Feen Buch 1: Der Weg nach Imanahm

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Feen Buch 1: Der Weg nach Imanahm Page 19

by Peter Singewald


  Lieber hätte Ohnfeder einen vierten Sack auf ihre Schultern genommen, um mit allen vieren gleichzeitig erneut auf den Eingang zuzukriechen, als noch einmal mit diesem schweigsamen, grimmigen und vor allem unhöflichen Priester zusammen zu sein. Der Weg zog sich so lang, wie keiner bisher. Obwohl sie einen Begleiter hatte, war sie mit ihrer Angst allein. Oder vielmehr war niemand da, der ihr hätte helfen können, dafür aber jemand, der ihre Angst mit seinen kurzen Bemerkungen, die sie nur zur Hälfte verstand, noch schürte. Aber auch dieser Gang war irgendwann zu Ende und ihr Empfang im Vorzimmer zum Eingang des Saals, in dem der Reshan aus dem Boden wuchs, war überraschend freundlich.

  Nun ist es so, dass der Angst oft das Misstrauen folgt. Und wenn erst einmal das Misstrauen geweckt ist, dann wird auch alles Gute, das einem widerfahren könnte, nur die Angst mehren. So erging es auch Ohnfeder, der die Freundlichkeit der Priester mehr als verdächtig erschien. Wollten sie sie in Sicherheit wiegen? Wollten sie sie über ihre Gäste ausfragen? Würden sie sie jemals wieder gehen lassen?

  Sie versuchte dem Eingang nahe zu bleiben. Vielleicht geschah ja noch das Wunder und es ergab sich eine Möglichkeit der Flucht. Aber die alten Männer, die sie so freundlich begrüßt hatten, wussten genau was sie taten und gaben ihr unmissverständlich mit zuvorkommenden Gesten zu verstehen, dass sie doch weiter hereinzutreten habe.

  "Seid gegrüßt Frau Ohnfeder. Möge Emaofhia euch ins Licht führen." Der Hohepriester mit der edelsteinbesetzten Kappe auf dem Kopf trat neben Ohnfeder, welche ihn mit zusammengekniffenen Augen von der Seite ansah. Seine Aussprache der Aleneshi-Sprache, so wie Ohnfeder sie verwendete, war nahezu perfekt, womit er sie allein schon verunsicherte. Dazu lächelte er und Ohnfeder konnte zur Antwort nur die Lippen zusammenkneifen. Der Priester begann weiter auf das Allerheiligste zuzugehen, wobei er zu einer Erklärung ansetzte ohne dabei jedoch Ohnfeder anzusehen.

  "Es ist sehr schön, dass ihr gleich gekommen seid. Es tut uns wirklich leid, euch so unvermittelt vor den Reshan zu führen. Ich weiß selbstverständlich, dass es wider jeden Glaubenssatz ist, vor den Reshan zu treten, so man sich nicht zuvor ausreichend darauf vorbereitet hat. Schließlich ist es nicht von unerheblicher Bedeutung für den eigenen Glauben, Emaofhia selbst zu begegnen. Was soll ich sagen. Wir hatten leider keine Wahl. Es ist auch nicht unsere Art, jemanden, der nicht als Pilger gekommen ist, vor den Reshan zu führen. Ich hoffe, ihr werdet uns verzeihen. Aber wie ich schon sagte, wir hatten keine Wahl. Verschiedene Dinge haben sich ereignet, die es zwingend erforderlich machen, dass ihr hier erscheint. Wir hätten euch gerne etwas persönlicher begrüßt oder euch sogar eingeladen, aber wir haben erst eben von der Wache erfahren, dass ihr eingetroffen seid. Und es ist auch noch gar nicht so lange her, dass Emaofhia nach euch verlangt hat."

  Gerade als er endete und Ohnfeder zum ersten Mal genügend Zeit zu glauben hatte, über das gesagte nachdenken zu können, durchschritten sie den Eingang zum Saal des Reshans. Ohnfeder hatte oft von zurückkehrenden Pilgern gehört, wie großartig und beeindruckend der Anblick des Reshans war. Im ersten Moment war sie jedoch eher enttäuscht als beeindruckt. Der Reshan war groß, gewiss, aber er war nicht mal doppelt so hoch wie sie. Auch war er nicht so breit, wie sie erwartet hatte. Überhaupt erschien ihr der Saal, in dem dieser Heilige Stein stand, überraschend klein zu sein. Man musste sich nicht gerade an dem Stein vorbeidrücken, aber zu zweit wurde es doch schon eng. Sie stand einfach vor einem riesigen, roten Kristall. Schön, aber nicht überwältigend. Doch plötzlich erfasste sie die Stimmung des Saals. Plötzlich sah sie die Lichter in dem Stein tanzen. Und da merkte sie, dass die Pilger nur geglaubt hatten, von dem Stein zu sprechen, dass sie aber in Wirklichkeit von der Gegenwart des Gottes überwältigt worden waren.

