Midnight Chronicles 02 - Blutmagie

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Midnight Chronicles 02 - Blutmagie Page 33

by Bianca Iosivoni u . Laura Kneidl


  Schwer atmend wandte sich Cain mir und Alessandra zu, die sich hinter meinem Rücken versteckt hatte. »Bist du verletzt?«

  Grants Assistentin schüttelte den Kopf. Ihr Haar war zerzaust, aber bis auf einen Kratzer an ihrem Hals sah sie unversehrt aus. Vermutlich hatte sie nur so lange überlebt, weil es die Vampire einiges an Zeit gekostet hatte, so weit in das Quartier vorzudringen.

  »Wo ist Grant?«

  »Er ist mit den Huntern, die Wayne ausgewählt hat, zu James’ Hütte gefahren.«

  Ich konnte die Erleichterung in Cains Gesicht sehen, als ihr bewusst wurde, dass zumindest ihr Vater, der sich freiwillig für die Mission gemeldet hatte, in Sicherheit war. Und bestimmt ging es auch ihrer Mum gut. Lillian gehörte neben Cain zu den talentiertesten Blood Huntern, die ich kannte.

  Wir begleiteten Alessandra zum Treppenhaus, da die Aufzüge im gesamten Quartier lahmgelegt waren, und schickten sie in die oberste Etage, von der aus sie hoffentlich ohne Probleme ins Freie würde fliehen können. Womöglich traf sie noch auf Ella und Owen, die ihr helfen konnten, aber Cain und ich mussten uns jetzt um Isaac kümmern.

  »Bereit?«

  Cain nickte. »Das wird vermutlich ziemlich hässlich.«

  »Sehr hässlich«, bestätigte ich.

  Erneut schlugen wir den Weg zu den Zellen ein, da dies der einzige Anhaltspunkt war, den wir hatten, sofern sich Isaac und Jules noch im Quartier befanden und wir nicht zu spät waren.

  »Du kommst hier nicht durch!«, hörte ich eine Frau brüllen.

  Ich erkannte Dr. Kivelas Stimme, kurz bevor ich die Ärztin im Korridor entdeckte, der zur Krankenstation führte. Sie sah erschöpft aus, dennoch stand sie breitbeinig vor dem Eingang. Die gläserne Tür war zersplittert und lag in Scherben um sie herum. Sie hielt ein Schwert in den Händen, das in ihren feinen, schmalgliedrigen Fingern völlig fehl am Platz wirkte, und bedrohte damit einen Vampir. Er hatte mir den Rücken zugewandt, doch sobald mein Blick auf seinen Armstumpf fiel, wusste ich, wer er war.

  »Lass mich«, zischte mein Dad, die verbleibende Klaue bedrohlich erhoben.

  »Nein, du kannst nicht zu ihr.«

  Ihr. Meiner Mum.

  »Ich kann, und ich werde. Sie gehört mir!«

  Mit einem Satz stürzte sich mein Dad auf Dr. Kivela. Es geschah so schnell, dass Cain und mir keine Zeit blieb zu reagieren. Er riss sie zu Boden und verbiss sich in ihrem Hals. Das Schwert glitt aus ihrer Hand, ohne meinen Dad auch nur gestreift zu haben. Im nächsten Moment war die Ärztin tot, ihr lebloser Körper auf einen Haufen Scherben gebettet.

  Mein Dad richtete sich auf. Er wischte sich das Blut aus dem Mundwinkel und trat an Dr. Kivela vorbei auf die Krankenstation zu.

  »Meine Mum! Wir müssen sie beschützen.« Meine Stimme klang seltsam tonlos in meinen Ohren. All die Jahre war es mein größter Wunsch gewesen, Isaac zu töten, und jetzt hatte ich die Chance dazu. Aber keine Rache der Welt war das Leben meiner Mum wert. Ich musste meinen Dad aufhalten.

  Cain nickte, als im selben Augenblick ein lautes, kreischendes Geräusch wie von einer Kettensäge zu hören war. Und es kam aus Richtung der Arrestzellen.

  Scheiße!

  »Cain …«

  Sie starrte mich an, und die Zerrissenheit, die ich in ihren Augen sah, brach mir beinahe das Herz. Sie könnte mich begleiten und gemeinsam mit mir meine Mum beschützen, aber dann würde es Isaac vermutlich gelingen zu fliehen.

