»Das wart ihr.«
»Und jetzt liege ich neben dir.«
»Das tust du.«
»So schlecht geht’s mir also eigentlich nicht.«
»Willst du damit sagen, das hier wäre im Grunde gar nicht nötig?«, frage ich mit gespielter Strenge.
»Doch, doch«, sagt er schnell. »Denn wenn du nicht hier wärst, würde es mir nicht mehr gut gehen.«
»Gerade noch die Kurve gekriegt.« Dennoch schüttle ich kaum merklich den Kopf. Was tue ich hier?
22
Curtis
Wenn ich sie nur die ganze Zeit so nah bei mir haben könnte. Wenn es möglich wäre, sie immer zu halten, meine Finger in ihr zu vergraben. Ständig eng an sie gedrückt zu liegen. Ihre Weichheit, ihre samtige Haut, ihr kleiner Bauchnabel, in den mein Zeigefinger perfekt passt.
Ihr Duft benebelt meine Sinne – doch der Nebel ist der genaue Gegensatz des Panik-Nebels von vorhin. Während der eine alles Gute, alles Schöne durch Elend ersetzt, verdrängt der Amory-Nebel alles, was nicht angenehm ist. Es ist einfach weg.
Natürlich bin ich noch ein bisschen benommen. Natürlich normalisiert sich mein Herzschlag nur langsam. Natürlich ist das Geschwür in meinem Hals auf dreifache Größe angeschwollen. Aber alles scheint auf einmal machbar. Erträglich.
Ich spreize meine Finger, um ihren gesamten Bauch zu berühren. Diesen weichen schönen Bauch, in den ich mich vergraben will. Ich kneife sanft hinein, um ihr Fleisch zu spüren. Atme tief ein, schlucke.
Sie müsste bei Richard sein. Es ist nicht fair, dass ich sie hier festhalte. Und doch macht sie keine Anstalten, zu gehen, auch als ich sie für einen Moment freigebe. Im Gegenteil: Sie dreht sich um, sodass wir nun Gesicht an Gesicht liegen.
»Danke«, bringe ich hervor. Denn ich bin ihr wirklich dankbar. Auch wenn ich es hasse, dass sie mich überhaupt so gesehen hat. Dass ich mich überhaupt von etwas so Banalem wie einem Helikopter völlig aus der Bahn werfen lasse. Gestört.
Ich würde sie so gerne küssen. Aber ich weiß, dass es eine Grenze überschreiten würde, die sie nicht überschritten haben möchte. Sie ist hier, um mir zu helfen. Nicht, um ihren Freund mit mir zu hintergehen. Und so bleibt mir nichts anderes übrig, als zu nehmen, was ich kriegen kann. Ihre Anwesenheit. Ihren Körper in meinem Arm. Ihre Sorge.
Beinahe schäme ich mich dafür, wie gut sie sich anfühlt. Besser als das Adrenalin vor dem ersten Schlag. Besser als das Gefühl des Schmerzes, wenn ich getroffen werde. Besser als der Applaus des Publikums im Palace. Besser als alles.
Und auf einmal frage ich mich, ob sie Richard liebt. Ob sie mich lieben könnte, wenn ich nicht so verkorkst wäre. Ob sie bleiben würde – bei mir –, wenn ich sie darum bäte. Ob sie die Person sein könnte, die nicht verschwindet. Doch noch während ich meine Hand erneut leicht in ihren warmen weichen Bauch drücke, weiß ich, dass das purer Egoismus ist. Dass wir Mitbewohner sind. Und dass es nichts bringt, sein Herz zu fest an etwas zu hängen, das nur eine Momentaufnahme ist. Und doch ist es ein schöner Traum.
»Was ist damals passiert?«, fragt sie in die Stille hinein. »Kannst du darüber sprechen? Ich meine, würdest du es mir erzählen?«
Plötzlich ist es ganz leicht, mich von ihr zu lösen. Ich drehe mich von ihr weg auf den Rücken. Starre an die dunkelgraue Decke über uns. Schlucke.
»Fuck, Amory«, sage ich. »Ist das dein Ernst?« Sie haben mich abgeliefert und sind verschwunden. Sie haben mich einfach abgegeben. Aber das ist nichts, worüber man spricht. Woran man denkt. Das ist nichts, womit man leben kann. Und wenn doch, wird man so wütend, dass man etwas kaputt machen will. Alles um einen herum. Jeden, der sich in den Weg stellt. Bis man nur noch selbst übrig ist. Und schließlich macht man sich selbst kaputt. Erst dann herrscht Friede.
