Silver Crown - Forbidden Royals (German Edition)

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Silver Crown - Forbidden Royals (German Edition) Page 23

by Johnson, Julie


  Aber es nützt nichts.

  Du bist so eine Närrin , tadele ich mich, noch während sich mein Herz verkrampft und meine Augen zu brennen beginnen. Nicht jeder verdient eine zweite Chance.

  »Emilia.« Linus macht einen Schritt auf mich zu, sodass wir uns direkt gegenüberstehen, und greift nach meiner schlaffen Hand, um sie mit seiner zu umfassen. So nah sind wir einer Umarmung noch nie zuvor gewesen. »Ich weiß, dass du dir diesen Lebensweg niemals selbst ausgesucht hättest. Aber ich glaube wirklich, dass du genau deswegen dazu bestimmt bist, ihn einzuschlagen.« Er hält kurz inne. »Eine sehr kluge Frau hat einmal gesagt: ›Die, die gezielt nach Macht streben, sind diejenigen, die es am wenigsten verdienen, sie auszuüben. ‹«

  »Mom«, flüstere ich, und meine Stimme bricht. »Das hat Mom gesagt.«

  Er nickt. »Ich habe es nie vergessen.«

  »Gib einem König eine Krone, und er wird die Menschen wie einfache Bürger behandeln. Gib einem einfachen Mann eine Krone, und er wird die Menschen wie Könige behandeln «, rezitiere ich aus dem Gedächtnis und lächle, obwohl mir nach Weinen zumute ist.

  »Ich schwöre dir, Emilia …« Linus verstummt, als ein offenbar schmerzhafter Hustenanfall durch seine Brust tobt, doch es gelingt ihm, sich wieder zu sammeln. »Ich werde versuchen, die Art von König zu sein, auf die sie stolz wäre. So kurz meine Regentschaft auch sein mag.«

  Eine Träne rollt über meine Wange. Ich höre Moms Stimme in meinem Kopf, die sich mit seiner vermischt.

  Ich liebe dich, reines Herz.

  Bleib tapfer.

  Ich hebe das Kinn. Mit schimmernden Augen halte ich seinem festen Blick eine gefühlte Ewigkeit stand. Ich habe ihm so viel zu sagen, und doch kommt kein einziges Wort über meine Lippen.

  Was sagt man zu dem Mann, dessen Abwesenheit für einen das ganze Leben geformt hat, wenn er endlich vor einem steht und um Vergebung und Verständnis bittet?

  Er lächelt mich sanft an. Seine Augen schimmern ebenfalls gefährlich feucht, und ich weiß, dass er die Bedeutung, die unter meinem Schweigen begraben liegt, versteht. In Wahrheit bin ich immer noch nicht bereit, ihm für die Entscheidungen, die er getroffen hat, zu vergeben … selbst wenn ich langsam seine Begründungen dafür verstehe, warum er sie getroffen hat.

  Unser gemeinsamer Weg ist bislang recht steinig gewesen. Voller dorniger Büsche und falscher Abzweigungen. Aber vielleicht gibt es eines Tages … eine Chance für uns, uns weiter nach vorn zu bewegen. Auf einem neuen Weg, den die Umstände geschaffen haben – mit vorsichtigem Respekt von beiden Seiten.

  Nicht heute.

  Aber eines Tages .

  »Linus!«, keift eine kalte Frauenstimme aus den Schatten und macht den Moment zunichte. »Was in aller Welt machst du hier? Ich warte schon seit fünf Minuten mit Gerald auf dich.«

  Wir drehen uns beide um und sehen, wie Octavia auf uns zustolziert kommt. Ihr maßgeschneidertes blaues Kleid sieht im Kontrast zu ihrem feurigen roten Haar umwerfend aus. Sie richtet den Blick auf mich.

  »Du solltest bereits auf der Treppe sein, Mädchen.«

  Vor einer Woche hätte ich womöglich zu Boden geschaut. Ich wäre ihrem strengen Blick ausgewichen und hätte die Konfrontation vermieden. Aber damit ist jetzt Schluss. Zum ersten Mal befolge ich einen Rat, den mein Vater mir gegeben hat, hebe das Kinn und starre ihr kühl in die Augen.

  »Mein Name lautet nicht ›Mädchen‹. Er lautet Emilia Victoria Lancaster. Ich schlage vor, dass du anfängst, ihn zu benutzen.«

  Ich ignoriere den verblüfften Ausdruck auf ihrem Gesicht, straffe stolz die Schultern und rausche mit jedem bisschen Anmut und Haltung, das ich aufbringen kann, an ihr vorbei.

