Ich lächle und setze zu einer Antwort an, aber das plötzliche Summen meines Handys auf dem Tisch zwischen uns zieht meine Aufmerksamkeit auf sich. Ein kurzer Blick auf das Display sorgt dafür, dass ich den Mund zu einer flachen Linie zusammenpresse. Ich drücke auf eine Taste, um den Anruf an die Mailbox weiterzuleiten.
»Wer war das?«, fragt Chloe neugierig.
Ich zögere.
»Raus damit, E.«
»Das war Owen.«
»Ah.« Sie schmunzelt. »Und wie geht es dem Leiter meines persönlichen Fanclubs? «
»Keine Ahnung. Wir sprechen momentan nicht miteinander.«
Und wenn deine Mutter ihren Willen bekommt, werden wir nie wieder miteinander sprechen.
»Sieht aber so aus, als würde er mit dir sprechen wollen«, hält sie mir entgegen. »Warum stellst du dich tot?«
»Du erinnerst dich doch noch daran, dass er sich letztens wie ein totaler Idiot benommen hat, oder?«
»Dunkel.«
Ich seufze. »Außerdem ist da noch die geringfügige Tatsache, dass deine Mutter gestern Abend in mein Zimmer kam und im Grunde genommen damit drohte, ihn verhaften zu lassen, falls ich mich je wieder mit ihm treffe.«
»WAS?«
Ich fasse Octavias Besuch in meinen Gemächern kurz zusammen, lasse den Teil, als ich vor Wut gegen die Wand schlug, und meine darauf folgende Unterhaltung mit Carter aber weg.
»Herrgott«, murmelt Chloe, als ich fertig bin. »Sie hat es wirklich auf dich abgesehen.«
»Hast du irgendeinen Rat?«
»Ehrlich gesagt nicht wirklich. Ich wünschte, ich könnte dir versichern, dass das nur eine leere Drohung ist, aber … so sehr es mir auch gegen den Strich geht, das zuzugeben: Langfristig gesehen könnte es besser für dich – und für ihn – sein, wenn du das tust, was sie verlangt.«
Meine Gesichtszüge entgleisen mir. »Du kannst doch nicht ernsthaft denken, dass ich ihn aus meinem Leben ausschließen würde. Er ist mein ältester Freund!«
»Ich kann dir nicht vorschreiben, was du tun sollst. Ich kann dir lediglich von meinen eigenen Erfahrungen berichten, was es bedeutet, sich gegen Octavia aufzulehnen.« Sie verzieht das Gesicht. »In der Mittelstufe freundete ich mich mit einem Mädchen namens Kacey an. Sie hatte ein Stipendium erhalten. Sie war supersüß und bettelarm. Wir waren beste Freundinnen … bis Octavia beschloss, dass Kaceys Familie kein ›angemessener Umgang‹ für die Stieftochter eines Herzogs sei. Sie verlangte von mir, die Freundschaft zu beenden. Ich weigerte mich.« Sie holt tief Luft. »Eine Woche später zog Kaceys Familie von heute auf morgen weg. Die offizielle Begründung lautete, dass ihr Vater unerwartet versetzt worden sei und nun in einer Stadt arbeiten müsse, die sechs Stunden von Hightower entfernt sei. Wie die inoffizielle Begründung lautete, kannst du dir sicher denken. Octavia steckte dahinter.«
»Nur damit ich das richtig verstehe: Sie hat eine ganze Familie umgesiedelt und einmal quer durchs Land geschickt, nur um zu verhindern dass du weiterhin mit irgendeinem Mädchen befreundet warst?«
»Die Tatsache, dass sie mich und Kacey in der Woche davor dabei erwischte, wie wir in meinem Bett rummachten, war vermutlich nicht besonders hilfreich dabei.« Chloe zwinkert mir zu. »Kannst du dir das vorstellen? Das perfekte Lancaster-Bild, getrübt durch eine Lesbe! «
»Tut mir leid, Chloe. Das ist …« Ich schüttle den Kopf. »Das ist Schwachsinn. Du solltest zusammen sein dürften, mit wem du willst – du solltest sein dürfen, wer immer du sein willst.«
»Mach dir keine Sorgen um mich. Octavia mag entsetzt darüber sein, dass ich mich gleichermaßen für Männer wie für Frauen interessiere, aber ich habe meine Rache bekommen.« Sie wackelt mit den Augenbrauen. »Ich war in der Schweiz auf einem Internat, erinnerst du dich? Und es war ein reines Mädcheninternat.«
Ich pruste los. Nach einer Sekunde bricht auch sie in Lachen aus.