»Vielleicht hilft es dir, drüber zu reden.«
Mir fällt Jacob ein. Es kommt mir vor wie ein anderes Leben. Die Party. Der Gig. Die Fröhlichkeit. Dabei liegt es nur ein paar Stunden zurück. Vielleicht solltest du mal mit jemandem sprechen. Vielleicht sollte ich einfach abhauen und den ganzen Scheiß hinter mir lassen.
»Sie sind gestorben«, sage ich. Schlucke wieder. Merke, dass nichts an dem Geschwür vorbeikommt.
»Das weiß ich.« Ihre Stimme ist ganz behutsam. »Kam der Helikopter zu spät?« Sie stützt sich auf den Ellenbogen und sieht mich an. Ich spüre es. Spüre ihren Blick auf mir. Kann ihn nicht erwidern. Tue es doch, und für einen kurzen Moment wünschte ich, ich könnte ihr einfach meine Zunge in den Hals stecken, sie damit zum Schweigen bringen und meine ganze Wut in etwas Schönes umwandeln wie Sex oder so.
»Sie sind einfach nicht wiedergekommen.« So war es. Während ich bei meiner Grandma gewartet habe.
»Warum wurdet ihr getrennt?«
Ich lache leise. Es schmeckt bitter. »Verfluchte Scheiße. Wir wurden nicht getrennt, Am.«
»Aber wie hast du dann …«
»Sie sind gegangen. Haben sich verpisst«, presse ich hervor und bin erleichtert, als Amory nicht mehr weiterfragt. Stattdessen zieht sie mich in ihren Arm. Drückt meinen Kopf an ihre Brust. Mein Kopf mag das. Mag ihre Weichheit.
»Und deine Grandma?« Wäre ja auch zu schön gewesen …
»Keine Ahnung«, sage ich. »Interessiert mich nicht.«
»Lebt sie noch?«
»Ich habe nichts Gegenteiliges gehört.« Die Frage ist, ob ich etwas davon hören würde, wenn sie stirbt. Ich weiß es nicht einmal.
»Habt ihr keinen Kontakt mehr?«
»Sie … äh …« Warum fällt es mir so verdammt schwer, die Dinge auszusprechen, wo sie mir doch eigentlich vollkommen egal sind? »Nein, haben wir nicht.«
»Würdest du sie gern mal wiedersehen?«
Erneut entfährt mir ein leises Lachen. »Weißt du, ich habe gelernt, dass man sein Herz nicht an Menschen hängen sollte. Man kann es genießen, solange sie da sind, aber früher oder später verpissen sie sich.«
Sie überlegt einen Moment. »Bonnie, Link und Jasper sind noch da«, sagt sie.
»Zufall.« Ich versuche mich an einem schiefen Grinsen.
»Das ist nicht dein Ernst!«
»Weißt du, Amory, vielleicht kommt es auf den Menschen an.«
»Wie meinst du das?«
»Vielleicht gibt es Menschen, so wie dich, bei denen bleiben immer alle. Die sind wie Magnete. Die sind der einzige Pluspol umgeben von lauter Minuspolen. Und dann gibt’s halt mich. Der Minuspol unter Minuspolen oder so. Da bleibt niemand. Die werden alle abgestoßen.« Ich zucke mit den Schultern. Ich stoße sie ab.
Wieder sagt sie für einen Augenblick nichts. Alles, was ich höre, sind mein eigener Herzschlag, meine Schluckversuche und das Grölen eines Betrunkenen draußen. Ich würde gern mit ihm tauschen. Betrunken sein. Den Kopf ruhigstellen.
»Wenn das stimmt«, sagt sie dann, »wirst du mich jedenfalls nicht los. Wenn ich ein Pluspol bin und du ein Minuspol …«
»Das war nur eine beschissene Metapher, Am. Früher oder später …« Doch ich spreche den Satz nicht zu Ende.
Wieder schließt sie mich in ihre Arme. Wieder versuche ich, das Gefühl zu genießen. Diesen ganzen deprimierenden Scheiß um mich herum zu vergessen. Und wieder gelingt es mir ganz gut, mich auf ihre Wärme zu konzentrieren. Auf ihre Nähe. Das hier ist das absolute Gegenteil von einer Schlägerei. Nach einer Weile vielleicht sogar etwas zu gut.
