Faded Duet 1 - Faded - Dieser eine Moment

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Faded Duet 1 - Faded - Dieser eine Moment Page 29

by Julie Johnson


  Mir geht es um dich.

  »Du machst aus einer Mücke einen Elefanten und regst dich total auf.« Er seufzt, als würde ich mich wie ein anstrengendes Kind aufführen. »Hör zu, wir werden später darüber reden, okay?«

  Ich starre ihn für drei lange Sekunden an und zähle sie in meinem Kopf herunter wie Kugeln, die ein Ziel durchschlagen.

  »Okay«, willige ich ein. »Lass uns gehen.«

  Er wirkt erleichtert, als er auf mich zukommt und mich zur Tür führt. Ich warte, bis wir die Schwelle zum Schlafzimmer überquert haben. Dann reiße ich mich von ihm los, wirbele herum und knalle ihm die Badezimmertür vor der Nase zu. Ich verriegele das Schloss, bevor er sie wieder öffnen kann.

  »Felicity!«, brüllt er und hämmert gegen die Tür. »Was zum Teufel soll das?«

  Ich höre ihn gar nicht mehr. Wie in Zeitlupe bewege ich mich zu dem schwarzen ledernen Kulturbeutel, der so harmlos auf dem Rand des Waschtischs steht. Ich habe das Gefühl, am ganzen Körper zu zittern, doch als ich nach dem Reißverschluss greife, ist meine Hand bemerkenswert ruhig. Als hätte ich auf Autopilot umgeschaltet und alle emotionalen Aspekte meines Gehirns deaktiviert.

  »FELICITY!«

  Ich ziehe den Reißverschluss mit einer flüssigen Bewegung auf. Und als ich den Inhalt des Kulturbeutels erblicke … spüre ich, wie etwas in mir – etwas, von dem ich dachte, dass es vor langer Zeit verheilt wäre – erneut zerbricht.

  29. KAPITEL

  Ryder

  »FELICITY!« Ich hämmere so heftig gegen die Tür, dass meine Knöchel aufplatzen und bluten. »Bitte, Baby, mach auf. Lass mich dir alles erklären.«

  Sie reagiert nicht.

  »Es ist nicht das, was du denkst«, sage ich. Meine Stimme bricht, und ich lehne meine Stirn gegen das Holz. »Ich schwöre …«

  Gott, ich klinge erbärmlich.

  Ich bin erbärmlich.

  Ich klopfe wieder, dieses Mal jedoch leiser. »Felicity. Bitte. Rede mit mir.«

  Lincoln und Aiden kommen herein. Mit weit aufgerissenen Augen betrachten sie das Szenario. Aiden ist wie immer viel zu scharfsinnig. Seine Miene verrät mir, dass er ganz genau weiß, was im Badezimmer vor sich geht.

  »Was ist los?«, fragt Lincoln leise. »Geht es ihr gut? Geht es dir gut?«

  Ich wende mich wieder der Tür zu und stütze die Hände auf den Rahmen. Ich kann spüren, wie mein Herz doppelt so schnell wie normal schlägt, während ich angestrengt auf Lebenszeichen lausche.

  »Felicity, ich mache mir langsam Sorgen. Du bist seit zwanzig Minuten da drin.« Ich schlucke schwer. »Wenn du die Tür nicht aufmachst oder mich nicht wenigstens wissen lässt, dass es dir gut geht, werde ich das verdammte Ding aus den Angeln heben.«

  Ich erhalte keine Reaktion.

  Verzweifelt fahre ich mit den Händen durch mein Haar und drehe mich zu den Jungs um. »Ich denke, dass ihr zwei ohne uns vorgehen solltet.«

  »Alter. Das ist die verdammte Präsentationsparty für Wildwood.« Linc hält inne. »Wir können da nicht ohne Wilde und Woods auftauchen.«

  »Das werdet ihr aber müssen«, schnauze ich. »Ich lasse sie hier nicht alleine zurück.«

  Er hebt abwehrend die Hände, macht auf dem Absatz kehrt und verlässt das Zimmer.

  Aiden bleibt noch für einen Augenblick. »Sag ihr, dass mir mein Anteil an der Sache leidtut.«

  Ich sehe zu, wie er davongeht. Mein Kiefer zuckt rhythmisch, während ich immer wieder die Zähne zusammenbeiße. Ich kann nicht glauben, wie sehr hier alles außer Kontrolle geraten ist. Ich kann nicht glauben, dass ich vor meiner eigenen Badezimmertür stehe, brülle, bis ich heiser werde und mir beim Klopfen die Knöchel blutig schlage, weil sich die Frau, die ich liebe, vor mir eingeschlossen hat.

