Ashes for Breakfast

Home > Other > Ashes for Breakfast > Page 14
Ashes for Breakfast Page 14

by Durs Grünbein


  The sergeant’s Russian bawl: “Dawai, dawai!” was still ringing in my ear.

  Nostalgia’s falsetto recommended something exotic before you hand in

  Your dinner pail. What say the Hawaiian beaches?

  MANTEGNA VIELLEICHT

  Einmal im Halbschlaf … zwischen Nehmen und Geben

  Habe ich meine Hände gesehn, ihre gelbrote Haut

  Wie die eines Andern, einer Leiche im Schauhaus.

  Beim Essen hielten sie Messer und Gabel, das Werkzeug

  Des Kannibalen, mit dem die Jagd sich vergessen ließ

  Und das Getöse beim Schlachten.

  Leer wie der Teller

  Lag eine Handfläche vor mir, der fleischige Ballen

  Des letzten Affen, dem alles erreichbar geworden war

  In einer Welt von Primaten. Mantegna vielleicht

  Hätte sie unverklärt malen können in ihrer Grausamkeit,

  Diese fettigen Schwielen.

  Was war die Zukunft,

  Die aus den Handlinien folgte, Glück oder Unglück,

  Gegen den Terror der Poren, in denen der Schweiß stand

  Wie die Legende vom stillen Begreifen auf einer Stirn.

  MANTEGNA, PERHAPS

  Half asleep once … between giving and taking,

  I saw my hands, their mottled red and yellow

  Like those of a stranger, a stiff in a morgue.

  At mealtimes, they plied knife and fork, the tools

  Of the cannibal, who used them to forget the chase

  And the screams of the slaughtered.

  In front of me

  Lay a palm as empty as my plate, the fleshy mound

  Of the last of the apes, who found everything within reach

  In a world of primates. Mantegna, perhaps,

  Might have been able to paint them untransfigured in their horror,

  Those fatty calluses.

  What was the future

  Predicted in the lines of that hand, love or fortune,

  Compared to the terror of the pores, steeped in sweat

  Like the myth of silent understanding on a forehead.

  EUROPA NACH DEM LETZTEN REGEN

  I

  Raumlos, Erinnerung … und keine Stadt,

  An die man sich, heimkehrend, halten kann.

  Wo dieser Vorwärtstraum ein Ende hat,

  In welchem Wann?

  Den ersten Fluß verteilt das Wassernetz

  In jede Unterkunft. Auf kaltem Heizungsrohr

  Stehn rostrot Tropfen bis zuletzt.

  Spüllärm im Ohr

  Reißt das Verzeichnis früher Straßen fort.

  Die man im Schlaf fand, Plätze, garantiert

  Vom Laufenlernen … sind jetzt allerorts

  Evakuiert.

  II

  Dresden ist lange her,

  Ein Festsaal gestern, vor der neuen Blöße

  Unglaublich, ein Gerücht von Größe,

  Ein Nachruf im Bericht des deutschen Heers.

  Taghell für eine Nacht,

  Ist das dieselbe Stadt im Tal, dieselbe

  (Im Anflug ein Las Vegas an der Elbe)

  Wie der Pilot sie sah in Phosphorpracht?

  Längst war sie todgeweiht,

  Bewohnt noch, schon vergessen von den letzten

  Flüchtigen Mietern, die Erynnien hetzten

  Aus der urbanen in die Aschenzeit.

  III

  Denn das Wort kommt zu spät, das sie ruft,

  Die am Stadtrand begrabene Stadt.

  Wo ein Müllberg sich breit macht, der lokale Vesuv

  Schwarzen Rauch ausstößt überm Kiefernwald, hat

  Längst die Erde ihn wieder, den Namen, und nichts

  Unterscheidet das Nest noch von anderen Nestern,

  Die auf Asche gebaut sind, auf soliden Verzicht.

  Unter Schuttbergen sinkt, unter Null, alles Gestern

  Aus Terrassen und Kuppeln, barocker Bau.

  Wie ein Uhrglas von innen beschlägt und wird matt,

  Liegt verregnet im Tal unter grauem Tau

  Zwischen Himmel und Grundriß der Rest von Stadt.

  Und lebt weiter im Flüstern, in Gerüchten aus Stein,

  Die vom Fürstenzug handeln. Italienische Luft

  Heißt hier Smog um Pompeji oder Nördlichster Wein.