  Lady Morrell wäre so verflucht stolz auf mich .

  Mein Herz hämmert, als ich am Rand der Treppe zum Stehen komme. Die Stufen erstrecken sich vor mir nach unten wie ein Wasserfall aus Stein. Ich nehme einen flachen Atemzug, der die enge Schnürung meines Korsetts dehnt, und nicke Simms knapp zu.

  Ich bin bereit.

  Er verkündet meine Ankunft mit donnernder Stimme, die ich wegen des Klingelns in meinen Ohren jedoch kaum wahrnehme. Ein angespanntes Schweigen legt sich über die Menge unter mir. Alle drehen den Kopf, um mich anzuschauen.

  Jeder im Publikum schnappt nach Luft, als sie sehen, wie ich in meinem glänzenden goldenen Kleid die Treppe hinunterschwebe und dabei einen vorsichtigen Schritt nach dem anderen mache.

  Ich behalte den Blick fest geradeaus gerichtet und versuche, ein würdevolles Tempo einzuhalten. Ein Anflug von Erleichterung überkommt mich, als ich es bis nach unten schaffe, ohne über die lange Schleppe zu stolpern oder in meinen hohen Schuhen umzuknicken … wenigstens bis ich den Blick auf den Spießrutenlauf richte, der mir noch bevorsteht.

  Die Stimme meiner Mutter begleitet mich wie Trommelschläge, als ich die ersten Schritte durch den Gang mache. Ich passe mein Tempo an jede Silbe an, während ich gehe und dabei von allen Seiten Blicke auf mir spüre.

  Bleib tapfer.

  Bleib tapfer.

  Bleib tapfer.

  Achtzig Meter.

  Fünfzig Meter.

  Zwanzig Meter.

  Der Thron kommt immer näher, und die Menge um mich herum ist eine Masse aus gesichtslosen Fremden. Ich nähere mich dem Ende dieser langen, schrecklichen Parade, als ich ein Augenpaar auf mir spüre, das mich aus der ersten Reihe beobachtet. Das Gefühl ist stark genug, um meine Aufmerksamkeit darauf zu lenken. Ich sage mir, dass ich ihn nicht anschauen darf, dass ich der magnetischen Anziehungskraft seines Blicks nicht nachgeben darf … Aber als ich in einem Abstand von ein paar Metern an seinem Stuhl vorbeigehe, richten sich meine Augen unaufgefordert auf ihn. Sie starren tief in seine, die blau funkeln und in denen ein unverhülltes Verlangen brennt. Und zum ersten Mal, seit Simms meinen Namen genannt hat …

  Versagen meine Füße.

  Es ist nur ein kleines Wanken, bevor ich mich wieder im Griff habe, ein Stolpern, das so winzig ist, dass ich bezweifle, dass es irgendjemand bemerkt hat. Abgesehen von Carter. Er beobachtet mich so genau, dass ich weiß, dass er sich jede Einzelheit meines Kleids eingeprägt hat und auch die kleinste meiner Bewegungen mit voller Konzentration wahrnimmt.

  Ich schlucke schwer, reiße den Blick von seinem los und steige die drei breiten Stufen hinauf, die zum Pavillon führen, wo der Erzbischof in vollem Ornat wartet. Ich nicke ihm respektvoll zu und nehme meinen Platz vor dem kleinen verzierten Stuhl auf der rechten Seite des vergoldeten Throns ein. Ich riskiere es nicht, noch mal einen Blick in die erste Reihe zu werfen. Stattdessen lasse ich den Blick über die Menge schweifen und nehme alles in mich auf.

  Mein Königreich.

  Jedes Gesicht in der Menge ist mir zugewandt. Die Menschen scheinen in Ehrfurcht erstarrt zu sein, während sie mich betrachten. Als würden sie etwas wirklich Spektakuläres erleben. Das ist zweifellos der surrealste Moment in meinem ganzen Leben. Mein Herzschlag klingt zwischen meinen Ohren lauter als eine Kriegstrommel, je länger ich dort stehe – alle Augen sind auf mich gerichtet und mustern mich.

  Ihre Prinzessin.

