Faded Duet 2 - Faded - Wenn alles stillsteht

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Faded Duet 2 - Faded - Wenn alles stillsteht Page 20

by Julie Johnson


  Ich kann ihm nicht zuhören.

  Endlich erlange ich die Kontrolle über meinen Körper zurück, drehe mich um und renne zur Verbindungstür. Ich muss hier raus – weg von ihm, von ihr, von diesem ganzen verflixten Durcheinander. Mit jedem Schritt verfluche ich mich dafür, dass ich hergekommen bin. Dafür, dass ich auch nur für eine Sekunde dachte, dass wir die Sache zwischen uns wieder in Ordnung bringen könnten. Dafür, dass ich dachte, dass er bei dem Konzert heute Abend die gleichen Funken in der Luft zwischen uns gespürt hätte wie ich – hell wie Sternschnuppen.

  Wie konnte ich nur so dumm sein.

  Tränen brennen in meinen Augen, als ich zurück in meine Suite fliehe. Ich habe die Schwelle kaum überschritten, als ich auch schon herumwirbele, um die Tür zuzuknallen. Sie schließt sich nicht, sie hängt an etwas fest. Ich beiße die Zähne zusammen und schaue nach unten, wo ich einen vertrauten nackten Fuß im Türrahmen entdecke.

  »Ryder«, zische ich und drücke fest genug gegen die Tür, dass er das Gesicht verzieht, aber nicht fest genug, um ihn zu verscheuchen. »Verschwinde.«

  »Nein.«

  Ich zerre erneut an der Tür und zeige dieses Mal vollen Körpereinsatz, aber es nützt nichts. Mit verblüffender Leichtigkeit legt er eine Hand um die Tür und zwingt sie Zentimeter für Zentimeter weiter auf, bis mir keine andere Wahl bleibt, als nachzugeben. Einen Herzschlag später marschiert er in mein Zimmer und sieht in seinem zusammengeknoteten Duschhandtuch wie der Teufel persönlich aus. Seine Augen sind dunkler als die Sünde, als er auf mich zusteuert.

  Ich weiche so schnell zurück, wie es mir möglich ist. »Lass mich in Ruhe.«

  »Nein«, wiederholt er und senkt die Stimme zu einem Knurren, während die Tür hinter ihm ins Schloss fällt.

  Wo in aller Welt ist Carly?

  Ich stoße mit dem Rücken gegen die Wand. Nun sind mir offiziell die Fluchtmöglichkeiten ausgegangen. Ich kann kaum atmen, während ich zusehe, wie er auf mich zukommt. Er kommt näher und näher und bleibt erst stehen, als er nur noch ein paar Zentimeter von mir entfernt ist. Er ist mir so nah, dass ich den kleinen blauen Fleck in seinem braunen Auge erschreckend klar erkennen kann.

  Er spannt den Kiefer an, und mir wird klar, dass nichts und niemand sich ihm in den Weg stellen kann. »Sag mir, warum du in mein Zimmer gekommen bist.«

  »Das spielt keine Rolle. Du hattest Gesellschaft.« Ich recke das Kinn. »Und da wir gerade von deiner Gesellschaft reden: Du solltest vermutlich zu ihr zurückkehren. Sie vermisst dich bestimmt.«

  Er lacht, aber es liegt kein Humor darin. Sondern Verbitterung. »Du bist süß, wenn du eifersüchtig bist.«

  »Ich bin nicht eifersüchtig.«

  »Doch, das bist du!«, schnauzt er und ist gefährlich nah daran zu schreien. »Du kannst deinen ganzen platonischen Freunde-Mist nehmen und ihn dir in die Haare schmieren, Felicity. Du bist verdammt noch mal eifersüchtig. Und anstatt mit mir über das, was du gerade gesehen zu haben glaubst, zu reden, anstatt zuzugeben, dass der Anblick von mir mit jemand anders ausreicht, um dich in den Wahnsinn zu treiben, beschließt du, das zu tun, was du am besten kannst – wegzulaufen. Deine Schutzwälle hochzufahren. Mich auszublenden wie ein Kind, das einen Wutanfall hat.«

  »Oh, ich bin also ein Kind?«, keife ich. »Dieses nackte Mädchen in deinem Bett sah nicht älter als siebzehn aus. An deiner Stelle würde ich erst mal ihren Ausweis überprüfen, bevor du mit ihr in die Kiste steigst.«

