werden aus einem Teil seines Lebens. Und auch wenn wir uns noch nicht lange genug kennen, um alles voneinander zu wissen, kommt es mir doch einfach seltsam vor.
Als ich mich einigermaßen abrupt erhebe, will er mich festhalten, doch ich entziehe ihm meine Hand.
»Ich habe keine Frau und sieben Kinder versteckt oder so. Ich deale nicht mit Drogen. Es ist nichts, was dich in irgendeiner Weise betrifft, was dich kümmern muss.«
»Alles gut, Link«, sage ich, aber es bleibt ihm nicht verborgen, wie angespannt ich bin.
Love is Loud – Ich höre nur dich Page 22