  Unwillkürlich fiel sie auf den Boden mit dem Kopf in den Staub. Sie begann am ganzen Körper zu zittern, als sie von der Angst vor der Verurteilung durch Emaofhia und ihrem nahen Tod endgültig überkommen wurde. Sie wollte beten, konnte aber nur um Verzeihung bitten. Und selbst diese Worte stieß sie nur mühsam aus ihrem Mund hervor. Für einen Moment meinte sie, das Bewusstsein zu verlieren, aber diese Gnade wurde ihr nicht zu teil. Sie verlor jedes Gefühl für ihre Umgebung. Sie wusste nicht einmal mehr, dass sie Sand im Mund hatte und der Staub ihr die Nase zu verstopfen drohte. Alles was in diesem Moment in ihr übrig geblieben war, waren die unbändige Angst vor der Gerechtigkeit Emaofhias und ein tiefes Gefühl der Unwürdigkeit.

  Mit einem Mal jedoch kehrte Stille in ihr ein. Die Priester um sie herum konnten sehen, wie sie zu zittern aufhörte, Ohnfeder merkte davon jedoch nichts. Sie merkte nur, wie sie von unbeschreiblichen Ruhe und einem unerschöpflichen Gleichmut überkommen wurde. Selbst wenn sie noch irgendeinen Antrieb gehabt hätte, sie hätte sich in dieser Ruhe doch nur treiben lassen können. Eine unendliche Zeit verging, bevor sie eines klaren Gedankens wieder fähig war. "Wo bin ich?" Wie zur Antwort wurde ihr bewusst, dass etwas auf sie wartete. "Was ist geschehen?" Eine eintönige, aber auf seltsame Art gefühlvolle Stimme erklang wie ein Flüstern zu ihrer linken.

  "Du bist in mir." Leiser fügte sie hinter ihr hinzu: "Und ich bin in dir."

  Unter normalen Umständen, wenn einer ihrer Nachbarn in solchen Rätseln sprach, hätte Ohnfeder sehr barsch nach dem Sinn seiner Worte gefragt. In diesem Moment war ihr jedoch nicht danach zu Mute. Ihre Gedanken waren immer noch verschwommen und das einzige was ihr bewusst war, war die Anwesenheit ihres Gottes.

  "Du brauchst dich nicht zu fürchten. Ich werde nicht über dich richten. Denn höre, Emaofhia ist gerecht. Es ist gut, dass du die Wanderer aufgenommen hast und selbst wenn es nicht mit meinem Wissen und Einverständnis geschehen wäre, so träfe doch Shaljel und nicht dich die Schuld." Ohnfeder meinte diesmal die Stimme über ihrem Kopf gehört zu haben. Langsam verlor sie jedoch das Gefühl für ihren Körper und jegliche Richtungen.

  Für eine Weile schwieg Emaofhia. Ohnfeder hätte ihm gerne richtige, bedeutende Fragen gestellt. Sie hatte sich oft an stillen Abenden ausgemalt, wie es wohl wäre, mit dem Gott zu sprechen. Doch hatte sie damals nicht damit gerechnet, dass sie so vollkommen von Ehrfurcht übermannt werden würde.

  "Ich habe dich aus einem anderen Grund zu mir rufen lassen." Wieder schwieg der Gott und schien sie dabei zu umschweben. Ohnfeder wartete und das Anliegen ihres Gottes, sein Verlangen, seinen Befehl. Er überraschte sie mehr als sie jemals vermutet hätte.

  *

  Breka war sich ziemlich sicher, dass die Nacht vor etwas mehr als einem Monat ein kleines Ergebnis gezeitigt hatte. Ganz sicher war sie sich nicht, konnte sich nicht sicher sein, denn ihre Tage waren noch nie besonders zuverlässig gewesen. Dennoch fühlte sie sich bereits so, als wenn sie schwanger wäre und Darun hatte, wenn er sie ansah, diesen Blick im Auge, der sie beständig zu fragen schien, ob sie schon genaues wüsste.

  Selbst die beiden Kinder schienen auf etwas zu warten und Enki hatte sie sogar schon gefragt, warum sie denn so anders wäre.

