Was auch immer geschieht 02 - Feeling close to you

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Was auch immer geschieht 02 - Feeling close to you Page 3

by Iosivoni, Bianca


  »Geh sterben!«, knurrte ich und stürzte mich erneut in die Schlacht. Scheiße, mein Team war dabei, zu verlieren. Dabei hatte ich von den anderen Spielern kaum etwas mitbekommen.

  Diesmal hielt ich mich zurück und versuchte es mit Fernattacken. Mit den Pfeilen erledigte ich einen Gegner von Team Blau und nahm den nächsten ins Visier, als eine neue Meldung in der Mitte des Bildschirms erschien: TRGame ist im Blutrausch.

  Ganz toll. Jetzt massakrierte dieser Typ nicht nur mich, sondern auch noch alle anderen aus meiner Gruppe.

  Ich sah gerade etwas Schwarzes, Nebliges neben mir aufblitzen, drehte mich um – und wurde von neuen Attacken getroffen.

  »Echt jetzt, TR?«, rief ich und wich immer wieder aus. Das war schon kaum machbar, aber etwas anzugreifen, das sich so verflucht schnell bewegte? Ausgeschlossen. »Was soll der Scheiß? Das ist jetzt das verdammte vierte Mal!«

  Ihr seid besiegt.

  Zum. Vierten. Mal. Was zum Teufel!? Und jetzt tanzte dieses dämliche Lama schon wieder auf meiner Leiche herum?

  Team Blau gewann und wurde nach dem Kampf auf den Podesten dargestellt, während meine Leute und ich vor ihnen auf dem Boden lagen.

  »Ich hasse euch! Und ich hasse Guild Wars! Wer ist überhaupt auf die Idee gekommen, das zu spielen?«, stieß ich hervor, musste aber selbst über meinen Ausbruch lachen. »Shit. Wir machen eine kurze Pause, dann geht’s weiter.« Damit wechselte ich vom Spiel zum normalen Livestream, warf ein schnelles Lächeln in die Kamera, setzte das Headset ab und stand auf.

  Mein Puls raste noch immer. Fuck, was für ein beschissenes Match. Und dieser TRGame. Der Kerl war das Letzte! Wenn er jetzt hier wäre … Unbewusst ballte ich die Hände zu ­Fäusten und konnte nur mit Mühe ein Knurren unter­drücken.

  Ich musste mich schleunigst ablenken und runterkommen, um weiterspielen zu können. Wenn ich zu angespannt war – oder angepisst, wie in diesem Fall –, versaute ich es erst recht. Und dann könnte mich jeder noch so kleine Charakter auslöschen, weil ich Fehler machte.

  Das Schöne an Livestreams war, dass du nie allein spielen musstest. Es war immer jemand da, der zusah und mitfieberte. Der Nachteil war allerdings, dass sie alle auch jeden einzelnen Fehler live und in Farbe miterlebten. Und gerade eben war ich wie ein blutiger Anfänger abgeschlachtet worden.

  Ich ging ins Bad, das ausnahmsweise weder besetzt noch überflutet war, dann trottete ich in die kleine Küche, die ich mir mit meinen Mitbewohnern teilte. Sie hatte uralte Blümchenfliesen, die man zum Glück kaum sah, da alles mit Schränken, Regalbrettern, hängenden Töpfen, Gewürzpflanzen und anderem Zeug vollgestellt war. Den Kühlschrank erkannte man in dem Chaos nur daran, dass unzählige Zettel und Magnete daran hingen. Der wöchentliche Versuch eines Putzplans, den Sophie immer wieder aufstellte, Einkaufslisten und Postkarten. Dazwischen Elizas Warnung, sie schlafen zu lassen, sonst würde sie uns alle ermorden, Lincolns krakelige Zeichnungen, Coles Hinweis darauf, dass das Toilettenpapier alle war, und Sophies regelmäßige Erinnerungen, irgendwelche Geräte auszuschalten, damit wir alle am Leben blieben.

  An diesem Abend war von meinen Mitbewohnern nur Cole in der Küche. Er saß mit Handy, iPad und einer Tasse Tee am Küchentisch. Tee. An einem warmen Juniabend. In Florida.

  Ich wunderte mich schon längst nicht mehr über seine komischen Angewohnheiten, trotzdem zuckte ich bei dem Anblick zusammen. Für mich gab es nichts Widerlicheres als Tee. Außer vielleicht Milch.

