Was auch immer geschieht 01 - Finding back to us

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Was auch immer geschieht 01 - Finding back to us Page 20

by Iosivoni, Bianca


  Er neigte meinen Kopf nach hinten, drang beinahe gewaltsam in meinen Mund ein und ich hieß seine Zunge willkommen. Ein ersticktes Stöhnen kam aus meiner Kehle und wurde einzig durch den Kuss gedämpft. Wie von selbst packten meine Finger sein T-Shirt und zogen ihn näher, bis seine Oberschenkel sich gegen meine pressten und ich seinen Oberkörper bei jedem Atemzug spürte. Der Stoff seiner Jeans rieb über meine nackten Beine und fachte die Hitze in mir nur noch weiter an. Wie flüssiges Feuer schoss sie durch meinen Körper, wirbelte die verfluchten Schmetterlinge in meinem Bauch auf und wanderte tiefer, direkt in meinen Unterleib.

  Aber gerade als ich die Arme um Keiths Hals legen wollte, um dafür zu sorgen, dass dieser Moment nicht allzu schnell endete, riss er den Kopf zurück und stieß einen Fluch aus.

  Ich atmete schwer und suchte seinen Blick. Fragend. Verwirrt. Und noch immer erschreckend bereit, genau dort weiterzumachen, wo er aufgehört hatte. Dass meine Brust die seine bei jedem Einatmen streifte, war nicht unbedingt hilfreich. Oder dass er mir noch immer so nahe war, dass er seine Stirn an meine lehnen konnte.

  »Entscheide dich«, flüsterte er rau. Wie um seinen Befehl zu unterstreichen – oder um es mir noch schwerer zu machen –, biss er ein weiteres Mal in meine Unterlippe.

  Ich gab einen erstickten Laut von mir. Was er da verlangte, war Wahnsinn. Zugegeben, bis vor wenigen Minuten war es das Vernünftigste gewesen, was ich je von ihm gehört hatte. Aber jetzt? Nach diesem Kuss? Wie um Himmels willen sollte ich eine Wahl treffen, wenn ich nicht mal mehr klar denken konnte?

  »Entscheide dich«, wiederholte er, diesmal eine Spur drängender.

  »Ich kann nicht.«

  »Dann werde ich nicht aufhören, Callie. Ich kann mich nicht von dir fernhalten. Jetzt erst recht nicht mehr.« Was wie eine Warnung klingen sollte, weckte ein irrwitziges Kitzeln in meiner Magengrube.

  Anscheinend hatte ich meinen gesunden Menschenverstand im Wohnzimmer zurückgelassen, denn ich ertappte mich dabei, wie ich atemlos nickte.

  »Ich weiß …«

  12

  Einen Monat nach der erfolgreichen Spendengala beschloss Stella, dass es an der Zeit war, sich bei uns dafür zu bedanken, dass wir ihr zuliebe daran teilgenommen hatten, und lud uns alle zum Essen ein. Nicht zu Hause oder im Diner in der Stadt, sondern in einem beliebten Steakhouse in Montgomery, bei dem man mindestens zwei Wochen im Voraus reservieren musste, um einen Tisch zu bekommen. Ich konnte nur hoffen, dass ich in meinem ärmellosen weinroten Spitzenkleid nicht zu overdressed war. Oder zu underdressed, den braunen Cowboystiefeln sei Dank, auf die ich nicht hatte verzichten wollen. Ballerinas oder High Heels dazu anziehen? Keine Chance. Ich war ein Mädchen aus den Südstaaten. Niemand nahm mir meine Stiefel weg.

  Beim Runtergehen hörte ich den Föhn im Badezimmer und musste lächeln. Typisch Holly. Sie schaffte es jedes Mal, nicht rechtzeitig fertig zu werden. Als ich mich der zweiten Treppe näherte, die ins Erdgeschoss hinunterführte, nahm ich eine Bewegung aus dem Augenwinkel wahr. Wie in jener ersten Nacht kam Keith in diesem Moment um die Ecke und blieb stehen, als er mich entdeckte. Er trug ein schwarzes Langarmshirt mit Knopfleiste am Hals, deren oberster Knopf geöffnet war. Dazu eine braune Hose und einen dunklen Gürtel. Lässig, elegant und verflucht heiß, wenn man das lockere Lächeln, die tiefbraunen Augen und das etwas zu lange Haar dazu nahm, das so aussah, als wäre er gerade erst aufgestanden. Ausnahmsweise hatte er sich rasiert und die dunklen Stoppeln waren aus seinem Gesicht verschwunden. Er erinnerte mich so sehr an den Jungen von früher, dass sich etwas schmerzhaft in meiner Brust zusammenzog.