»Weißt du, ich hätte das schon früher sagen sollen …« Ich rä uspere mich. »Das, was letztens passiert ist, tut mir wirklich leid. Owen ist normalerweise nicht so … streitlustig.«
»Du hast nichts falsch gemacht. Entschuldige dich nicht für ihn.« Sie seufzt. »Und so gern ich auch einen Groll gegen ihn hegen würde, werde ich in diesem Fall davon absehen. Männer verhalten sich wie Idioten, wenn sie verliebt sind.«
Ich blinzle erschreckt. »Wie bitte?«
»Ach komm schon.« Sie wirft mir einen Blick zu. »Du kannst nicht so tun, als hättest du es nicht gewusst.«
»Du liegst vollkommen falsch. Owen ist auf gar keinen Fall in mich verliebt. Er ist mein …«
»Bester Freund. Schon klar. Rede dir das nur weiter ein.«
»Das ist er!«, beharre ich. »Wir haben uns ja nicht mal geküsst.«
»Niemals?«
»Niemals.«
»Hm. Tja. Das ändert trotzdem nichts an meiner Meinung«, sagt Chloe unbeeindruckt. »Es ist die einzige Erklärung für diesen ganzen Machoschwachsinn. Ihm ist klar geworden, dass er dich verlieren wird, und er ist ausgeflippt.«
»Ja – er wird mich als Freundin verlieren.«
»Als Freundin, die er gerne flachlegen will, um es ihr mal so richtig zu besorgen, vielleicht.«
»Chloe!«
»Was? Sei nicht so prüde.«
»Ich bin ganz und gar nicht prüde. Ich bin nur …« Ich erröte. »Ich möchte mir nicht vorstellen, wie es wäre, Sex mit Owen zu haben. Das ist seltsam.«
»Ich würde sofort Sex mit ihm haben.« Sie stößt einen anerkennenden Pfiff aus. »Der Kerl mag ein Arsch sein, aber er sieht wirklich zum Anbeißen aus. Ich würde ihn reiten wie ein Cowgirl. «
»Bitte erspar mir deine plastischen Schilderungen.«
»Wie du willst.« Sie kichert. »Also, wenn dich blonde Sahneschnittchen nicht auf Touren bringen, wer dann? Was ist dein Typ? Adrett? Silberfuchs? Sportskanone? Rockidol?«
Ich denke über die Frage nach. Die paar Typen, mit denen ich Sex hatte, waren alle flüchtige Bekanntschaften vom College. Es waren immer spontane Abenteuer in dunklen, schmalen Wohnheimbetten, die normalerweise nach ein paar kurzen Minuten wieder vorbei waren. Ich habe nicht den Mut, Chloe gegenüber zuzugeben, dass ich noch nie einen Orgasmus hatte. Tatsächlich bin ich noch nicht mal ansatzweise nahe dran gewesen. Und ich werde ihr ganz sicher nicht auf die Nase binden, dass ich meine einzige Erfahrung mit einem Anflug der puren Leidenschaft, von der ich in meinen Lieblingsbüchern gelesen habe, am letzten Freitagabend auf dem Rücksitz eines SUV gemacht habe, während ich auf dem Schoß ihres Bruders saß und seine ebenso unverschämte wie steinharte Erektion spürte.
»Komm schon«, drängelt Chloe. »Raus damit. Wer war der letzte Kerl, der bei dir heiße Sexfantasien hervorgerufen hat?«
Mit beträchtlicher Mühe gelingt es mir, Carters Gesicht in die Tiefen meiner Psyche zu verbannen.
»Da gab es niemanden. Ehrlich.«
»Du bist eine miserable Lügnerin. Deine Emotionen spiegeln sich ganz offen auf deinem Gesicht wider.«
Wo habe ich das schon mal gehört?
Ihre Augen schimmern vor Belustigung. »Keine Sorge. Wir werden daran arbeiten, bevor man dich zur Kronprinzessin ernennt. Du wirst in der Lage sein müssen, sämtliche Profis auf dem Gebiet zu täuschen, wenn du irgendwann die Herrschaft übernehmen willst.«
»Chloe! Lass es endlich gut sein. «
Sie grinst mich einfach nur an und wirkt kein bisschen reumütig. Nach einer kurzen Pause muss ich das Grinsen einfach erwidern.
