Feen Buch 1: Der Weg nach Imanahm

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Feen Buch 1: Der Weg nach Imanahm Page 33

by Peter Singewald


  „Ich wollte noch nicht rein.“

  „Ich weiß, aber das Messer ist zu breit.“

  „Die Tür ist weich.“

  „Ist aber nicht nötig.“ Pethen sah sich um, bis er einen Ast gefunden hatte, den er vor sich legen konnte. Dann konzentrierte er sich auf den Druckpunkt, wie in der Schule. Er hatte es jetzt einige Tage lang nicht mehr geübt, es fiel ihm trotzdem leicht. Er hatte die letzten Tage fast ausschließlich ohne seine Augen gesehen und es schien, dass auch sein Zugriff auf die Magie immer leichter wurde. Der Ast stieg in die Höhe. Hylei betrachtete es ungerührt. Als der Ast langsam wieder zu Boden glitt, nickte sie nur. Dann suchte sie sich einen Baum, lehnte sich an und wartete auf den richtigen Zeitpunkt. Pethen versuchte es ihr gleich zu tun, seine Gedanken kamen jedoch nicht zur Ruhe. Am liebsten hätte er mit Hylei über die Magie gesprochen, was sie noch alles ausprobieren könnten, welche Zauber er ihr vielleicht beibringen konnte, was der Fluss bedeuten mochte. Ihm war jedoch in den letzten Tagen klar geworden, dass sie kein Interesse für die Theorie aufbringen konnte. Für Pethen hatte es in den Jahren, in denen er in der Zuflucht gelebt hatte, neben der Meditation wenig anderes gegeben, womit er bei den Meistern hätte glänzen können. Deswegen hatte er gelernt, was sie bereit waren, einem offensichtlichen Versager beizubringen. Trotzdem hatte er nur ein einziges Mal damit geglänzt. Auf der anderen Seite hatte seinen Mitschülern, dass, was sie als Besserwisserei bezeichneten, nicht gefallen. Ein weiter Grund, warum Pethen nicht traurig gewesen war, als der Einzelunterricht bei Meister Zelon begonnen hatte.

  Nichtsdestotrotz sehnte sich Pethen nach mehr Worten, als die paar Gesprächsfetzen, die er und seine Weggenossin morgens und abends austauschten, oder, wenn er schon darüber nachdachte, was er mit den Meistern und Schülern der Zuflucht geredet hatte.

  „Wie ist es so in eurer Stadt?“ Pethen sagte es nicht laut, weswegen er zuerst vermutete, Hylei hätte ihn nicht gehört, als sie nicht antwortete. „Schläfst du?“

  „Nein.“

  „Wie ist es in eurer Stadt?“

  „Hab‘s gehört.“

  „Komm Hylei, wir sind jetzt seit zwanzig Tagen unterwegs und wir haben nur über Magie und unsere Flucht gesprochen. Ich find, wir können auch mal über uns sprechen.“

  „Dreiundzwanzig.“

  Pethen überlegte, was sie meinen konnte, dann nickte er und schwieg. Vielleicht würden sei ein anderes Mal miteinander sprechen.

  *

  Die Pilger kamen immer noch. Ohnfeder hatte ihre Nachbarn gebeten, sie aufzuhalten oder wenigstens abzuweisen. Oft gelang es ihnen auch, sich durchzusetzen, aber mindestens einmal am Tag erschienen Fremde auf ihrem Hof und warfen sich vor ihr auf den Boden. Manche waren auch vorsichtiger und näherten sich langsamer, um sie zu fragen, ob es wirklich wahr war, ob Emaofhia ihr wirklich diese Gnade erwiesen hatte, ob sie wirklich mit dem Kind des Gottes schwanger war.

  Ihre Reaktion fiel von Tag zu Tag anders aus. Manchmal war sie ruhig und behandelte die Pilger höflich, gab ihnen ein wenig Wasser und beantwortete wenigstens die ersten Fragen, bevor sie darauf hinwies, dass sie keine Prophetin, Gottesmutter oder sonst eine Art von Heiliger war. Spätestens dann traf immer ein Nachbar ein, der die Pilger mal mehr, mal weniger freundlich des Hofes verwies. An anderen Tagen, meist, wenn es am Morgen an der Tür klopfte oder sie bei ihrem ersten Schritt aus der Tür fast über einen devoten Aleneshi stolperte, hörte sie oft für lange Zeit nicht mehr auf, die Pilger anzuschreien. Aber auch dann kam ein Nachbar und kümmerte sich um sie. Am häufigsten war es Treureigen, die Tochter vom Nachbarhof. Sie war vermutlich genau so verrückt, wie die ganzen Pilger und verehrte Ohnfeders Bauch. Aber sie war rührend besorgt und fast immer zur Stelle, wenn Ohnfeder sie brauchte. Sie nahm Treureigen deswegen auch immer mit zu den Pelzschabers. Nicht nur aus purem eigennutzen, konnte sie doch den Weg inzwischen kaum noch alleine bewältigen. Es war auch eine Art Belohnung, weil Treureigen die Pelzschabers lieben gelernt hatte und sich durch die größere Nähe zu Emaofhia immer geehrt und gesegnet fühlte.