  Immer und immer wieder rufe ich mir den gequälten Gesichtsausdruck vor Augen, den sie aufgesetzt hatte, als sie mich fragte, was in dem Kulturbeutel sei – sie sah aus, als würde sie jemanden anstarren, den sie noch nie zuvor gesehen hatte. Jemanden, dem sie nicht vertrauen kann.

  Ich lasse mich zu Boden sinken, lehne mich mit dem Rücken und dem Hinterkopf gegen die Tür und warte. Mindestens fünfzehn Minuten vergehen in vollkommener Stille. Ich kann nichts sagen, um sie zu erreichen. Solange diese Tür zwischen uns ist, kann ich nichts tun. Also greife ich auf die einzige Option zurück, die mir noch zur Verfügung steht. Ich singe das Lied, das ich vor Monaten für sie geschrieben habe, bevor wir herkamen und als das Leben noch einfacher war. Als das mit uns noch einfacher war – damals waren wir bloß zwei törichte Kinder, die sich zu schnell ineinander verliebt und nicht die geringste Ahnung hatten, wohin sie dieser verrückte Weg führen würde.

  »Why would I tear you apart when I could walk away?

  Why would I tell you the truth is, I just want to stay?«

  In meiner tiefen, heiseren Stimme hallen all die Gefühle wider, die tief in meinem Inneren vergraben sind. All die Dinge, die ich ihr sagen will, all die Wahrheiten, die ich zugeben muss, für die ich aber nicht die richtigen Worte finden kann, um sie auszusprechen.

  »Wasn’t till I left that it hit me …

  I was in love … with a girl named Felicity …«

  Die Tür öffnet sich abrupt, und ich falle nach hinten und knalle mit dem Kopf auf den gefliesten Badezimmerfußboden. Sie ragt über mir auf, und ich starre zu ihr hoch. Ihre Augen sind vom Weinen gerötet, und ihr Make-up ist verschmiert und vollkommen ruiniert.

  »Du kannst das nicht einfach singen und hoffen, dass dadurch alles wieder in Ordnung kommt«, teilt sie mir mit brüchiger Stimme mit. »Ein hübscher Text wird bei der Lösung dieses Problems nicht helfen.«

  »Immerhin hat er dich dazu gebracht, die Tür zu öffnen«, kontere ich sanft und setze mich auf. Ich reibe mir den Hinterkopf. Verdammt noch mal, das hat echt wehgetan. Ich werde eine ordentliche Beule davontragen.

  Ich rappele mich auf und sehe, dass sie vor mir zurückgewichen ist und so viel Abstand zwischen uns gebracht hat, wie in dem kleinen Bad möglich ist. Als ich einen Schritt auf sie zumache, hebt sie eine Hand, um mich aufzuhalten.

  »Nein.« Ihr schlanker Hals verkrampft sich, als sie heftig schluckt.

  »Okay.« Meine Stimme klingt wie zerfetzt. Die Tatsache, dass die Frau, die ich liebe, dort steht und Angst hat, mich zu nah an sich heranzulassen, bringt mich verdammt noch mal um. Sie hat tatsächlich Angst, mich in ihre Nähe zu lassen.

  Was zum Teufel habe ich getan?

  »Erzähl mir von den Drogen, Ryder.«

  Ich spanne mich an. »Das ist nichts.«

  »Nichts?«

  »Die sind nur zum Entspannen, damit ich ein wenig runterkommen kann, wenn ich nervös bin.« Ich trete von einem Fuß auf den anderen. »Das ist so, als würde man eine Kopfschmerztablette nehmen.«

  »Nein, das ist es ganz und gar nicht.« Sie schüttelt den Kopf. »Denn Kopfschmerztabletten versteckt man nicht vor seiner Freundin. Und dieses Zeug, das du nimmst, stammt auch nicht aus einer Apotheke.«

  »Wenn du mir einfach nur mal zuhören würdest …«

  »Okay«, flüstert sie, während ihr eine Träne über die Wange rinnt. »Erklär es mir. Rechtfertige dich vor mir. Erzähl mir, warum ich dir glauben sollte.« Ihre Stimme bricht. »Erzähl mir, wie ich so dumm sein konnte, mich in einen Süchtigen zu verlieben, nachdem ich mein ganzes Leben verzweifelt versucht habe, den zwei Süchtigen zu entkommen, die mich großgezogen haben.«

  Ich spüre, wir mir das Herz in die Hose rutscht. Plötzlich fällt es mir wie Schuppen von den Augen – ihr entfremdetes Verhältnis zu ihren Eltern, die Tatsache, dass sie als Kind bei ihrer Großmutter lebte. Die Tatsache, dass sie keinen Alkohol trinkt und keine Drogen anrührt und sich nicht mal gerne in der Nähe davon aufhält.

