Midnight Chronicles 02 - Blutmagie

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Midnight Chronicles 02 - Blutmagie Page 31

by Bianca Iosivoni u . Laura Kneidl


  »Wenn du noch länger wartest, wird das Blut ranzig.«

  Erschrocken wirbelte ich herum und hätte beinahe die Konserve fallen lassen. Ich hatte nicht gemerkt, dass noch jemand hier war.

  »Wayne! Du hast mich ganz schön erschreckt.«

  Er lächelte entschuldigend. »Tut mir leid, ich wollte mich nicht anschleichen. Wie geht es dir?«

  Ich zuckte mit den Schultern, da ich nicht wusste, wie ich darauf antworten sollte.

  »Ich bin froh, dass ich dich hier treffe. Ich muss mich bei dir entschuldigen.«

  »Wofür?«

  »Dafür, dass ich Jules so schnell aufgegeben habe«, antwortete er und schob verlegen die Hände in die Hosentaschen. »Als Grant beschlossen hat, dass die Suche nach ihm eingestellt wird, hätte ich etwas sagen sollen. Vor allem nach dieser Sache mit den tot geglaubten Huntern, die vielleicht doch nur entführt wurden.«

  Ich nickte unbestimmt, da ich von all dem nicht viel mitbekommen hatte. Warden hatte mir ein wenig darüber erzählt, aber ich war die letzten Wochen einfach zu sehr mit der Suche nach Jules beschäftigt gewesen. »Habt ihr schon eine Spur, wo sich die Hunter befinden könnten?«

  »Nein, leider nicht. Und wir haben ehrlich gesagt auch noch keine Ahnung, wie alles zusammenhängt.«

  »Sobald wieder Normalität einkehrt, gehe ich gern wieder auf Patrouille und helfe.«

  »Mit Warden als deinem Kampfpartner?«

  »Ich glaube, er ist als Einzelgänger ganz glücklich.« Ich wusste, dass Warden gern Zeit mit mir verbrachte, aber ich wollte ihn auch zu nichts zwingen. Oder mir falsche Hoffnungen machen. Über unsere gemeinsame Zukunft hatten wir bisher noch kein Wort verloren.

  »Ja, er ist allein glücklich, aber nicht so glücklich wie mit dir. Eva kommt vermutlich nicht zurück in den Dienst. Als ich Warden gegenüber erwähnt habe, dass du und ich Partner werden könnten, hat ihm das überhaupt nicht gefallen.«

  Mir wurde warm ums Herz. »Wirklich?«

  »Ja, wirklich. Du solltest ihn danach fragen. Aber erst nachdem du bei Jules warst«, erinnerte mich Wayne daran, aus welchem Grund ich hier stand. Als er bemerkte, wie meine Stimmung sofort wieder kippte, trat er einen Schritt auf mich zu. Ein sanftes Lächeln lag auf seinen Lippen. »Ich weiß, es ist schwer. Aber du schaffst das.«

  »Ich will ihn nicht als Monster in Erinnerung behalten.«

  »Das wirst du nicht, glaub mir. Es ist vielleicht nicht genau das Gleiche, aber ich weiß, wie es sich anfühlt. Mein Dad war nach seiner Darmkrebs-Diagnose nicht mehr derselbe, die letzten Wochen seines Lebens waren verdammt hart. Er war nicht mehr der Mann, der mich großgezogen hat, und die Erinnerungen an seinen schwächer werdenden Körper tun weh, aber sie löschen all die schönen nicht aus.« Waynes Stimme hatte einen nachdenklichen Klang angenommen. »Ich hätte ihm den Rücken kehren und ihn alles allein durchstehen lassen können, um meine schönen Erinnerungen nicht zu trüben, aber ich bin froh, es nicht getan zu haben. Und ich bin mir sicher, dass es dir mit Jules genauso gehen wird.«

  Ich lächelte. »Danke.« Seine Worte halfen mir wirklich.

  Anschließend verabschiedete sich Wayne von mir, da er ein Meeting mit den Huntern hatte, welche die Hütte im Wald besetzen würden; auch mein Dad würde einer von ihnen sein.

  Nachdem er gegangen war, atmete ich noch einmal tief ein, bevor ich den Code eintippte, der die Tür zu den Arrestzellen öffnete. Erleichtert stellte ich fest, dass die Luft dahinter sauber und rein roch, nicht wie in dem Kerker, in dem ich Jules gefunden hatte.