  Zum Glück lenkt Simms’ Stimme ihre Aufmerksamkeit von mir weg, bevor der Druck meine Haltung zum Einsturz bringen kann – donnernd verkündet er Octavias Ankunft. Alle drehen sich auf ihren Sitzen herum, um sie zu betrachten. Sie ist das perfekte Abbild königlicher Haltung, als sie den Gang die Treppe hinunter antritt. Sie saugt jedes bisschen Aufmerksamkeit in sich auf. Ihre Schritte sind winzig, ihr Tempo ist unfassbar langsam. Ich habe das Gefühl, drei oder vier Jahre meines Lebens zu verlieren, während ich darauf warte, dass sie ihren Platz neben mir auf der Bühne einnimmt.

  Sie verhält sich tatsächlich schon gebieterisch wie eine Königin.

  Simms Stimme donnert ein letztes Mal durch den Raum.

  »Seine Königliche Majestät Linus Lancaster, König von Caerleon …«

  Jeder erhebt sich von seinem Sitz, um ihn zu begrüßen – ein Zeichen des Respekts, das allein dem höchsten Rang der Monarchie vorbehalten ist. Linus sieht wie das Musterbild eines Königs aus, als er würdevoll auf uns zuschreitet. Als er die Stufen zu dem Thronpavillon hinaufsteigt,
schaut er mir für einen ganz kurzen Moment in die Augen. Ich sehe Wärme und Stolz in seinem Blick aufblitzen. Dann wendet er sich ab, um den Erzbischof zu begrüßen. Er neigt den Kopf, atmet zitternd ein und kniet sich auf das vornehme Samtkissen in der Mitte der Bühne.

  Und so beginnt es.

  Die grundlegenden Elemente einer caerleonischen Krönung haben sich in den letzten tausend Jahren so gut wie nicht verändert. Es handelt sich um eine einstündige Zeremonie der Ausrufung, Weihung und Vereidigung. Der König verspricht, das Gesetz, die Kirche und vor allem die treuen Untertanen des Landes zu ehren.

  Linus’ Stimme ist kräftig und klar, während er seine Verantwortung annimmt. Als er sich mit einer kunstvoll gearbeiteten Krone auf dem Kopf erhebt, ist der Applaus so laut, dass ich die kristallenen Kronleuchter an der Decke gefährlich klirren höre. Lady Morrell hat mich eindringlich angewiesen, nicht zu klatschen – eine Prinzessin jubelt nicht mit der Masse; begnügen Sie sich damit, eine feierliche Miene aufzusetzen –, aber ein Lächeln kann ich mir nicht verkneifen.

  Wie benommen schaue ich zu, wie der Erzbischof damit fortfährt, Octavia ins Amt der Königsgemahlin einzuführen – eine simplere, kürzere Version des gleichen Vorgangs. (Ich versichere Ihnen, dass meine feierliche Miene kein bisschen verrutscht, als die Menge für sie applaudiert.)

  Dann zu meinem großen Entsetzen bin ich an der Reihe.

  Ich knie mich hin, lege die Hände fest zusammen und blicke in die braunen ausdruckslosen Augen des Bischofs hinauf, während ich den Treueschwur wiederhole, den ich in den vergangenen paar Tagen vor dem Badezimmerspiegel geübt habe.

  Zu meiner großen Überraschung verblasst die helle Panik, die ich verspüre, während ich meinen Schwur aufsage. Mein Puls verlangsamt sich zu einem gleichmäßigen Tempo. Meine Stimme zittert nicht, die Worte hallen glasklar in dem stillen Raum wider.

  »Ich, Emilia Victoria Lancaster, schwöre dem Volk von Caerleon meine uneingeschränkte Treue als rechtmäßige Erbin des Throns. In dieser Eigenschaft verspreche ich, Recht und Gerechtigkeit walten zu lassen, die Lehre, die Werte sowie die Grundsätze von Kirche und Staat zu bewahren und die Rechte und Würde jedes Mannes, jeder Frau und jedes Kindes unter meiner Herrschaft zu schützen.« Ich hole tief Luft und neige den Kopf. »Ich werde all meine Versprechen ausführen und nach besten Kräften umsetzen. So wahr mir Gott helfe.«

  In dem Raum ist es so still, dass man eine Stecknadel fallen hören könnte.

  Der Erzbischof salbt meine Stirn mit heiligem Öl. Sein Daumen gleitet glitschig über meine Haut. Als er das funkelnde Diadem aus einer kunstvoll verzierten Schachtel zu seiner Linken hebt, atme ich unwillkürlich ein. Es ist mit Gold und Diamanten besetzt, was ihm ein spürbares Gewicht verleiht. Noch schwerer wiegt jedoch die Bedeutung, die damit einhergeht, als er es mir auf den Kopf setzt. Es schmiegt sich an mein Haar, funkelt im Licht und passt perfekt zu meinem Kleid.