  Aber die letzten zwei Wochen war Ohnfeder zuhause geblieben. Nicht ganz freiwillig, denn Grasglanzen, die Hebamme, hatte darauf bestanden und Ohnfeder neigte seit einer Woche dazu, ihren Anweisungen zu folgen. Ihr Bauch war nicht mehr zu verbergen. Beim letzten Mal, als sie zu den Pilzschabers gegangen war, hatte die Wache sie an ihren Rundungen erkannt. Wenn sie sich Mühsam über den Hof bewegte, meinte sie, dass man noch von der Bergspitze eine große Kugel durchs Tal wanken sehen konnte. Als die Schwangere war es natürlich ihr Vorrecht, sich für besonders schwerfällig zu halten. Aber auch Grasglanzen hatte ihr bestätigt, dass ihr Bauch besonders groß war. Über die Kürze der Schwangerschaft hatte sie jedoch seit dem ersten Besuch geschwiegen. Natürlich hatte sie bereits, als sie zum ersten Mal den Hof aufsuchte, alle Gerüchte über Emaofhias Segen gehört. Trotzdem hatte sie in ihrem Erstaunen ihre Tasche fallen lassen und die Hände vor der Brust zusammengeschlagen.

  Seitdem war sie alle drei Tage gekommen, wenn sie nicht gerade andernorts einer Gebärenden beistand, die letzte Woche sogar täglich. Wenn sie eintraf legte sie immer zuerst ihre Tasche ab und verneigte sich in Ohnfeders Richtung, wobei sie sich mit Zeige- und Mittelfinger der linken Hand von der Nasenspitze über die Stirn bis in den Nacken strich. Diese Bewegung machten die Aleneshi gegenüber den ehrwürdigen Priestern und Heiligen Männern, als Ehrerbietung. Die Schwangere hatte versucht, ihre diese Geste auszureden, Grasglanzen ließ sich jedoch nicht davon abbringen, genauso wie die Pilger und die meisten Bauern der Umgebung, wenn sie sie besuchen kamen. Nur Treureigen winkte ihr, wie sie es immer getan hatte.

  Die Geste war jedoch noch etwas mehr als nur unangenehm. Sie stellte Ohnfeder auch vor ein für sie unlösbares Problem: Die einzige richtige Reaktion auf diese Bewegung wäre der Segen gewesen, eine Bewegung mit beiden Armen, so als wenn sie Erde oder Steine aufheben würde, um sie ins Licht zu halten und sie anschließend auf das Haupt der Person zu legen. Wenn sie jedoch erst einmal begann, andere zu segnen, dann war sie nicht mehr die Witwe Ohnfeder, so traurig sie die Erinnerung an ihren Mann auch immer wieder machte. Wenn sie den Segen erteilte, dann war sie plötzlich die Heilige Ohnfeder, die Mutter von Emaofhias Kindern. Und das war etwas, das sie nicht sein wollte. Sie konnte nicht verhindern, dass die Kinder aus ihr herauskommen würden. Zu diesem Zeitpunkt blieb ihr nichts anderes mehr übrig, als die Mutter ihrer Kinder zu sein. Sie konnte kaum verhindern, dass man ihnen irgendwann erzählen würde, dass der Gott sie gezeugt hatte. Aber sie würden ihre Kinder sein, nicht die des Gottes. Und sie würde keine Priesterin werden und noch viel weniger eine Heilige.

  Ganz davon abgesehen konnte sie inzwischen nicht mehr in die Knie gehen oder sich Bücken, um die Erde aufzunehmen, der Bauch war zu groß.