Ich hatte nie Geschwister, also habe ich keine Vergleichsmöglichkeiten … Aber wenn es sich so anfühlt, eine Schwester zu haben, muss ich sagen …
Dass es gar nicht mal so übel ist.
13. KAPITEL
Das Klopfen ertönt barsch an meiner Schlafzimmertür. Sofort flattert ein ganzer Schwarm Schmetterlinge in meinem Bauch herum.
»Eine Sekunde!«, rufe ich atemlos. »Ich bin gleich so weit!«
Ich werfe in dem mannshohen Spiegel noch mal einen letzten Blick auf mich und erkenne die junge Frau, die mich daraus anblickt, kaum wieder. Mit meinem frisch gefärbten Haar, den Designerstöckelschuhen und dem makellos geschneiderten
schwarzen Kleid, das mehr als jedes andere Kleidungsstück gekostet hat, das ich je am Körper getragen habe … habe ich nicht mehr viel mit der Version meiner selbst zu tun, die vor einer Woche auf dem Lockwood-Anwesen eintraf.
Ich höre Lady Morrells Stimme im Hinterkopf, straffe die Schultern und hebe das Kinn.
Haltung ist wichtig! Ihre Wirbelsäule sollte so gerade wie der Stamm eines Baums sein, der ein großes Kronendach trägt.
Ich klemme mir eine schimmernde mahagonifarbene Locke hinters Ohr. Ich habe mein Haar nicht mehr in dieser Farbe gesehen, seit … Gott, ich weiß gar nicht mehr, wie lange das her ist. Überraschenderweise bereitet mir der Anblick kein Unbehagen. Und obwohl ich nicht gerade freundlich zu der Stylistin war, als sie gestern Abend die Schere zückte, muss ich zugeben, dass dieser Stufenschnitt für mein herzförmiges Ge sicht sehr viel schmeichelnder ist als die langweilige, auf gleiche Länge geschnittene Frisur, die ich vorher hatte.
Ich streiche mit den Händen über die Vorderseite meines Kleids und schnappe mir meine pechschwarze Clutch von der Frisierkommode. Meine Hand schwebt über meinem Handy, aber als ich sehe, wie das Display aufleuchtet, als ein Anruf eingeht – Owens Name blinkt in Großbuchstaben auf –, beschließe ich, es im Zimmer zu lassen. Jetzt mit ihm zu reden kann zu nichts Gutem führen … selbst wenn es mir das Herz bricht, ihn auf Abstand halten zu müssen.
Auf diese Weise ist es für ihn sicherer , rede ich mir ein, während meine Augen schmerzhaft brennen. Du hast Chloes Geschichte über Kacey doch gehört. Wenn Octavia bereit war, so etwas ihrer eigenen Tochter anzutun … wird sie keine Sekunde zögern, es dir anzutun.
Ich lege den Kopf in den Nacken, um zur Kassettendecke hinaufzuschauen. Es ist ein vergeblicher Versuch, die Tränen zurückzudrängen. Ich weiß, dass ich keine Wahl habe – ihn auszusperren ist die einzige Möglichkeit, ihn zu beschützen –, aber das macht es nicht leichter. Er ruft mich ständig an und schreibt mir eine Textnachricht nach der anderen. Gestern Abend ist er sogar vor den Eingangstoren aufgetaucht und hat verlangt, mich zu sehen. Zumindest hat mir das einer der Wachmänner erzählt, nachdem sie ihn abgewiesen hatten.
Offenbar hat er die E-Mail, die ich ihm vor zwei Tagen geschickt habe, um ihn um Abstand und Zeit zu bitten, damit ich mich in Ruhe mit der Situation auseinandersetzen kann, nicht gut aufgenommen.
»So willst du also eine zwanzigjährige Freundschaft beenden? Mit einer verdammten E-Mail?« , knurrte Owen in der Nachricht, die er gegen Mitternacht auf meiner Mailbox hinterließ. Er klang ebenso betrunken wie wütend. »Um Himmels willen, Ems. Ich kann nicht glauben, dass du so grausam sein würdest.«
Chloe klopft erneut an die Tür, dieses Mal lauter.
»Ich komme ja schon!«, murmle ich und wische mir eine Träne aus dem Gesicht, während ich auf die Tür zugehe. »Immer mit der Ruhe, Chl… Oh! « Meine Kehle verkrampft sich, als ich die Tür aufziehe und mich Auge in Auge mit Carter wiederfinde, der in seinem schwarzen Anzug, der sich perfekt an jeden Zentimeter seines gemeißelten Körpers schmiegt, absolut umwerfend aussieht.