  »Warden, ich … ich muss zu Jules.«

  »Du solltest nicht allein …«

  »Warden«, unterbrach mich Cain, »vertrau mir. Ich halte ihn hin, bis du, Finn und die anderen nachkommen. Das schaffe ich. Mach dir keine Sorgen.«

  Ich starrte sie an, und ihr entschlossener Blick sagte mir alles, was ich wissen musste. Ich beugte mich zu ihr und gab ihr einen Kuss, nur zur Sicherheit, falls einer von uns beiden nicht zurückkam. »Ich liebe dich, Cain.«

  Sie lächelte. »Ich dich auch, also pass bitte auf dich auf.«

  Cain

  Ich blickte Warden nach, aber nur für einen kurzen Moment, ehe ich mich abwandte, bevor mich meine Zweifel übermannen konnten. Ich klammerte mich an meine Klingen und sprintete entschlossen in Richtung der Arrestzellen und des sägenden Geräusches, wobei ich die Kämpfe, das Blut und Leid um mich herum zu ignorieren versuchte, auch wenn das kaum möglich war. Ich hatte so etwas noch nie erlebt. Isaac musste mit mindestens hundert Vampiren in unser Quartier eingefallen sein. Wie er es gefunden hatte und reingekommen war, war mir ein Rätsel, das es allerdings nicht in diesem Augenblick zu lösen galt. Zuerst musste ich Jules finden.

  Bereits aus der Ferne erkannte ich, dass die stählerne Tür, die zu den Zellen führte, aus den Angeln gerissen war. Hoffentlich war ich nicht zu spät! Ich hechtete über einen toten Vampir, der mitten im Gang lag, und wurde nur widerwillig langsamer, um mir einen Überblick zu verschaffen. Vorsichtig näherte ich mich den Zellen. Es war zu laut um mich herum und der Gestank nach Rosmarin zu durchdringend, um zu sagen, ob noch jemand bei den Zellen war, daher blieb mir nichts anderes übrig, als selbst nachzusehen.

  Mit rasendem Puls ging ich hinter einer Mauer in Deckung und schielte Richtung Jules’ Zelle. Sofort fiel mein Blick auf Jules. Er war frei. Jemand hatte vier Stäbe aus dem Gitter gesägt, und er war gerade dabei, sich durch die entstandene Lücke zu zwängen. Doch er war nicht allein. Im Gang vor ihm standen ein weiterer Vampir mit einer robust aussehenden Säge und Isaac! Ich hatte ihn bisher nur auf alten Fotos und auf den körnigen Aufnahmen der Überwachungskameras vor Wardens Haus gesehen, aber ich war mir sicher. Er war es.

  Sein junges Gesicht verbarg, dass er bereits Jahrhunderte, vielleicht sogar Jahrtausende alt war. Er trug einen Anzug, das dichte schwarze Haar fiel ihm bis auf die Schultern. Ich hatte ihn mir größer und muskulöser vorgestellt, aber ich würde nicht den Fehler begehen, ihn zu unterschätzen. Selbst aus der Entfernung konnte ich die Wellen der Macht, die von ihm ausgingen, förmlich spüren. Er hatte etwas Anziehendes, geradezu Hypnotisches an sich, so groß war seine Macht und so berauschend seine Präsenz.

  »Hallo, Julius«, hörte ich Isaac sagen. Seine Stimme war samtig und weich.

  Jules deutete eine Verneigung an. »Hallo, mein König.«

  Ein Lächeln trat auf Isaacs Lippen, und ohne dass er etwas befehlen musste, warf der andere Vampir achtlos seine Säge beiseite und wandte sich in meine Richtung, bereit, Isaac und Jules den Weg aus dem Quartier freizukämpfen.

  Scheiße, mir blieb keine Zeit, um auf Finn und die anderen zu warten. Ich klammerte mich an meine Khukuri und trat aus meinem Versteck – während mich eine leise Stimme in meinem Kopf fragte, ob ich wahnsinnig sei, mich dem König der Vampire allein gegenüberzustellen.

  »Cain Blackwood.« Isaac nannte mich beim Namen, als würde er eine alte Freundin begrüßen.

  Mir jagte ein Schauder über den Rücken. Er wirkte so gelassen und erhaben, als wären wir in der Oper und würden nicht inmitten eines Infernos aus Leid, Verzweiflung und Wut stehen. Woher wusste er, wer ich war?

  »Ich kann euch nicht gehen lassen«, sagte ich mit fester Stimme, obwohl meine Knie weich waren.

