by Kira Mohn
«Ich habe keine feste Zeit, wir können gern zusammen frühstücken.»
«Schön, dann schlaf gut», sagt Haven. «Gute Nacht, Cayden.»
«Nacht.»
Als wir wieder alleine sind, hat die Atmosphäre sich verändert. Habe ich Cayden vor wenigen Minuten tatsächlich gefragt, ob er ein Einzelkind sei? Ich möchte über mich selbst den Kopf schütteln.
Mit wenigen Schlucken trinke ich mein Glas leer und stelle es ins Spülbecken.
Selbst wenn Cayden und ich etwas gemeinsam haben sollten, sind die Schatten, die uns verfolgen, garantiert nicht dieselben.
«Okay, dann sag ich auch mal gute Nacht.» Ich schiebe die Hände in die Taschen meiner Jeans. Was für eine umständliche Einleitung. «Bis morgen.»
Mit den letzten Worten marschiere ich zur Küche hinaus, sein «Gute Nacht» erklingt in meinem Rücken.
Als ich wenig später im Bett liege, das Licht bereits gelöscht, drängt sich mir noch einmal das Bild von ihm in der Küche auf, sein blasses Gesicht, der seltsam verstörte Ausdruck in seinen Augen. Es kann eigentlich nur der Film gewesen sein. Nach A Star Is Born war noch alles in Ordnung, aber Der Club der toten Dichter muss ihn an irgendetwas erinnert haben.
Ich zermartere mir den Kopf darüber, in welcher Figur Cayden sich wiedergefunden haben könnte, oder vielleicht auch nur einen Teil von sich. Aber all diese unsicheren, angepassten Schüler … er ist doch das totale Gegenteil davon.
Vielleicht interpretiere ich doch zu viel in die Situation hinein. Nur dieser Blick …
Mir fallen die Augen zu, und noch immer sieht Cayden mich an.
Als ich die Augen wieder öffne, fällt Mondlicht in das Zimmer. Da war ein Geräusch.
Im ersten Moment weiß ich nicht, wo ich bin, zu dicht hängt der Schlaf noch über mir. Dann wird mir bewusst, dass ich bei Jackson übernachte, bei Jackson und Cayden, und irgendetwas war mit Cayden los.
Wieder dieses Geräusch, bei dem meine Müdigkeit sich noch ein Stück weiter zurückzieht. Jemand weint.
Mit angehaltenem Atem liege ich da.
Da ist es wieder.
Ein unterdrücktes Schluchzen. Oder ein Seufzen?
Im nächsten Moment bin ich aus dem Bett gesprungen und zur Tür geeilt. Irgendjemand braucht Hilfe. Cayden?
Barfuß tapse ich durch die Diele an der dunklen Küche vorbei, doch im Wohnzimmer leuchtet der Fernseher … der Fernseher. Natürlich. Ich Idiotin.
Es weint tatsächlich jemand, genau genommen scheint es sich eher um eine Art Nervenzusammenbruch zu handeln, aber meine Hilfe wird definitiv nicht gebraucht. In kurzen Shorts und einem Shirt stehe ich nur ein paar Meter von Cayden entfernt, der sich gerade weiß der Himmel was für einen Film reinzieht. Auf jeden Fall wird darin rumgeheult.
«Was machst du denn hier?» Er mustert mich überrascht.
«Ich habe …» Vage nicke ich zum Fernseher hin. «Ich habe jemanden weinen gehört.»
«Sorry, ich wollte dich nicht wecken.» Cayden greift nach der Fernbedienung, die neben ihm auf dem Sofa liegt, und schaltet den Ton leiser.
«Schon okay.» Verlegen verschränke ich die Arme vor der Brust. «Hätte ich mir ja denken können. Es war nur so … ich habe geschlafen und …» Abrupt klappe ich den Mund wieder zu.
Und ich habe von dir geträumt. Du hast geweint.
Da hat sich wohl einiges vermischt.
«Ich geh dann mal wieder ins Bett.»
«Okay.»
«Wie viel Uhr ist es eigentlich?»
«Halb vier.»
Obwohl ich mich bereits zum Gehen gewandt habe, bleibe ich jetzt wieder stehen. «Halb vier? Und du bist noch wach?»
