Feen Buch 1: Der Weg nach Imanahm

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Feen Buch 1: Der Weg nach Imanahm Page 6

by Peter Singewald


  Meister Zelons linke Hand war bei einem magischen Experiment, verkrüppelt worden, weswegen sie sie normalerweise unter ihrem Gewand verborgen hielt. Nur manchmal, wenn sie ihren Schülern die Gefahren der Magie verdeutlichen wollte, zeigte sie die Hand. Sie war schwarz und die Finger waren lang, wie die Klauen eines großen Greifvogels. Und sie schien sich wie von selbst, unkontrolliert zu bewegen. Jeder Schüler hatte deswegen Angst vor ihr, auch Pethen. Dennoch waren seine Lieblingsstunden von da an die von Meister Zelon gewesen. Er schaffte es sogar manchmal, einen Erkenntniszauber zu weben, wenn er dabei auch nie das sah, was er sehen sollte.

  Heimlich glaubte er, dass sein verkrüppelter Finger und ihre verunstaltete Hand eine mystische Verbindung zwischen ihnen schuf, was sie ihm nur noch lieber machte.

  Neben den Erkenntniszaubern schien Pethen auch ein Talent für die Zauber zu besitzen, die den Verstand angriffen oder verteidigten. Zumindest las er oft zufällig und ohne dass er es gewollt hätte, die Gedanken seiner Mitschüler. Meist wenn er selbst schon etwas müde war, wenn sein eigener Verstand nicht mehr ganz bei ihm zu sein schien, hinausgriff und andere berührte.

  Er hatte versucht, dies den Meistern zu erklären. Aber da er es nicht wiederholen konnte, wenn sie dabei waren, hielten sie es für den schwachen Versuch einer Ausrede, mit der er über sein mangelndes Talent hinwegtäuschen wollte. Meister Zelon sah ihn seitdem immer sehr traurig und forschend an.

  Der heutige Unterricht verlief genauso, wie Pethen es sich schon gedacht hatte. Sie saßen auf ihren Übungsmatten gleichmäßig im Übungsraum, der eigentlich nur eine feuchte Höhle war, verteilt. Jeder hatte seine eigenen Utensilien: Schälchen, Kerze, Reisig und Lehm. Pethen saß vor seinen und spürte, wie seine Adern in den Schläfen pochten, weil er sich so sehr anstrengte. Die anderen Schüler machten gute Fortschritte. Jeder von ihnen wurde immer besser, die Flammen, Pfützen und Windstöße größer und heftiger. Nur Pethen brachte nicht einmal ein kleines Fünkchen hervor. Er konnte die Zauber schon im Schlaf aufsagen. Manchmal verschüttete er Essen, weil eine der Gesten seine Hand durchzuckte. Aber irgendetwas musste er immer noch falsch machen. Oder es fehlte ihm wirklich das Talent. Aber warum hatte ihn dann Meister Anún damals mitgenommen und hierhergebracht? Auch Meister Zelon war sich sicher gewesen, dass da etwas in ihm steckte. Warum konnte er also nicht einmal die einfachsten Zauber wirken?

  Viel schlimmer als die dauernde Unsicherheit war jedoch die Scham. Er schämte sich inzwischen schon, den anderen Schülern ins Gesicht zu sehen. Die Meister sprach er gar nicht mehr an. Wahrscheinlich würden sie ihn bald hinauswerfen, weil er nicht genug gelernt hatte. In dem Spott, den er die ganze Zeit über von Meister Enkan ertragen musste, meinte Pethen eine Ahnung davon hören zu können.

  Auch in dieser Stunde machte Meister Enkan keinen Hehl aus seiner Verachtung für Pethen.

  „Na, soll ich dir einen Feuerstein holen?” Er stand genau hinter Pethen. Pethen hatte ihn nicht einmal kommen hören, so vertieft war er in seine Gedanken gewesen. Seine Scham vertiefte sich, obwohl seine Augen sowieso noch nie in dieser Stunde den Blick vom Boden abgewendet hatten.

  „Vielleicht sollten wir noch mal mit etwas leichterem beginnen. Was meint der Rest der Gruppe dazu?” Meister Enkan wendete sich den anderen zu. Er versuchte Pethen noch mehr zu demütigen, indem er ihm sein Unvermögen vor aller Augen vorhielt. Das war nicht gerecht. Pethen wusste doch sowieso schon nicht mehr, was er noch hätte tun sollen. Er wagte nicht einmal, sich umzudrehen, um dem Meister gegenüberzutreten.