  »Ich glaube nicht, dass du eine andere Wahl hast.«

  »Jules bleibt hier!«

  Isaac seufzte. »Geh uns aus dem Weg, dann lass ich dich vielleicht leben.«

  Ich verharrte auf der Stelle. Der Tod machte mir keine Angst, und so hatte ich immerhin eine Chance, zumindest redete ich mir das ein. Bisher war es niemandem gelungen, Isaac zu töten. Aber wie auch, wenn sich der Drecksack die ganze Zeit irgendwo versteckte? Vielleicht war er gar nicht so stark, wie er uns alle glauben machen wollte, sondern in Wirklichkeit ein schwacher Feigling, der sich genau aus diesem Grund ständig irgendwo verkroch.

  Isaac stieß ein Seufzen aus. »Na gut, du hast es nicht anders gewollt. Arol, kümmere dich um sie«, befahl er mit ausdrucksloser Stimme, als wäre ich weder eine Bedrohung noch ein Hindernis, sondern nur eine lästige Störung, die es möglichst schnell zu beseitigen gal
t.

  Der bullige Vampir, der die Säge gehalten hatte, kam auf mich zu. Auf seinem Gesicht lag ein hässliches Lächeln, das seine vampirische Fratze noch grausamer erscheinen ließ. Als würde er sich darauf freuen, mich in Stücke zu reißen.

  Ich blockte seinen ersten Schlag ab, doch sein zweiter traf mich hart in die Seite. Ächzend krümmte ich mich unter dem Hieb, aber ich kämpfte gegen den Schmerz an und griff mit meinen Khukuri an. Aus dem Augenwinkel konnte ich sehen, dass Jules und Isaac an uns vorbeigingen, aber Arol machte es mir unmöglich, ihnen zu folgen.

  Es war offensichtlich, wieso Isaac ihn als seinen Bodyguard auserkoren hatte. Nicht nur, dass er körperlich einer Wand glich, er verhielt sich außerdem wie die reinste Tötungsmaschine. Seine Schläge waren unerbittlich. Jedem Hieb folgte umgehend der nächste, sodass mir kein Raum blieb, ihn anzugreifen, zu sehr war ich damit beschäftigt, seinen Attacken zu entgehen. Mit seiner beeindruckenden Größe hatte er zudem eine ziemliche Reichweite.

  Sein nächster Tritt, dem ich nicht schnell genug ausweichen konnte, traf mich mit voller Wucht in den Bauch. Ich donnerte gegen die Wand, und in meinem Magen explodierte ein noch nie da gewesener Schmerz, der mich um Atem ringen ließ. Tränen schossen mir in die Augen. Als ich aufstehen wollte, packte mich Arol. Ich strampelte in seinem Griff, aber es half nichts. Mühelos hob er mich in die Luft und schleuderte mich durch den Raum. Mit einem lauten Knall kam ich auf dem Boden auf.

  Es fühlte sich an, als würde mein Rücken brechen, und ich hatte das Gefühl, nicht mehr atmen zu können. Panisch schnappte ich nach Luft und versuchte, mich zu beruhigen. Wenn ich jetzt aufgab, war es vorbei, und das womöglich nicht nur mit mir. Ich dachte an Warden, der gerade gegen seinen Vater kämpfte, an Roxy, Shaw und Finn, die die Kinder beschützten, und an Ella und Owen, die es hoffentlich geschafft hatten, Wayne in Sicherheit zu bringen, und bereits auf dem Weg zu mir waren, um mir zu helfen.

  Der Gedanke an meine Freunde gab mir die Kraft, mich wieder auf die Beine zu kämpfen. Da ich meine Khukuri verloren hatte, zog ich meine Pistole und drückte ab.

  Die Kugeln warfen Arols Körper zurück, aber er gab noch nicht einmal einen Laut von sich. Nur das Zucken der Muskeln in seinem Gesicht verriet mir, dass er überhaupt etwas fühlte.

  Ich zielte auf seinen Kopf, doch meine Hand zitterte vor Schmerz so stark, dass die Kugel lediglich seine Wange streifte. Schneller als mir lieb war, war das Magazin leer, und er griff mich erneut an.

  Ich warf mich zu Boden und rollte mich ab. In der Bewegung schnappte ich mir eine der Metallstangen, die er aus der Zelle gesägt hatte, und ging damit auf ihn los. Ich erwischte seinen Schädel, was dem Vampir zumindest ein Fauchen entlockte. Erneut holte ich mit der Stange aus, doch dieses Mal fing Arol sie ab und riss sie mir mit einem kräftigen Ruck aus der Hand. Und ehe ich michs versah, war er wieder bei mir. Er packte mich an der Kehle und drückte zu. Röchelnd versuchte ich, ihn von mir zu stoßen, aber er war zu groß und ich erreichte seinen Körper kaum. Doch offenbar war er noch nicht bereit, die Sache zu beenden und mich zu erledigen. Statt mich einfach zu erwürgen, warf er mich mit voller Wucht gegen eine der Zellen.