«Ich gehe ins Bett, wenn ich müde werde.» Gerade eben hat er noch halbherzig das Geschehen auf dem Bildschirm verfolgt, jetzt jedoch lächelt er und sieht mich an. «Ich werde nur nicht sehr schnell müde.»
Warum ich als Nächstes genau sage, was mir in den Sinn kommt, verstehe ich nicht einmal in dem Moment, in dem ich es ausspreche. «Und du weinst auch nie, oder?»
Cayden mustert mich. Das Licht des Fernsehers erreicht mich kaum, und trotzdem habe ich das Gefühl, dass ihm keine Regung auf meinem Gesicht entgeht.
«Nie.» Ein Hauch von Spott taucht in seiner Stimme auf. «Was soll es auch bringen?»
«Ich weine auch nie.»
Vielleicht träume ich noch immer. Kaum vorstellbar, dass ich ein solches Gespräch gerade ausgerechnet mit Cayden führe. Ich balle die Hände zu Fäusten, bereit, mich umzudrehen und zurück ins Gästezimmer zu gehen, doch ich kann mich nicht bewegen, solange er meinen letzten Satz nicht kommentiert hat. Vielleicht lacht er. Dann kann ich ihn weiter scheiße finden und werde garantiert nie wieder von ihm träumen.
«Warum willst du nicht, dass ich mit nach Jasper komme?», fragt er.
Jetzt bin ich es, die lange Sekunden braucht, um eine Antwort zu finden. «Ich kann mir nicht vorstellen, dass das was für dich ist.»
«Aber für dich ist es was?»
«Weiß ich nicht.»
Er nickt. Dann schaltet er den Fernseher aus, und nach ein paar Sekunden erobert das silberfarbene Mondlicht die Schatten.
«Willst du denn wirklich mitkommen?», frage ich, und wenn bisher schon Realität und Wirklichkeit ineinander überzugehen schienen, so wird es jetzt völlig surreal, als Cayden aufsteht und auf mich zugeht.
«Ja.»
Verrückt. Das ist alles einfach verrückt.
«Also …» Ich fahre mir mit den Händen über die Oberarme. «Dann komm eben mit.»
«Okay», sagt er.
Keiner von uns lächelt. Es fühlt sich an, als hätten wir gerade einen Pakt miteinander geschlossen.
«Also gut …» Zögernd trete ich ein paar Schritte zurück. «Vielleicht schläfst du ja doch noch ein wenig.»
Ich drehe mich um und laufe zum Gästezimmer, um nicht stattdessen die Hand nach seinem Gesicht auszustrecken.
Cayden
Direkt nach Rae bin ich ebenfalls in mein Zimmer gegangen, und obwohl ich nicht gleich einschlafen konnte, war es nicht dieses rastlose Hin-und-her-Wälzen, das ich sonst von mir kenne. Es gab ja genügend, worüber ich nachdenken musste. Ob ich für eine längere Tour noch irgendetwas besorgen muss zum Beispiel. Für die Wanderung mit Jackson habe ich letztes Jahr ein ultraleichtes Zweimannzelt gekauft, doch ich nehme nicht an, dass Rae mit mir darin übernachten wollen wird. Also brauche ich ein neues Zelt. Und andere Schuhe. Die festen Stiefel waren etwas übertrieben, leichtere Trekkingschuhe hätten es auch getan. Der Kocher kam von Jackson, aber es dürfte kein Problem sein, sich die Sachen, die er damals besorgt hat, auszuleihen.
Und warum habe ich eigentlich noch immer das Gefühl, dass Rae etwas von mir weiß, das sie gar nicht wissen dürfte?
Vor dem Fenster ist bereits Vogelgezwitscher zu hören, da schlafe ich doch noch ein, und als ich um kurz vor halb zehn erwache, fühle ich mich fast ausgeruht.
Das Erste, was mir wieder in den Sinn kommt, ist, dass ich ausgerechnet mit Rae demnächst eine Tour durch den Jasper National Park antreten werde, und als Nächstes vermischen sich Erstaunen, Irritation und eine Art gespannter Erwartungshaltung zu einem mehr als schrägen Gefühl, das mich direkt aus dem Bett und unter die Dusche treibt.
Ob Rae sich in dieser Sekunde ebenfalls fragt, was da letzte Nacht wohl über sie gekommen ist?
Die anderen sitzen bereits um den runden Bistrotisch herum, der in unserer Küche selten benutzt wird, und es duftet nach Pancakes und Ahornsirup, als ich mit noch feuchten Haaren dazustoße. «Morgen.»