  Doch das Wort kommt zu spät, das sie ruft.

  IV

  Täglich vom Starren auf den Fluß (nach Jahren)

  Tränten die Augen uns. Willkommen, Elbe.

  In dieser trägen, gelblich braunen Brühe

  Ist meine Mutter noch als Kind geschwommen.

  Da lag kein Ölglanz auf dem Haar. Dasselbe

  Gemeine Licht brach durch die Nachkriegsfrühe.

  Das Stadtbild hatte etwas abgenommen,

  Am Ufer hockten Angler noch in Scharen,

  Und durch das Elbtal ging kaum Schiffsverkehr.

  Ein Fluß, was ist das, wenn die Stadt versinkt

  Vor seinen Wellen, die den Großbrand spiegeln.

  Ein trüber Himmel, der mit toten Fischen blinkt,

  Ein Notausgang, die Tür mit sieben Siegeln, —

  Reklame für das nächste offne Meer?

  V

  Und nachts die stille deutsche Stadt,

  In die man einfuhr mit dem Zug vom Norden,

  Setzte mit jeder Straßenlampe neue Fragezeichen

  Und hinter jeden Satz den Punkt, — mit wieviel Watt?

  ›Was ist aus Xanadu nach Kublai Khan geworden?‹

  ›Wer sind die Leute, die dort mausgrau schleichen?‹

  Islamabad im Elbtal … Eine Phantasie-Moschee

  Erhob sich dort und rief die Hörigen zum Fasten,

  Vom Schlachthoftürmchen bis zum Großen Garten.

  Doch schon am Bahnhof hörte man das erste ›Nee.‹

  Und sah Giraffenhälse, lange Flutlichtmasten,

  Die leicht geneigt sich um ein Fußballstadion scharten.

  Das Blaue Wunder hieß flußaufwärts eine Brücke,

  Die einem nichts erklärte. Immerhin, sie stand

  Gußeisern, nützlich in der Nachkriegsdschungelstadt.

  An den entblößten Ufern, braun in Einzelstücken,

  Stieß man auf wuchtigen Barock. Wer wollte, fand

  Im kalten Mondlicht hier sein Angkor Vat.

  VI

  Meiner Großmutter Dora W.

  Und als der erste Angriff kam, sie lag

  Im Krankenhaus mit Scharlach. Der Alarm

  Riß viele aus dem Schlaf. Vom Glutwind warm

  War draußen Winter, und die Nacht war Tag.

  Gespenster, die im weißen Nachthemd spuken,

  Rannten sie barfuß an die Elbewiesen.

  … — Panik, ein Luftstrom aus den Feuerluken,

  Bevor aus allen Wolken die Posaunen bliesen.

  Und als der zweite Angriff kam, verschwand

  Die Stadt im Stummfilm, und kein Schatten fiel

  Als sie verbrannte durch die Flammenwand,

  Den einen Falle und den andern Ziel.

  Aus einer Nacht im Zwanzigsten Jahrhundert

  Flogen Maschinen eine zweite Steinzeit an.

  In manchem Kellergrab, ein Höhlenwunder,

  Fand man verbacken Kind und Frau und Mann.

  Und als der dritte Angriff kam, sie ging

  Gefaßt im Flüchtlingszug, auf schwachen Beinen

  In eine Nachwelt ein. Da war kein Weinen,

  Das auf den Trümmern noch verfing.

  VII

  Ach, Hiroshima war nur zweite Wahl.

  Premiere haben sollte sie (sagt man) in Dresden,

  Die Bombe, die heut jedes Schulkind malt —

  Der Riesenpilz, die weltberühmte Abschiedsgeste

  Der alten Opernhimmel. Wieviel schöner

  Wäre der strahlende Bovist hier aufgeblüht

  Über der sandsteinhellen Residenz als Krönung

  Barocker Baukunst. Aufs Gemüt

  Schlägt die Vision, wie stilvoll hier die legendäre

  Finale Wolke aufge
gangen wäre.