Heilige Scheiße.
»Du bist nicht Chloe«, keuche ich dümmlich und bin nicht in der Lage, den Blick von ihm loszureißen.
»Nein«, murmelt er angespannt. »Bin ich nicht.«
Ich stolpere beinahe rückwärts, als ich die gefährliche Glut sehe, die in seinen Augen lodert. Er saugt meinen Anblick förmlich in sich auf und lässt den Blick langsam über meinen Körper wandern – von den schwarzen Stilettos an meinen Füßen über die vom Stoff des Kleids umschmeichelten Kurven bis hin zu den dunkelbraunen Locken, die als elegante halbe Hochsteckfrisur um meine Schultern fallen.
»Du siehst …« Er verstummt und spannt den Kiefer fest an.
»Anders aus?«, helfe ich ihm auf die Sprünge. »Das liegt an den Haaren.«
In seiner Wange zuckt ein Muskel. »Glaub mir. Das liegt nicht nur an den Haaren.«
Ich umklammere meine Clutch so fest, dass ich befürchte, den Verschluss zu zerbrechen, als Carter einen Schritt auf mich zukommt und den ohnehin schon geringen Abstand zwischen uns verkürzt. Mir stockt der Atem, als ich zusehe, wie er die Hand hebt, um sanft eine meiner Locken zwischen Daumen und Zeigefinger zu nehmen – genau wie er es am Abend unserer ersten Begegnung gemacht hat. Als er die Finger nach unten gleiten lässt und die Locke in die Länge zieht, atme ich gar nicht mehr.
Das ist die erotischste Berührung meines Lebens, und ich kann sie nicht mal spüren.
»Was machst du da?«, frage ich atemlos.
Er schaut mir in die Augen. In seinem Blick schimmern Emotionen, die er gewaltsam unter Kontrolle hält. Er öffnet den Mund, neigt sich vor …
»Hey!«
Wir beide zucken zurück, als Chloes Stimme ertönt. Ich starre auf den Boden des Flurs. Carter räuspert sich heiser und wendet sich von mir ab.
»Lasst uns gehen, ihr zwei!«, ruft sie von der obersten Stufe der großen Treppe aus und fuchtelt wild mit den Händen. »Draußen warten die Limos. Keine Sorge – ich habe bereits dafür gesorgt, dass wir nicht mit Linus und Octavia fahren.«
»Ich danke Gott für die kleinen Wunder«, murmle ich und bin sorgsam darauf bedacht, unter keinen Umständen in Carters Richtung zu schauen.
Er sagt kein Wort, während wir drei nach unten zum Haupteingang und nach draußen in die Einfahrt gehen, wo Octavia und Linus zusammen mit Simms neben den Limos warten. Mindestens zehn Mitglieder der königlichen Garde sind ebenfalls anwesend und bis an die Zähne bewaffnet. Sie tragen beeindruckende marineblaue Militäruniformen und waschechte Schwerter. Die doppelreihigen goldenen Knöpfe der Uniformjacken schimmern im frühen Licht der Morgensonne. Die Garde wirkt eher so, als wäre sie bereit, sich einer einfallenden Armee zu stellen, statt eine trauernde Familie auf eine Beerdigung zu begleiten.
»Ist dieser ganze Prunk wirklich nötig?«, fragt Chloe .
»Vor dem Hintergrund, dass jemand erst kürzlich ein Attentat auf die Monarchie verübt hat, ja«, schnauzt Octavia ihre Tochter an. »Bei unserem ersten öffentlichen Auftritt ist eine gewisse Machtdemonstration unerlässlich.«
Linus hustet angestrengt. »Deine Mutter hat recht.«
Ich schaue ihm in die Augen und sehe einen mir nicht vertrauten Ausdruck auf seinem Gesicht, während er mich mustert.
Könnte das Stolz sein?
»Emilia«, murmelt er. »Du siehst absolut bezaubernd aus.«
Ich öffne den Mund, um ihm zu danken, doch Octavia kommt mir schrill zuvor. »Tja, sie mag ›bezaubernd‹ sein, aber sie ist unentschuldbar spät dran. Wir sind schon jetzt hinter dem Zeitplan. Alle steigen jetzt sofort in die Wagen. Wir sehen euch an der Abtei. Ihr werdet kurze Zeit nach uns eintreffen, da ihr noch in Westgate vorbeifahren müsst, um die Sterling-Kinder abzuholen.«
»Na großartig«, stöhnt Chloe gelangweilt. Ich höre Carter auf meiner anderen Seite gleichermaßen genervt seufzen, und sofort ist meine Neugier doppelt so groß. Ich bin mir sicher, dass ich den Namen Sterling schon mal gehört habe, aber ich kann ihn nicht zuordnen.