«Guten Morgen», kommt es zurück. Jackson fügt hinzu: «Falls du deinen Espresso mit Milch willst, auf dem Herd steht noch ein Rest. Die dürfte noch halbwegs warm sein.»
«Alles klar.»
Nachdem ich einen Finger in die weiße Flüssigkeit getunkt habe, schalte ich das Kochfeld noch einmal ein und fange an, Espressobohnen zu mahlen, nachdem die Milch sich wieder erhitzt hat.
«Wie hast du geschlafen?», ruft Jackson.
Ich warte, bis das Mahlwerk schweigt, bevor ich ihm antworte. «Wie immer.»
«Wie immer gut oder wie imm
er schlecht?»
Es knackt, als der Siebträger in der Espressomaschine einrastet. «Wie immer ganz okay.»
Minuten später setze ich mich zu den anderen. Jackson starrt mich auf eine Weise an, die mich wachsam werden lässt.
«Was ist?»
«Rae hat gerade erzählt, dass ihr jetzt doch gemeinsam die Jasper-Tour angeht.»
Vollendete Tatsachen. Okay. Rae mustert mich gespannt, und ich lasse mir Zeit dabei, großzügig Sirup über meinen Pancake zu verteilen. «Stimmt», sage ich schließlich. Eine geradezu erstaunlich brillante Erwiderung. Wer weiß, wie sie ausgefallen wäre, hätte ich nicht so lange darüber nachgedacht.
«Ich finde das gut.» Haven ertränkt den Pancake auf ihrem Teller in dieser Sekunde ebenfalls in Ahornsirup. «Wann fahrt ihr los?»
Mein Blick wandert zu Rae. Sie hat ihre blauen Haare zu einem wirren Knoten zusammengewickelt, von dem jede Menge einzelner Strähnen in alle Richtungen abstehen.
«Darüber haben wir noch nicht gesprochen. Aber vielleicht am Wochenende?» Raes Augen streifen kurz mein Gesicht, bevor sie sich wieder ihrem Pancake widmet.
«Dann starten wir ja zeitgleich», stellt Haven fest. «Und vielleicht kommen wir auch gleichzeitig wieder zurück.»
Vier Wochen Wandern? Unwahrscheinlich.
«Ja, vielleicht», sagt Rae, und jetzt bin ich es, der sie anstarrt. Sie will wirklich aufs Ganze gehen. Bis zu dieser Sekunde bin ich trotz Jacksons Bemerkung, Rae plane eine mehrwöchige Tour, von einer Woche ausgegangen, maximal zwei.
Jackson grinst. Der Depp.
«Rae, sollen wir gleich mal gucken, was du noch alles brauchst?», fragt Haven.
«Eigentlich ist ja alles da», meint Jackson.
«Bis auf Zelte», sage ich.
«Wieso? Wir haben doch … ach ja», unterbricht er sich selbst. «Ja, Zelte wären wohl gut. Aber alles andere haben wir noch vom letzten Jahr hier rumliegen.»
«Na dann – ich besorge die Zelte, dann können wir los. Vielleicht so in drei Stunden?» Ich grinse Rae an.
«Okay», geht sie auf meinen nicht sehr geistreichen Spruch ein. «Wir treffen uns bei mir – ich fahre. In dein Sportwägelchen passt ja nix rein.»
«Da muss nur das reinpassen, was du auf dem Rücken tragen kannst. Oder hast du vor, die Tour über mit dem Auto neben mir herzufahren?»
«Wäre vielleicht nicht die schlechteste Idee. Ich könnte dann ab und zu für vierzig Meilen Abstand zwischen uns sorgen.»
«Und du könntest auch schnell wieder nach Hause, wenn es dir zu anstrengend wird», erwidere ich und schiebe einen zweiten Pancake auf meinen Teller. «Oder du Angst kriegst.»
Vordergründig ganz auf mein Frühstück konzentriert, sehe ich aus den Augenwinkeln Raes Kopf in die Höhe rucken.
«Ich könnte dich dann auch schneller ins nächste Krankenhaus bringen, wenn du in Giftsumach rennst.»
«Es gibt eigentlich keinen Giftsumach in …», setzt Haven an.
«Du könntest auch im Wagen schlafen, wenn’s mal regnet», sage ich. «Ist bestimmt angenehmer.»