  »Was ist denn mit dir passiert?«, fragte Cole, und sein Grinsen war viel zu selbstgefällig dafür, dass er uns heute fast alle umgebracht hätte. Mit dem kurzen schwarzen Haar, dem dunklen Bartschatten und der lässigen Lebenseinstellung hielten uns viele für Brüder oder anderweitig verwandt. Was daran liegen könnte, dass wir uns genau so verhielten. »Warst du ausnahmsweise mal nicht der Beste beim Zocken?«

  »Fick dich.«

  »Oh, oh. Da ist aber jemand mies drauf.« Er prostete mir mit der Tasse zu und trank einen Schluck von seinem Tee. Dabei schienen sich die Tattoos auf seinem Arm zu bewegen und fast schon lebendig zu werden. »Also hab ich recht? Es gibt da draußen echt jemanden, der den Gamingkönig geschlagen hat?«

  Statt einer Antwort zeigte ich ihm nur den Mittelfinger und riss die Kühlschranktür auf.

  »Aww, armes Baby.«

  Eigentlich sollte ich darüber lachen können. Aber dieser TRGame trieb mich in den Wahnsinn. Als hätte dieser Trottel es sich heute zur Aufgabe gemacht, mich zu zerstören.

  Dabei war der Tag bisher echt toll gewesen. Na ja, wenn man mal von dem kleinen Unfall mit dem Gasherd absah. Ich war morgens pünktlich aus dem Bett gekommen, war beim Training und anschließend in der Uni gewesen, um ein paar Sachen zum Semesterende zu klären und Professoren für meine Leistungsnachweise hinterherzurennen, hatte die Nummer von der hübschen Barista in dem Café auf der Nordseite des Campus bekommen, alle Mails und Nachrichten auf meinen Social-Media-Kanälen abgearbeitet und dann festgestellt, dass eine meiner absoluten Lieblingsbands eine neue Single veröffentlicht hatte. Ein guter Tag also, ohne schlechte Neuigkeiten oder tragische Ereignisse. Und der Abend hätte genauso klasse werden sollen – hätte mir nicht dieser TRGame dazwischengefunkt.

  Wahrscheinlich wäre es klüger, Guild Wars einfach zu beenden und etwas anderes zu zocken. Auswahl gab es genug, und meine Zuschauer würden es mir auch nicht übel nehmen. Dass wir mehrere Games pro Livestream anspielten, war völlig normal. Aber mein Ehrgeiz machte mir einen Strich durch die Rechnung. Normalerweise hatte ich null Konkurrenzdenken – weder in der Uni noch beim Sport, im Business oder was Frauen anging. Ich war der entspannteste Mensch der Welt. Aber wehe, jemand besiegte mich beim Zocken. Und dieser TR hatte mich besiegt. Mehrfach. Auf grausame Art und Weise. Mit einem verfickten Lama als Todesstoß! Das erforderte eine Revanche. Nein, das erforderte eiskalte, blutrünstige, alles zerstörende Rache.

  Mit einem neuen Energydrink bewaffnet kehrte ich in mein Zimmer zurück und ließ mich in den Drehstuhl fallen. Der Schreibtisch mit den Monitoren nahm die ganze Wandseite gegenüber der Tür ein. Über den Bildschirmen hingen Poster von diversen Games und Filmen, darunter tauchte eine LED-Leiste alles in buntes Licht. Ich griff nach der Maus, loggte mich aber nicht aus dem Spiel aus.

  In Warteschlange für Gruppenzuweisung.

  »Eine Runde noch«, erklärte ich dem Stream. »Dann zocken wir etwas anderes.«

  Eine Runde, in der ich in ein neues Team und auf eine neue Karte kam.

  Eine Runde, in der TRGame – natürlich – wieder mit dabei war und mich – natürlich! – wieder abschlachtete und dieses dämliche Lama – natürlich!!! – wieder auf meiner Leiche einen Stepptanz vollführte.

  »Das war’s!« Keine fünf Minuten später schob ich Maus und Tastatur von mir und griff nach meinem Energydrink. »Wenn mich dieser Typ noch ein Mal killt, kann ich für nichts mehr garantieren. Dann steige ich durch den Monitor und erwürge ihn in Echtzeit.«

  Lachen im Chat. Die Arschlöcher freuten sich darüber, dass meine Norn gerade ständig ermordet wurde. Und das noch immer von derselben Person. Argh. In Gedanken übte ich tödliche Rache, als mir etwas aus dem Chat auf dem anderen Bildschirm ins Auge sprang. Irgendjemand hatte etwas dazu geschrieben, aber die Nachrichten scrollten so schnell durch, dass der Text verschwand, bevor ich ihn lesen konnte. Außerdem musste ich mich sowieso auf das Game konzentrieren, bevor ich noch mal …

  Ihr seid besiegt.

