»Nicht schlimm. Setzt euch.« Jules machte für mich auf der Bank Platz.
Ich rutschte nach, und Roxy und Shaw folgten mir. Zu fünft saßen wir ziemlich gedrängt, aber es war auch gemütlich.
»Du bist Shaw, richtig?«, fragte Ella und betrachtete den Neuankömmling mit einem so intensiven Blick, als würde sie jedes Fragment seiner Aura inspizieren.
Er nickte und streckte ihr über den Tisch hinweg die Hand hin. »Ja, und du bist …?«
»Ella.« Zögerlich erwiderte sie den Händedruck, und ich wartete darauf, dass sie mit ihrer Neugier bezüglich Roxys und Shaws Beziehungsstatus herausplatzte, aber was sie fragte, war etwas ganz anderes. »Haben wir uns schon mal getroffen?«
»Nicht dass ich wüsste«, sagte Shaw amüsiert und sah zu Roxy, die jedoch nur den Kopf schüttelte, als würde sie sich weigern, Teil dieses Insider-Witzes zu sein.
Ella ließ Shaws Hand los, wandte ihren Blick aber nicht von ihm ab. »Ich könnte schwören, dass ich dich ein paarmal in dem Café gesehen habe, in dem ich arbeite.«
Shaws Miene wurde schlagartig ernst. »Bist du dir sicher?«
»Ja, ziemlich. Ich bin gut mit Gesichtern.«
»Und das war hier in Edinburgh?«, hakte Shaw nach.
Ella nickte.
Ich war offenbar nicht die Einzige, die etwas verpasst hatte. Jules trug einen ähnlich ratlosen Gesichtsausdruck zur Schau. Als wären wir beide in der Mitte eines Films eingeschlafen, dessen Ende wir nun nicht verstanden.
Roxy entging unsere Verwirrung nicht. »Shaw hat sein Gedächtnis verloren«, erklärte sie, während sie mit einem der zahlreichen Ringe an ihren Fingern spielte. »Er war von einem Geist besessen, als ich ihn gefunden habe. Ich konnte den Geist vertreiben, aber dabei hat Shaw seine Erinnerungen verloren. Seitdem versucht er herauszufinden, wer er vor dem Vorfall war.«
Verwundert runzelte Ella die Stirn. »So etwas sollte bei einer Geisteraustreibung eigentlich nicht passieren.«
»Aber es ist passiert«, erwiderte Roxy, deren Stimme einen leicht defensiven Ton angenommen hatte, als hätte Ella angedeutet, dass sie an Shaws Gedächtnisverlust schuld war.
»So war das nicht gemeint«, beschwichtigte Ella, die immer auf ruhige, friedvolle Stimmung aus war. Bisher hatte ich nicht herausfinden können, ob das eine spezielle Eigenart von ihr oder eine allgemeine von Soul Huntern war – so vielen von ihnen war ich noch nicht begegnet. Aber sowohl Ella als auch ihr Dad und Wayne hatten dieselbe unglaublich ruhige Art, die sich anders schwer erklären ließ. »Ich habe nur noch nie davon gehört, dass jemand bei einer Austreibung sein Gedächtnis verloren hat. Das ist alles.«
»Tja, ich bis vor ein paar Monaten auch nicht«, erwiderte Roxy wenig erfreut.
»Okay, okay, aber noch mal zurück zu der Ich-kenne-dich-Sache«, sagte Shaw, der plötzlich nur noch Augen für Ella hatte. »Erinnerst du dich an mehr? Weißt du vielleicht noch, wie ich meinen Kaffee getrunken habe?«
»Schwarz? Vielleicht. Sorry, ich bin mir nicht ganz sicher, es kommen jeden Tag echt viele Leute ins Café.«
»Aber weißt zu zufällig noch, was ich anhatte? War ich sportlich gekleidet? Oder im Anzug?«, fragte Shaw, der für jeden Hinweis auf seine Vergangenheit dankbar schien, auch wenn dieser noch so klein war.
»Du warst immer ziemlich locker gekleidet, wenn ich mich nicht irre. Jeans und ein Shirt, nichts Ungewöhnliches.«
»War ich vielleicht Student?«
»Keine Ahnung.«
»Hab ich mal ein Haustier erwähnt?«
»Nein.«
»Eine Freundin? Oder einen Freund?«
»Nicht dass ich wüsste.«
Shaw hatte noch ein Dutzend weiterer Fragen, aber Ella konnte ihm keine davon wirklich beantworten, weshalb wir anderen uns aus dem Gespräch ausklinkten.