  VIII

  Zerrissen ist das Blatt vorm Mund. Geschichte, —

  Geht mir der Staubwind wirklich nah,

  Der alles auslöscht? Und daß man verzichte

  Im Namen dessen was geschah

  Auf den Vermeer (verbrannt), den Bach (verschollen),

  War es das wert? Daß ganze Städte,

  Aus denen Züge zur Vernichtung rollten,

  Brachflächen wurden an den Ufern Lethes.

  Gepflügt wird hier mit Bomben, und kein Bauer

  Kennt sich mehr aus. Der Löwenzahn

  Nimmt den Figuren auf dem Fries die Dauer.

  Was geht Zerstörung, oben, einen Maulwurf an?

  IX

  Dresden, die Restestadt … ein Hinterhalt

  Für Engel, die der Krieg hier internierte

  Vorm Rückflug. Unter Sandstein und Basalt

  Sind sie begraben worden. Zirkustiere

  Waren die letzten, die sie fliehen sahn ins Feuer.

  Ein Pferd, das rechnen konnte, und der Tiger,

  Den William Blake rief. Keins ein Ungeheuer,

  Verglichen mit den smarten Jungs, den Fliegern,

  Die sich im Tiefflug Mensch und Bestie holten.

  Ihr Kunststück brauchte kein Trapez, kein Netz

  Hoch über der Manege. Die verkohlten

  Apostel auf den Dächern stehn entsetzt.

  X

  ›Nach einer Sekunde schon war sie

  stundenlang fort.‹

  PROUST / UNTERWEGS ZU SWANN

  Stadt im Flockenwirbel vor beschlagner Brille —

  Bei der ersten Heimkehr ging sie unbemerkt verloren.

  Nur in Weihnachtsliedern gab es solche Stille

  Wie in dieser Nacht am Bahnhofsplatz. Mit roten Ohren

  Stand ein Milchgesicht im Schnee, und das warst du,

  Dank des Urlaubsscheins auf freiem Fuß. Die Uniform

  Ließ nur kleine Sprünge zu. Doch für ein Känguruh

  War bei Minusgraden die Geduld enorm.

  Keiner kam, dich abzuholen. In der eignen Stadt

  War man endlich fremd. Das Leben hinter den Gardinen,

  Die Burleske, bis der letzte sagt, Jetzt bin ich satt…,

  Sah vom Stehplatz aus wie große Pantomime.

  Niemals wieder hätte man soviel gegeben,

  Wenn die Schöne in der Straßenbahn, befehlsgewohnt,

  Nur gelächelt hätte. Sah man doch, Familienleben

  Ging auch weiter ohne den verlornen Sohn.

  XI

  Im Ernst, Max, von so einer Stadt

  Träumt man leicht, bis man schwarz wird.

  Auch ohne Tränen sieht man die Farben zerfließen.

  Über dem grausam zerschlissnen Brokat

  Benimmt selbst der Himmel sich kindisch.

  Doch was soll’s, in die neuen wetterfesten Markisen

  Sind Geschichten kaum noch gewebt.

  Nur die schwarzgelben Wappen schlagen

  Überall durch den Stoff, als sei gar nichts geschehn.

  Soll man, wenn dort ein Zeppelin schwebt,

  Melancholisch werden beim Anblick der Elbe?

  Niemand, nach hundert Jahren, ließe sich soweit gehn.

  EUROPE AFTER THE LAST RAINS

  I

  Memory has no real estate … no city

  where you come home and you know where you are.

  Is there no when

  where this rampaging dream will rest?

  Your first river is distributed

  round the houses by the water board. On the chilly heating pipes

  there are the rust-red drips even now.

  A roaring in your ears

  washes away the A–Z of early streets.

  Those places you used to find in your sleep, where you took

  your first faltering steps … see them all

  evacuated.

  II

  Dresden is long ago,

  yesterday’s ballroom, a little implausible

  in the new plainness, a large-scale rumor,

  an obituary in the official chronicles of the German army.

  So and so many candlepower for one night,

  is it the same city in the valley, the same

  (approaching some Las Vegas on the Elbe)

  as the pilot saw in its phosphorescent glory?

  It was at one and the same time

  long doomed, still inhabited, and already forgotten

  by the last of its fly-by-night tenants, the Furies flitting

  from civilization to ashes.

  III

  Because the word celebrating it

  has come too late, the city buried at the city’s edge.