  »Felicity … Gott, Felicity, das hast du mir nie erzählt. Wie hätte ich das wissen sollen? Wenn ich es gewusst hätte …«

  »Was dann? Hättest du dann nicht angefangen, Percocet-Tabletten wie Bonbons zu schlucken? Oder hättest du sie besser vor mir versteckt,
damit ich dir nicht auf die Schliche komme?«

  Ich zucke zusammen, als hätte sie mich geschlagen »Nein. Nein. Ich bin nicht süchtig, okay? Sie sind nur …«

  »Zum Entspannen da. Klar.« Sie lacht hohl. »Ich kann nicht glauben, dass ich das nicht kommen gesehen habe. Ich habe alle Anzeichen übersehen. Ich bin so eine Idiotin.«

  »Alle Anzeichen?«, schnauze ich und spüre, wie Wut in mir hochkocht. »Was meinst du damit?«

  »Hast du in letzter Zeit mal in den Spiegel geschaut? Hast du in letzter Zeit geschlafen?« Sie hat die Augen weit aufgerissen. »Wann hast du zum letzten Mal etwas gegessen – ich meine eine richtige, echte Mahlzeit?«

  Ich blähe die Nasenflügel. »Ich bin wegen des Albums gestresst. Ich hatte viel um die Ohren.«

  »Klar. Das geht mir genauso – vor allem weil du Interviews verpasst und unsere Besprechungen mit Francesca sausen lässt. Wann immer ich mich umdrehe, um nach dir Ausschau zu halten, bist du nicht da. Und das bricht mir das Herz, Ryder, weil ich bis vor Kurzem noch nicht mal Ausschau halten musste. Ich wusste einfach, dass du da sein würdest.«

  »Felicity …« Meine Brust fühlt sich so schwer an, dass ich kaum atmen kann. Ich gebe mir große Mühe, meine Stimme ruhig zu halten, aber ich glaube nicht, dass es mir gelingt. »Es tut mir leid, okay? Wenn ich in der Zeit zurückgehen und das alles ungeschehen machen könnte, würde ich es tun. Wenn ich mir mein verdammtes Herz aus der Brust reißen und es dir auf einem Silbertablett überreichen könnte, würde ich auch das tun.« Ich mache einen kleinen Schritt auf sie zu, und dieses Mal hebt sie nicht die Hände, um mich aufzuhalten. Ihr Blick ist immer noch misstrauisch, aber ihr Mund ist weich geworden.

  »Baby«, flehe ich so leise, dass es kaum zu hören ist. »Lass mich das in Ordnung bringen. Lass mich das mit uns in Ordnung bringen.«

  »Wie?«

  »Ich wusste nicht, dass du so ein großes Problem damit hast. Jetzt, da ich es weiß, werde ich damit aufhören.« Meine Handflächen fühlen sich vor Nervosität ganz schwitzig an, und meine Hände zittern angespannt. »Wenn ich die Wahl zwischen dir und ein paar Pillen habe … dann wähle ich dich, Felicity. Ich wähle dich jedes gottverdammte Mal. Von jetzt an bis in alle Ewigkeit.«

  Sie blinzelt. »Du wirst aufhören?«

  »Ich werde aufhören.«

  »Einfach so?«, fragt sie mit bebender Stimme.

  »Ja.« Mein Adamsapfel hüpft. »Wie ich schon sagte, ich bin nicht süchtig.«

  Das bin ich nicht.

  Sie sieht mich lange und streng an. Dann streckt sie eine Hand aus und betätigt die Toilettenspülung. Ich stürze gerade noch rechtzeitig vor, um zu sehen, wie all meine Pillen in einem Wasserwirbel im Abfluss verschwinden. Sofort überkommt mich Panik. Ich versuche, sie zu unterdrücken, indem ich mir genau das einrede, was ich auch ihr erzählt habe.

  Ich bin nicht süchtig.

  Ich brauche die Pillen nicht.