  Seine Augen blitzen auf. »Sag mir noch mal, dass du nicht eifersüchtig bist.«

  Ich senke die Stimme zu einem gepressten Flüstern. »Ich. Bin. Nicht. Eifersüchtig. Verflixt noch mal.«

  »Tja, dann bist du eine verdammte Lügnerin.« Er fährt aufgebracht mit einer Hand durch sein Haar. »Herrgott, selbst wenn ich mit ihr schlafen wollte, würde es dich nichts angehen, oder? Weil das mit uns vorbei ist, richtig? Weil du immer wieder betonst, dass wir einander nichts bedeuten. RICHTIG, FELICITY?«

  »Schrei mich nicht an!«

  »Mach mich nicht wütend, dann schreie ich dich auch nicht an«, brüllt er mit voller Lautstärke und kommt noch näher. Sein Gesicht ist vor Wut ganz verzerrt.

  Ich zucke unwillkürlich zurück. Das Ergebnis eines seit langer Zeit tief sitzenden Instinkts. Erinnerungen an Veilchen und geprellte Rippen, an zerbrochene Lampen und demolierte Wände steigen in mir auf und überrollen mich wie eine Flutwelle. Egal wie viele Jahre vergangen sind, ein Teil von mir wird immer dieses kleine Mädchen sein, das irgendwo außer Reichweite in Deckung geht und Schutz vor dieser schwarzen, alles verschlingenden Wut sucht, die den Alltag meiner Kindheit prägte.

  Ein Monster in Gestalt eines Mannes, der mich eigentlich vor Ungeheuern hätte beschützen sollen.

  Ryder erkennt die Angst auf meinem Gesicht und erstarrt augenblicklich. Im Zimmer ist es so still, dass ich das Blut in meinen Ohren rauschen höre. Als ich den Blick zu seinem Gesicht hebe, sehe ich, dass er vor Schreck und Schmerz ganz blass geworden ist.

  »Du …« Er schluckt. »Du hast Angst vor mir?« Er schaut auf seine Hände hinunter, die er zu wütenden Fäusten geballt hat, als würden sie einem Fremden gehören. Sein entsetzter Blick verstärkt sich. »Denkst du, dass ich dir jemals wehtun könnte? Dass ich dich schlagen würde?«

  Die plötzliche Qual in seiner Stimme ist mehr, als ich ertragen kann. Bevor ich mich davon abhalten kann, strecke ich eine Hand aus und lege sie auf seinen nackten Arm. Das Gefühl – Haut auf Haut – jagt einen Schock durch unsere Körper.

  »Nein, Ryder.« Mein Fluchtinstinkt ist in den Hintergrund getreten, und meine Vernunft kehrt reumütig zurück. »Ich weiß, dass du mir niemals wehtun würdest. Nicht so.«

  Der neu aufblitzende Schmerz in seinen Augen ist nicht zu übersehen. Er reißt seinen Arm aus meinem Griff los. »Nicht so. Das bedeutet, dass du es mir zutraust, dir auf andere Weise wehzutun.«

  Ich schaue nachdrücklich über seine Schulter zur Tür.

  »Oh, um Himmels willen, Felicity. Ich habe diese Frau noch nie zuvor in meinem Leben gesehen! Ich kam aus der Dusche, und da saß sie. Wenn ich raten müsste, würde ich sagen, dass sie sich auf der Suche nach Linc oder Aiden in mein Zimmer verlaufen hat.«

  »Oh …« Meine Wangen laufen vor Scham rot an, als mir klar wird, dass ich ein kleines bisschen vermessen gewesen bin. Ich will den Blick von seinen Augen abwenden, kann ihnen aber nicht entkommen. Sie halten mich gefangen.

  »Ja. Oh. Wenn du mir vielleicht mal einen kleinen Vertrauensbonus schenken würdest, statt immer gleich wegzulaufen, hätten wir sie fragen können, was sie in meinem Zimmer verloren hat. Aber du bist ja wie immer davongelaufen.« Er schüttelt den Kopf. »Heute Nacht, vor zwei Jahren … Immer wenn du Angst bekommst, rennst du davon, Felicity.«

  »Beim letzten Mal …«

  »Ich habe genug vom letzten Mal. Ich habe genug von der Vergangenheit. Es reicht.« Er atmet schwer, und seine Stimme zittert angespannt. »Was empfindest du, Felicity? Wenn du mit mir zusammen bist, wenn wir gemeinsam auf der Bühne stehen und es nur noch dich und mich und die Musik gibt … Was fühlst du dann?«

  Alles.