«Ja, und ich könnte dir vom Auto aus hinterherwinken, wenn dein Zelt im strömenden Regen einen Abhang hinunterrutscht.»
«Vergiss nicht, das zu filmen.»
«Auf keinen Fall.»
Wir starren uns an.
«Klingt doch alles sehr lustig.» Jackson trinkt einen Schluck Kaffee. «Ich wünschte, ich könnte dabei sein.»
Auf diese Bemerkung hin zucken Raes Mundwinkel, und sie wendet den Blick ab, um ihre Pancakes anzugrinsen.
«Also gut», sage ich. «Freitag? Acht Uhr bei dir? Dann sind wir gegen Mittag in Jasper und haben genug Zeit, den ersten Campingplatz zu erreichen.» Zugegebenermaßen fühle ich mich ein wenig wie ein alter, erfahrener Hiker, während ich diesen Vorschlag mache, dabei habe ich lediglich noch Jacksons Worte im Kopf, der sich bei der geplanten Wanderung im letzten Spätsommer um derlei Dinge Gedanken gemacht hat. Dieses Mal muss ich das wohl selbst tun – mich dabei auf Rae zu verlassen, scheint mir zum einen nicht unbedingt klug zu sein, zum anderen ließe das mein Stolz nicht zu. Sobald ich mit Jackson wieder allein bin, werde ich mit ihm eine Packliste anlegen.
«Ihr solltet die Wege von Zeltplatz zu Zeltplatz rund um Jasper planen und alle paar Tage in der Stadt eure Vorräte aufstocken», sagt Haven.
«Ich dachte, das kann man auch auf einem der Campingplätze erledigen.» Rae schiebt ihren Teller zurück.
«Nein, da findest du kaum etwas. Und nachdem ihr beide Anfänger seid, würde ich euch wirklich nicht empfehlen, irgendwelche Extremmärsche bis nach Banff runter zu unternehmen.»
Rae wirkt ein wenig ernüchtert. «Aber darum ging es doch, ums Wandern.»
«Ihr könnt doch trotzdem wandern, nur eben nicht die ganze Zeit in eine Richtung», gibt Haven trocken zurück.
Ich weiß, dass sie das nicht ironisch meint, muss aber dennoch lachen.
«Das ist irgendwie nicht dasselbe.» Rae dagegen wirkt ganz und gar nicht belustigt. «Irgendwie dachte ich, wir würden auf ein Ziel hinlaufen.»
«Na ja … dein Ziel könnte ja sein, ein paar Wochen in einem Wald zu leben – das wird schon eine Umstellung werden», erklärt Haven vorsichtig.
«Für mich ist das eindeutig Ziel genug», werfe ich ein und lasse Raes «Ja, für dich»-Blick an mir abprallen.
«Mal sehen», sagt sie unverbindlich, und irgendwie ahne ich, dass sie gerade dabei ist, gedanklich zusätzliche Herausforderungen einzubauen. Nachtwanderungen oder so etwas.
«Auf jeden Fall solltet ihr nicht abseits der Campingplätze übernachten», erklärt Haven jetzt, als hätte sie meine Gedanken gelesen. Bezeichnenderweise sieht sie mich dabei an, und natürlich denkt sie gerade an die Bärenbegegnung, die Jackson und ich bei unserer ersten Übernachtung im Jasper National Park am Horseshoe Lake hatten.
«Oder dreckiges Geschirr vor dem Zelt liegen lassen», ergänzt Jackson dann auch grinsend.
«Das schon gar nicht», bekräftigt Haven.
«Ach komm, Haven, wird diese Bärensache nicht ein wenig aufgebauscht?» Jedes Wochenende fahren massenhaft Leute in die Nationalparks – wären Bären wirklich so gefährlich, müsste da doch viel mehr passieren. «Die hauen doch ab, wenn sie Menschen kommen hören.»
«Viele, ja, aber nicht alle. Jeder Bär hat seinen eigenen Charakter, und was manche verscheucht, lockt andere an. Und jetzt im Frühjahr sind sie aggressiver als sonst, weil sie nach dem Winter hungrig sind. Falls Gebiete wegen Bären gesperrt sind, solltet ihr das unbedingt beachten.»
«Du klingst wirklich schon wie die perfekte Rangerin.» Wenn ich mir um irgendetwas keine Gedanken mache, dann um Bären. Die anderen scheinen schon fertig zu sein, doch ich greife noch mal zu den Pancakes.