Roxy erzählte Jules und mir von ihrer Partnerschaft mit Finn. Es war interessant zu hören, wie er sich entwickelt hatte. Früher waren Finn und ich zwar befreundet gewesen, aber unsere Freundschaft lag ebenso lange zurück wie Wardens und meine. Der einzige Unterschied bestand darin, dass ich Finn nie einen Grund gegeben hatte, mich zu hassen.
Unwillkürlich fragte ich mich, was Warden wohl gerade machte. Hatte er sich aus dem Quartier geschlichen und war heimlich auf die Jagd gegangen? Oder saß er in seinem Zimmer und schaute sich irgendeinen Anime an?
Aus einem Impuls heraus, den ich nicht genau deuten konnte, zog ich mein Handy hervor, öffnete den Browser und suchte nach Kill la Kill. Der Anime existierte wirklich, und die Inhaltsangabe stimmte mit dem überein, was Warden mir erzählt hatte.
Shit. Er hatte die Wahrheit gesagt, und ich Idiotin hatte ihn als Lügner dargestellt. Warum hatte ich das getan? Und warum hatte Warden es zugelassen?
9. KAPITEL
Warden
3 Jahre zuvor
3 Monate nach der Hunterprüfung
»Dein Verlust tut mir leid.«
»Lass es mich wissen, wenn ich etwas für dich tun kann.«
»Deine Mum ist eine starke Frau. Sie wird es schaffen.«
»Ich habe deinen Vater sehr gemocht.«
»Das mit deinen Eltern tut mir schrecklich leid.«
Bla. Bla. Bla. Ich konnte es nicht mehr hören. Konnte es nicht mehr ertragen. Wohin ich auch ging, betrachteten mich die Leute mit traurigen Blicken und lächelten mich mitfühlend an. Anfangs hatte ich die Beileidsbekundungen noch hingenommen, mich sogar dafür bedankt. Aber damit war jetzt Schluss. Ihr Mitleid brachte meinen Dad nicht zurück und holte meine Mum auch nicht aus dem Koma. Sie waren alle Heuchler. Verlogene Heuchler. Und ich wollte nichts mehr von ihnen hören.
Was ich wollte, war Rache. Rache an jenen Vampiren, die meine Eltern überfallen hatten, und vor allem Rache an Isaac. Die Überwachungskamera auf der Veranda meiner Eltern hatte aufgenommen, wie kurz nach seinen Lakaien der Vampirkönig persönlich ihr Haus betrat und es fünf Minuten später verließ. Fünf Minuten. Mehr Zeit hatte er nicht gebraucht, um mein Leben zu zerstören. Und dafür musste er sterben. Ich wollte Isaac vor mir auf dem Boden knien sehen. Jammernd. Flehend. Um sein Leben winselnd. Und wenn er mich anbettelte, ihn zu verschonen, würde ich ihm diesen Wunsch verwehren und ihn stattdessen töten. Langsam und qualvoll. Und ich würde es genießen.
Doch es waren ausgerechnet die Hunter, meine angeblich zweite Familie, die mir bei meinem Vorhaben im Weg standen. Denn anstatt Himmel und Hölle in Bewegung zu setzen, um den Mann zu finden, der nicht nur für die Vernichtung meiner Familie, sondern auch für den Tod zahlloser anderer Menschen verantwortlich war, unternahmen die Jäger nichts.
Wir halten nach Isaac Ausschau, hatte Grant gesagt.
Was zum Teufel sollte das bedeuten? Sie hielten angeblich seit Jahrzehnten Ausschau nach diesem Typen, und was hatten sie erreicht? Nichts. Rein gar nichts. Daher war ich gezwungen, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen, auch wenn das bedeutete, gegen die Befehle von Grant und gegen das offizielle Protokoll zu verstoßen. Ich wusste, dass ich in diesem Leben keine Ruhe mehr finden würde, solange Isaac noch irgendwo da draußen war.
Ich tippte meinen Code zur Entriegelung der Waffenkammer ein und hielt einen Moment den Atem an, unsicher, ob sich die Tür aufschieben lassen oder verschlossen bleiben würde. Denn Grant, dieser Idiot, hatte mich beurlaubt. Angeblich sei ich nicht in der richtigen Verfassung, um auf die Jagd zu gehen.