  Noch konnte sie es jedoch nicht sagen. Solange sie sich nicht sicher war. Dazu war die Zeit, als sie mit Shek schwanger gegangen war, zu schwierig und unsicher gewesen. In zwei Monaten vielleicht. Wenn sie es so lange aushielt. Darun würde vermutlich sowieso vorher bemerken, dass ihre Blutungen ausblieben. Er achtete auf so etwas, auch wenn die Wäsche normalerweise ihre Aufgabe war.

  Seit dem Besuch des Händlers im Dorf hatte sich nicht viel ereignet. Ihr Leben war weiter in den gewohnten Bahnen verlaufen und war eintönig geblieben, aber sicher, wohlgeordnet und glücklich. Jede Woche ging Darun zum Markt. Ab und zu nahm er sie und die Kinder mit, aber meist macht er den Weg allein. Und jedes Mal hatte er Geschichten zu erzählen, die bei ihm vermutlich interessanter und aufregender klangen, als bei denen, die sie ursprünglich erzählt hatten. Und sie wusste, dass Darun denjenigen, von denen die Geschichten stammten, das Gefühl gegeben hatte, interessant erzählt zu haben. Man musste ihn einfach gern haben. Mittlerweile bekam sie auch nicht mehr die kalten Schauer, wenn sie daran dachte, wie viele Menschen er insgesamt umgebracht haben musste.

  Sie lachte.

  Inzwischen hörte sie schon von draußen die
Kinder herumtoben, und wusste, dass ihr geliebter Gemahl vom Feld zurückkehrte. Meistens konnte man ihn den ganzen Tag über sehen, denn so groß war ihr Besitz nicht, aber der Weg, den er nahm, wenn er zurückkam, zeigte Shek und Enki jedes Mal, dass er endlich seine Arbeit für diesen Tag beendet hatte.

  Sie ging aus dem Haus und blickte ebenfalls in seine Richtung. Die Sonne schien über das Feld und blendete sie ein wenig. Aber er sah so großartig aus, wie er dort durch den Staub ging. Sein Gang war so geschmeidig, aber gleichzeitig kraftvoll. Sie erinnerte sich nur zu oft an die Männer ihres Clans, die ihre eigene Art von stolzer Kraft einher trugen und auch eine gewisse Art von Geschmeidigkeit zeigten, aber sie waren nur aufgedunsene Streithähne, während ihr Darun, ihr Enk, ein, ein ... Ach es gab nichts, womit sie ihn vergleichen konnte.

  Als er schon ein gutes Stück näher gekommen war, bemerkte sie, wie er plötzlich begann sich umzusehen. Das war weiter nichts Besonderes. Als er jedoch nach einem erneuten Blick seine Schritte beschleunigte, war sie beunruhigt. Und als er noch ein bisschen näher gekommen war, konnte Breka auch den Grund für seine Eile erkenne, denn hinter dem Stückchen Forst, das den Weg entlang des Feldes auf der anderen Seite begrenzte, kam ein Reiter hervor. Er ritt auf einem Bataga, was für Breka bedeutete, dass er wohlhabend oder ein Priester sein musste. Und was für ein Bataga es war. Sie hatte noch nie ein größeres gesehen und wenn sie den Gang richtig zu deuten wusste, auch noch kein besser trainiertes, denn um auf einem Bataga wirklich reiten zu können, musste ihm mühsam, in vielen Stunden, Tagen, Wochen und Monaten sein unwillkürliches Buckeln abgewöhnt werden, dass es mit jedem Schritt machte. Je näher Reiter und Tier kamen, desto deutlicher konnte sie den Sattel und den Schmuck des Bataga erkennen. In das dunkelbraune Fell waren silberne Ringe und Edelsteine eingeflochten. Der Sattel war poliert und die feinen Linien, die in das Leder eingelassen waren schienen aus Gold zu sein, so dass er über und über funkelte und glitzerte.

  Das alles kannte Breka aus ihrer Zeit, als sie noch eine Königin gewesen war. In dieser Fülle und in dieser kunstvollen Ausführung hatte sie es jedoch noch nicht gesehen. Allein für das Tier und den Schmuck hätte man den größten Teil ihres alten Herrschaftsgebietes kaufen können.

  Aber das Bataga war nicht der Ort, an dem Brekas Augen schließlich verweilten. Der Reiter war es, von Kopf bis Fuß eingehüllt in Metall, so stark und schwarz, wie es keiner ihrer Edlen hätte bezahlen können, wenn es ihnen denn bekannt gewesen wäre. Sein ganzer Körper war bedeckt, sein Kopf unter einem Helm vollständig verborgen. Selbst Hände und Finger waren in Metall gehüllt. Und mit einer dieser Metallhände umfasste er den Griff eines Schwertes, welches in einer Scheide von Silber und Gemmen ruhte.