  Ich trat vor seine Zelle. Er saß im Schneidersitz auf seinem Bett, als würde er meditieren, allerdings waren Hand- und Fußfesseln um seine Gelenke gelegt. Reglos starrte er an die Wand, obwohl es auch einen Fernseher und ein Regal voller Bücher in der Zelle gab. Er hatte seine Vampirform abgelegt – seine Hände waren keine Klauen mehr, und seine Augen hatten ihre natürliche blaue Farbe. Er sah beinahe so aus wie der alte Jules, nur dass er vollkommen farblose Kleidung trug, die der alte Jules niemals angerührt hätte.

  Ich schluckte schwer und trat an die Zelle heran. »Hallo, Jules.«

  Er rührte sich nicht.

  »Ich hab dir dein Abendessen mitgebracht.« Ich ging in die Hocke und schob die Blutkonserve unter den Gitterstäben hindurch, anschließend trat ich zwei Schritte zurück, sodass Jules mich von seiner Zelle aus nicht zu fassen bekommen konnte. »Ich war vorhin mit deinen Eltern, Grant und all den anderen in einer Besprechung«, berichtete ich, da ich nicht wusste, was ich sonst sagen sollte. »Dr. Kivela hat uns erzählt, was James dir angetan hat.«

  Angespannt beobachtete ich Jules, doch er reagierte nicht auf meine Worte, obwohl ich mir sicher war, dass er sie hörte und verstand. Vampire waren zwar Bestien, die von ihren Urinstinkten angetrieben wurden, wenn sie hungrig waren, aber sie waren immer noch in der Lage, zu denken wie ein Mensch. Vampire wie Phineas waren der beste Beweis, allerdings waren sie, anders als Jules, auf natürlichem Weg entstanden.

  Mit einem Seufzen setzte ich mich auf den Boden vor der Zelle. »Es tut mir leid, was mit dir passiert ist«, sagte ich, die Stimme zu einem Flüstern gesenkt, und knetete dabei nervös meine Finger. »Und dass ich an jenem Abend nicht mit dir auf Patrouille war. Ich weiß nicht, ob meine Anwesenheit anstelle von Floyds etwas geändert hätte, aber ich habe das Gefühl, dich im Stich gelassen zu haben.« Mich bei Jules zu entschuldigen fühlte sich erstaunlich gut an. Von dieser Tatsache ermutigt, redete ich weiter. »Und es tut mir auch leid, dass ich dich nicht früher gefunden habe. Keine Ahnung, wie lange du schon so bist, aber vielleicht hätte ich es verhindern können. Ich hoffe, du kannst mir verzeihen und wirst eines Tages wieder mit mir sprechen, aber ich kann auch verstehen, wenn du nichts mehr mit mir zu tun haben willst.«

  Plötzlich rührte sich Jules. Er stand vom Bett auf und starrte mich an. Den Blick auf mich gerichtet, näherte er sich dem Rand seiner Zelle. Direkt vor den Gitterstäben blieb er stehen. Wortlos bückte er sich nach der Blutkonserve. Die Finger seiner rechten Hand verwandelten sich in Klauen. Mit einer seiner Krallen schlitzte er die Verpackung auf und führte sie an den Mund.

  Mir drehte sich der Magen um. Verdammt, ich wusste, dass er Blut trank, er war ein verdammter Vampir, aber es mit eigenen Augen zu sehen, erinnerte mich daran, wie er sich auf mich gestürzt hatte. Sofort glaubte ich wieder das Pochen der Wunde an meinem Hals zu spüren. Ich unterdrückte den Drang, danach zu tasten, und schlang stattdessen die Arme um meine Knie.

  Mit gespielter Furchtlosigkeit beobachtete ich, wie Jules die Blutkonserve austrank. Er warf die Verpackung in den Mülleimer in der Ecke und leckte sich mit der Zunge über die rot gefärbten Lippen, bevor er sich wieder aufs Bett setzte.

  In diesem Moment hätte ich alles dafür gegeben zu erfahren, was in ihm vorging. Erinnerte er sich überhaupt an mich? Oder war seine Vergangenheit ein schwarzes Loch wie bei James?