  Where a rubbish dump looms, the local Vesuvius

  spews black smoke over the pine woods, the earth

  has reclaimed it, and there’s nothing

  to distinguish this place from other places

  built on ashes, on solid renunciation.

  The terraced, domed, and baroque past

  subsides, subzero, under piles of trash.

  Like the condensation furring a watch glass from within,

  whatever’s left of the city lies between sky and outline

  in a rainy valley under gray dew.

  And there it lives on in whispers, in rumors of stone,

  about the ducal procession. Italian air

  here goes by the name of Pompeiian smog or northernmost vines.

  But the word celebrating it comes too late.

  IV

  Our eyes teared up every day (and years later)

  from gazing at the river. Hello, Elbe.

  My mother used to swim there as a girl,

  in that sluggish yellow-brown soup.

  There was no shimmer of oil on her hair. The same

  low light broke through the postwar days.

  The vista of the city was somewhat diminished,

  but fishermen still hunkered by the score on the banks,

  and there wasn’t much in the way of shipping.

  A river, but what’s a river when the city sinks

  before its waves, reflecting back the blaze.

  A murky sky, all ablink with dead fishes,

  an emergency exit, the door with seven seals—

  a plug for the nearest open sea?

  V

  And at night the silent German city,

  austerely north-facing station,

  using street lamps sparingly as question marks

  and behind every sentence a period—how many watts?

  “What became of Xanadu post–Kubla Khan?”

  “Who are those gray people, scrabbling around like mice?”

  Like Islamabad-on-the-Elbe … The fantasy mosque

  puffed out its cheeks and summoned—from the abattoir turrets

  to the big garden—the faithful to the fast.

  You hadn’t left the station before you heard the first “Nee.”

  And saw giraffe necks, long floodlight stanchions,

  craning peculiarly, hunching round the soccer stadium.

  The Blue Wonder was the name of a bridge upstream,

  a somewhat unmotivated construction. Still, it stood there,

  handy and cast iron, useful in the postwar jungle of the city.

  Along the scuffed banks, worn brown in parts,

  you still encountered massy baroque. Some souls might find

  their personal Angkor Wat there in the chilly moonlight.

  VI

  to my grandmother, Dora W.

  When the first wave of bombers came, she was

  in hospital with scarlet fever. The air-raid alarm

  tore many from their dreams. The winter air grew warm,

  and the night was bright as day.

  Like ghosts in their white nightshirts,

  they ran barefoot to the Elbe meadows …

  panic, a surge of air from the bomb bays,

  before the angels trumpeted from on high.

  And when the s
econd wave of bombers came,

  the city vanished into a silent film, and no shadow fell

  as it burned through the wall of flame,

  that was objective to some, and a trap to others.

  On one twentieth-century night, planes

  delivered a second stone age.

  The odd bomb shelter, like the tomb behind the stone,

  housed man, wife, and child, all done to a crisp.

  And when the third wave came, she was walking

  calmly in the line of refugees, on tottering legs

  to the afterlife. There were no tears,

  nothing left to cry with in whatever was left.

  VII

  Hiroshima, it seems, was Plan B.

  The premiere was to have been in Dresden

  for the bomb that every schoolkid draws nowadays—

  the giant mushroom, the world famous parting gesture

  of the old opera skies. How much more beautifully

  the dazzling toadstool would have sprouted here,

  over the pale sandstone residence, as the logical pinnacle

  of so much Baroque. Moving, the vision

  of what might have been, the legendary final cloud

  harmoniously exploding here.

  VIII

  Nothing veiled anymore, history,

  the hot, dusty wind that eradicates,

  and I care. And in the name of what happened there

  one gives up the Vermeer (burned)

  and the Bach (disappeared).

  Was it worth it? That whole cities,

  from which the death transports rolled

  became wastelands on Lethe’s banks.

  The plowing is done with bombs here, and no farmer

  is familiar. Dandelion

  chews up the figures on the frieze.

  What does the mole care about the damage he does?

  IX

  Dresden, leftover city … a death trap

  for angels, left stranded here by the War

  before they could fly back. Buried under sandstone

  and basalt. Circus animals

  were the last creatures they saw fleeing

  into the fire. A horse that could count,

  and Blake’s tyger. None of them a monster,

  compared to the smart boys, the pilots,

  who went after man and beast on diving raids.

  They did their stunts without a net or trapeze

 

‹ Prev