  »Fick dich!« Ich stieß mich vom Schreibtisch ab, rollte mit dem Stuhl zurück und war kurz davor, aufzuspringen. Nur das Kopfhörerkabel verhinderte, dass ich komplett eskalierte. »Fick! Dich! Und fick dieses Spiel! Alter, was geht mit diesem Typen? Was für ein Drecksschwein!«

  Meine Zuschauer amüsierten sich köstlich. Na klar. Ein paar grübelten im Chat darüber, wer hinter dem Namen TRGame stecken könnte, aber die meisten feierten einfach nur seine Siege über mich.

  Ich gab ein Knurren von mir. »Okay, wer zum Teufel ist dieser TRGame?«

  Teagan

  Ahh, das hatte gutgetan. Es gab doch nichts Befriedigenderes, als Leute abzuschlachten. Virtuell natürlich.

/>   Zufrieden lächelnd schloss ich Guild Wars wieder, nachdem ich mich durch die Arenen gemetzelt und jede Menge Punkte gesammelt hatte. Ich war so vertieft gewesen, dass ich kaum darauf geachtet hatte, welche Player meinen Aggressionen zum Opfer fielen. Aber hey, das war nicht mein Problem. Wenn ihre Charaktere starben, hätten sie eben besser spielen sollen. So war das Leben.

  Ich streckte mich vor dem Monitor und achtete darauf, dass mein Dekolleté nicht zu deutlich sichtbar wurde. Das Letzte, was ich wollte, war, als eines dieser Gamer Girls wahrgenommen zu werden, die nur streamten, um ihre Brüste zu zeigen und damit Follower zu generieren. Nein, danke.

  »Wir spielen immer noch kein Hello Kitty Online«, sagte ich, als ich den Vorschlag zum wiederholten Mal im Chat las. »Was ist los mit euch? Wer seid ihr, und wo sind meine normalen Zuschauer hin?«

  Das erntete ein paar Lacher, während weitere Gaming-Vorschläge auftauchten. Aber ich hatte mich schon entschieden. Und als die Musik und der Startbildschirm von Dead by Daylight im Stream auftauchten, jubelten die meisten. Nicht alle, weil es immer Leute gab, die mit irgendetwas nicht zufrieden waren, aber man konnte nie alle glücklich machen. Weder im Livestream noch im echten Leben.

  »Wie wär’s mit einer Community-Runde?«, schlug ich vor und trank einen Schluck. »Wir spielen erst mal als Überlebende. Joint mir einfach nach.«

  Und das taten sie. Noch während ich meinen Charakter mit allen notwendigen Items, Perks und Opfergaben ausstattete, war die Lobby bereits voll. Wir waren zu viert – oder zu fünft, wenn man den Killer mitzählte – und bereit für diese ­Runde.

  Ich nippte an meiner Cola und nahm die anderen Player genauer in Augenschein.

  DelilahStar hatte eine Werkzeugkiste ausgerüstet – sehr gut. Daneben gab es noch MoonDoll, die einen ziemlich guten Rang hatte, und … Parker4G.

  Ich blinzelte und ließ das Glas sinken. Das war nicht der Parker4G, oder? Das war irgendein Fake- oder Fanaccount, der sich nach dem beliebten Gamer benannt hatte. Trotzdem begann mein Herz auf einmal zu hämmern, da mir irgendeine kleine Stimme in meinem Hinterkopf weismachen wollte, dass er es doch war. Was zumindest erklären würde, warum der Chat plötzlich ausrastete.

  OMG!! er ist da!!

  Parker hat auf uns gehört!

  Yessss

  zeit für die revanche

  Revanche? Was für eine Revanche?

  »Ähm …«, machte ich und überflog die Spielernamen erneut stirnrunzelnd. Nur um sicherzugehen, dass ich mir nichts einbildete. »Was ist hier los?«

  Es dauerte einen Moment, bis die Antworten im Chat auftauchten. Und während man sonst manchmal Ewigkeiten bei Dead by Daylight in der Lobby warten musste, bis man alle Spieler zusammenhatte und die Karte geladen war, ging heute natürlich alles extra schnell.