  Er erschien ihr wie einer der Helden der alten Legenden, die sie früher an den Feuern in ihrer Halle gehört hatte. Ein dunkler Held, groß, bedrohlich, gnadenlos.

  Erst Daruns Ruf ließ sie aus ihrem bewegungslosen Staunen aufschrecken. Sie drehte sich um, und sah ihre Söhne hinter sich. In ihren Gesichtern konnte sie die Angst lesen, die in ihr auf Grund des Anblicks ebenfalls hätte aufkommen sollen.

  Dies war ein Krieger, jemand, der es gewöhnt war zu töten und nicht zum Spaß in diese abgelegene Gegend kam. Hastig ging sie mit Shek und Enki ins Haus und hielt nun vom Innern heraus Ausschau nach ihrem Gatten.

  Als Darun sah, wie seine Frau und seine Kinder ins Haus gingen, wurden seine Schritte wieder langsamer. Auch so erreichte er das Haus vor dem Reiter, der sich inzwischen nicht mehr die Mühe machte, auf dem Weg zu bleiben und über das Feld ritt. Sobald Darun beim Haus angelangt war, stellte er sich nicht vor den Eingang, sondern postierte sich neben dem ans Haus angelehnten Werkzeugen seiner Frau. Natürlich war eine Hake keine Waffe gegen einen gerüsteten Ritter mit seinem Schwert, aber seine eigentlichen Waffen lagen gut verborgen im Haus und er musste warten, bis sich eine Gelegenheit ergab, sie zu ergreifen. Er hoffte nur, dass Breka nicht tatenlos zusah, sondern bereits die Waffen aus dem Versteck holte. Vor allem hoffte er jedoch, dass es zu keinem Kampf kommen würde.

  Der Krieger und sein Bataga erreichten die Hütte. Er griff das Schwert an der Scheide und schwang sich langsam aus dem hohen Sattel. Von seiner Rüstung waren nur ganz leise, knatschende Geräusche zu hören, die verrieten, dass der Rüstschmied ein wahrer Meister gewesen sein musste. Darun vermutete, auf Grund der Form des Helmes und den Mustern auf dem Metall, dass die Rüstung aus dem fernen Isnaran stammte. Der Griff der Waffe deutete jedoch auf einen Schwertschöpfer aus Radas hin, und die Scheide trug Steine, die man nur in den Bergen von Vuq fand. Natürlich konnte das Bataga an jedem Ort dressiert worden sein, aber die Ruhe des Tieres und einige Elemente des Schmucks deuteten auf die Yorseben.

  All das konnte für Darun zwei Dinge bedeuten. Zum einen war es möglich, dass der große Krieger, der ihn um fast einen Kopf überragte, sehr weit gereist und sehr reich war, zum anderen konnte er einen reichen und sehr eitlen Auftraggeber besitzen. Aber auf jeden Fall wusste er sich auf dem Bataga zu halten und eine Rüstung zu tragen, als wenn es das normalste der Welt war.

  Darun warf sich vor den Mann auf den Boden und gab sein Bestes, um als unterwürfiger Bauer zu erscheinen.

  Er spürte die schweren Schritte näher kommen, bis der Schatten des Kriegers auf ihn fiel. Irgendetwas stimmte mit diesen Schritten nicht. So locker die Rüstung getragen wurde, die Schritte waren dennoch falsch. Darun war sich sicher, dass sich nicht viele über die Schritte eines anderen Gedanken machten und noch weniger das bemerkt hätten, was er bemerkte.

  "Bist du der, den man Darun nennt?" Der Mann, denn es bestand kein Zweifel, dass die Stimme männlich war, bellte diese Worte hinaus, laut und abgehackt.

  Daruns Muskeln spannten sich für den Sprung nach einer improvisierten Waffe. Dieser Fremde kam von weit her. Er sprach diese Sprache nicht zum ersten Mal, aber trotzdem ohne ein Gefühl für die Nuancen, die Darun oder einer der Dorfbewohner besaßen. Außerdem hatte er nach ihm, Darun, gesucht, einem Menschen, der über die Grenzen des Dorfes nicht bekannt sein sollte. Es deutete alles auf einen Auftragsmörder hin, der ihm, Darun, oder seiner Frau hinterhergeschickt worden war. Und Darun hätte nicht mal sagen können, welcher seiner ehemaligen Auftraggeber, Opfer oder ihrer Angehörigen ihn gesandt haben könnte.