  Mein Körper kribbelte in dem Versuch, die zahlreichen Prellungen zu heilen. Aber wie eine Puppe herumgeschleudert zu werden, verkraftete man auch als Blood Huntress nicht ohne Weiteres. Mein Kopf pochte, und alle Glieder schmerzten, außerdem war ich mir sicher, dass der Tritt in meinen Magen auch einige innere Verletzungen verursacht hatte. Ich musste mir eingestehen, dass ich diesen Kampf nicht gewinnen konnte, zumindest nicht auf diese Art und Weise. Arol war einfach zu stark.

  Regungslos blieb ich auf dem Boden liegen. Hörte, wie sich seine Schritte näherten. Vorsichtig, damit er die Bewegung nicht sah, tastete ich unter meinem Körper nach dem Pfefferspray an meinem Gürtel.

  Der Vampir blieb neben mir stehen, packte meinen Arm und zerrte mich auf die Beine. Mit einem hämischen Grinsen sah er mir direkt ins Gesicht.

  Ich riss das Pfefferspray hoch und sprühte ihm eine ordentliche Menge davon direkt in die Augen.

  Arol schrie auf und ließ mich los. Wütend versuchte er, nach mir zu greifen, aber er war blind und ich schnell. Ich zog den Dolch, den ich einem der toten Archivare abgenommen hatte, aus meinem Stiefel, und ging auf ihn los. Er bekam mich zu fassen, aber zu spät, denn im selben Moment holte ich aus und trieb die Klinge durch sein Herz.

  Gemeinsam gingen wir zu Boden. Seine Arme wurden schlaff, sein Kampfgeist erstarb, und ich konnte mich aus seinem Griff befreien.

  Heilige Scheiße.

  Ich gönnte mir und meinem Körper drei Sekunden zum Verschnaufen. Dann rappelte ich mich auf, sammelte meine Khukuri ein, die ein Stück entfernt im Flur lagen, und rannte los. Ich wusste nicht, ob es mir überhaupt noch gelingen würde, Jules und Isaac einzuholen, aber ich musste es wenigstens versuchen.

  Ich atmete schwer. Meine Kehle brannte, und meine Knochen schmerzten, dennoch hielt ich nicht inne und stürzte zum Treppenhaus. Zwei Stufen auf einmal nehmend sprintete ich nach oben.

  Ich hatte fast die zweite Etage erreicht, als ich eine schwarz gekleidete Gestalt entdeckte, die sich auf dem Boden krümmte, aber offenbar noch lebte. Meine Schritte wurden langsamer. Ich wusste, ich sollte Isaac und Jules nachgehen, aber ich konnte den verletzten Hunter nicht einfach ignorieren. Als ich neben ihm in die Knie ging, erkannte ich, dass es Holden war, Harpers Zwillingsbruder. Sein Gesicht war furchtbar entstellt, voller Kratzer, Blutergüsse und Schwellungen. Er regte sich kaum, doch die Geräusche, die er von sich gab, zeugten von großen Schmerzen.

  Als sein Blick meinen fand, erkannte ich reine Panik darin. »Jules …«

  Meine Augen weiteten sich. »Hast du ihn gesehen?«

  Sein Blick zuckte zu der offen stehenden Tür, die in die zweite Etage führte. »Harper … du … helfen.«

  Seine Worte waren nicht mehr als ein heißeres Krächzen, dennoch gelang es mir, sie zu verstehen. Und mir gefror das Blut in den Adern, als ich ihre Bedeutung begriff. Harper kämpfte gegen Jules. Sie würde ihn töten.

  Sofern er nicht zuerst sie erledigte.

  »Ich kümmere mich«, versprach ich Holden, nachdem ich ihn schnell in die stabile Seitenlage gebracht hatte. Dann sprintete ich erneut los.

  Meine Sorge um Jules war noch größer als zuvor, aber nun verspürte ich auch Angst um Harper. Ich mochte sie nicht, aber deswegen wollte ich sie noch lange nicht tot sehen.

  Panisch suchte ich die zweite Etage ab, bis ich Harpers Stimme hörte.