  Mit einem Auge war ich beim Game, das im Schutzwald auf dem MacMillan-Anwesen lud. Nicht meine Lieblings-Map, aber auch nicht die schlimmste. Sich hier zu orientieren war allerdings das Letzte.

  Guild wars!!!

  ihr habt in GW gegeneinander gespielt! Parker war team rot

  du hast ihn in gw abgeschlachtet! er ist ausgerastet

  sein chat hat ihm gesagt, wer du bist jetzt will er bestimmt rache

  Ich überflog die Zeilen und schnaubte. »Wenn er sich rächen wollte, hätte er besser den Killer spielen sollen statt einen Überlebenden.« Denn so standen wir auf derselben Seite.

  Ich grinste, auch wenn mein Herz noch immer viel zu schnell hämmerte. Aber es passierte auch nicht jeden Tag, dass man zusammen mit einem der größten Gamer des Landes zockte. Parker streamte zwar hauptsächlich live, lud die zusammengeschnittenen Videos davon aber auch immer auf YouTube hoch. Wie hoch war seine Abonnentenzahl doch gleich? Zehn Millionen? Fünfzehn?

  Oh Gott, streamte er das etwa gerade? Shit. Shit.

  Ich war nicht nervös. Kein bisschen. Ich war nie aufgeregt bei irgendwelchen Spielen oder Aufnahmen, höchstens ein bisschen angespannt. Aber das Titellied von Dead by Daylight, das ich normalerweise sogar gerne unterwegs hörte – bevorzugt in der Schule oder bei der Arbeit –, machte mich jetzt nervös. Und das nicht aufgrund der Kettensäge, die kurz im Hintergrund zu hören war. Mit wenigen Klicks schaltete ich die Musik aus. Ich musste mich sowieso darauf konzentrieren, was in-game geschah.

  Noch war alles ruhig – und verflucht dunkel. Ich rutschte näher an den Monitor heran und ließ meinen Charakter durch den Wald laufen. Ziel war es, fünf Generatoren zu reparieren, mindestens einen der beiden Ausgänge zu öffnen und zu entkommen. Easy peasy – wäre da nicht ein durchgeknallter Killer unterwegs, der uns alle der Reihe nach einfangen und an Haken aufhängen konnte.

  Ich biss mir auf die Unterlippe, während ich gleichzeitig am ersten Generator arbeitete, mich umsah, auf das für den Killer typische Herzklopfen lauschte und auf die Quick-Time-Events achten musste. Ein einziger Fehler und … Boom!

  Der Knall im Generator war so laut, dass ich zusammenzuckte.

  »Scheiße!«

  Und dann fuhr ich gleich noch mal zusammen, weil eine größere Spende von einem meiner Zuschauer reingekommen war, und die Musik, die ich dafür voreingestellt hatte, losging.

  »Leute!« Ich wusste nicht, ob ich lachen oder fluchen sollte. »Danke! Aber das ist gerade echt ein mieser Zeitpunkt. Es sei denn, ihr legt es darauf an, mich zu erschrecken.«

  Wahrscheinlich hätte ich das besser nicht sagen sollen. Denn noch während ich am nächsten Generator arbeitete, trudelten die Beträge auf dem anderen Monitor ein – und immer wieder ging die Musik dabei los. Das tat sie nur bei größeren Summen im zweistelligen Bereich, aber offenbar hatten meine Zuschauer plötzlich Spaß daran gefunden, mir das Leben – und das Spielen – so schwer wie möglich zu machen.

  Ich warf einen schnellen Blick auf den Monitor und musste schlucken. Himmel! So viel verdiente ich normalerweise in drei Streams zusammen – nicht an einem einzigen Abend. Und ich würde mich sicher nicht beschweren, außer dass … Boom!

  »Diesmal bin ich nicht schuld!«, rief ich, denn es war ein anderer Mitspieler, der zusammen mit mir am Generator gewerkelt und das Quick-Time-Event verpasst hatte. DelilahStar, wie ich vermutete. Allerdings war ich diejenige, hinter der der Killer plötzlich her war. »Oh, Shit!«

  Ich wich aus, wurde aber trotzdem mit einem Vorschlaghammer getroffen. Meine Figur schrie im selben Moment auf, in dem ich lauthals fluchte. Jetzt konnte ich definitiv nicht mehr auf den Chat achten, denn ich musste rennen, was das Zeug hielt. Ich sprintete durch den Wald und schlug Haken, während hinter mir das Pochen des Herzschlags immer lauter wurde. Nur um eine Sekunde später vom Röhren einer Kettensäge übertönt zu werden.