  Treureigen hatte zwei Hocker vor die Tür gestellt, damit sie gemeinsam einen der letzten Sonnentage des Jahres genießen konnten. Ohnfeder hatte sich auf den näher am Haus gesetzt und lehnte gegen die Hauswand. Treureigen hatte zwar ihren Korb mit dem Strickzeug neben den anderen Hocker gestellt, war aber zu beschäftigt, um sich zu setzen. Sie trieb ein paar Nachbarn an, damit sie noch ein wenig Arbeit im Garten, auf dem Feld oder im Haus beendeten. Nebenher bereitete sie das Abendessen vor.

  „Lass doch gut sein, Treureigen.“

  „Nicht schon wieder. Du bist so Schwerfällig, dass du dich fast nicht mehr bewegen kannst. Und ich helfe dir gerne.“

  „Setz dich doch einfach. Du hilfst mir mehr, wenn du dich zu mir setzt.“

  „Aber es gibt noch so viel zu tun. Das Abendessen …“

  „Wird ausreichen. Setz dich bitte.“

  Treureigen zögerte immer noch, bis Ohnfeder auf den Hocker klopfte und dabei fast von ihrem eigenen fiel.

  „Na gut. Aber du wirst bedauern, dass ich dein Essen nicht bereitet habe.“

  „Dann ess‘ ich eben ein wenig rohes Gemüse. Oder Pilze. Beeren sind doch auch noch da, oder?“

  „Nur noch ein Schälchen. Sonst nur noch getrocknete Früchte.“

  „Danke Treureigen.“

  „Wofür?“

  „Dass du das
bist.“

  „Aber das ist doch selbstverständlich. Wenn ich nicht da wäre, würde sich jemand anderes um dich kümmern.“

  „Nein ich meine, dass du da bist, und nicht jemand anderes. Dass du eine Freundin bist.“

  Treureigen neigte verlegen den Kopf. „Sag doch so was nicht.“

  „Doch, doch. Du hast mir mehr geholfen, als du dir vorstellen kannst. Und wer weiß, wie ich die Geburt überstehen werde.“

  „Sag das nicht. Ich weiß ja, dass du es nicht magst, wenn jemand darüber spricht, aber Emaofhia“, sie legte die Hände auf die Augen und neigte kurz die Stirn, „aber er wird dich schützen.“

  Ohnfeder atmete tief ein und sehr hörbar wieder aus. „Du hast wohl Recht. Ich weiß nur nicht, wie es danach weitergehen soll. Immer wenn ich daran denke, sehe ich Horden von Pilgern auf meinem Hof, die meine Kinder verehren, an ihnen herumzupfen und uns keine Ruhe lassen. Ich weiß nicht, wie sich Emaofhia das vorgestellt hat. Und ich weiß auch nicht, was sein Plan ist.“

  „Es ist nicht an uns, den Plan Emaofhias zu kennen.“ Der Satz rutschte Treureigen heraus, bevor sie etwas dagegen tun konnte. Es war eine dieser Floskeln, die die Prediger immer und immer wieder benutzten. Sie wusste, dass sie die strengen Blicke, die sie von Ohnfeder dafür erhielt, verdiente.

  „Entschuldige bitte. Es ist mir so rausgerutscht.“

  „Ist schon gut.“ Ohnfeders Augen wurden wieder sanfter. „Vielleicht gilt das, was du sagst, für andere. Aber er hat mich nicht gefragt, was ich will. Und dann ist es doch unhöflich …“ Sie unterbrach sich, als sie merkte, dass ihre Stimme lauter wurde. „Ich hab dir wohl oft genug gesagt, wie ich mich fühle.“ Treureigen nickte mitleidig lächelnd. „Lass uns nicht mehr darüber reden.“

  Ohnfeder blickte zum Haus. „Ich werde wohl ein größeres Haus brauchen. Meinst du, es ist vermessen, die Pilger Holz heranschaffen zu lassen?“ Sie lachte. „Sie werden kommen und mich nicht mehr in Ruhe lassen. Da wäre es doch gerecht, wenn sie etwas für mich täten.“ Leise fügte sie hinzu: „Vielleicht schreckt sie das ja ab.“

  „Ach Ohnfeder, es tut mir so leid. Wir werden schon einen Weg finden. Ich werde dir helfen. Und meine Familie wird dir helfen. Und die Pelzschabers. Und alle Nachbarn und auch die Zurückgebliebenen.“

  „Du sollst sie doch nicht so nennen.“

  „Ach, ich weiß, aber wir haben sie immer so genannt.“ Ohnfeder legte ihren Kopf schief und sah Treureigen wieder mit diesem Blick an, dem sie nichts ausschlagen konnte. „Gut, gut, die Unterirdischen. Ich versuch‘ mich daran zu erinnern. Aber du hast sie auch immer so genannt. Nichtsdestotrotz werden sie dir helfen. Ich glaube sogar, dass viele von ihnen rauskommen werden, um die Kinder zu sehen.“