»Sag mal«, murmelt Amory leise und schiebt mich überrascht ein Stück von sich. »Du … ähm … du kriegst nicht wirklich gerade eine Erektion, oder?« Sie lacht ungläubig. »Ernsthaft, Curtis, du bist unmöglich.«
Auch ich muss lachen. Freier diesmal. Aufrichtiger. »Sorry«, sage ich und hebe entschuldigend die Hände. »Das habe ich nicht unter Kontrolle.«
»Das ist eine echt lahme Ausrede«, sagt sie.
»Ist aber so. Das ist ganz allein mein Körper, der findet, dass du ziemlich scharf bist.«
Sie lacht weiter. Kommt jedoch wieder näher. Untenrum versucht sie mir auszuweichen, doch das ist okay. Es ist nicht so, als hätte ich nach der Scheiße von vorhin und unserem Gespräch unbedingt unbändige Lust auf Sex. Nur mein dämlicher Schwanz weiß das
nicht. Weil der immer Lust auf Amory hat.
»Curtis?«, fragt sie und sieht mich an.
»Ja?«
»Kann ich dich etwas fragen?«
»Noch was?«, frage ich und stöhne gespielt auf. »Solange es mich ablenkt …«, schiebe ich hinterher und meine sowohl den beschissenen Helikopter als auch Magnete und die Erektion zwischen uns.
»Bin ich wirklich so laut?«
Es gab wohl selten etwas, das mich so schnell so gut von irgendetwas abgelenkt hat. »Wie bitte?«
»Ich meine, ich weiß, dass meine Stimme laut ist. Und dass ich laut lache und so. Aber bin ich so laut, dass es peinlich ist?«
»Warum fragst du das?«, will ich wissen, obwohl ich ganz genau weiß, woher der Wind weht. Verfluchter Richard. Verfluchter Wichser.
»Richard ist es unangenehm.«
»Und weißt du, in diesem Moment bereue ich es, dass ich mich heute Abend am Riemen gerissen habe. Bereue es zutiefst. Ich hätte ihm doch die Fresse polieren sollen.«
»Was? Nein!« Sie schubst mich in gespielter Wut von sich weg, aber ich ziehe sie sofort wieder in meine Arme.
Ich hasse es, dass dieser ekelhafte Kerl es fertigbringt, in einer wundervollen, selbstbewussten, perfekten Frau wie Amory Zweifel zu säen. Dass sie zu mir kommen muss, um Bestätigung zu bekommen. Ausgerechnet. Zu jemandem, der nur durch Zufall Freunde hat. Amory braucht nie Bestätigung. Amory ist Bestätigung.
»Du kannst nicht laut genug sein«, sage ich. »Je lauter du bist, desto besser. Denn desto mehr hört man dich.« Kurz habe ich Sorge, sie könnte es als Anmache verstehen, als Grenzüberschreitung oder so einen Scheiß.
»Ich meine es ernst!«
»Glaub mir, Amory, ich auch.« Ich atme tief ein. Verfluchte Scheiße, ich will sie so gern anmachen. So dringend. Wenn es um dich geht, verstehe ich keinen Spaß, würde ich gerne noch sagen, aber stattdessen erinnere ich mich einfach nur daran, wie sie getanzt hat. Und wie Richard nicht sieht, was für ein verfluchtes Glück er hat. »Du bist perfekt, so wie du bist.«
»Finde ich nämlich auch«, sagt sie mit Nachdruck, und die Hitze ihres Körpers scheint mich in diesem Moment sogar von innen zu wärmen.
»Lass uns noch ein bisschen schlafen«, schlage ich vor, denn ich fühle mich auf einmal wie erschlagen. Der Kokon, in den ich mich mit Amory begeben habe, macht, dass ich mich entspanne. Und die Entspannung bewirkt, dass alles, was heute – beziehungsweise gestern – war, seinen Tribut fordert.
Es ist ein buntes Chaos aus Großartigem, aus Erfolg, aus Schwerelosigkeit und Ekstase, gemischt mit Wut und Hass und Hilflosigkeit im Angesicht des Lebens. Dann sind da Amorys Fragen nach meiner Vergangenheit. Meiner Familie. Ein Wort, das ich nicht einmal als Konzept richtig kenne. Und zu allem Überfluss sehnt sich mein steifer Schwanz genau jetzt nach Amory. Eine Sehnsucht, die nicht nur zwischen meinen Beinen, sondern eigentlich überall ist. Die ich für mich behalten muss. Mit der ich fertigwerden muss, wenn ich Amory wenigstens noch ein bisschen in meinem Leben haben will.
