Was auch immer geschieht 01 - Finding back to us

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Was auch immer geschieht 01 - Finding back to us Page 9

by Iosivoni, Bianca


  Mit einem Knurren schob ich diese Erinnerung beiseite. Das war eine Ewigkeit her. Inzwischen hatte ich den Dreh raus und kochte die besten Nudeln im ganzen Wohnheim. Nimm das, Mrs Carter!

  Ich hörte Schritte hinter mir, drehte mich jedoch nicht um. Dafür war ich zu sehr darauf konzentriert, dieses Ei aufzuschlagen, ohne die Arbeitsfläche in ein klebriges Schlachtfeld zu verwandeln. Erst als sich jemand hinter mich stellte und über meine Schulter spähte, erstarrte ich.

  »Was machst du da?« Keiths verschlafene Stimme war viel zu nahe an meinem Ohr.

  »Pancakes«, murmelte ich und kämpfte mit aller Macht gegen das minimale Zittern meiner Finger an. »Stör mich nicht dabei.«

  Natürlich hörte er nicht auf mich. Das wäre auch eine Premiere gewesen. Ich konnte sein arrogantes Grinsen regelrecht vor mir sehen, obwohl er noch immer hinter mir stand und sich jetzt auch noch mit den Händen links und rechts von mir auf der Arbeitsfläche abstützte.

  »Nach Rezept?«, murmelte er. Die leise Belustigung in seiner Frage entging mir keineswegs.

  »Sie sollen gut werden.«

  »Essbar meinst du wohl.«

  »Verschwinde – oder ich sorge für weitere blaue Flecken«, zischte ich. Verdammt, wieso machte mich seine Nähe so nervös? Das war doch letzte Nacht auf dem Dach auch nicht so gewesen. Allerdings hatte er da mit Sicherheitsabstand neben mir gelegen, anstatt so dicht hinter mir zu stehen, dass sein warmer Atem über meine Haut strich, als er leise lachte. Ich verspannte mich noch mehr. Bloß keine Reaktion zeigen. Bloß keine …

  »Hier.« Keith legte seine Hände auf meine. »Lass mich dir helfen, bevor du deinen Frust an dem armen Ei auslässt.«

  Ich wollte protestieren, aber er dirigierte meine Hand zum Schüsselrand, veränderte den Winkel etwas und schlug das Ei dagegen. Keine Katastrophe. Kein Schlachtfeld. Das glibberige Innere sprang mir auch nicht ins Gesicht, sondern glitt in die Schüssel. Ohne Schale.

  »Wie hast du das gemacht?«, rief ich und vergaß für einen Moment, wie nahe Keith mir noch immer war.

  »Ganz einfach.« Er platzierte seine Hände wieder links und rechts von mir auf der Arbeitsplatte. »Du darfst es nicht mit so viel Gewalt aufschlagen. Das ist das ganze Geheimnis.«

  Bei ihm klang es so einfach. Ich hatte mehr knuspriges Rührei gekocht als ich zählen konnte, weil immer etwas von der Schale hineingefallen war. Wenn es nicht vorher schon eine Explosion in der Küche gegeben hatte. Als ich jetzt die Schüssel heranzog und umzurühren begann, wurde ich mir Keiths Nähe wieder bewusst. Wieso stand er noch immer hier und sah mir beim Kochen zu, als würde es sich dabei um ein spannendes Footballspiel handeln?

  Ich öffnete den Mund, um ihn genau das zu fragen und ihn im Anschluss Bekanntschaft mit meinem Ellbogen schließen zu lassen, aber er kam mir schon wieder zuvor. Für den Bruchteil einer Sekunde rieben seine Bartstoppeln über meine Schläfe und ich schnappte nach Luft.

  »Riecht gut«, raunte er, dann löste er sich von mir und trat zurück.

  Meine Beine zitterten so sehr, dass ich mit dem Rühren pausieren und mich am Küchentresen abstützen musste. Was zum Teufel war das eben gewesen? Obwohl alles in mir danach drängte, mich zu Keith umzudrehen, tat ich es nicht, sondern konzentrierte mich weiter auf die Pancakes. Ich wollte ihm nicht auch noch die Genugtuung geben, zu sehen, was er in mir anrichtete. Der kurze Moment während unseres Tanzes gestern Abend war schon schlimm genug gewesen. Aber ihm auch noch am helllichten Tag zu zeigen, dass mich seine Nähe nicht so kaltließ, wie ich es mir und allen anderen einzureden versuchte? Auf keinen Fall.