Ich werfe Chloe einen fragenden Blick zu. Sie teilt mir lautlos mit, dass sie mir das später erklären wird, und verdreht heftig die Augen.
Octavia, Linus und Simms steigen in die erste Limo, während ich Chloe und Carter in die zweite folge. Wir machen es uns auf den weichen Sitzen bequem, und ich versuche, mir meine Ehrfurcht nicht anmerken zu lassen, als ich alles in Augenschein nehme. Ich bin noch nie zuvor in einer Limousine gefahren, ganz zu schweigen von der Rolls-Royce-Oldtimer-Flotte, die die königliche Familie bei allen formellen Anlässen benutzt. Ich schaue von der voll ausgestatteten Bar voller Glaskaraffen zu dem flauschigen Teppich auf dem Boden und dem handgestickten königlichen Wappen, das die Trennwand ziert. Jede Einzelheit scheint eigens zu dem Zweck angefertigt worden zu sein, um ein Maximum an Komfort und Stil zu bieten.
Wir haben die Einfahrt kaum verlassen, da greift Chloe bereits in das mit Perlen besetzte Mieder ihres Kleids und zieht einen gerollten Joint aus ihrem BH. Sie zündet ihn an und nimmt einen tiefen Zug, bevor sie ihn in meine Richtung hält.
»Nein, danke.«
»Ca
rter?«, bietet sie ihn mit vom Rauch kratziger Stimme ihrem Bruder an.
Er schüttelt den Kopf und greift stattdessen nach der Karaffe mit Bourbon. Er schenkt ein paar Finger breit in zwei Gläser, nimmt sich eins und beugt sich vor, um mir das andere zu reichen.
Ich lege die Finger automatisch um das glatte Kristallglas. »Oh, ich denke nicht, dass ich das brauche …«
»Trink es einfach«, murmelt er und starrt mir in die Augen. Ich weiß, dass er die Gefühle lesen kann, die darin brodeln – all die Angst und die Sorge und die von den Schmetterlingen in meinem Bauch hervorgerufene Übelkeit. »Das wird deine Nerven beruhigen.«
Mit einem dankbaren Nicken nehme ich einen zögernden Schluck. Er hat recht. Sobald die warme Flüssigkeit in meinem Magen ankommt, spüre ich, wie sich ein paar der umherschwärmenden Schmetterlinge verflüchtigen.
Die Atmosphäre während der Fahrt ist ungewöhnlich still. Jeder von uns hängt seinen eigenen Gedanken nach, und über allem hängt diese einzigartige Düsternis, die allen Beerdigungen anhaftet .
»Also.« Ich räuspere mich, und sie schauen mich beide an. »Wer genau sind die Sterlings, und warum hassen wir sie?«
Carter schnaubt und nimmt einen weiteren Schluck Bourbon.
Chloe kichert. »Zuerst einmal hassen wir sie nicht. Es gibt nur … jede Menge komplizierte Vergangenheit zwischen den Sterlings und den Lancasters. Angefangen mit der Tatsache, dass Ava mit Prinz Henry verlobt war. Und ihr Bruder Alden war sein bester Freund.«
»Ist« , korrigiert Carter sie leise. »Nicht war . Henry ist nicht tot, Chloe.«
»Wirklich? Wie kannst du das wissen, Carter? Soweit ich weiß, bist du nicht mal bei ihm gewesen, um ihn zu besuchen.«
»Sei nicht so eine Zicke, Chloe.«
Sie zeigt ihm den Stinkefinger und nimmt einen weiteren Zug von ihrem Joint.
»Du warst in der Nacht, in der das Feuer ausbrach, mit Ava unterwegs«, erinnere ich mich, als sich in meinem Kopf plötzlich Bruchstücke einer früheren Unterhaltung zusammenfügen. »Bei einer Cluberöffnung in Lund.«
Chloe bläst einen perfekten Rauchring in die Luft und schmunzelt angesichts ihres kleinen Kunststücks. »Ja. Schwer zu sagen, was sie härter getroffen hat – die Tatsache, dass ihre Chance, Königin zu werden, buchstäblich in Rauch aufging, oder dass ihr Verlobter die Frechheit hatte, während des Feuers so viel davon einzuatmen.«
Silver Crown - Forbidden Royals (German Edition) Page 16