  Die Vergangenheit, die Gegenwart, die Zukunft.

  Ich fühle mich leer, erfüllt, komplett.

  Ich fühle Schmerz, Wut, Liebe.

  Ich schaue ihn an und fühle alles.

  Er beugt sich vor. Seine gemeißelten Züge sind trotz seiner brodelnden Wut wunderschön. »Du magst es nur ungern zugeben, aber ich sehe es in deinen Augen. Ich mache Fortschritte darin, hinter diese Mauer zu schauen, die du um dich herum aufgebaut hast, Baby. Und ich kenne die Wahrheit. Ich bin dir immer noch wichtig. Trotz all deiner Gleichgültigkeit, trotz der tapferen Miene, die du aufsetzt … Dieser Tanz, den wir hier aufführen, geht dir ebenso sehr an die Substanz wie mir.«

  Ich leugne es nicht. Es hat keinen Sinn. Ich klappe den Mund auf, um etwas zu sagen, schaffe es jedoch nicht, die Worte auszusprechen.

  »Felicity.« Er kommt noch näher und bewegt sich so vorsichtig, dass es mir das Herz
bricht. »Ich weiß nicht, wie viel länger ich das noch ertragen kann. Ich weiß nicht, wie viel länger ich dieser Hölle noch widerstehen kann, bis wir beide zu Asche verbrannt sind.«

  Er wirkt vollkommen fertig und von Sehnsucht zerrissen. Sowohl körperlich als auch emotional. Als würde ihn die Sehnsucht von innen heraus verbrennen.

  Ich weiß ganz genau, wie er sich fühlt.

  Mein Blick zuckt zu seiner Brust, und endlich kann ich mir sein neues Tattoo aus der Nähe ansehen. Es ist winzig – nur fünf einfache Buchstaben –, aber es verschlägt mir den Atem.

  Wilde.

  Es steht in Schreibschrift direkt über seinem Herzen, wie ein ewiger Schwur, der in seine Haut eingraviert wurde.

  Ich zittere vor Nervosität, als ich mich nach hinten an die Wand lehne, um mich abzustützen, denn meine Knie sind plötzlich ganz weich. Es kostet mich mehr Kraft, als ich zugeben will, um die nächsten Worte über meine Lippen zu zwingen.

  »Was willst du von mir, Ryder?«

  »Ich will gar nichts von dir, Felicity.« Er atmet scharf ein. »Ich will nur dich.«

  »Nur mich.« Mein Lachen ist wie ein Blitz, der die Luft durchschlägt. »Du tust so, als wäre das so einfach. Als gäbe es eine offensichtliche Lösung, die ich übersehen habe und die zwischen uns alles wieder in Ordnung bringen wird. Als könnte ich dir einfach so meine Seele anvertrauen in der Hoffnung, dass du sie nicht zerbrechen wirst.« Ich schüttle den Kopf. »So einfach ist das nicht.«

  »Zwischen uns ist es nie so einfach. Und das wird es auch nie sein. Es ist verdammt noch mal unmöglich, jemanden zu lieben und nicht verletzt zu werden. Gott, denkst du, dass das leicht für mich war? In deiner Nähe zu sein, nur Zentimeter von dir entfernt und dich nicht berühren zu dürfen? So zu tun, als wäre ich einfach nur einer von den Jungs – dein Bandkollege, dein verdammter Freund –, wenn ich doch eigentlich am liebsten …«

  Er beißt die Zähne zusammen, um den Rest seiner Worte für sich zu behalten, aber ich kann sie strahlend hell in seinen Augen aufleuchten sehen. All die Sünden, die er mir gerne antun würde mit liebkosenden Lippen und knabbernden Zähnen und nikotinverfärbten Fingern. Er zittert immer noch vor Anspannung, ein Mann kurz vor dem Zusammenbruch.

  Ich will nur dich.

  Ryder bleibt vollkommen bewegungslos, als ich mich von der Wand abdrücke. Ich lehne mich vor, nur den Bruchteil eines Zentimeters, und achte darauf, ihn nicht zu berühren, während ich den Kopf hebe. Der Abstand zwischen uns wird immer kleiner, bis die Einheiten so winzig sind, dass ich keine Bezeichnungen mehr für sie habe. Ich spüre seinen Atem auf meinen Lippen. Er kommt in abgehackten Stößen der Leidenschaft. Ich sehe, wie sich seine Pupillen im schwachen Licht meiner Nachttischlampe weiten, während ich am Rand von etwas kauere, das sehr viel beängstigender ist, als in einer ausverkauften Arena zu singen, und sehr viel erschreckender als die Vorstellung, meinen Eltern in einem Gerichtssaal gegenüberzutreten.