  "Ja, Herr." Er hielt seinen Kopf weiter unten, achtete jedoch auf die Füße des Kriegers, um jegliche Angriffsbewegung vorausahnen zu können.

  "Dann bin ich hier richtig. Mir wurde gesagt, dass du mehr kannst, als nur herumzuknien."

  Noch bevor Darun das Geräusch der Klinge hören konnte, wie sie aus der Scheide fuhr, sah er, wie der linke Fuß des Kriegers ein kleines Stück nach hinten zuckte und spürte, wie der Schatten auf seinem Rücken sich verlagerte.

  Wenn man unterwürfig vor jemandem kniet, ist es schwer innerhalb eines Augenblicks aufzustehen und sich seinem Gegner Kampfbereit gegenüber zu stellen. Deshalb versuchte Darun dies auch gar nicht erst, sondern katapultierte sich seitlich an dem Krieger vorbei, indem er aus seiner Haltung heraus die Beine streckte. Er rollte sich ab und kam auf die Füße, nur um mit einem weiteren Sprung und einer weiteren Rolle außerhalb der Reichweite des zweiten Schwerthiebes des Kriegers zu gelangen. Erst dann nahm er sich die Zeit, den Mann anzusehen, der in seiner Haltung augenblicklich defensiver wurde und nur langsam auf ihn zukam. Darun betrachtete sich die seltsame Schwerthaltung des Kriegers und wusste endlich, warum ihm die Schritte so seltsam vorgekommen waren. Kein Mensch hielt seine Waffe so, dass sie nach vorne zeigte, ohne dabei auch gleichzeitig den Körper wenigstens ein kleines Stück zu drehen. Darun hatte es jedoch schon einmal gesehen, und er wusste, dass er, wenn er allein gewesen wäre, ohne seine Familie schützen zu müssen, vielleicht eine Chance gehabt hätte, so aber nur verlieren konnte. Langsam wich er zurück, während sein Gegner weiter auf ihn zukam. Er musste ihn vom Haus weglocken, dennoch musste er irgendwoher eine Waffe bekommen. In seinem Kopf erstellte sich wie von selbst eine Karte der Umgebung hinter ihm. Der Wald wäre ideal gewesen, aber er bezweifelte, dass der Krieger ihm dorthin folgen würde, was wiederum seine Familie in Gefahr brachte. Sonst lagen nur d
ie Felder hinter ihm. Und der Brunnen.

  Er rannte los. Ein Ziehbrunnen war vielleicht nicht die offensichtliche Wahl für eine Waffe, er hatte jedoch schon eine gute Vorstellung davon, was man mit dem Eimer an einem Seil anfangen könnte. Mit einem Satz war er über das Brett hinüber, das den Brunnen abdeckte. Der große Krieger kam nur langsam hinter ihm her. Noch beim Sprung griff sich Darun das Seil und der Ziehbalken kam bedrohlich schnell herunter. Als er so weit unten war, dass Darun ihn greifen konnte, nahm er ihn in die Hand und stützte sich darauf, um ihn unten zu halten. Der Eimer war vor seine Füße gefallen und lag dort im Seil gefangen.

  Der Krieger blieb vier Schritte entfernt stehen.

  "Wie lange, meint ihr, könnt ihr mir entkommen?"

  Darun lächelte zufrieden. Sein gegenüber wollte Zeit gewinnen. Er war sich nicht sicher, was Darun vor hatte und deshalb begann er mit ihm zu reden.

  "So lange wie es nötig ist."

  "Dann werde ich mich wohl eher eurer Familie zuwenden."

  Dies war zu erwarten gewesen, wenn auch Darun gedacht hätte, dass der Krieger noch ein wenig länger gezögert hätte. Sein Gegner drehte sich langsam um, versuchte dabei jedoch Darun im Auge zu behalten. Dies war der Moment, auf den er gewartet hatte. Mit einem Fuß trat er sich den Eimer in seine Wurfhand und warf ihn dem Krieger hinterher. Darun wusste, dass er damit keine ernstzunehmenden Verletzungen verursachen konnte. Aber so, wie sein Gegner ging, konnte er ihn damit aus dem Gleichgewicht bringen.

  Er hatte Glück.

  Der Krieger strauchelte und sank auf ein Knie herunter. Noch als der Eimer auf sein Ziel zugeflogen war, hatte Darun seinen Platz verlassen und war auf das Haus zu gerannt, vorbei an dem knienden, knapp außerhalb der Reichweite von dessen Schwert. Breka erschien in der Tür und hielt seinen Waffengürtel bereits entrollt.

 

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