  »Du schuldest Ella übrigens zwanzig Pfund«, sagte ich und stützte das Kinn auf den Knien ab. »Sie hat mir von eurer kleinen Wette erzählt, und so wie es aussieht, hast du leider verloren. Warden und ich haben uns nämlich geküsst … Um ehrlich zu sein, haben wir schon viel mehr gemacht.« Mir war bisher nicht viel Zeit geblieben, darüber nachzudenken und in Erinnerungen zu schwelgen, aber auch jetzt, Tage später, bereute ich nicht, was wir getan hatten. »Ich weiß, ich habe die letzten Jahre viel auf ihn geschimpft … aber es war leichter, ihn für sein Verhalten zu verurteilen, als zu versuchen, es zu verstehen. Was ich jetzt tue. Nachdem du fort warst, konnte ich nicht anders, als gegen die Regeln zu verstoßen, um dich zu finden.«

  Jules schwieg noch immer.

  »Du denkst jetzt bestimmt: Aber Cain, was ist mit dem Posten der Quartiersleiterin?«, mimte ich seine schockierte Stimme nach und antwortete mir selbst. »Ich weiß es nicht. Aber wenn diese Position von mir verlangt, meinen besten Freund einfach aufzugeben und Warden den Rücken zu kehren, ist sie das einfach nicht wert. Außerdem bleiben mir sicherlich noch zwanzig, dreißig Jahre, um mich zu beweisen. Und das werde ich!«

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sp; Reglos starrte Jules die Wand an. Ich hatte keine Ahnung, ob er mir zuhörte, dennoch redete ich weiter und erzählte ihm alles, was im Quartier passiert war. Ich wusste nicht, was ich mir davon erhoffte, aber es fühlte sich richtig an, Jules an seinem alten Leben teilhaben zu lassen. Und als ich den Arrest schließlich verließ, musste ich an das denken, was Wayne gesagt hatte und daran, dass ich diese zwei Stunden, die ich mit Jules verbracht hatte, niemals bereuen würde.

  29. KAPITEL

  Warden

  Das Surren der Tätowiernadel verstummte, nachdem ich den letzten Strich in meine Haut gestochen hatte. Ich beobachtete, wie die Rötung in Sekundenschnelle verheilte, sodass das frische Tattoo plötzlich so wirkte, als wäre es schon einige Tage alt.

  Seufzend legte ich die Maschine beiseite und stellte mit einem Blick auf die Uhr enttäuscht fest, dass der Schmerz nur eine kurze Ablenkung gewesen war. Ich überlegte, mir noch einmal die alten Dokumente meines Dads zu seinem Vampir-Impfstoff durchzulesen, aber ich wusste, dass ich das nur tun würde, um den Besuch bei meiner Mum hinauszuzögern. Zwar gab es niemanden, der mich dazu zwang, ihr von Dad zu erzählen, aber ich musste es tun. Ich erzählte ihr alles; eine solch wichtige Entwicklung vor ihr geheim zu halten hätte sich einfach falsch angefühlt.

  Ich schlüpfte in ein frisches T-Shirt, ehe ich mich mit schwerem Herzen auf den Weg in die Krankenstation machte.

  Im Quartier herrschte eine merkwürdig gedrückte Stimmung, und ich konnte die Blicke der anderen Jäger auf mir spüren. Sie alle wussten, was aus meinem Dad geworden war und was Cain und ich erlebt hatten. Bevor jemand auf die Idee kommen konnte, mich anzuquatschen, beschleunigte ich vorsichtshalber meine Schritte.

  Auf der Krankenstation begrüßte ich das Personal, bevor ich durch die Vorhänge zu meiner Mutter hineinschlüpfte.

  »Hey, Mum.« Ich ließ mich auf meinen Sessel fallen und betrachtete sie. Ihr Gesicht hatte eine rosigere Farbe als sonst, und man hatte ihr die Haare gewaschen. »Du siehst gut aus heute.« Ich griff nach ihrer Hand, die schwer und reglos in meiner lag, und streichelte ihr mit dem Daumen über den Handrücken. Dabei berührte ich abwesend die Stelle, an der ihr Ehering gesessen hatte, der nun in der Nachttischschublade neben ihrem Bett lag.

  Sie hatte meinen Dad wirklich von ganzem Herzen geliebt, und wenn ich eine positive Sache aus ihrem aktuellen Zustand hätte ziehen sollen, war es der Umstand, dass sie sich nie mit seinem Tod hatte auseinandersetzen müssen.