  „Wie wäre es mit den ganz einfachen Konzentrationsübungen der ersten Tage?” Die Anderen lachten leise. Es war einfach nicht gerecht. Eine Träne rann Pethens Wange hinunter.

  „Aber wahrscheinlich ist das auch noch zu schwer.” Nicht Gerecht! Meister Anún hatte gewusst, dass Magie in Pethen war. Sonst hätte er ihn nicht hierher gebracht. Warum konnte Meister Enkan es nicht sehen? Es schien ihm einfach nur Spaß zu machen, ihn zu ärgern, ohne dass er einen Gedanken daran verschwendete, was in Pethen tatsächlich vorging, oder dass Pethen sich wirklich mühe gab.

  „Wie ich immer sage, ´Konzentration ist die wichtigste Übung´.” Meister Enkan sagte es so, als wenn Pethen sich nicht einmal die Mühe machen würde, sich zu konzentrieren, als wenn er nur vor sich hin träumen würde. Das Gelächter der anderen war lauter geworden. Nicht Gerecht! Pethen konnte nicht an sich halten. „Hören sie bitte auf.” Für einen Moment konnte man nur das erschrockene Einatmen der anderen Schüler hören.

  „Höre ich da Widerworte?” Meister Enkan hatte Pethen nicht erlaubt, zu sprechen. Dafür gab es keine Entschuldigung. Besonders nicht, wenn niemand sie hören wollte.

  „Du wirst heute den Raum aufräumen.” „Das ist nicht Gerecht!” Pethens Stimme wurde lauter. Er konnte es nicht mehr ertragen. Jede Scham hatte eine Grenze, die bei Pethen jetzt überschritten war.

  Er musste gegen seine Gefühle kämpfen und irgendeinen Ausweg finden. Meister Enkan merkte davon nichts. Er war jetzt ganz still geworden und zu sehr mit seiner eigenen Wut beschäftigt. Als er sprach, konnte man die zurückgehaltene Wut in seiner Stimme vibrieren hören.

  „Ich glaube, du wirst die nächste Woche nicht mehr mit dem Putzen aufhören.” Er holte tief Luft, als wenn er vor lauter Wut nicht richtig atmen könnte. „Ich glaube auch, dass die Stunden, in denen wir versuchen, dich etwas zu lehren, vergebens sind.” „Das ist nicht gerecht!” Pethen schrie es diesmal hinaus. Trotzdem konnte er sich nicht zu Meister Enkan umwenden.

  Der Meister packte ihn an der Schulter, um ihn umzudrehen. „Was fällt dir ...”

  Es gab einen Knall und Meister Enkan flog drei Schritte durch die Luft bevor er gegen die Wand stieß und zu Boden viel. Etwas hatte ihn an der Brust getroffen. Etwas durchsichtiges, bläulich Schimmerndes. Pethen war sich sicher, es gesehen zu haben. Erst danach bemerkte er, wie wütend er selbst eigentlich gewesen war. Denn jetzt war sein Verstand wieder frei. Alle Gefühle schienen in diesem einen Moment von ihm gewichen zu sein, so als wenn sie mit der bläulichen Kugel seinen Körper verlassen hätten. Durch die Berührung des Meisters hatte er sich endlich umgedreht, so dass er den bewegungslosen Körper jetzt auf der Erde liegen sehen konnte. Lange gab es in seinem Geist nur diese Gestalt, die dort auf der Erde lag, sie hatte in dieser Zeit keinen Namen, denn nichts existierte mehr für Pethen. Er konnte nicht einmal in sich hineinfühlen, um zu erforschen, ob er gerade diese Magie gewirkt hatte oder jemand anderes. Nur langsam drangen die Stimmen seiner Mitschüler zu ihm durch, die nach der anfänglichen Furcht ihre Stille gebrochen hatte. Sie riefen wild durcheinander. Einer von ihnen lief aus dem Raum. Zwei beugten sich über Meister Enkan. Die anderen standen noch ein wenig abseits, so als wenn sie nicht genau wüssten, was sie von dem geschehenen halten sollten. Es war auch zu unglaublich, was sie eben gesehen hatten. Unfassbar. Dennoch kam niemand zu Pethen, der mit einem seltsamen Gefühl der Freiheit immer noch an seinem Platz stand, als wenn er zu Stein erstarrt wäre.

  Er hatte nicht einmal seinen Kopf bewegt, bis Meister Zelon ihm ernst ins Gesicht sah, um ihm schließlich eine Ohrfeige zu geben.

  Die Chuor hielten sich für die geschicktesten Kämpfer.