  Als ich aufstehe und mich umdrehe, um mich vor meinen Landsleuten zu verneigen, schwappt mir eine kraftvolle Woge aus Applaus entgegen. Sie jubeln und klatschen, und in ihren Augen schimmert uneingeschränkte Begeisterung, während sie mich bewundernd betrachten.

  Ihre Thronfolgerin.

  Ihre zukünftige Königin.

  Ich habe nichts getan, um mir ihre Liebe zu verdienen. Und doch stehe ich hier, legitimiert durch Gottesgnadentum, und werde ohne ersichtlichen Grund akzeptiert und verehrt. Ich komme mir wie eine Betrügerin vor, die nur wegen des Nachnamens auf ihrer Geburtsurkunde eine Belohnung einheimst.

  Das Lächeln auf meinen Lippen gefriert. Mein Puls pocht heftig in meinen Venen. Und die schöne Krone auf meinem Kopf fühlt sich plötzlich wie etwas ganz anderes an.

  Eine goldene Lüge.

  Ein schmutziger Glorienschein.

  19. KAPITEL

  »Verdammt, E.! Du siehst wirklich umwerfend aus! Dieses Kleid ist ein feuchter Traum.«

  »Ähm.« Ich blinzle Chloe an. »Danke … oder?«

  »Sei versichert, das ist ein Kompliment.«

  »Sie hat recht«, mischt sich Alden sanft ein und tritt mit einem Lächeln auf mich zu. Seine Augen strahlen. »Du siehst absolut perfekt aus, Prinzessin.«

  Mein Lächeln gerät ins Wanken. »Bitte nenn mich nicht so.«

  Er zieht verwirrt die Augenbrauen hoch.

  Ich wende den Blick ab, schaue wieder zu Chloe und stelle fest, dass sie die Diamanten an meinem Diadem mustert. Ihr kirschroter Mund – ihre Lippen haben den gleichen Farbton wie das Kleid im Meerjungfraustil, das sie trägt – steht ihr vor lauter Begehrlichkeit offen.

  »Du wirst es mich doch später mal anprobieren lassen, oder?«

  Ich schnaube. »Ich glaube nicht, dass ich das darf. Ich bin mir ziemlich sicher, dass es wieder in der königlichen Schatzkammer verschwindet, sobald die Party vorbei ist.«

  »Dann sollten wir wohl das Beste aus dem Moment machen.« Alden hält mir eine Hand hin. »Wenn es nicht zu dreist von mir ist … dürfte ich wohl um den ersten Tanz bitten? «

  »Oh«, pruste ich wenig anmutig und erröte heftig. »Natürlich.«

  Er strahlt, während er meine Hand in seine Armbeuge legt und mich auf die Tanzfläche führt. Ich schaue mich in dem großen Saal um und rede mir ein, dass ich nur den Anblick bewundere – und nicht rastlos unter der Menge aus Gästen nach einem dunklen Haarschopf und breiten Schultern in einem Smoking suche.

  Ich kann ihn nirgendwo entdecken. Und mir fällt auf, dass auch Ava verdächtig abwesend ist.

  Es spielt keine Rolle.

  Es spielt keine Rolle.

  Es spielt keine Rolle.

  Ich verdränge die Gedanken an Carter aus meinem Kopf und zwinge mich, meine Aufmerksamkeit auf die Ausstattung des Ballsaals zu lenken. Der Raum hat eine beeindruckende Verwandlung erfahren und ist bis unter die Decke mit prunkvollen Blumengestecken, weißen Leinentischdecken und glänzenden silbernen Kerzenhaltern geschmückt. Vornehm gekleidete Kellner verteilen an jeden in der Menge Champagnerflöten. Ein achtköpfiges Streichorchester bietet musikalische Untermalung für die vielen Paare, die bereits elegant über die Tanzfläche wirbeln.

  Alden und ich nehmen unseren Platz unter ihnen ein. Ich atme kaum, als er mich durch meinen ersten Walzer führt – nun ja, meinem ersten Walzer, den ich nicht mit Lady Morrell aufs Parkett lege. Ich bin mir ziemlich sicher, dass diese Übungstänze nicht zählen. Er ist ein sehr viel aufregenderer Partner, der mich mit Leichtigkeit führt und all meine Bewegungen steuert, als hätte ich Marionettenfäden an den Füßen. Nach einer Weile stelle ich fest, dass ich tatsächlich Spaß daran habe, mit ihm zu den Klängen des Orchesters über die Tanzfläche zu gleiten .