  Als ich ihr in die Augen schaue, betrachtet sie mein Gesicht mit einer so schmerzverzerrten Miene, dass ich sie in die Arme nehmen und stundenlang küssen will, bis nichts mehr von diesem Schmerz übrig ist. Bis die Dunkelheit, die sich zwischen uns ausbreitet, herausgesaugt wurde wie Gift.

  »Wir sind spät dran für die Party. Wir sollten uns vermutlich auf den Weg machen«, murmelt sie und schnappt sich ein Kosmetiktuch, um sich langsam die Wimperntusche unter den Augen wegzuwischen. »Ich werde mein Make-up im Auto in Ordnung bringen.«

  Ich nicke steif und strecke dann meine Hand aus. Mein Herz hört auf zu schlagen, während ich darauf warte, dass sie sie ergreift. Ein langer, eingefrorener Moment entsteht, in dem ich denke, dass sie mich ignorieren wird … Doch irgendwann verschränkt sie ihre Finger mit meinen und drückt leicht zu. Mein Herz schlägt weiter, während wir gemeinsam das Bad verlassen.

  Ich werde das in Ordnung bringen.

  Ich muss das in Ordnung bringen.

  Ich habe keine andere Wahl.

  30. KAPITEL

  Felicity

  Ich beobachte ihn aus dem Augenwinkel, während er auf der anderen Seite des Raums mit Aiden und Linc plaudert. Um sie herum haben sich mehrere Leute von der Plattenfirma versammelt. Sie gratulieren ihnen zu Wildwoods erstem Album. Aus dieser Entfernung kann man kaum sehen, wie sehr er sich verändert hat – die dunklen Ringe unter seinen Augen, das nervöse Zittern seiner Hände, wenn er mit seinem Feuerzeug herumhantiert, seine Wangenknochen, die nach so vielen Abenden ohne Abendessen stärker hervortreten.

  Nun, da ich weiß, was los ist, kann ich nicht aufhören zu sehen, wie sehr er sich verändert hat.

  »Die Zahlen für die nationalen Vorbestellungen sehen solide aus«, sagt Francesca und scrollt durch die Daten auf ihrem Tablet. »Auf dem internationalen Markt haben wir noch nicht so viel erreicht, wie ich es gern hätte, aber dort gibt es noch Verbesserungspotenzial …«

  »Müssen Sie dieses Ding auf einer Party benutzen?«, frage ich und nippe an meinem Wasser. »Sollten wir uns nicht unter die Leute mischen oder so was? Geht es nicht eigentlich darum?«

  Angesichts meines Tonfalls zieht sie eine rotbraune Augenbraue hoch. »Es geht darum, meine Liebe, dass wir Ihr erstes Album feiern.«

  »Richtig. Feiern.«

  »Geht es Ihnen gut. Sie klingen … verstimmt.«

  »Es geht mir gut.«

  »Hat das etwas mit der Tatsache zu tun, dass Sie und Ryder zu dieser Party, die wir Ihnen zu Ehren veranstalten, dreißig Minuten zu spät gekommen sind?«

  Ich umfasse mein Glas fester. »Jetzt sind wir ja hier. Geht es nicht allein darum?«

  »Teilweise. Aber es gibt immer noch so viel zu tun …«

  »Was denn?« Meine Stimme klingt gepresst und erschöpft. Ich habe mein emotionales Limit erreicht. »Die Presse hat ihre Fotos von ihrem neuen Lieblingspaar, das wie Turteltauben neben dem Albumcover posiert. Das Album selbst ist fertig und liegt, soweit es mich betrifft, nicht mehr in meinen Händen. Ich habe jedes Interview gegeben, jede Zeile Ihrer Drehbücher aufgesagt und auch sonst alles getan, was Sie von mir verlangt haben, obwohl das ursprünglich gar nicht mein Traum war.« Meine Stimme bricht. »Ich war hier. Ich bin aufgetaucht. Ich habe mir mein Make-up vom Gesicht geweint und es dann wieder aufgelegt. Ich habe gelächelt und Small Talk betrieben wie ein braves kleines Mädchen. Was wollen Sie noch von mir?«

  Francesca lächelt die Leute um uns herum, die meinen kleinen Ausbruch mitbekommen haben, höflich an. Dann packt sie meinen Arm und führt mich aus dem Hauptraum auf die halb umschlossene Terrasse hinaus. Ich reiße mich von ihr los und atme tief durch den Mund ein, sobald wir draußen sind.