  »Ich habe Dad gefunden«, sagte ich, meine Stimme nur ein heißeres Flüstern, den Blick auf ihre Hand gesenkt. Ihr gegenüber diese Worte auszusprechen war um einiges schwerer, als Grant, Lillian oder Wayne von meiner Begegnung mit James zu erzählen. »Er ist am Leben, wenn man so will, aber nicht mehr derselbe wie damals. Er ist jetzt einer von Isaacs Leuten.« Ich sah meine Mum an, die sich wie erwartet nicht rührte. Sie wirkte so friedlich, aber ich selbst verspürte keine Ruhe. »Ich habe immer gedacht, es würde mir irgendeine Art Frieden bringen, wenn ich herausfinde, was damals geschehen ist. Warum es geschehen ist … Aber ich glaube, ich habe mich geirrt«, gestand ich sowohl meiner Mum als auch mir ein. »Zu wissen, dass Isaac es auf Dad abgesehen hatte, ändert überhaupt nichts. Du liegst noch immer im Koma, und Dad … Mein Wunsch, Isaac für das, was er euch angetan hat, leiden zu sehen, ist größer denn je. Ich weiß, dass Rache ein hässliches Gefühl ist, und sie hätte mich um ein Haar Cain gekostet, aber …«

  Ich brach ab, als wie aus dem Nichts ein kleiner Junge auftauchte, der vermutlich keine zehn Jahre alt war und sich völlig selbstverständlich auf den freien Stuhl auf der anderen Seite des Bettes setzte.

  Ich schluckte schwer. »Bitte sag mir, dass du nicht ihretwegen hier bist.«

  »Nein, ihre Zeit ist noch nicht gekommen«, antwortete Kevin mit kindlicher Stimme, die nicht zu dem wissenden Ausdruck in seinen Augen passen wollte. »Ich bin hier, um nach dir zu sehen.«

  »Wie nett von dir.« Es sollte sarkastisch klingen, aber das tat es nicht.

  »Das mit deinem Dad tut mir echt leid.«

  Ich ließ die Hand meiner Mum los. »Warum hast du mir nicht gesagt, dass er nicht in der Geisterwelt ist?«

  »Weil ich es nicht wusste. Hast du eine Ahnung, wie viele Menschen jeden Tag, jeden Monat, jedes Jahr sterben? Mein Kopf würde explodieren, wenn ich all ihre Schicksale kennen würde. Das mit Dominique konnte ich dir nur sagen, weil ich ein Auge auf sie hatte. Aber damals, als das mit deinem Dad passiert ist, kannten wir uns noch nicht. Hätte ich mitbekommen, dass er nicht übergetreten ist, hätte ich dir das gesagt.«

  Ich nickte. Aus irgendeinem Grund glaubte ich ihm. »Danke, Kev.«

  »Wofür sind Freunde da?« Er lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. »Willst du darüber reden?«

  »Über meinen Dad?« Ich schüttelte den Kopf.

  »Dann vielleicht über die süße Blood Huntress?«

  »Cain?«

  »Ja. Ich habe gesehen, dass zwischen euch jetzt was läuft.«

  »Sag jetzt nicht, dass du uns beim Sex beobachtet hast.«

  »Natürlich nicht! Auch wenn du es mir nicht glaubst, ich besitze in der Tat so was wie Anstand.«

  »Mit Cain läuft es gut.« Zwar hatten wir noch nicht genauer definiert, was das zwischen uns war und ob es eine Zukunft hatte, aber für den Moment genoss ich, was wir hatten.

  Es war der einzige Lichtblick in diesen Wochen, in denen ein dunkles Ereignis das nächste jagte. Erst die Sache mit Dominique, dann Jules’ Verschwinden und … alles, was danach gefolgt war.

  »Wenn man vom Teufel spricht«, säuselte Kevin, ehe er plötzlich verschwand, nur einen Moment bevor der Vorhang zurückgeschoben wurde und Cain ihren Kopf hereinschob.

  »Hey. Störe ich?«

  »Nein, komm rein.«

  Sie schlüpfte in das provisorische Zimmer und zögerte kurz, bevor sie zu mir kam und sich auf meinen Schoß setzte.

  Ich zog sie an mich und atmete ihren süßen Duft ein, der den chemischen Geruch der Krankenstation verblassen ließ. Es war erstaunlich, wie Cain es schaffte, jeden Moment auf gewisse Art erträglicher zu machen.