  Er.

  Wir.

  Jetzt.

  »Wenn du doch eigentlich am liebsten … was tun willst, Ryder?«, murmle ich an seinem Mund. Es ist eine eindeutige Herausforderung.

  Er beantwortet sie mit einem Knurren und presst seine Lippen auf meine. Es ist der wildeste, brutalste und atemberaubendste Kuss meines ganzen Lebens. Sein Mund ist hart und unerbittlich. Er verschlingt mich. Er beraubt mich all meiner Sinne. Ich erwidere den Kuss mit aller Leidenschaft, die ich besitze – zwei Jahre voll angestauter Sehnsucht und Schmerz und Lust, ein bodenloser Sturzbach aus Pein und Einsamkeit und Verlangen fließen aus mir heraus und in ihn hinein.

  Er drückt mich mit den Händen so fest an die Wand, dass das Gemälde über dem Bett wackelt. Er ist vor Ungeduld und Leidenschaft und ja, sogar vor Wut ganz grob, während er seine Zunge in meinen Mund schiebt und Anspruch auf etwas erhebt, das er nie ganz aufgegeben hat.

  »Du gehörst mir«, knurrt er an meinem Hals und beißt so fest in das empfindliche Fleisch, dass ich mir sicher bin, dass seine Zähne Spuren hinterlassen werden. »Hörst du mich? Mir. Mit Körper und Seele, Baby.«

  Ich erwidere nichts, sondern ziehe ihn einfach nur näher an mich heran und kratze mit den Fingernägeln über seine nackte Haut. Mir ist vage bewusst, dass sein Handtuch zu Boden gefallen ist und er komplett nackt an mich gepresst ist. Er pocht vor Verlangen und ist unglaublich hart, als er meine Hüften mit seinen gegen die Wand drückt. Dieses Gefühl lässt mich nur noch waghalsiger, noch stürmischer werden.

  Liebe mich so intensiv, dass ich unsere Vergangenheit vergesse.

  Zerlege mich in Stücke aus Lust.

  Nimm mich Stück für Stück auseinander.

  Ich recke den Hals, als er erneut meinen Mund für sich beansprucht. Seine Zunge treibt mich an den Rand der Ekstase, während er mit den Händen an meinem Körper entlang nach unten streicht. Als er eine davon unter mein Kleid schiebt, spüre ich, wie meine ganze Welt aus den Angeln gehoben wird.

  Gott.

  Ja.

  Das.

  »Felicity.« Er legt seine Stirn gegen meine und bewegt seine Finger auf magische Weise. »Ich muss es dich sagen hören.«

  Ein lustvolles Keuchen ist meine einzige Reaktion.

  »Sag es«, befiehlt Ryder und packt mit der anderen Hand mein Kinn, um meinen Blick auf sich zu richten. »Du wirst nicht mehr weglaufen. Egal, was nach der Tournee passiert, wir werden das gemeinsam angehen. Uns dem Schicksal gemeinsam stellen.«

  Ein unbehagliches Flackern schießt durch mein von Lust vernebeltes Hirn.

  Nach der Tournee?

  »Wen kümmert die Zukunft? Küss mich«, fordere ich atemlos. Doch er tut es nicht. Sein Gesicht verfinstert sich, und er zieht seine Finger zurück. Ich schreie auf, als ich diesen plötzlichen Verlust verspüre. Meine Schenkel ziehen sich zusammen, während ungezügelte Leidenschaft durch meinen Körper rauscht.

  »Mich kümmert sie.«

  Seine Stimme ist ganz leise, weil er sich zusammenreißen muss. Ich kann den Beweis seiner Leidenschaft immer noch fest an mich gepresst spüren, und ich weiß, wie schwer es für ihn ist, sich zurückzuhalten.

  »Ryder …«

  »Sag mir, dass du mir gehörst, Felicity.«

  Meine Benommenheit lässt ein wenig nach, als ich zu ihm hinaufschaue. Mein Kopf ist von seiner Berührung immer noch benebelt, und meine Lippen sind von seinen Küssen ganz geschwollen. »Ich …«

  »Versprich mir, dass du nicht wieder weglaufen wirst, wenn wir das hier tun.« Ich habe ihn noch nie so ernst erlebt. Er klingt fast feierlich, und sein Blick ist skeptisch und vorsichtig. »Versprich mir, dass du bleiben wirst.«

  Meine Kehle zieht sich zusammen. Ich klammere mich fester an ihn, obwohl ich weiß, dass die Worte, die ich nun sagen werde, nicht die sind, die er hören will.