  Die Karakas glaubten, sie wären die größten Krieger.

  Und die Alli meinten, dass sie mit ihrem Geschick alles überwinden könnten.

  Immer waren da jedoch zwei Völker, mit denen sich niemand zu messen wagte. Denn kein Krieger der geringen Völker wagte den Kampf mit Drache oder Feen. Und jeder würde die Drachen für die fürchterlicheren Feinde halten, denn sie waren es, die immer wieder in den großen Kriegen Leid über die Völker brachten. Ich wusste aber, dass jeder Feen ohne Mühe einen Drachen besiegen konnte, nur dass sie es nicht mehr taten. Sie waren der Welt zu entrückt, um sich noch darum zu sorgen, was ihre größten Feinde von ehemals in der Welt taten. Seit dem Großen Krieg, der zum Untergang der Ra-ula geworden war, blieben die Drachen die letzte der drei alten Rassen in der Welt. Und ohne die anderen beiden, die den Ehrgeiz und den Größenwahn der schrecklichen Echsen in Grenzen hatten halten können, waren den Drachen keine Grenzen für ihre Gier und Herrschsucht
gesetzt. Sie WAREN die neuen Herrscher der Welt. Sie waren grausam, eigennützig und nicht am Wohl irgendeines anderen Volkes interessiert.

  Aber sie herrschten.

  Sie herrschten nicht schlecht, nicht schlechter als andere und besser als die Feen es getan hätten. Sie sorgten für Ordnung und für einen Frieden, der zumindest keine größeren Kriege zuließ. Sonst überließen sie ihre Untertanen sich selbst.

  So schien es. Doch Shaljel und ich wussten es besser. sogar besser als einige, die glaubten, eingeweiht zu sein.

  Von den Bergen

  Nur noch die Gelehrten der Drachen, und von denen gab es wahrlich wenige, hatten in ihren Gedächtnissen bewahrt, dass dies die dritte der Großen Ratshallen der Drachen war, die an diesem Platz stand. Es war etwas, an dass sich die Drachen nicht gerne erinnerten. Sie lebten im Jetzt. Denn selten war es ihnen so gut gegangen wie in diesem Zeitalter. Sie waren die unangefochtenen Herrscher der Welt. Keine Feen, keine Ra-ula, kein ernstzunehmender Widerstand gegen ihre Macht. Nach dem letzten großen Krieg, der so viele Siege und so viel Ruhm für die Drachen gebracht hatte, war keiner ihrer alten Feinde mehr übrig geblieben. Die vielen geringeren Völker und besonders die Menschen, wie sie sich jetzt nannten, waren nichts mehr als nützliches Spielzeug, das zu alledem auch noch gut schmeckte. Es machte Spaß sie zu tyrannisieren, sie in beständiger Angst leben zu lassen.

  So dachten sie, die Drachen, und danach lebten und handelten sie. Sie hatten kein Gedächtnis, nur Legenden, sie hatten keine Würde, nur alten Ruhm. Denn sie waren nur noch ein Schatten ihrer selbst, sie fürchteten sich, sie verdrängten lieber als sich den Gefahren zu stellen.

  Vergessen war die nahe Auslöschung des Drachenvolkes während des Großen Krieges. Vergessen die Schmach der vielen Niederlagen, die ihnen von den Glani, den Feenvölkern und nicht zuletzt den Menschen während dieses Krieges beigebracht worden waren. Vergessen auch der Brand der Ratshalle, nachdem die letzte Königin der Hohen Wahl gefallen und die kleinen Völker dort eingedrungen waren.

  Aber vor allem hatten sie die erste große Schlacht gegen die Glani und ihren Gott verdrängt. Die Schlacht, aus der nur zwei Drachen zurückkamen. Zwei von 600 Drachen. Zwei aus dem größten Heer, dass die Drachen jemals seit den Untotenkriegen aufgestellt und gegen einen Feind geschickt hatten, angeführt von der Königin selbst, denn sie hatten an einen leichten Sieg geglaubt.