  Sie lehnte ihren Kopf an meine Schulter. »Worüber hast du mit ihr geredet?«

  »Über meinen Dad. Ich habe ihr erzählt, dass wir ihn gefunden haben und was aus ihm geworden ist.«

  Cain nickte. »Und wie geht es dir damit?«

  »Gut.«

  Zweifelnd hob sie die Brauen. »Bitte sei ehrlich.«

  »Es geht mir wirklich gut«, beteuerte ich. »Meiner Mum davon erzählen zu müssen war hart, und es war zuerst ein ziemlicher Schock, aber es ist offensichtlich, dass von meinem Dad nichts mehr übrig ist. Der Mann, den ich kannte, ist gestorben. Und nach über drei Jahren habe ich mit seinem Tod abgeschlossen, zumindest so weit, wie man überhaupt mit so etwas abschließen kann. Es tut mir nur leid, was er Jules angetan hat.«

  »Mir auch.«

  Ich wünschte, ich könnte den Schmerz aus ihrer Stimme nehmen. »Warst du schon bei ihm?«

  Sie nickte. »Gerade eben. Ich habe ihm zwei Stunden lang alles erzählt, was er in den letzten Wochen verpasst hat. Es hat ihn allerdings nicht sonderlich interessiert. Zumindest hat er auf nichts, was ich gesagt habe, reagiert.«

  »Das tut mir leid.«

  »Mir auch. Aber ich gebe die Hoffnung noch nicht auf.«

  »Wenn du willst, können wir Jules morgen zusammen besuchen«, bot ich an.

  »Das wäre schön.« Sie schmiegte sich an mich.

  Ich streichelte ihr sanft über die Haare, und eine Weile saßen wir einfach nur da und genossen den Moment der Zweisamkeit. Es war das erste Mal seit Tagen, dass ich das Gefühl hatte, zur Ruhe zu kommen, und nicht in der ständigen Sorge lebte, dass gleich jemand mit der nächsten Hiobsbotschaft zu mir kam.

  »Warden?«

  Ich schielte auf sie hinunter. »Ja?«

  Sie nahm den Kopf von meiner Brust, um mich anzusehen. Das rote Haar fiel ihr in sanften Wellen über die Schultern, und sie trug kein Make-up, dennoch wa
ren die Sommersprossen auf ihrer Nase nur noch helle Schatten. Im Winter wurden sie immer etwas blasser.

  »Willst du wieder mein Kampfpartner werden?«

  Damit hatte ich nicht gerechnet.

  »Ich weiß, du bist es inzwischen gewohnt, allein auf die Jagd zu gehen«, fuhr sie fort. »Und du glaubst vielleicht, dass ich dich damals einfach durch Jules ersetzt habe. Aber das hab ich wirklich nicht, genauso wenig wie ich Jules jetzt durch dich ersetze. Ihr beide seid großartig und unersetzlich, aber wenn du mich zurückhaben willst, würde mich das freuen. Monster jagen macht mit dir einfach am meisten Spaß.«

  Meine Mundwinkel zuckten. »Mit dir macht Monster jagen auch sehr viel Spaß. Aber du weißt, dass ich weiterhin versuchen werde, Isaac aufzuspüren, daran hat sich nichts geändert.«

  »Ich weiß, und ich werde dir folgen, wohin uns seine Spur auch führt.«

  »Dann sind wir jetzt wohl wieder Partner.«

  Cain nickte, bevor sie die Arme um meinen Hals schlang und mich fest an sich drückte.

  Ich erwiderte die Umarmung, versuchte, den Moment festzuhalten. Niemals hätte ich mir träumen lassen, wieder ihr Partner zu werden. Ganz im Gegenteil hatte ich mich darauf eingestellt, für den Rest meines Lebens allein umherzuziehen. Aber jetzt, wo ich sie zurückhatte, würde ich sie nie wieder loslassen. Und ich würde auch nicht zulassen, dass sich noch einmal etwas oder jemand zwischen uns stellte – weder die Kreaturen der Nacht noch unsere eigenen, verworrenen Gefühle, weil wir es nicht über uns brachten, miteinander zu reden.

  Plötzlich wurde der Vorhang, der uns vor neugierigen Blicken schützte, zurückgezogen, und Shaw schob seinen Kopf herein.

 

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