»Kannst du denn schlafen?«, fragt Amory leise und gähnt. Sie dreht sich zurück auf die Seite, und ich schiebe mich wieder an ihren Rücken – allerdings diesmal darauf bedacht, dass ich sie nur mit meinem Oberkörper berühre.
»Mal sehen«, nuschle ich an ihren Haaren.
Und dann geschieht etwas ganz und gar Unglaubliches. Sie nimmt meine Hand, die ich ganz züchtig auf ihrer Hüfte platziert hatte. Sie nimmt sie und schiebt sie unter ihr Oberteil. Ich spüre ihren Bauch, ihre Haut, doch sie hält nicht inne. Sie führt meine Hand weiter und weiter nach oben. Bis sie …
Ich keuche leise auf, als sie sie auf ihre Brust legt. Diese Rundungen, dieses weiche Fleisch. Der Nippel, der unter meinen Fingern langsam hart wird – ohne dass ich meine Hand auch nur einen Millimeter bewege. Ich würde gerne hineindrücken, sie richtig spüren. Doch das wäre keine gute Idee. Und so begnüge ich mich mit dem, was ich habe, und liebe verflucht noch mal alles daran.
»Für den guten Zweck«, sagt sie, und ich höre das Lächeln in ihrer Stimme. »Denn du solltest wirklich etwas schlafen.«
Ich werde den Teufel tun, ihr zu sagen, dass das Gefühl ihrer herrlichen Brust genau das Gegenteil von dem bewirkt, was sie beabsichtigt. Denn ich will jede Sekunde hiervon erleben. Ganz vorsichtig kreise ich mit dem Daumen über ihren Nippel. Zwicke leicht hinein und entlocke ihr ein leises Seufzen.
»Überspann den Bogen nicht«, nuschelt sie.
»Sorry.«
Ich presse sie einmal kurz an mich, um zu spüren, wie ihre Brust unter meinem Druck nachgibt. Dann entspanne ich mich. Zwinge mich, an nichts zu denken und nur noch zu spüren. Bis mein Verstand langsamer wird, immer langsamer, und irgendwann stillsteht.
23
Amory
Shit, Shit, Shit! Das sind meine Gedanken, als ich aufwache und merke, dass der Arm, der eng um meinen Körper geschlungen ist, nicht zu Richard gehört. Einen kurzen Moment bin ich orientierungslos, aber dann kehren die Erinnerungen an letzte Nacht zurück. An Curtis’ Panikattacke, unsere Gespräche. Mein Angebot, bei ihm zu bleiben – als Freundin. Sein Arm auf mir. Seine Hand auf meiner Haut. Das Kribbeln in mir. Meine bescheuerte Erregung, als ich seine Erektion spürte. Die Kurzschlussreaktion, als ich seine Hand auf meine Brust legte. Verdammt noch mal, was ist los mit mir? Seit wann sind die Grenzen zwischen Freundschaftsdienst und Betrug so verschwommen?
Für den guten Zweck. Der Zweck heiligt die Mittel, oder? Aber warum fühlt es sich dann so scheiße an, dass es sich gut anfühlt? Ich schäle mich vorsichtig aus Curtis’ Umklammerung.
»Bleib«, murmelt er, doch ich kann nicht. Ich muss zu Richard. Hoffe, dass er noch nicht aufgewacht ist. Ich weiß nicht einmal, wie spät es ist.
»Ich muss … auf die Toilette«, sage ich und habe keine Ahnung, warum ich lüge.
»Bitte bleib«, sagt Curtis noch einmal und greift nach meiner Hand.
Mein Herz zuckt zusammen. Ich kann es spüren. Curtis’ Flehen berührt etwas ganz tief in mir. Aber es ist nicht richtig. Nicht richtig und vor allem nicht sinnvoll. Wir waren schon an diesem Punkt, und wir wissen beide, dass das hier eine saudumme Idee ist. Curtis grummelt irgendwas und dreht sich dann schlaftrunken auf die andere Seite.
Im Flur maunzen Hilbert und Lovelace. Sie haben Hunger und wundern sich vermutlich, warum ich aus Curtis’ Zimmer komme. Gut, dass sie ihre Überraschung nicht deutlicher artikulieren können.
»Hey, ihr«, sage ich und laufe vor den beiden her in die Küche. »Schimpft nicht mit mir. Ich wollte nur Curtis helfen.«
Ich bin erleichtert, als ich sehe, dass meine Zimmertür noch geschlossen ist. Wenn ich Glück habe, hat Richard von alldem nichts mitbekommen. Und da es nichts zu bedeuten hatte, wäre das für alle Beteiligten das Beste. Trotzdem werde ich doppelt und dreifach nett sein, beschließe ich. Eine Vorzeigefreundin sein. Leiser sein, BH s tragen.