  »Das kann ich dir nicht versprechen.«

  Er versteift sich und setzt eine gleichmütige Miene auf, die den Schmerz, den ich in seinen Augen aufflackern sehe, jedoch nicht ganz verbergen kann. Er lässt die Hände an die Seiten sinken und hält mich nicht länger fest. Als er sich wieder so weit unter Kontrolle hat, dass er sprechen kann, ist sein Tonfall kehlig und voller Sehnsucht und Schmerz.

  »Du liebst mich. Das weiß ich. Du kannst mich nicht so küssen und dann so tun, als hätte das nichts zu bedeuten.«

  »Ich habe nie gesagt, dass es nichts bedeutet. Es bedeutet etwas«, versichere ich ihm und versuche, ihn zu mir zurückzuziehen. Er rührt sich jedoch nicht vom Fleck – wie eine unnachgiebige Statue. Ich höre auf, an ihm zu zerren, und spüre, wie mir angesichts des Ausdrucks in seinen Augen die Worte im Hals stecken bleiben. »Das hier … Du und ich … Das ist das Gegenteil von bedeutungslos. Es bedeutet alles.«

  Er beäugt mich misstrauisch, als ich mit meinem Finger das Tattoo mit meinem Namen auf seiner Haut nachzeichne. Ich kann spüren, wie sein Herz unter meiner Fingerspitze heftig pocht. Er schließt die Augen, als würde er krampfhaft versuchen, sich zurückzuhalten. Ich kämpfe gegen die Tränen an und versuche das Gleiche.
r />   Kopfschütteln.

  Ein Herz, das bricht.

  »Du hast mich gefragt, was ich empfinde, wenn ich dich anschaue.« Mein Flüstern klingt wie ein Klagelaut. »Das ist das Problem. Alles, was ich empfinde, ist mit Erinnerungen und Musik, mit Tablettenfläschchen und schmerzhaften Abschieden verwoben. Mit Geheimnissen und Lügen und gebrochenen Versprechen. Ich bekomme das in meinem Kopf nicht richtig sortiert. Noch nicht. Zwischen uns gibt es noch so viel zu klären, Ryder.« Eine Träne rollt über meine Wange, aber ich zwinge mich, den Rest auszusprechen, obwohl ich nur zu gut weiß, dass ich uns damit beide zu noch mehr Elend verdamme. »Und selbst wenn wir eine Möglichkeit finden sollten, weiterzumachen und uns einen Weg durch die Trümmer unserer Vergangenheit zu bahnen … haben sich unsere grundlegenden Probleme nicht verändert. Du und ich wollen unterschiedliche Dinge. Unterschiedliche Leben. Das war schon immer so.«

  »Ich will nur dich.« Seine Stimme bricht. »Zum Teufel mit dem Rest, Felicity. Sag mir, dass du mir gehörst, und wir finden eine Lösung. Sag mir, dass du an meiner Seite sein wirst, und ich verspreche dir, dass wir das hinbekommen werden.« Seine Augen werden für einen Moment weich, und ich sehe die Liebe, die hell unter der Wut hindurchschimmert. »Lauf nur ein einziges Mal in deinem Leben nicht davon, Baby. Bleib hier und kämpfe an meiner Seite.«

  Mein Herz hämmert. In diesem Moment will ich tun, was er sagt. Ich will mich nur vorbeugen und meine Lippen auf seine pressen. Ich will ihm von ganzem Herzen für jetzt und alle Zeiten Treue schwören. Ich will ihm sagen, dass nichts eine Rolle spielt – weder wer wir sind, noch welche Richtung wir einschlagen werden.

  Es gibt nur uns.

  Nur das hier.

  Ihn und mich.

  Keine Vergangenheit, keine Zukunft.

  Ich sah zu, welches Leben meine Mutter führte und wie sie ihr Schicksal an einen Mann band, der sie zerstörte. Sie redete sich ein, dass nichts anderes eine Rolle spielte, solange sie ihn hatte. Ich sah zu, wie diese Entscheidung sie Tag für Tag ein wenig mehr zugrunde richtete. Ich sah zu, wie sie sich ins Fadenkreuz der Verzweiflung begab und bereitwillig jede Kugel abfing, solange sie ihn nur bei sich halten konnte.

 

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