  Seit dem Kuss waren nur ein paar Tage vergangen. Tage, in denen ich Keith so gut es ging aus dem Weg gegangen war. Tage, in denen er keine Gelegenheit ausgelassen hatte, seine Absichten deutlich zu machen, auch ohne mich ein weiteres Mal zu berühren. Genau wie jetzt.

  Quälend langsam glitt sein Blick an mir hinab, strich wie eine Liebkosung über meine nackten Beine und wanderte genauso langsam wieder hinauf. Bis er bei meinem Gesicht ankam, hatte sich meine Atmung beschleunigt und mein Puls mindestens verdoppelt. Keith sagte kein Wort, doch das war auch nicht nötig. In seinen Augen lag ein Feuer, das es mir fast unmöglich machte, mich auf etwas anderes zu konzentrieren. Würde ich jetzt den Fuß auf eine Stufe setzen, könnte ich garantieren, dass ich sie verfehlte und stattdessen die Treppe herunterfiel.

  Keiths Mundwinkel zuckten, als hätte er den gleichen Gedanken gehabt, dann ging er an mir vorbei. Blind tastete ich nach dem Geländer, um mein Gleichgewicht wiederzufinden, und atmete tief durch. In der Luft lag noch immer ein Hauch seines Aftershaves, vermischt mit dem unverkennbaren Geruch von Holz und Motoröl. Vor ein paar Tagen war Keith mit einem Pick-up angekommen, der aussah, als hätte er schon vor Jahren seinen Frieden auf dem Schrottplatz finden sollen. Seitdem schraubte er ständig an dem Ding herum und hinterließ Öl- und Dreckspuren im Bad und in der Küche.

  Ich schüttelte den Kopf, um das Bild von Keith unter dem Pick-up loszuwerden, straffte die Schultern und folgte ihm die Treppe hinunter. Mit jedem Schritt schlug mein Herz ein kleines bisschen schneller, als würde ich nicht zu einem Familienessen gehen, sondern zu meiner Hinrichtung. Oder einem Date. Lächerlicherweise wusste ich nicht, welche Vorstellung schlimmer war. Die letzten Tage hatte ich meinem Stiefbruder aus dem Weg gehen können, da er viel gearbeitet hatte und außerdem alles für seinen Umzug plante. Holly zufolge hatte er eine Wohnung in der Stadt gefunden – ich hatte es allerdings bisher nicht über mich gebracht, ihn darauf anzusprechen.

  Aber heute Abend gab es keine Ausweichmöglichkeiten. Ich würde zusammen mit Keith am Tisch sitzen und so tun müssen, als wäre nie etwas zwischen uns passiert. Als hätte er mich nicht in diesem Lagerraum im Billy’s getröstet. Als hätte er mich nicht geküsst.

  Im Eingangsbereich traf ich auf Stella, die neben der Garderobe stand und versuchte, sich für eine Jacke zu entscheiden. Dabei hatten wir noch um die siebenundzwanzig Grad draußen und die Sonne war auch noch nicht untergegangen.

  »Du siehst super aus«, sagte ich und meinte es auch so. Wie ich hatte sich meine Stiefmutter für ein ärmelloses Kleid entschieden, nur dass ihres schwarz war und ihr bis zu den Knien reichte.

  »Danke. Du aber auch.« Sie warf mir ein Lächeln zu und entschied sich für einen leichten schwarzen Bolero.

  Im Gegensatz zu Keith oder mir war sie ein bisschen zu elegant angezogen – oder wir einfach nicht dazu in der Lage, uns für ein Dinner in einem Restaurant schick zu machen. Diese Möglichkeit ignorierte ich jedoch gekonnt. Es musste einen anderen Grund geben, warum Stella sich so herausgeputzt hatte.

  »Kommt dein Date mit?«

  »David?«

  Ich nickte und konnte mir ein kleines Grinsen nicht verkneifen. Stellas Reaktion war einfach zu niedlich: Eine sanfte, jugendlich wirkende Röte legte sich auf ihre Wangen. Nein, das war gelogen. Bei ihrem gebräunten Hautton musste sie schon knallrot anlaufen, damit man es ihr derart ansah, aber ich hielt mich zurück, sie darauf hinzuweisen.