  Ich schüttete das Milch-Butter-Ei-Gemisch in die andere Schüssel und vermengte alles miteinander. Laut Rezept sollte das die fluffigsten Pancakes der Welt ergeben. Aber wenn sie auch nur halbwegs essbar werden sollten, benötigten sie meine volle Aufmerksamkeit, also blendete ich Keiths Anwesenheit so gut wie möglich aus.

  Als ich die ersten Pancakes aus der Pfanne auf den bereitstehenden Teller gleiten ließ, hörte ich Schritte im Haus. Kurz darauf betrat Stella die Küche und ich atmete innerlich auf. Na endlich.

  »Oh Gott, ich werde nie wieder trinken.« Mit einer Hand an ihrem Kopf blieb sie mitten im Raum stehen und musterte mich von oben bis unten.

  Ich hatte mich nicht umgezogen, nachdem ich ohnehin nur zwei Stunden geschlafen hatte. Bestenfalls. Das Haar hatte ich mir mit einer Klammer lose hochgesteckt und trug noch immer mein pinkfarbenes Schlafshirt.

  »Du kochst …?« Ihr besorgtes Stirnrunzeln hätte mich verletzen sollen, aber angesichts der ungeplanten Mordversuche, die ich ihr schon als Essen getarnt serviert hatte, überraschte mich ihr Misstrauen nicht.

  Ich hob den Pfannenwender. »Pancakes. Sie sind essbar.«

  »Zumindest wird keiner von uns an Eierschalen ersticken«, fügte Keith hinzu, während er damit begann, den Frühstückstisch zu decken.

  Ich warf ihm einen vernichtenden Blick zu, hielt jedoch den Mund. Denn leider hatte er recht.

  Stella goss sich ihren Kaffee ein und strich mir liebevoll über die Schulter. Allerdings entging mir ihr prüfender Blick auf die aufgetürmten Pancakes nicht. Himmel, als ob mir keine kreativere Methode einfallen würde, wenn ich sie alle töten wollte. Ich hatte die letzten zwei Jahre damit verbracht, alles über die menschliche Anatomie zu lernen, was es zu lernen gab. Wenn jemand wusste, wie man jemanden töten konnte, dann ich. Und die wenigsten Methoden hatten mit Essen zu tun.

  Kaum dass sich Stella an den Tisch gesetzt hatte, stellte Keith ihr ein großes Glas Wasser hin und drückte ihr zwei Tabletten in die Hand.

  Sie lächelte müde. »Danke.«

  »Immer gern, Frau Doktor.«

  Stella zog eine Grimasse, nachdem sie die Schmerzmittel geschluckt und das Glas ausgetrunken hatte. »Das werde ich mir für den Rest meines Lebens anhören dürfen, oder? Verkaterte Ärztin wird von ihren Kindern umsorgt.«

  »Jepp.« Grinsend betrat Holly die Küche und machte es sich auf dem Stuhl neben Stella bequem. »Was gibt’s zu essen?«

  Wie dieses Mädchen ohne Kaffee am frühen Morgen funktionieren konnte, würde ich nie verstehen. Ich hatte bereits meine zweite Tasse getrunken, um halbwegs wach zu sein, während sie vollkommen ohne auskam – und dabei auch noch gute Laune versprühte.

  »Pancakes«, antwortete ich und stellte den Teller in die Mitte des Tisches. »Greift zu. Der Sirup steht schon bereit und der Bacon ist gleich fertig.«

  »Den übernehme ich.« Keith nahm mir den Pfannenwender aus der Hand und deutete auf den Frühstückstisch. »Setz dich. Du hast schon genug getan.«

  Holly schnaubte in ihr Orangensaftglas. »Das ist seine charmante Art, dir zu sagen, dass er verhindern will, dass du den Bacon anbrennen lässt.«

  Ich ließ mich auf den Platz ihr gegenüber fallen, riss ein Stück von meinem Pancake ab und warf es nach ihr.