«Es gibt immer wieder Zwischenfälle. Einmal hat ein Schwarzbär einem Mann das Gesicht weggerissen.»
Die Tatsache, dass Haven niemals nur Sprüche macht, führt dazu, dass ich in der Bewegung innehalte und meine Gabel unmittelbar vor meinem bereits geöffneten Mund zum Stillstand kommt.
«Das war aber nicht in Jasper, sondern irgendwo in Alaska», fügt sie hinzu. «Und der Mann hat es überlebt.»
Ein Teil meines Hirns bemüht sich um die visuelle Untermalung von Havens Worten, während ein anderer Teil versucht, genau das zu verhindern.
«So etwas darfst du Cay nicht erzählen, Haven.» Rae lächelt ein bisschen boshaft. «Alles okay, Cayden? Du kannst ja jederzeit nach Hause fahren, wenn du Angst kriegst.»
Haven mustert uns, als versuche sie zu entscheiden, ob es wirklich eine gute Idee ist, Rae und mich zusammen losziehen zu lassen, doch als sie gerade zu einer Bemerkung ansetzt, räuspert sich Jackson.
«Ich würde sagen, ihr besorgt erst mal Zelte.» Die Hände im Nacken verschränkt, sitzt er da, beide Beine lang von sich gestreckt. «Das Gesicht abbeißen lassen könnt ihr euch dann immer noch.»
Rae erhebt sich. «Ich glaube, zuallererst muss ich das alles erst mal mit meiner Mutter klären.» In dem Blick, den sie mir jetzt zuwirft, liegt nicht einmal mehr ein Hauch von Spott. «Und dazu werde ich wohl deine Hilfe brauchen.»
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Rae
Mit den anderen am Frühstückstisch zu sitzen und über diese Wanderung zu sprechen, hat mich vorübergehend vergessen lassen, dass die Tour vielleicht niemals zustande kommt. Nämlich dann, wenn es mir nicht gelingt, Mum von der ganzen Geschichte zu überzeugen.
Ich könnte natürlich trotzdem fahren, ja.
Aber ich würde es nicht tun.
Sie hat gesagt, sie wäre einverstanden, wenn ich nicht allein losziehe, und direkt vor mir sitzt quasi meine Eintrittskarte in den Nationalpark: Cayden. Gutaussehend, bisweilen unerträglich, und irritierenderweise spreche ich mit ihm nachts über Dinge, über die ich sonst mit niemandem spreche. Was er wohl dachte, als ich gesagt habe, ich würde nie weinen?
Gerade hat er sich den letzten Rest seines Pfannkuchens in den Mund geschoben und erhebt sich nun kauend. Er macht ein undefinierbares Geräusch, schluckt und greift nach seinem Teller. «Kein Problem. Wann willst du das angehen?» Während er die Klappe der Spülmaschine aufreißt, sieht er mich an.
«Jetzt gleich? Es ist Sonntag, meine Mutter ist zu Hause, und bevor ich nicht weiß, ob die Tour für sie okay ist, brauchen wir eigentlich gar nicht weiter darüber zu reden.»
Cayden wirft einen Blick zu Jackson hinüber, und mir ist vollkommen klar, was die beiden gerade denken. Egal. In diesem Augenblick werde ich mit Sicherheit niemandem erklären, warum es mir wichtig ist, dass meine Mutter zustimmt.
Ein anderer Gedanke schießt mir durch den Kopf. «Hast du denn Zeit?» Plötzlich fühle ich mich nicht mehr nur angespannt, sondern zusätzlich noch verlegen. Ihn jetzt einfach so damit zu überfallen, war vielleicht doch etwas unverschämt.
«Klar», entgegnet er jedoch und schiebt die Hände in die Taschen. «Was muss ich tun?»
Vordergründig locker zucke ich mit den Schultern. «Du musst ihr nur sagen, dass wir die Wanderung zusammen machen werden.»
«Das ist alles? Sonst nichts?»
«Sonst nichts.»
«Muss ich dabei einen Anzug tragen?»
Dieses Grinsen auf seinem Gesicht – wieso nimmt er eigentlich nie etwas ernst? Allerdings kann er ja auch nicht wissen, welche Bedeutung das alles für meine Mutter hat. Oder für mich.