Er irrte sich.
Zu meiner Erleichterung war ein Klicken zu hören, und die Tür zur Waffenkammer öffnete sich. Zwar befanden sich zwei Macheten in meinem privaten Besitz, die mir meine Eltern zum Bestehen der Hunterprüfung geschenkt hatten, aber das war nicht genug. Ich schnappte mir einen Dolch, zwei Pistolen, mehrere Wurfsterne, Tränengas und zwei Dosen Pfefferspray. Vor allem auf Letzteres reagierten Isaacs Vampire oft empfindlich, denn obwohl sie untote Monster waren, waren sie dennoch an einen ursprünglich menschlichen Körper gebunden.
Nachdem ich mich ausgestattet hatte, machte ich mich auf den Weg zu der einen Person, von der ich wusste, da
ss sie mich nicht nur mit einer geheuchelten Plattitüde unterstützen würde. Grant und die anderen Hunter hatten mich vielleicht im Stich gelassen, aber nicht Cain. Sie war alles, was mir noch geblieben war. Die Einzige, auf die ich mich verlassen konnte.
Entschlossen klopfte ich an ihre Tür, doch es dauerte einen Moment, bis sie mir öffnete.
»Hey«, begrüßte sie mich mit einem Gähnen. Sie trug einen knappen Pyjama, und der Zopf, den sie sich jede Nacht flocht, war ziemlich zerzaust, als hätte sie bereits einige Zeit geschlafen. »Was ist los?«
Ich lächelte. »Zieh dich an. Wir gehen auf die Jagd.«
Cain blinzelte müde. »Du bist beurlaubt, schon vergessen?«
»Nein, aber ich kann nicht länger rumsitzen und Däumchen drehen. Ich muss Isaac finden«, antwortete ich mit gesenkter Stimme, auch wenn die Chance, dass wir belauscht wurden, gering war. Schließlich war es mitten in der Nacht und das Quartier wie ausgestorben. Die meisten Hunter waren entweder auf der Jagd oder schliefen.
Die Müdigkeit wich aus Cains Blick. »Du willst Isaac jagen?«
»Ja.«
»Das halte ich für keine gute Idee. Grant –«
»Hat keine Ahnung, wovon er redet«, unterbrach ich sie und machte mir keine Mühe, meinen Frust zu verbergen.
Als Cain keine Anstalten machte, sich zu bewegen, sondern mich nur stumm und schließlich etwas mitleidig anblickte, spürte ich Wut in mir aufflackern. Ich war fest davon ausgegangen, dass sie, ohne Fragen zu stellen, ihre Ausrüstung packen und mit mir kommen würde. Schließlich war sie meine Partnerin und hatte versprochen, mir immer den Rücken zu stärken. Doch wie es schien, hatte ich mich geirrt.
»Er ist unser Quartiersleiter.«
»Aber er ist nicht allwissend. Und mich auf die Ersatzbank zu setzen ist ein Fehler.«
»Das denke ich nicht.«
Ich presste die Lippen aufeinander. »Was soll das heißen?«
»Es tut mir leid, Warden, wirklich, aber ich glaube auch nicht, dass du schon wieder bereit für die Jagd bist.«
»Das bedeutet, du kommst nicht mit?«
Cain schenkte mir eines dieser milden Halblächeln, die ich in den letzten Wochen so sehr zu hassen gelernt hatte. »Genau das bedeutet es.«
Meine Hände ballten sich wie von selbst zu Fäusten. Am liebsten hätte ich ein Loch in die Wand geschlagen. Ich hasste mich dafür, dass ich geglaubt hatte, sie würde mir helfen. Natürlich nicht. Sie hatte noch nie gegen die Regeln verstoßen. Und ich hätte verdammt noch mal wissen müssen, dass sie das auch nicht für mich tun würde.
»Gut, dann gehe ich eben allein.«
Ich wollte mich umdrehen und verschwinden, als Cain plötzlich meinen Unterarm packte. »Nicht! Wir dürfen nicht allein auf die Jagd.«
Ich schnaubte und riss mich mit einer ruppigen Bewegung von ihr los. »Ist mir egal.«
»Warden …« Sie folgte mir den Gang hinunter, wobei sie Schwierigkeiten hatte, mit mir Schritt zu halten.