  »Mom!«, rief sie gespielt entrüstet. »Callie bewirft mich mit Essen!«

  Tadelnd schüttelte Stella den Kopf, doch in ihren Augen funkelte es belustigt. »Wie alt seid ihr? Zwölf?«

  »Holly bestimmt.«

  Diesmal flog ein Stück Pancake in meine Richtung, und Holly streckte mir die Zunge raus, als Stella mit dem Ahornsirup beschäftigt war und gerade nicht hinsah. Na warte! Ich holte in dem Moment aus, als Stella aufblickte. In letzter Sekunde tarnte ich meine Attacke damit, mich nur ausgiebig zu strecken. Auf der gegenüberliegenden Seite des Tisches grinste Holly mich vergnügt an. Punkt für sie.

  »Sag mal, Callie …«, begann Stella und griff nach ihrem Besteck. »Du bist jetzt seit vier Tagen wieder hier. Wie kommt es, dass du uns noch nichts von deinem Studium erzählt hast?«

  Mein Magen verkrampfte sich und ich senkte meine Gabel, da mir plötzlich der Appetit vergangen war. Es war nur eine Frage der Zeit gewesen, bis Stella mich dazu löchern würde. Um ehrlich zu sein, war ich überrascht, dass sie es überhaupt so lange ausgehalten hatte, ohne das Thema anzuschneiden. Anscheinend war meine Schonfrist abgelaufen.

  »Da gibt es nicht viel zu e
rzählen«, erwiderte ich schulterzuckend. »Ich lerne die ganze Zeit.«

  »Das erklärt auch den Zombielook mit der blassen Haut und den Augenringen«, warf Holly ein.

  Ich streckte ihr die Zunge raus, unterdrückte aber den Impuls, sie unter dem Tisch zu treten. Denn leider hatte sie recht.

  »Abgesehen davon läuft es prima«, beendete ich den kürzesten Bericht der Geschichte. Ich hatte die Worte kaum ausgesprochen, da wusste ich bereits, dass sie eine Lüge waren. Sicher, mein Notendurchschnitt war gut und ich gehörte zu den Besten in meinem Jahrgang – selbst wenn ich in Biochemie durchgefallen war. Doch anders als meine Kommilitonen konnte ich nicht die gleiche Begeisterung aufbringen, wenn ich von meinem zukünftigen Beruf sprach. Stella zuliebe setzte ich jedoch ein Lächeln auf.

  »Hattest du die Einführung in die Klinische Medizin schon?« Interessiert musterte sie mich über den Rand ihrer Kaffeetasse hinweg.

  »Ja.« Ich nickte ihr zu und schob mir eine Gabel voll Pancake in den Mund, um Zeit zu gewinnen. »Es war wirklich spannend.« So spannend, dass ich einen ganzen Block mit Doodles und bruchstückhaften Songtexten vollgekritzelt hatte, statt aufzupassen.

  Keith stellte die Pfanne mit dem gebratenen Bacon auf den Tisch und setzte sich neben mich. Er mischte sich mit keinem Wort in unser Gespräch ein, sondern schaufelte haufenweise Pancakes und Bacon auf seinen Teller, aber ich ahnte, dass sein Desinteresse nur vorgetäuscht war. Vielleicht lag es daran, wie sein Blick immer wieder den meinen kreuzte oder wie sich seine Lippen kräuselten, als wäre er mit meinen Antworten unzufrieden.

  »Und wie läuft es mit Biochemie?«, hakte Stella weiter nach. »Da ist die Durchfallquote ja besonders hoch.«

  »Mom«, unterbrach Holly sie und zog dabei das Wort in die Länge. »Callie will in den Ferien sicher nicht über Medizin reden. Sie wird dir schon Bescheid sagen, wenn sie Fragen oder Schwierigkeiten hat.«

  Ich lächelte ihr dankbar zu.

  »Oh. Natürlich.« Für den Bruchteil einer Sekunde hatte ich das Gefühl, dass sich die Enttäuschung wie ein Schatten auf Stellas Gesicht legte, doch der Ausdruck verschwand so schnell wieder, dass ich nicht sicher war, ihn wirklich gesehen zu haben. »Du kannst dich jederzeit bei mir melden, Liebes. Die Hälfte hast du bereits geschafft, und dann ist es Zeit für den Medical College Admission Test. Ich weiß noch genau, wie nervös ich damals war.«

  Nervös war ich nicht wirklich, zumal mir der MCAT erst in knapp zwei Jahren bevorstand. Bei der Vorstellung drehte sich mir vielmehr der Magen um.