  »Ich kann nicht glauben, dass du mich angelogen hast«, flüstert er mir ins Ohr, als der Walzer endet.

  »Wie meinst du das?«

  Er lässt ein ultraweißes Lächeln aufblitzen. »Du bist eine wundervolle Tänzerin. Du bist mir kein einziges Mal auf die Füße getreten.«

  »Gib mir Zeit.«

  »Bedeutet das, dass ich dich zu einem weiteren Tanz überreden kann?«

  Ich öffne den Mund, um zuzustimmen, aber die Worte werden mir von einer Stimme mit einem ganz leichten Akzent abgeschnitten, die zu meiner Linken ertönt.

  »Leider kann die Prinzessin nicht mit Ihnen tanzen«, sagt ein junger Mann, den ich nicht kenne. Er verbeugt sich leicht, während er mich mit funkelnden Augen betrachtet. »Denn sie wird mit mir tanzen.«

  »Oh?« Ich ziehe eine Augenbraue hoch. »Und Sie sind …?«

  »Westley Egerton, Baron von Frenberg. Es ist mir eine Ehre, Ihre Bekanntschaft zu machen, Eure Königliche Hoheit.«

  »Einfach nur Emilia bitte.«

  Er zieht angesichts derartiger Vertrautheit schockiert die Augenbrauen hoch. Lady Morrell wäre über meine Unschicklichkeit regelrecht entsetzt, aber das ist mir egal. Ich habe es so satt, mit »Eure Hoheit« angesprochen zu werden, dass ich mich übergeben könnte. Und der Abend hat gerade erst angefangen.

  »Dann also Prinzessin Emilia«, sagt Egerton taktvoll und lächelt, während er eine Hand ausstreckt. »Sollen wir?«

  Mit einem entschuldigenden Blick zu A
lden ergreife ich die ausgestreckte Hand und gestatte es mir, mich in einen weiteren schwungvollen Tanz ziehen zu lassen. Ich spüre das Gewicht vieler männlicher Blicke auf mir und habe den schleichenden Verdacht, dass Egertons Angebot an diesem Abend nicht das einzige bleiben wird …

  Wie sich herausstellt, lag ich mit meiner Vermutung vollkommen richtig.

  Zwei Stunden später schmerzen meine Füße, während mich ein weiterer Verehrer aus einem Land, an dessen Namen ich mich nicht erinnern kann, über die Tanzfläche wirbelt. Zu meinem Unglück verfügt dieser spezielle Graf im Gegensatz zu Alden nicht mal über einen Hauch von Leichtigkeit, was seine Fußarbeit betrifft – wie durch die Tatsache belegt wird, dass er schon mindestens dreimal auf meine Füße getreten ist.

  »Ich entschuldige mich erneut, Eure Hoheit.«

  Ich überspiele meine schmerzverzerrte Miene mit einem aufgesetzten Lächeln. »Kein Problem.«

  Chloe verzieht das Gesicht und schaut mich über die Schulter des attraktiven Lords an, mit dem sie gerade tanzt. Ich versuche, sie anzulächeln, aber daraus wird schnell eine weitere schmerzerfüllte Grimasse, als sich ein beträchtliches Gewicht auf meine Zehen senkt.

  »Ich kann mich nur ein weiteres Mal entschuldigen …«

  Ich beiße die Zähne zusammen und bete, dass es bald vorbei sein wird. Ich bin erschöpft davon, ständig wohlwollend lächeln zu müssen und Small Talk mit Fremden zu führen. Ganz abgesehen davon, dass ich immer wieder von Lords mittleren Alters mit schwabbeligen Bäuchen und Mundgeruch malträtiert werde und dann die bissigen Bemerkungen ihrer Ehefrauen abwehren muss, wenn es mir mal kurz gelingt, der Tanzfläche zu entkommen, um einen Schluck Champagner zur Stärkung zu trinken.

  »Bitte vergeben Sie mir, Prinzessin«, sagt der Graf, aber meine Aufmerksamkeit ist plötzlich ganz woanders – sie richtet sich auf etwas in der Menge, das dafür sorgt, dass mein Herz plötzlich mit doppelter Geschwindigkeit schlägt. Etwas, das ich trotz meiner unablässigen Suche den ganzen Abend über nicht entdeckt habe.

 

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