  »Felicity.« Sie starrt mich an, als würde sie mich nicht wiedererkennen. »Was ist los?«

  »Nichts«, schnauze ich. Mir ist klar, dass ich meinen Frust an ihr auslasse, aber ich kann nicht anders. Wenn sie nie in Nashville aufgetaucht wäre … Wenn sie uns nie nach L. A. geschleppt hätte …

  Nein. Das ist nicht ihre Schuld. Ich kann ihr das nicht vorwerfen. Es fällt mir nur so schwer, die Person, die tatsächlich etwas dafürkann, zu beschuldigen, dass ich Schwierigkeiten habe, meine Gefühle richtig zu verarbeiten.

  »Es tut mir leid, Francesca. Ich hätte Sie nicht anschnauzen sollen.«

  »Mir tut es nicht leid. Mir ist es deutlich lieber, wenn Sie mich anschnauzen als irgendjemand anders in diesem Raum.« Ihre Lippen zucken. »Ich kann das aushalten.«

  »Aber Sie haben es nicht verdient.«

  Sie starrt mich kurz an. »Emotionen sind zugegebenermaßen nicht meine Stärke. Aber eins weiß ich mit Sicherheit: Je länger man eine Wunde eitern lässt, ohne sich darum zu kümmern, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich eine Infektion ausbreitet und einen irgendwann umbringen wird.«

  »Wie … wissenschaftlich.«

  Sie grinst. »Wissenschaft ergibt für mich Sinn. Das hier ist das beste Gespräch unter Frauen, das ich anbieten kann. Tut mir leid, dass ich so schlecht darin bin.«

  Ich muss lächeln. »Sie sind gar nicht so schlecht, wi
e Sie denken.«

  »Machen Sie eine Pause. Kommen Sie wieder zu Atem. Wenn Sie dann so weit sind, kommen Sie wieder rein.« Sie drückt meinen Arm, geht davon und lässt mich allein mit meinen Dämonen in der Dunkelheit zurück.

  Für die nächsten paar Minuten denke ich über ihren Rat nach. Trotz ihrer recht ehrlichen Analyse hat sie nicht unrecht. Ich kann nicht einfach so tun, als wäre mit Ryder nichts passiert. Und sofern ich nicht bereit bin, die Verbindung zu kappen und ihn jetzt sofort zu verlassen, ohne auch nur zu versuchen, es wieder in Ordnung zu bringen … werden wir daran arbeiten müssen. Wir werden uns direkt mit dem Problem auseinandersetzen müssen, sonst haben wir keine Chance.

  Vielleicht bin ich eine Idiotin. Vielleicht folge ich dem Beispiel meiner Mutter, wähle den falschen Mann und klammere mich an ihn, anstatt mich von ihm zu lösen, wenn alles den Bach runtergeht. Vielleicht versuche ich, einen Ertrinkenden zu retten, der mich mit sich in die Tiefe ziehen wird.

  Doch so groß meine Angst vor dem, was als Nächstes passieren wird, auch ist … So nervös es mich auch macht, ihn beim Wort zu nehmen, wenn er sagt, dass er nicht süchtig nach diesen Pillen ist …

  Ich kann Ryder nicht verlassen. Ich stecke viel zu tief in der ganzen Sache drin, um mich jetzt von ihm zu trennen.

  Zuerst muss ich versuchen, es in Ordnung zu bringen.

  Schon bald ist es mit meiner Einsamkeit vorbei. Ich habe mich so sehr an seine Anwesenheit gewöhnt, dass ich ihn hinter mir spüre, bevor er auch nur ein Wort sagt.

  »Hey.«

  Ich schließe die Augen, als ich seine Stimme höre. Sie ist wie ein Magnet, der mich anzieht. Das ist schon immer so gewesen, seit ich sie zum ersten Mal aus den Lautsprechern im Nightingale hallen hörte.

  »Hey«, flüstere ich, ohne mich zu ihm herumzudrehen.

  Ich höre, wie er die Terrasse überquert und auf mich zukommt. Seine Schritte sind so gleichmäßig, wie es sein Herzschlag in all den Nächten war, in denen ich meinen Kopf in unserem Bett auf seine Brust gebettet hatte. Er legt die Arme neben meinen auf das Geländer und stößt mich mit mehr Wucht als nötig an. Es ist ein aufrüttelnder Aufprall, der mich aus dem dunklen Ort in meinem Verstand holen soll, in dem ich gefangen bin. Sofort erinnere ich mich daran, wie ich etwas ganz Ähnliches einmal bei ihm gemacht habe.

 

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