Ich hatte keine Minute mehr zu verschwenden. Mit jedem Zögern gab ich Isaac mehr Zeit, unterzutauchen und seine Spuren zu verwischen.
Kurz vor dem Aufzug, der mich nach oben und zum Ausgang bringen würde, versperrte Cain mir den Weg. »Bitte, geh nicht. Das ist allein viel zu gefährlich.«
»Dann komm mit«, sagte ich und gab mir Mühe, jede Spur der Verbitterung aus meiner Stimme zu verbannen. Um ihr eine ernsthafte letzte Chance zu geben.
Mit verlorenem Blick sah Cain mich an. Und schwieg.
Damit hatte ich meine Antwort.
Ich lächelte grimmig und schob mich an ihr vorbei. Um mit einem Herz so schwer wie meine Schritte davonzumarschieren und Isaac zu finden.
10. KAPITEL
Cain
Ein nerviges Piepsen riss mich aus dem Schlaf.
Ich wälzte mich in meinem Bett herum und drückte mein Gesicht ins Kopfkissen in der Hoffnung, meinen Wecker noch für ein paar Minuten ignorieren zu können, aber das Piepsen hörte nicht auf. Stattdessen wurde es lauter und lauter, bis ich mich meinem Schicksal schließlich ergab, aus dem Bett rollte und zur gegenüberliegenden Seite des Zimmers ging, wo mein Handy lag. Gähnend deaktivierte ich den Alarm und schlurfte ins Badezimmer, um mich für meine Trainingseinheit mit Jules fertig zu machen.
Wer von uns hatte es für eine gute Idee gehalten, sich um diese Uhrzeit zum Training zu treffen und das nach einer durchzechten Nacht? Ich hatte keine Ahnung, wie spät es gewesen war, als Roxy, Shaw, Jules und ich zurück ins Quartier kamen, aber ich hätte schwören können, dass die Vögel bereits gezwitschert hatten. Vielleicht hätte ich Ellas Beispiel folgen sollen, die sich bereits ein paar Stunden zuvor abgesetzt hatte.
Unfreiwillig nahm ich eine kalte Dusche, da das Wasser mal wieder nicht warm wurde, und schlüpfte anschließend in meine Trainingskleidung, bevor ich mit dem Aufzug in die obere Etage fuhr.
Kaum hatte sich die stählerne Tür vor mir aufgeschoben, hörte ich auch schon die Stimmen aus den verschiedenen Trainings- und Fitnessbereichen. Egal ob Nah- oder Fernkampf, Schusstraining, Cardio oder Muskelaufbau, hier gab es für alles den passenden Übungsraum.
Ich holte mir eine Wasserflasche und sah mich um. Der Fitnessraum war um diese Uhrzeit immer ziemlich leer. Die Hunter der Nachtschicht lagen in ihren Betten, die Frühschicht war auf den Straßen, und die Tagschicht ging vermutlich in großen Teilen ihren Brotjobs nach. Nur ein paar Jäger waren hier, und zu meinem Erstaunen waren Ella und Owen unter ihnen. Jules schien noch nicht da zu sein, also schlenderte ich zu den beiden hinüber.
Ella lag gerade mit angewinkelten Beinen auf dem Rücken, und Owen hielt ihre Füße fest, während sie sich wenig erfolgreich an Sit-ups versuchte.
»Komm schon«, feuerte Owen sie an. Sein langes dunkelblondes Haar fiel ihm lose über die Schultern, und ein Dreitagebart bedeckte sein Kinn. »Du schaffst das, Ella, ich glaub an dich!«
»Warum tust du mir das an?«, ächzte sie und versuchte, ihren Oberkörper anzuheben, allerdings sackte sie fast augenblicklich wieder zurück auf die Matte und blieb mit ausgestreckten Armen einfach liegen. Wie Owen sie dazu motiviert hatte, so früh aufzustehen und hierherzukommen, war mir ein Rätsel, aber er hatte schon immer einen guten Einfluss auf sie gehabt.
»Weil du mir wichtig bist und ich nicht möchte, dass du von einem Werwolf gefressen wirst«, erwiderte Owen mit einem amüsierten Funkeln in den Augen. »Und jetzt komm schon, nur noch einmal hoch.«
Ella stöhnte, als litte sie grausame Schmerzen.