  Es konnte nur ein Versehen sein, dass die jetzige Königin der Drachen von all dieser Schmach wusste. Denn wem war damit gedient, wenn gerade die Herrscherin der Drachen zu viel wusste? Und sie wusste es auch nur, da sie eine der wenigen Gelehrten war. Warum jedoch sie, eine Gelehrte, gewählt worden war, das hingegen war leicht zu durchschauen und in keinster Weise ein Versehen. Der Rat, der die Wahl durchgeführt hatte, wollte keine starke Königin. Und alle Gelehrten waren schwach. Aber Srachskriss stammte aus einem stolzen Haus. Aus einem großen und alten Haus. Einem Haus, das schon vor den Kriegen Königinnen gestellt hatte. Srachskriss war in den alten Traditionen aufgewachsen, die auch Wert auf die Würde legten. Sie wusste, was für eine Schande es war, auf diese Weise zur Königin „gewählt” zu werden. Damals, während der Hohen Wahl, setzten sich nicht einfach ein paar alternde, intrigante Drachen zusammen und überlegten sich, wen sie am besten manipulieren könnten, wenn sie auf dem Thron saß. Damals wurde eine Drachin Königin, weil sie es so wollte und weil keine andere Drachin es ihr streitig machen konnte. Das war die Hohe Wahl. Eine Wahl der Starken und Mächtigen. Eine Wahl des Willens und nicht des Unwillens. Jede Drachin hatte Anteil an dieser Wahl, denn jede Drachin konnte die Königin nach einem Mond erneut herausfordern.

  Srachskriss wusste, dass sie auch schon damals Königin geworden wäre. Denn Sie war zwar klein, weswegen sie viele, nicht nur der Rat, für schwach hielten. Dennoch war sie stark. Sie war Gelehrte geworden, weil Sie den alten Ruhm und vor allem die alte Würde wieder aufleben lassen wollte, nicht weil sie die Erinnerung daran erhalten wollte. Sie verachtete all die Drachen, die nur in den Erinnerungen schwelgten, die jedoch nicht wagten, das Volk der Drachen auf die ruhmreichen alten Wege zurückzuführen. Hätte Sie nicht den Sinn hinter dem gesehen, was die Gelehrten für ihr Volk taten, Srachskriss hätte ernsthaft erwogen, ob das Gelehrtentum nicht verboten werden sollte. Aber wer hätte dann den jungen Drachinen von der Hohen Wahl erzählen sollen? Daher förderte sie die Wissbegierigen, anstatt sie zu töten.

  Es war jedoch schwierig für Srachskriss überhaupt etwas für ihr Volk zu tun. All ihre Entscheidungen mussten vom Rat der Drachen abgesegnet werden, wenn man überhaupt zuließ, dass sie eine ihrer Entscheidungen dort einbrachte. Der Rat war pervertiert worden, das Gegenteil von dem, was er hätte sein sollen. Einst war die Königin diejenige, die alle Entscheidungen traf, dazu war sie da. Der Rat tat nur das, er beriet sie. Nicht mehr, nicht weniger. Es war eine Ehre gewesen der Königin zu dienen. Jetzt dienten alle, die angeblich im Dienst der Königin standen, dem Rat. Und darin lag keine Ehre, nur Schande und Scham.

  Wenn sie die Möglichkeit gehabt hätte, dann wäre sie in den Rat gegangen und hätte alle Mitglieder töten lassen. Ihre Anhängerschaft war jedoch zu schwach. Nur wenige erkannten den falschen Ruhm, so wie Srachskriss es tat. Und da sie keinen Hehl aus ihren Ansichten machte, wurde sie nur von wenigen im Volk geachtet, von noch weinigeren geliebt.

  Srachskriss wusste jedoch, dass sie dies alles ändern konnte. Sie brauchte nur etwas, womit sie das Volk auf ihre Seite brachte. Und was, außer einem ehrenvollen Krieg, hätte dies schon sein können. Denn Kriege waren es, die etwas veränderten. Nicht die Verhandlungen mit den anderen Völkern, nicht der Frieden. In Kriegen wurden die Entscheidungen gefällt, das Schicksal bestimmt und Völker geeint oder gespalten. Um jedoch die Drachen aufzurütteln, müsste es ein großer Krieg sein, ein Krieg, bei dem auch Drachen sterben würden. Ein Krieg, bei dem ihre Existenz bedroht schien. Es durfte keiner dieser Kleinkriege sein, die den Namen Krieg eigentlich nicht verdienten, weil sie nur aus ein, zwei Gefechten bestanden.

  Srachskriss wusste, welch unglaubliche Gedanken da in ihrem Kopf rumorten. Sie war sich im Klaren darüber, dass sie ihr Volk in einen Krieg stürzen wollte, der die ganze bekannte Welt überziehen und viele Drachen das Leben kosten würde. Vielleicht sogar ihr eigenes. Aber was war das Volk der Drachen, wenn es weiter in dieser Selbstverleugnung lebte?