Lovelace stellt sich auf die Hinterpfoten und stützt sich an meinem Bein ab. Sie fährt die Krallen aus.
»Autsch, ihr kriegt ja gleich was zu essen!« Und dann, weil ich mich selbst so mies fühle: »Es hatte nichts zu bedeuten. Also schaut mich nicht so an.«
Ich öffne eine Dose Katzenfutter und befülle ihre Fressnäpfe, während sie aufgeregt um meine Beine streichen – das Maunzen immer ungeduldiger und vorwurfsvoller.
»Wie spät ist es?«, nuschelt Richard, als ich vorsichtig in mein Zimmer spähe.
»Gleich zehn.«
»Bist du schon lange wach?« Er reibt sich verschlafen die Augen.
»Schon eine Weile.« Ich setze mich auf den Bettrand und fühle mich schäbig.
Richard macht keine Anstalten, mich zu berühren, und für einen Moment habe ich Sorge, er könnte doch etwas gemerkt haben. Aber als ich mich zu ihm lege, ist alles normal. Ich streiche ihm über die nackte Brust, durch die Haare. Er schließt die Augen, brummt. Alles ist gut. Er ist der Mann, den ich will. Er ist schlau und attraktiv. Uns verbindet die Mathematik. Er ist fähig, sich auf einen anderen Menschen einzulassen. Langsam beruhigen sich meine Gedanken. Die Erinnerung an letzte Nacht wird von einem Schleier der Lust überdeckt. Lust, die vie
lleicht letzte Nacht aufgekeimt ist, aber Lust, die ich für Richard empfinde.
»Wir machen, was du willst«, sage ich und küsse ihn auf die Stirn, die Schläfe, seinen Mundwinkel. »Was immer du dir wünschst.« Ich versuche, Verheißung in meine Stimme zu legen, küsse mich an seinem Hals hinab, über die Schlüsselbeine zu seiner Brust. »Ich mache, was du dir wünschst.« Meine Lippen sind an seinem Bauch angekommen, wandern weiter.
»Süße«, sagt er mit einem müden Lächeln, »das wird so nichts.«
Ich bin ein bisschen enttäuscht. Aber vielleicht ist das dieses Karma, von dem die Menschen immer reden und an das ich eigentlich nie geglaubt habe.
»Was kann ich tun?«, frage ich, denn ich will es ihm so schön machen wie irgend möglich. »Worauf hast du Lust?«
»Auf eine Runde Joggen«, sagt Richard, schiebt mich sanft von sich und setzt sich auf.
»Echt jetzt?« Ich bin verwirrt.
»Ich muss den Alkohol von letzter Nacht ausschwitzen«, erklärt er und steht auf.
»Aber …« Ich beiße mir auf die Unterlippe. Ganz aufgegeben habe ich noch nicht, »… könnten wir das nicht auch zusammen machen?«
»Ich wusste gar nicht, dass du joggst«, sagt er und lässt den Blick über mich wandern.
»Äh«, sage ich, weil ich das eigentlich nicht meinte. Doch sein Blick verunsichert mich. »Manchmal?« Das ist eine glatte Lüge.
»Also klar, ich würde mich freuen, wenn wir das zusammen machen.« Aber seine Mimik sagt etwas anderes. »Allerdings laufe ich ziemlich schnell.«
»Ich könnte es versuchen«, schlage ich vor, schließlich wollte ich eine Vorzeigefreundin sein. Seine Wünsche erfüllen. Und wenn es das ist, was er will …
Ich fühle mich nicht gerade sportlich, als ich mich kurz darauf neben Richard dehne. Meine Sportklamotten sind alles andere als modisch – was vor allem daran liegt, dass ich selten Verwendung dafür finde. Die Jogginghose trage ich an Katertagen auf der Couch, wenn ich Regelschmerzen habe und alles andere auf den Unterleib drückt oder wenn ich einen anstrengenden Tag hatte und es so bequem wie irgend möglich haben will. Richard grinst. Er hat aus seiner Sporttasche, die er vor dem Gig gestern bei mir deponiert hatte, ein sexy Sport-Outfit gezaubert und sieht aus, als würde er, wenn überhaupt, dann nur an den richtigen Stellen schwitzen.
Love is Wild – Uns gehört die Welt (Love-is-Reihe 3): Roman (German Edition) Page 15