  „Ich vermute, dass sie das gar nicht müssen, denn ich werde sie oft besuchen. Die Wachen und Priester dort werden die Pilger auf Abstand halten.“

  „Dafür werden die Priester dich immer vor Emaofhia zerren.“

  „Da hast du wohl Recht.“ Ohnfeder atmete erneut laut aus. „Sie werden Anspruch auf meine Kinder erheben. Ich weiß nicht, wo ich hingehen soll. Am besten wäre es, wenn ich mich irgendwo verstecken könnte. Meine Kinder sollen nicht wie Heilige verehrt werden. Sie sollen Kinder sein. Ich merke doch selbst, wie sehr mich diese Ehrerbietung und diese Anbetung verändert. Es macht mich nicht besser. Kannst du dir vorstellen, was es aus Kinder machen wird?“

  „Aber auch etwas von Emaofhia wird in ihnen stecken. Sie werden diese Prüfungen bestehen.“

  „Gerade, dass etwas von Emaofhia in ihnen sein wird, macht mir Angst. Unser Gott ist nicht gnädig oder sanftmütig. Willst du wissen, wie ich meine Schwangerschaft sehe?“

  Treureigen hatte eine plötzliche Ahnung, was Ohnfeder sagen würde: „Ohnfeder, bitte.“

  „Als Vergewaltigung.“

  „Ohnfeder. Emaofhia würde keinem Aleneshi so etwas antun.“

  Ohnfeder blieb ganz ruhig und Treureigen hatte nicht den Eindruck, dass sie Wut zurückhalten musste. „Wenn ich von jemand anderem Schwanger wäre, ohne dass ich es gewollt hätte, ohne dass ich auch nur meine Zustimmung gegeben hätte, nur, weil derjenige es so wollte, wie hättest du es dann genannt? Emaofhia hat meinen Glauben ausgenutzt und mir dies angetan.“

  Treureigen hatte niemanden sich nähern gehört, und war sich deswegen ganz sicher, dass niemand in der Nähe war. Trotzdem blickte sie sich vorsichtshalber um und senkte ihre Stimme: „Lass das bloß niemals jemand anderen hören. Emaofhia wird …“

  „Einen Plan gehabt haben? Ich weiß, Ich zweifle nicht daran. Aber sag mir, was du an meiner Stelle empfinden würdest? Wie würdest du dich fühlen, wenn du plötzlich Schwanger wärst, ohne einen Mann?“

  „Ich weiß es nicht, Ohnfeder. Ich weiß es wirklich nicht. Vermutlich nicht so gut.“

  „Vermutlich. Shaljel war richtig wütend, als er es erfuhr.“

  „Es heißt von Shaljel, dem Propheten, dass er respektlos ist.“

  „Das könnte man sagen. Nenn ihn aber nie ‚Prophet‘, wenn er dich hören könnte.“

  „Es heißt, er stellt uns mit seinen blasphemischen Reden auf die Probe.“

  „Ich bin sicher, er macht das nicht absichtlich. Es kümmert ihn einfach nicht, was Emaofhia über ihn denkt und er hat keine Angst vor ihm. Manchmal ist es, als würde er über einen alten Freund sprechen, mit dem er nicht immer einer Meinung ist. Und er war wirklich wütend.“ Sie saßen eine Weile schweigend nebeneinander.

  „Du hast Recht. Ich wäre wütend.“ Ohnfeder lächelte sie an. „Aber ich würd‘ mich nicht trauen, es zu sagen.“

  „Ja, du warst schon immer etwas stiller als ich. Selbst bei deiner Geburt. Deine Eltern haben sich Tage lang sorgen um dich gemacht, weil du keinen Ton von dir gegeben hast.“

  „Und dann hast du mich angepustet. Meine Eltern haben mir die Geschichte bestimmt hundert Mal erzählt.“

  Sie lachten über die Erinnerung an die vielen Dinge, die sie mit Treureigens Eltern erlebt hatten und darüber wurde es Abend und Nacht.