  Vermutlich hätte Stella stundenlang weiterreden können, aber Holly lenkte sie erfolgreich mit ihrer bevorstehenden Weltreise und der Frage danach ab, welche Impfungen sie noch benötigte. Ich hörte nur mit halbem Ohr zu, während ich in meinem Essen herumstocherte und mir einredete, dass es von allein von meinem Teller verschwinden würde, je mehr ich es zerkleinerte.

  Etwas Warmes berührte mein linkes Knie und ließ meine Gabel mitten in der Luft erstarren. Mein Herz begann zu hämmern, noch bevor mein Verstand alle Sinneseindrücke erfasst hatte und mir eine schlüssige Erklärung lieferte: Keith. Er musste sich bewegt haben, wodurch sein Knie zufällig meins gestreift hatte. Nur dass die Berührung nicht flüchtig war, sondern andauerte. Wärme prickelte auf meiner nackten Haut und breitete sich über mein gesamtes Bein aus.

  Ich hob den Kopf, drehte ihn zur Seite – und begegnete Keiths Blick. Für einen winzigen Moment stockte mir der Atem. Er zog sein Knie nicht zurück, obwohl er spätestens jetzt bemerkt haben musste, wen er da unterm Tisch berührte. Jeder andere hätte sich entschuldigend zurückgezogen, aber nicht er. Oh nein. Dieses Exemplar Mann zog die Mundwinkel in die Höhe und betrachtete mich mit einem Funkeln in den Augen, das eine eindeutige Herausforderung war.

  Die Situation war klar: Ich sollte mein Bein wegziehen, aber mein Körper schien nicht mehr dazu in der Lage zu sein, auf die Befehle meines Gehirns zu hören. Ich nickte halbherzig zustimmend, als Holly von den Sehenswürdigkeiten Balis schwärmte, und trank einen großen Schluck von meinem Kaffee. Neben mir verhielt sich Keith völlig unauffällig. Er neckte Holly, nahm sich noch einen Pancake und etwas Bacon und wirkte so, als wäre dies das normalste Familienfrühstück der Welt. Nur dass sein Bein noch immer meines berührte und weder er noch ich etwas taten, um diesen Umstand zu ändern.

  Es war wie am Abend zuvor, als seine Nähe mich während unseres Tanzes eingelullt hatte. Reiß dich gefälligst zusammen, Callie! Ich klammerte mich an meine Tasse, aber statt von Keith abzurücken, schien sich mein Knie noch mehr an seines zu pressen. Böses Knie. Ich sollte Keith auf den Fuß treten oder ihm meinen Kaffee in den Schritt schütten, stattdessen blieb ich bewegungslos sitzen, während sich all meine Sinne auf diese winzig kleine Berührung konzentrierten. Was zum Teufel war nur los mit mir?

  »Was sagt ihr dazu? Callie?« Die Stimme meiner Schwester riss mich aus meiner Trance. Ich zuckte zusammen und verschüttete etwas von meinem Kaffee. Natürlich nicht auf Keith, sondern auf meine Hand und meinen nackten Oberschenkel.

  »Was? Worum geht’s?«, hakte ich nach und stellte die tropfende Tasse ab. »Ich hab nicht zugehört.«

  »Offensichtlich«, kam es von Keith, der mir jetzt eine Papierserviette hinhielt. Seine Miene war völlig ernst, aber seine Mundwinkel zuckten verdächtig. Oh, er wusste genau, welche Wirkung er auf mich hatte, und er genoss jede Sekunde davon. Eines Tages würde ich dem Drang nicht mehr widerstehen können und ihn umbringen. Vielleicht sollte ich bis dahin schon mal eine Schaufel organisieren …

  »Ob wir heute etwas zusammen unternehmen wollen.« Holly sah zwischen Keith und mir hin und her. »Es ist eine Ewigkeit her.«

  Am liebsten hätte ich sofort abgelehnt. Schlimm genug, gestern Abend und diesen Morgen mit dieser Person verbringen zu müssen, aber dann auch noch den ganzen Tag? Auf keinen Fall. Nicht mit mir. Nicht mal, wenn es die Menschheit vor ihrer Ausrottung retten würde. Nein. Ich setzte gerade dazu an, eine Ausrede zu erfinden, als Hollys Unterlippe zu zittern begann.