»Quäl sie nicht so«, sagte ich mit einem Lachen und hockte mich neben sie auf die Matte.
Ella war das genaue Gegenteil von mir. Ich liebte Sport und Bewegung und tat mein Möglichstes, den Trainingsräumen jeden Tag einen Besuch abzustatten. Wenn ich es einmal nicht schaffte, fühlte ich mich rastlos und unausgeglichen. Ella hingegen wäre heilfroh gewesen, nie wieder einen Fuß auf ein Laufband oder eine Sportmatte setzen zu müssen.
Ich reichte ihr meine Wasserflasche.
Dankend nahm sie diese entgegen und trank einen Schluck.
»Wie lange wart ihr gestern noch unterwegs?«, fragte Owen. »Ella meinte, ihr habt länger durchgehalten als sie.«
»Viel länger«, murmelte ich mit einem Gähnen. Ich war es gewohnt, lange wach zu sein und wenig zu schlafen, aber der gestrige Abend hing mir ganz schön nach.
Meine Tage waren in der Regel in drei Einheiten unterteilt: Schlafen. Trainieren. Patrouille. Nicht immer in dieser Reihenfolge, und manchmal kam mir der Unterricht oder ein Geburtstag dazwischen, so wie heute, aber aus viel mehr bestand mein Leben nicht. Pub-Besuche wie gestern Abend waren eher die Ausnahme als die Regel, und das merkte ich.
»Wie war es bei deiner Mum?«, gab ich die Frage an Owen zurück.
»Schön, aber wie immer ein Drahtseilakt mit den Fragen der Verwandtschaft. Ich glaube, sie halten mich für den faulsten Menschen auf Erden.« Anders als Owen und sein Vater gehörte seine Mum nicht zu den Huntern und ging einem gewöhnlichen Job nach. Sie wusste natür
lich von den Aktivitäten ihres Mannes und Sohnes, aber der Rest von Owens recht zahlreicher Verwandtschaft mütterlicherseits war nicht in die Existenz von Jägern und Kreaturen eingeweiht.
Ächzend richtete Ella sich auf. »Hat ihr mein Geschenk gefallen?«
Owen lächelte. »Ja, sie hat sich sehr gefreut.«
»Was hast du ihr denn geschenkt?«
»Einen Ring, der aussieht wie meiner«, sagte Ella und hob ihre rechte Hand, an deren Mittelfinger ein Ring steckte, in den ein magischer Stein der Stufe 4 eingesetzt war, der die Farbe von dunklem Magenta hatte. »Sie hat mir schon öfter gesagt, wie gut er ihr gefällt, also hab ich ihr eine Nachbildung besorgt.«
»Das war wirklich eine schöne Idee.«
Ohnehin machte Ella die besten Geschenke. Ich hatte keine Ahnung, wie sie es anstellte, aber sie fand einfach immer das Richtige und wusste, was man sich wünschte, bevor man selbst ahnte, dass man es in seinem Leben brauchen konnte. Zu meinem neunzehnten Geburtstag vor ein paar Wochen hatte sie mir einen Gutschein fürs Indoor-Surfen geschenkt. Es war einer der besten Tage meines Lebens gewesen, aber von allein wäre ich niemals auf die Idee gekommen.
»Hey«, begrüßte uns Jules, der sich in diesem Moment neben mir auf die Matte fallen ließ. »Was läuft hier denn für eine Therapiesitzung? Darf ich mitmachen?«
Ella grinste Jules an. »Klar. Womit können wir dir behilflich sein?«
»Ich bin in eine Frau verliebt, die meine Existenz nicht einmal anerkennt. Hilfe!«
Interessiert hob Ella die Augenbrauen. »Harper?«
Ich schnaubte. »Wer den sonst?«
»Du solltest einfach mit ihr reden und ihr offen sagen, wie du fühlst, aber ohne sie zu drängen«, sagte Ella.
»Das habe ich ihm auch geraten«, warf ich ein. »Oder du vergisst sie endlich.«
Meine beste Freundin nickte entschlossen. »Genau.«
»Das ist manchmal nicht so einfach«, mischte sich Owen ein, der die Arme auf den Knien abgestützt hatte. »Gefühle lassen sich nicht so einfach abstellen, vor allem nicht, wenn du die Person, für die du sie hast, ständig sehen musst.«
Midnight Chronicles 02 - Blutmagie Page 9