  »Oh … also … nein. Das ist ein Familienessen.«

  Das mochte stimmen, trotzdem machte mich dieser Kerl neugierig. Jahrelang war Stella, wenn überhaupt, nur mit ihren Freundinnen ausgegangen, dann tauchte plötzlich dieser Mann auf und sie wirkte so … glücklich. Ja, glücklich war das richtige Wort dafür. Es war Jahre her, seit ich sie zuletzt so strahlen gesehen hatte.

  »Nächstes Mal solltest du ihn mitbringen.«

  Ihre Augen weiteten sich. »Meinst du das ernst?«

  »Ja«, antwortete ich und wusste im selben Moment, dass es die Wahrheit war. Wer auch immer dieser Typ sein mochte, er würde keinen Vaterersatz für uns darstellen. Holly und ich waren erwachsen. Wir konnten beide mit einem neuen Mann an der Seite unserer Stiefmutter umgehen. Und was Keith anging … Wenn er sich Stellas Glück in den Weg stellen sollte, würde ich seinen Pick-up auf ihn fallen lassen, wenn er wieder mal darunterlag.

  Stellas Lächeln war noch eine Spur unsicher, aber warm und irgendwie erleichtert. »Einverstanden.«


  »Ich bin fertig! Wartet auf mich!« Wie ein Wirbelsturm kam Holly die Treppe heruntergestürzt, barfuß, in der einen Hand noch die Sandaletten, und bremste vor uns ab. »Warum seid ihr nicht längst im Wagen? Bin ich etwa zu früh?«

  Ich lachte lautlos. »Sorry, aber du bist wie immer zu spät. Stella und ich haben uns bloß die Wartezeit verkürzt.«

  »Mit was?«, fragte Holly und sah neugierig zwischen uns hin und her, während sie auf einem Bein herumhüpfte und sich nacheinander ihre Schuhe anzog. Ich überließ es Stella, ob sie darauf reagieren wollte oder nicht. Da sie es nicht – oder zumindest nicht sofort – tat, richtete Holly sich wieder auf und stemmte die Hände in die Hüften. »Worüber habt ihr geredet? Sagt schon!«

  »Über dein Geburtstagsgeschenk«, flunkerte ich, wohl wissend, dass das ihre Neugier ins Unermessliche treiben würde.

  »An meinem Geburtstag werde ich in Nepal sein. Wenn ihr also nicht gerade einen Überraschungsbesuch plant …« Sie hielt inne und starrte uns aus zusammengekniffenen Augen an. »Sekunde mal. Plant ihr etwa einen Überraschungsbesuch?«

  »Vielleicht.« Stella legte ihr den Arm um die Schultern und schob sie nach draußen.

  Ich sah ihnen einen Moment lang nach, während sich eine leise Wehmut in mir ausbreitete. Nach diesem Sommer würde sich alles ändern – und die vergangenen Wochen hatten mich erkennen lassen, dass ich dem nicht so gleichgültig gegenüberstand, wie ich bei meiner Ankunft gedacht hatte. Jetzt waren wir noch eine Familie, lebten unter einem Dach, frühstückten und lachten miteinander, unternahmen Ausflüge und gingen uns auch mal gegenseitig auf die Nerven. Besonders bei Letzterem schloss ich Keith mit ein. In einem Jahr würde alles anders sein. Holly würde irgendwo ihr Studium beginnen, ich würde mich weiter ins Lernen stürzen und wir würden uns höchstens an den Feiertagen wiedersehen. Wenn überhaupt. Bislang war ich zufrieden damit gewesen, weil ich längst vergessen hatte, was ich an meinem Zuhause hatte. Und jetzt, da ich es wusste, würde schon bald nichts mehr sein wie zuvor.

  Die Fahrt ins Restaurant verlief überraschend friedlich – zumindest am Anfang. Während Stella am Steuer saß und ich an der Musik herumspielte, diskutierten Keith und Holly auf der Rückbank über ihre Reiseplanung, und die Auseinandersetzung wurde zunehmend hitzig. Ich wollte gerade fragen, von welchen Ländern sie sprachen, als Stella den Jeep auch schon vor dem Restaurant parkte. Die Zeit war so schnell verflogen, dass ich gar nicht gemerkt hatte, dass wir bereits in Montgomery waren.