  »Warum spielen wir das hier noch mal?«, zischte ich und rannte im Zickzack weiter.

  Ein anderer Überlebender, den ich bisher gar nicht gesehen hatte, tauchte plötzlich auf.

  »Oh. Hi Parker. Sag Hallo zum Killer!«

  Ein kleiner, schadenfroher Teil von mir hoffte ja, dass sich der Killer jetzt auf Parker4G stürzen würde – aber ich hatte kein Glück. Der Drecksack blieb mir auf den Fersen. Ich schlug noch einen Haken, sprang über eine Palette, lief im Kreis und dann …

  »Neeeein!«

  Der Killer hatte mich niedergemetzelt und warf mich im nächsten Moment auch schon über seine Schulter. Ich wehrte mich nach Kräften, aber dummerweise war direkt neben uns ein Haken. Und schon hing ich dran. Das Schreien meiner Figur dröhnte durch meine Kopfhörer, und ich zog eine Grimasse. Das war ja eine tolle erste Runde.

  Immerhin bekam ich so die Chance, kurz etwas zu trinken und wieder in den Chat zu schauen. Die Leute fieberten genauso sehr mit wie ich. Und die Spenden hörten nicht auf. Wenn das so weiterging, hatte ich bald mein Monatsziel erreicht, obwohl es noch nicht mal Mitte Juni war. Wow.

  »Nach DbD spielen wir wieder Tomb Raider, okay?«

  Als ich vor ein paar Monaten die ganz alten Spiele rausgekramt hatte und anfing, sie live zu zocken, hatte ich es mir zum Ziel gesetzt, sie vom ersten bis zum aktuellsten Game durchzuspielen – und zu meiner Überraschung kam das mega gut an. Trotz der schlechten Grafik von 1997 gefiel es meine
n Zuschauern, und ich bekam immer mehr Abonnenten – und damit auch mehr Geld, das wiederum meinen Collegefonds füllte. Win-win für alle.

  Ich sah zum Spiel zurück. Noch hatte mich niemand vom Haken gerettet, an dem ich gerade langsam und qualvoll verblutete. Aber meine Lebensanzeige sah noch gut aus. Halbwegs zumindest.

  Auf einmal war da eine Bewegung rechts von mir, und ein anderer Spieler trat zwischen den Bäumen hervor. Nein, nicht irgendein anderer Spieler, sondern Parker4G. Ausgerechnet.

  Vom Killer war weit und breit weder etwas zu sehen noch zu hören. Der Herzschlag war praktisch nicht existent. Wenn es einen guten Moment gab, um mich zu retten, dann war das jetzt.

  Parker rannte auf mich zu, und ich stieß erleichtert den Atem aus. Doch statt mich vom Haken runterzuholen, blieb er nur vor mir stehen. Sah mich an. Und drehte dann wieder um, während ich noch immer am Haken hing.

  »Was. Zur. Hölle?«, schrie ich und hämmerte auf die Leertaste ein, da die Hälfte meiner Lebensanzeige abgelaufen war und ich plötzlich kämpfen musste. Riesige schwarze Klauen hatten sich um mich herum materialisiert und drohten mich zu durchbohren, wenn ich die Taste nicht schnell genug drückte. »Du Arsch! Ist das etwa die Rache für Guild Wars?«

  Keine Antwort. Wie auch? Parker hüpfte wahrscheinlich wie eine glückliche Gazelle durch die Map, während ich gleich starb. Mistkerl. Arschloch. Drecksack! Hoffentlich wachte er morgen auf, hatte einen Festplattencrash und alle seine Daten waren fort. Nein – hoffentlich verlor er all seine Spielstände bei jedem Game, das er jemals angefangen hatte.

  Verdammt! Ich war gleich tot. Ich konnte nicht auf den Chat achten, während ich ums Überleben kämpfte und gleichzeitig wilde Verwünschungen ausstieß. Scheißegal, dass sie live in alle Welt übertragen wurden. Das war eine ganz miese Aktion gewesen! In Guild Wars hatten wir in unterschiedlichen Teams gespielt. Natürlich hatte ich Parker und seine Gruppe da abgeschlachtet – das war schließlich das Ziel im PvP-Match. Aber das hier?

  »Wir sind im selben Team, du Loser!«

 

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