  »Bitte …«, sagte sie leise. »In ein paar Wochen bin ich doch schon weg und wer weiß, wann wir alle wieder Zeit miteinander verbringen können?«

  Oh, sie war gut. Ich kannte diesen Blick von ihr und hatte ihm standgehalten, seit aus dem süßen Kleinkind ein mit allen Wassern gewaschener Teenager geworden war. Doch diesmal konnte ich ihr die Bitte nicht abschlagen, weil sie recht hatte – dies hier war auch unser letzter gemeinsamer Sommer zu Hause. Noch knapp drei Monate lang würde ich die Zähne zusammenbeißen und meine Wut hinunterschlucken müssen, doch wenn diese Zeit vorbei war, würde ich Keith Blackwood nie wiedersehen. Zumindest würde ich alles daransetzen, ihm nie wieder über den Weg laufen zu müssen.

  Seufzend warf ich die Serviette auf den Tisch und griff wieder nach meiner Gabel. »Was schwebt dir vor?«

  6

  Als Holly davon gesprochen hatte, etwas Zeit mit Keith und mir verbringen zu wollen, hatte ich an ein Brettspiel oder einen Trip in die nächste Stadt gedacht. Ganz sicher nicht daran, dass sie einen Tagesausflug in den Talladega National Forest geplant hatte. Samt Wanderschuhen, Rucksäcken, gefüllten Wasserflaschen und eingepackten Sandwiches für unterwegs.

  »Ich fahre.« Noch bevor Keith auch nur auf den Gedanken kommen konnte, nach den Autoschlüsseln zu greifen, nahm ich sie von der Kommode und schob sie in die Tasche meiner Shorts.

  Keith erwiderte nichts darauf, hielt meinen Blick jedoch so fest, als wollte er mich allein damit dazu bringen, ihm wieder zu vertrauen. Ja, klar. Als ob das je passieren würde.

  »Ich kann auch fahren«, warf Holly in unser stummes Duell ein. »Oder wenigstens zurück.«

  »Klar.« Ich brach den Blickkontakt als Erstes ab. Mit dem Rucksack in der Hand trat ich nach draußen in die langsam zunehmende Wärme eines Frühsommertages.

  Stella hatte darauf bestanden, dass wir ihren Jeep nahmen. Ich glitt hinters Lenkrad, Holly auf den Beifahrersitz und Keith kletterte auf die Rückbank. Bevor wir die Küche verlassen hatten, hatte Stella leise auf ihn eingeredet. Seltsam eigentlich. Ich h�
�tte eher damit gerechnet, dass sie mich beiseitenahm und darum bat, ihren einzigen Sohn nicht von einer Klippe zu schubsen. Natürlich hätte ich ihr dieses Versprechen ohne zu zögern geben können. Schließlich gab es noch Flüsse und Seen, in die man fallen und in denen man ertrinken konnte, Wurzeln und Steine, über die man stolpern und sich das Genick brechen konnte, und nicht zuletzt auch Bärenfallen, in die man tappen konnte.

  »Hast du vor, auf den Cheaha Peak zu steigen?«, fragte Keith von hinten, während ich den Wagen auf die Straße lenkte.

  »Will ich euch umbringen?« Holly lachte auf. »Keine Sorge, ihr müsst nicht auf den höchsten Berg des Bundesstaates. Ich will nur ein bisschen wandern.«

  »Und schon mal für deine Weltreise üben«, beendete er ihren Satz. »Wie bist du eigentlich auf diese Idee gekommen?«

  »Callie hat direkt nach der Highschool eine Backpackingtour durch Europa gemacht. Ich schätze, ich habe mich einfach inspirieren lassen.«

  »Wirklich?«

  Obwohl sich jedes bisschen gesunden Menschenverstands in mir dagegen sträubte, sah ich in den Rückspiegel und bemerkte, wie Keith mich beobachtete. Etwas zog sich in meiner Magengrube zusammen.

  »Wirklich«, erwiderte ich knapp. »Aber es waren nur drei Monate.«

  »Und du hast so viel erlebt«, warf Holly ein und drehte sich auf dem Sitz zu mir um. »Ich war damals so neidisch auf dich und habe mir geschworen, auch auf Reisen zu gehen, wenn ich mit der Highschool fertig bin. Also habe ich nebenher gearbeitet, jeden Cent gespart und mir ein Around-The-World-Ticket gekauft. Ich kann es kaum erwarten!«

  »Es wird dir gefallen.« Meine Aufmerksamkeit war auf die Straße gerichtet, aber ich konnte das Lächeln in Keiths Stimme hören.

 

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