  »Darüber reden wir noch.« Stella warf einen mahnenden Blick in den Rückspiegel, bei dem ich mir nicht sicher war, ob sie wirklich die Reise meinte oder uns vor allem daran erinnern wollte, dass wir heute einen friedlichen gemeinsamen Abend verbringen wollten.

  Wir betraten das Lokal und wurden von einem freundlich aussehenden blonden Kellner in Empfang genommen, der uns zu unserem Tisch führte. Leises Stimmengewirr erfüllte den Raum, zusammen mit dem Klappern von Besteck und dem köstlichen Duft von gebratenem Fleisch und anderen Leckereien. Die Inneneinrichtung war schlicht, aber elegant. Strahlend weiße Tischdecken gaben der ansonsten rustikalen Einrichtung mit dem dunklen Holz einen eleganten Anstrich. Dazu standen überall weiße Teelichthalter, in denen bereits kleine Flammen tanzten, obwohl draußen gerade erst die Sonne unterging. Schlanke Vasen mit einzelnen Blumen auf den Tischen rundeten das Bild ab.

  Im Vorbeigehen betrachtete ich die anderen Gäste. Von Anzugträgern bis hin zu Flanellhemden war alles vertreten. Meine Schultern entspannten sich. Ich war weder overdressed noch stand uns ein Abend mit sieben Gängen in steifer Förmlichkeit bevor. Gott sei Dank.

  Unser Tisch lag etwas abseits der anderen in einer Ecke, direkt neben dem Fenster. Da wir uns in einem höheren Stockwerk befanden, bot dieser Platz einen fantastischen Ausblick auf die Stadt. Vermutlich hatte Stella ein paar ihrer ärztlichen Kontakte spielen lassen, um so kurzfristig an diesen Tisch zu kommen.

  Ich ließ mich auf einen der gepolsterten Stühle fallen und registrierte überrascht, wie bequem sie waren. Wenn das Essen jetzt auch noch so gut war, wie es im Vorbeigehen auf den Tellern ausgesehen hatte, könnte das ein fantastischer Abend werden. Dachte ich zumindest, bis sich ausgerechnet Keith auf den Platz rechts von mir setzte und mich auch noch unbekümmert angrinste. Ein heißes Kribbeln schoss durch meine Magengrube und ich verfluchte mich im Stillen für meine Reaktion.

  Stella setzte sich links von mir ans Kopfende des Tisches, Holly gegenüber. Wir hatten kaum Platz genommen, als der Kellner wieder auftauchte und die Speisekarten verteilte. Während sich Stella eine Empfehlung von ihm geben ließ, versuchte ich mich ganz auf das zu konzentrieren, was ich hier las, aber Keiths Gegenwart machte es mir schier unmöglich. Seelenruhig krempelte er sich die Ärmel hoch, bevor er seine Karte anhob, um einen Blick hineinzuwerfen. Dabei traten die Muskeln und Sehnen an seinen Unterarmen hervor, und obwohl ich es nur aus dem Augenwinkel wahrnahm, hielt ich unwillkürlich die Luft an. Verdammt. Was hatte es nur mit dieser simplen Bewegung auf sich? Es musste eine logische Erklärung dafür geben, weshalb unsere Hormone bei diesem Anblick durch die Decke schossen.

  »Callie?«

  Ertappt riss ich den Kopf hoch und blickte in Stellas fragendes Gesicht. »Ja?« Erst jetzt bemerkte ich, dass mich alle ansahen. Im ersten Moment wurde mir siedend heiß. Oh Gott. Hatte ich Keith etwa so offensichtlich angestarrt? Was stimmte nicht mit mir? Doch dann bemerkte ich das geduldige Lächeln des Kellners und mir wurde bewusst, dass er auf eine Bestellung von mir wartete.

  »Ich … äh …«, murmelte ich und räusperte mich, um diesen Frosch aus meinem Hals zu bekommen. »Ich brauche noch ein paar Minuten.«

  Der Kellner nickte verständnisvoll und wandte sich Holly zu. Keiths Schultern bebten vor unterdrücktem Lachen und ich wäre vor Scham am liebsten im Erdboden versunken. Nein, das stimmte nicht. Am liebsten hätte ich Keith ordentlich auf den Fuß getreten – nur um dann vor Scham im Boden zu versinken.