  Die Königin der Drachen hatte auch bereits einen Plan, mit dem Sie die Drachen in diesen Krieg verwickeln wollte. Leider gab es keine Gegner mehr, mit denen ein Kräftemessen angemessen gewesen wäre.

  Wenn die kleinen Völker vielleicht mehr von der Magie lernen würden, dann könnten sie eventuell irgendwann einmal gefährlich werden. Wenn sie bessere Waffen bekämen, dann könnten sie sogar große Krieger hervorbringen. Aber beides war sehr schwer unter den Augen des Rates zu bewerkstelligen, der immer darauf bedacht war, die Weiterentwicklung der kleinen Völker zu unterdrücken. Es gab einfach keine echten Gegner mehr. Wenn alle Feen so gewesen wären, wie jener Shaljel, über den der Rat immer und immer wieder debattierte, was wären sie für ein Gegner! Die Erzfeinde von einst, aus einer Zeit, an die sich nicht einmal mehr die Gelehrten deutlich erinnerten. Ein Gegner, der die Drachen hätte besiegen können. Aber leider lebten die Feen zurückgezogen, mieden jeden Kontakt. Wenn man jemals einen von ihnen sah, dann war es wie ein Trugbild. Man konnte sie weder fassen, noch ein Wort an sie richte. Schon an dem Großen Krieg hatten sie nur teilgenommen, wenn man eine ihrer Geburtsgemeinschaften bedrohte, die einzigen Orte, die den Feen etwas bedeuteten. Das hatten die Drachen während des Krieges erst lernen müssen, während ihre Gegner versucht hatten, alle Kämpfe in die Nähe der Gemeinschaften zu ziehen.

  Nein, die Feen würden keinen Krieg mehr führen. Inzwischen vielleicht nicht einmal mehr, um ihre Gemeinschaft zu verteidigen. Sie würden sich wohl nur an einen anderen Ort zurückziehen. Und ihre Abkömmlinge wie auch die Menschen waren zu schwach, dafür hatte der Rat gesorgt. Wenn wenigstens die Priester, mit ihren unerklärlichen Fähigkeiten gegen die Drachen gestanden hätten. Doch gerade die Priester hatte sich der Rat mit Tricks und Lügen gefügig gemacht.


  Aber es gab vielleicht doch noch jemanden, der für den großen Krieg in Frage kam. Srachskriss war sich nur nicht sicher, wie sie dieses eine Volk finden und aufrütteln sollte. Denn die Glani wurden für die Drachen nur sichtbar, wenn sie in den Städten auftauchten. Und ihre Besuche bei den anderen Völkern wurden immer seltener, was verständlich war, wenn man die vielen Übergriffe gegen sie bedachte.

  Aber eigentlich ging es ja nicht wirklich um die Glani, sondern viel mehr um ihren Gott, denn er war es, der sie lenkte und schützte, und der mit seiner Macht vor so vielen Jahren die Drachenarmee vernichtet hatte. Ihn wollte Srachskriss herausfordern. Wie sie dies anstellen sollte, konnte sie nicht sagen. Seit jenem verhängnisvollen Tag, an dem so viele gestorben waren, hatte ihn niemand mehr erblickt. Auch sein Wirken hätte niemand wahrgenommen, wenn die Drachen nicht die Glani aus den Augen verloren hätten. Denn nur er konnte es sein, der sie vor dem Zugriff der Herren der Lüfte schützte. Die anderen Götter waren uninteressant. Sie schienen eher den Priestern zu gehorchen, als die Priester ihnen. Sie waren schwach und unbedeutend. Ihre Magie war nicht einmal der Magie der Drachen ebenbürtig. Nur der Gott der Glani besaß die wahre Macht und nur er konnte die Rettung der Drachen bringen.

  Aber leider war ihr in all ihrem Streben nur eine Sache bekannt geworden, die ihr weiterhelfen konnte. Shajlel Githon, jener eine Feen, der die Drachen beständig ärgern zu wollen schien, hatte Kontakt zu den Glani. Wenn sie ihn fand, dann hatte sie auch eine Chance, die Glani zu finden. Und sobald sie wussten, wo die Glani waren, würden sie sie angreifen. Sie mussten sie angreifen. Srachskriss war sich sicher, dass der Rat ihr bei dieser einen Sache zustimmen würde. Wer sich so lange vor den Augen der Drachen versteckt hielt, musste ja etwas Böses im Schilde führen. Srachskriss wünschte sich manchmal, dass alle Reaktionen des Rates so leicht vorhersagbar oder sogar leicht zu provozieren wären.

 

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