  »Warum hörst du auf ihn?!«

  Die Worte kamen aus der Cafeteria. Ich rannte darauf zu und schlitterte in den Raum, gerade als Harper mit ihrem Katana auf Jules losging. Isaac stand gelassen einige Meter entfernt zwischen umgeworfenen Tischen und Stühlen und beobachtete das Spektakel mit einem zufriedenen Lächeln, ohne selbst einen Finger krumm zu machen. Die Leichen zweier Hunter lagen vor seinen Füßen, und die Couch hinter ihm war zerfetzt, sodass die weiche Füllung wie Innereinen aus einem Körper quoll.

  Fassungslos beobachtete ich Harper und Jules. Mein früherer Kampfpartner war nun wieder vollständig zum Vampir mutiert, mit roten Augen, schwarzen Adern und scharfen Klauen. Es war offensichtlich, dass Harper gut mit ihrer Waffe umzugehen wusste, dennoch gelang es Jules, jedem ihrer Manöver geschickt auszuweichen. Als wären ihm die Bewegungsabfolgen und ihre Art zu kämpfen vertraut. Doch davon ließ Harper sich nicht entmutigen, immer wieder hieb sie in Jules’ Richtung. Ich hielt den Atem an, als sie ihre Klinge ein weiteres Mal auf ihn herabsausen ließ, doch er fing die tödliche Schneide mit seiner Klaue auf, als wäre sie nur ein Spielzeug.

  Wie war das möglich? Ich konnte das Blut aus seiner Faust tropfen sehen, obwohl die Waffe ihm eigentlich alle Finger hätte abtrennen müssen. Harper versuchte, Jules die Klinge zu entziehen, aber er hielt sie fest. Mit einem Ruck riss er daran, und hätte Harper das Katana nicht losgelassen, wäre sie geradewegs in seine Arme gestolpert. Nun stand sie ihm unbewaffnet gegenüber.

  Fuck!

  Ohne darüber nac
hzudenken, setzte ich mich in Bewegung, rannte zu Harper und stellte mich mit erhobenen Khukuri an ihre Seite, um sie zu beschützen. »Verschwinde«, raunte ich ihr zu. »Ich schaff das hier. Bring Holden in Sicherheit!«

  Harpers Keuchen drang an mein Ohr, dann hörte ich, wie sie davonrannte.

  Mein Blick lag unverwandt auf Jules, der noch immer kampfbereit dastand, als würde er nur auf einen Befehl von Isaac warten, der das Spektakel mit gönnerhafter Faszination beobachtete.

  »Wie ich sehe, konntest du Arol entkommen. Glückwunsch. Aber das wird dein Leben nicht retten«, sagte Isaac. Er schien die Situation viel zu sehr zu genießen. »Du lässt mir keine andere Wahl: Julius, töte sie.«

  31. KAPITEL

  Warden

  Ich dich auch.

  Cains Worte lagen mir noch im Ohr und verliehen mir den Antrieb und die Entschlossenheit, die ich brauchte, um der Sache mit meinem Dad ein schnelles Ende zu bereiten. Hatte er mit seiner Forschung für Isaac nicht schon genug Schaden angerichtet? Musste er jetzt auch noch hierherkommen und den Rest meines Lebens zerstören? Das Quartier würde nach diesem Tag nie wieder dasselbe sein.

  Ich folgte meinem Dad auf die Krankenstation. Die Scherben der zerbrochenen Tür knirschten unter meinen Füßen. Die Station war wie ausgestorben, als wären alle geflohen. Nur Dr. Kivela war zurückgeblieben, und ich würde nicht einmal mehr die Gelegenheit haben, ihr dafür zu danken, dass sie versucht hatte, meine Mum zu beschützen.

  Mit wild pochendem Herzen schlich ich auf meinen Dad zu, der sich dem Vorhang näherte, hinter dem meine Mum lag. Dr. Kivelas Blut tropfte noch von seiner Klaue. In diesem Moment bereute ich es von ganzem Herzen, ihn nicht getötet zu haben, als ich im Labor die Chance dazu gehabt hatte. Ich hatte mir erlaubt, meinen Vater in diesem Vampir zu sehen, und dieser kurze Augenblick der Sentimentalität kam uns jetzt teuer zu stehen. Diese Kreatur hatte nichts mehr mit meinem Dad gemeinsam. James Prinslo hatte Dr. Kivela gemocht und auch all die anderen Hunter, welche der Vampir, zu dem er geworden war, nun so unbarmherzig von seinen Artgenossen abschlachten ließ.

 

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