  Letztlich entschied ich mich dafür, mir den Birnen-Gorgonzola-Salat als Vorspeise mit meiner Schwester zu teilen und als Hauptgang eines der Steaks zu probieren. Dazu nahm ich einen Wein. Wenn ich diesen Abend mit Keith an meiner Seite überstehen sollte, brauchte ich Alkohol. Irgendwie erwartete ich, dass Stella protestieren würde, aber sie nickte mir nur zu und bestellte für sich selbst ein Wasser, da sie noch fahren würde. Innerlich atmete ich erleichtert auf. Alte Gewohnheiten wurde man nur selten los. Ich war erst seit knapp einer Woche einundzwanzig Jahre alt und hatte immer noch das Gefühl, es vor meiner Stiefmutter verbergen zu müssen, wenn ich Alkohol trank. Keith schien damit kein Problem zu haben, denn er bestellte sich ein Bier, ohne einen einzigen Blick in Stellas Richtung zu werfen.

  Als der Kellner alles notiert hatte und uns allein ließ, nahmen die anderen das Thema von vorhin wieder auf. Ich hatte immer noch nicht herausgefunden, um welches gefährliche Land es ging, und auch jetzt fiel es mir schwer, mich darauf zu konzentrieren. Während Stella von einem Kollegen berichtete, der für Ärzte ohne Grenzen arbeitete und dort gewesen war, wo Holly unbedingt hinwollte, und Keith hin und wieder einen Kommentar dazu fallen ließ, wippte mein rechtes Bein unter dem Tisch auf und ab. Obwohl ich keinen großen Hunger hatte, konnte ich es plötzlich kaum erwarten, dass das Essen serviert wurde. Oder der Wein. Irgendetwas, um mich davon abzulenken, dass der Mann, der mich vor wenigen Tagen um den Verstand geküsst hatte, direkt neben mir saß.

  »Callie, was meinst du denn dazu?« Stellas unerwartete Frage riss mich aus meinen Grübeleien.

  »Ja, Callie«, wiederholte Keith mit einem süffisanten Lächeln, als hätte er genau gemerkt, dass ich mit den Gedanken ganz woanders gewesen war. »Was meinst du dazu?«

  Die abwartenden Blicke der anderen machten es mir nicht gerade leicht, eine sinnvolle Antwort zu formulieren, also entschied ich mich für die Wahrheit. Na gut, für einen Teil der Wahrheit.

  »T-tut mir leid, ich war gerade mit den Gedanken … woanders.« Nämlich bei der Erinnerung daran, wie sich Keiths Lippen auf meinen angefühlt hatten. »Worüber reden wir?«

  H
olly wedelte ungeduldig mit der Hand, was ihre zahlreichen Armreifen klimpern ließ. »Ich will nach Jordanien, aber Mom und Keith sind dagegen, obwohl es dort die spannendsten Kulturstätten der Welt gibt.«

  Ich runzelte die Stirn. Diese Gegend gehörte nicht unbedingt zu den sichersten, da stimmte ich den beiden durchaus zu. Allerdings war sie auch kein Kriegsgebiet und es waren schon andere Backpacker vor ihr dort gewesen.

  »Warum nicht? Aber vielleicht schließt du dich einer Reisegruppe an, um die Sehenswürdigkeiten nicht allein besuchen zu müssen?« Dann wäre sie wenigstens in Sicherheit und würde nicht allein durch die Wüste laufen.

  »Ha!«, kam es von Holly.

  »Es ist zu gefährlich«, wiederholte Stella ruhig. »Du warst doch dort, Keith, nicht wahr?«

  »Ja.« Er wandte den Blick ab und ich beobachtete fasziniert, wie er sich scheinbar interessiert mit der Speisekarte befasste, obwohl wir längst bestellt hatten.

  Holly seufzte genervt. »Und warum soll es dort so gefährlich sein? Ich reise ja nicht nach Syrien oder in den Irak, sondern …«

  »Sondern in ein angrenzendes Land, das nicht gerade für seine Menschenrechte bekannt ist«, fiel Keith ihr scharf ins Wort. So scharf, dass wir ihn nur stumm anstarrten.

  Sekunden tickten vorbei, in denen sich das Schweigen am Tisch ausbreitete, dann räusperte sich Stella.

  »Nun …«, murmelte sie. Auf ihrer Stirn hatten sich Falten gebildet. »Ich schätze, die Diskussion ist damit beendet. Fürs Erste«, fügte sie mit einem Seitenblick in Hollys Richtung hinzu.

 

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