  *

  Die beiden Hexer hatten in den letzten Tagen die Richtung geändert. Sie waren zuvor schon keinem geraden Pfad gefolgt, diesmal folgten sie jedoch dieser neuen Richtung mit mehr Sicherheit, so als wenn sie zuvor nicht sicher gewesen wären, wohin sie eigentlich gehen wollten. Sie liefen jetzt nicht mehr auf die Berge zu, sondern nach Süden, im weitesten Sinn auf den Großen Jahm zu. Wenn man nur in Karten dachte, hätte man vielleicht ein Gefühl von Unausweichlichkeit entwickeln können. Der Fluss war nahezu unüberwindlich und es war unwahrscheinlich, dass sie sich die Überfahrt in einer Chuor-Fähre leisten konnten. Owithir war jedoch klug genug, um diese Überlegungen gleich wieder zu verwerfen. Das Land bis dorthin war noch weit und wer wusste schon, wohin sie sich noch wenden mochten. Und selbst wenn sie tatsächlich den Fluss erreichten, war sich Owithir nicht sicher, ob die Verfolgung dort nicht sogar schwieriger werden würde. Bisher hatten sie sich überwiegend durch den Wald und über Felder bewegt, nur selten hatten sich hier ihre Spuren mit denen anderer Menschen gekreuzt. Und es war jedes Mal für kurze Zeit verwirrend gewesen. Beim dritten Mal hatte er jedoch erkannt, dass sich die beiden Spuren, denen sie folgen mussten, in ihrer Farbe, wenn er es so nennen konnte, von allen anderen Spuren unterschieden, denen sie bisher begegnet waren. Allerdings war er sich nicht sicher, wie gut er die beiden auf einer Straße oder, schlimmer noch, in einer Stadt verfolgen können würde.

  Sie hatten inzwischen einen Tag Pause gemacht, auf Anraten Marinams und mit der Zustimmung der anderen Soldaten, als sie bemerkt hatten, dass er sich kaum noch auf dem Bataga hatte halten können. Owithir hielt sich inzwischen besser, die göttliche Sicht erschöpfte ihn weniger. Die Erschöpfung hatte ihn jedoch seit ihrem Aufbruch nicht mehr verlassen. Und auch jetzt waren seine Glieder schwer. Aber sie hatten andere Sorgen. Seit einigen Tagen waren sie nicht mehr nur die Verfolger, sondern auch Verfolgte. Kalig und Tafgen waren mehrfach zurückgeritten, hatten aber immer nur eine Gestalt entwischen sehen. Die beiden berichteten, dass die Gestalt klein war, aber wendig und flink, gekleidet für den Wald. So wie sie die Kleidung beschrieben, konnte es jedoch auch schli
chter, bäuerlicher Stoff sein, in Braun- und Grautönen. Owithir wusste nicht, warum ihnen jemand folgte, aber die Männer hatten die verschiedensten Theorien, keine von ihnen besonders beruhigend. Die beliebteste war derzeit, dass ein weiterer Dämonenbeschwörer überlebt hatte und nun ihrer Spur folgte. Aber auch, dass es sich um einen Feenling handeln könnte, war nicht beruhigend. Die fünf Soldaten hatten, ohne sich mit Owithir zu besprechen, die Wachen verdoppelt und gelegentlich fiel einer zurück, versteckte sich im Wald, ließ sein Ges von den anderen mitführen. Keiner von ihnen konnte des Verfolgers jedoch habhaft werden.

  Owithir hatte sich mit Marinam über ihren Schatten unterhalten. Der kräftige Mann hatte versucht, in knappen Worten, die Sorgen seiner Kameraden zusammenzufassen, aber Owithir konnte ihn wenigstens teilweise beruhigen. Sie waren vor vier Tagen an einem Hof vorbeigekommen, bei dem sich die Magier eine Nacht lang herumgetrieben hatten. Sie waren sogar in das Haus eingebrochen und hatten ein paar Decken sowie etwas zu Essen gestohlen. Sie schienen die Tür geöffnet zu haben, um einfach hinein- und wieder heraus zu spazieren. Die Bauern hatten erst am nächsten Abend bemerkt, dass ihnen etwas fehlte,

  „Wohlehrwürdiger Herr, es müssen die Geister des Waldes gewesen sein.“

  „Ja, wohlehrwürdiger Herr, Ehrwürden Ledrine warnt uns immer wieder vor diesen Geistern. Sie sind diebisch, verschlagen und unsichtbar. Sagt Ehrwürden Ledrine.“

  „Deswegen holen wir die Tiere auch im Sommer rein.“

  „Ehrwürden Ledrine tut gut daran, euch vor den Geistern zu warnen.“ Owithir hatte Marinam zugenickt, der daraufhin vom Ges gestiegen war und sich neben ihn gestellt hatte. „Marinam, finde heraus, was diesen Leuten fehlt. Sei freundlich, bitte.“

 

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