Feel Again

Home > Other > Feel Again > Page 2
Feel Again Page 2

by Mona Kasten

Er trank den Rest seines Biers und stellte die Flasche auf dem Tresen ab. Sein Blick war fest auf das dunkle Holz geheftet. »Ich bin mit denen in einem Seminar. Sie sind … eher nicht so nett.«

  »Was heißt das, ›eher nicht so nett‹?«, hakte ich nach. Mir gefiel nicht, wie er auf einmal aussah: als würde er sich schämen.

  »Es ist bescheuert«, murmelte er ausweichend. »Vergiss es einfach.«

  »Sag mir, was ›eher nicht so nett‹ bedeutet, Isaac Theodore«, forderte ich, diesmal mit mehr Nachdruck.

  »Okay, okay.« Er hob kapitulierend die Hände und warf einen letzten flüchtigen Blick zu den Mädchen. »Es ist keine große Sache. Seit das neue Semester vor drei Wochen angefangen hat, haben die es irgendwie … auf mich abgesehen.«

  »Was heißt das?«

  Er wurde wieder rot, aber diesmal konnte ich mich nicht darüber freuen.

  »Ach, sie machen sich über meinen Kleidungsstil lustig … und anderen Kram.«

  »Anderen Kram«, wiederholte ich langsam.

  Isaac rieb sich verlegen den Nacken. »Sie ziehen mich damit auf, dass ich … angeblich noch Jungfrau bin.«

  »Bist du das denn?«, fragte ich.

  Er sah mir fest in die Augen und schüttelte den Kopf.

  Aha.

  »Dann sag ihnen das doch.«

  »Das bringt nichts. Sie glauben, was sie glauben wollen. Letzte Woche habe ich gehört, wie sie gewettet haben, wer …«

  »Wer …?«

  Er räusperte sich. »Wer zuerst …«

  »Wer es zuerst mit dir treibt?«, fragte ich erhitzt.

  Er nickte kurz.

  »Woher weißt du das?«

  »Sie sitzen direkt hinter mir. Es ist schwer, nicht jedes Wort zu hören, das sie sagen.«

  Wut flammte in mir auf, und ich brauchte einen Moment, bis ich wieder sprechen konnte. »Das ist das Geschmackloseste, was ich seit Langem gehört habe. Und ich höre viel Geschmackloses. Ich meine, selbst wenn es stimmen würde – das geht doch niemanden was an. Was fällt denen ein, so eine dämliche Scheiße abzuziehen?«

  Isaacs Lippen öffneten sich leicht, und er sah mich an, als würde er mich erst jetzt zum ersten Mal richtig wahrnehmen.

  »Hast du ihnen gesagt, dass du sie erbärmlich und widerwärtig findest und sie damit aufhören sollen?«, fragte ich.

  Er schüttelte den Kopf. »Es ist mir egal, was sie denken.«

  »Ich finde das aber nicht in Ordnung«, sagte ich und warf den Mädchen meinen Todesblick zu. Leider hatte er bei ihnen nicht den gewünschten Effekt. Im Gegenteil, sie begannen nur, noch lauter zu kichern.

  Ich drückte den Rücken durch und trat einen Schritt von der Bar weg und auf sie zu, da griff Isaac nach meinem Ellenbogen und zog mich zurück zu sich an den Tresen. Er war ein gutes Stück größer als ich, und ich musste meinen Kopf in den Nacken legen, um ihm ins Gesicht sehen zu können.

  »Es ist wirklich nicht wichtig. Und es macht mir nichts aus.« Er lächelte besänftigend, und merkwürdigerweise flaute meine Wut augenblicklich etwas ab.

  »Ich finde es trotzdem scheiße.«

  Er neigte seinen Kopf zur Seite und betrachtete mich eingehend. »Wieso?«

  Ich blickte an seiner Schuler vorbei zu den Mädchen. Sie hatten noch immer nicht aufgehört zu lachen.

  Zur Hölle mit ihnen.

  Langsam drehte ich mich zurück zu Isaac und legte meine Hände flach auf seine Brust.

  Ich spürte, wie sein Atem stockte.

  »Weil ich dich schwer in Ordnung finde, Grant, Isaac Theodore Grant.«

  Dann stellte ich mich auf die Zehenspitzen und küsste ihn.

  KAPITEL 2

  Als mein Mund seinen berührte, stieß Isaac ein gedämpftes Geräusch aus. Ich fing es mit meinen Lippen auf. Bestimmt drängte ich meinen Körper gegen seinen, bis er rücklings gegen den Bartresen stieß. Ich ließ meine Hand an seinem Nacken hinaufwandern, bis ich sie in seinem Haar vergraben und ihn fester an mich ziehen konnte.

  Komm schon, Isaac. Spiel mit.

  Ich leckte über seine Unterlippe, und er keuchte überrascht. Seine Hände glitten zu meinen Hüften und endlich, endlich erwiderte er den Kuss. Unsere Zungen trafen kurz, beinahe schüchtern aufeinander.

  Dann löste ich mich von ihm und lehnte mich ein kleines Stück zurück.

  Die Farbe, die seine Wangen jetzt angenommen hatten, gefiel mir deutlich besser als die, die noch vor ein paar Sekunden dort gewesen war, als er sich geschämt hatte.

  Durch halb gesenkte Lider sah er mich an. Seine Augen waren ganz dunkel. Und plötzlich zog er mich wieder an sich und presste die Lippen fest auf meine.

  Whoa.

  Isaac schob eine Hand in meinen Nacken, die Finger der anderen spreizte er auf meinem Rücken. Er vertiefte den Kuss, drang mit seiner Zunge hungrig in meinen Mund. Eine enorme Energie ging von ihm aus und auf mich über, und für einen Moment blieb mir tatsächlich die Luft weg. Meine Knie wurden weich.

  Meine verdammten Knie wurden weich.

  Das war mir noch nie passiert.

  Fest krallte ich meine Hände in den Stoff seines Jeanshemds und zog ihn noch enger an mich. Jetzt war kein Millimeter mehr zwischen uns. Ich saugte an seiner Zunge und spürte, wie sein Brustkorb unter meinen Händen vibrierte. Hitze schoss in meinen Magen und direkt weiter nach unten, als Isaac meine Unterlippe zwischen seine Zähne zog und zubiss.

  Heilige Scheiße. Wer hätte gedacht, dass dieser Kerl so küssen konnte?

  Diesmal war er derjenige, der sich zurückzog. Er lehnte seine Stirn gegen meine und atmete schwer.

  Ich war genauso atemlos.

  »Wo hast du gelernt, so zu küssen, Isaac Theodore?«, murmelte ich, meine Hände noch immer auf seinem Brustkorb.

  Er öffnete den Mund, um mir zu antworten.

  »Was zur Hölle macht ihr da?«, erklang es plötzlich direkt hinter mir, und ich wirbelte herum.

  Dawn stand keinen Meter von uns entfernt und starrte uns fassungslos an.

  Einen Moment lang hatte ich keine Ahnung, was ich ihr antworten sollte. Was hatten wir da getan? Dann sagte ich das Erstbeste, das mir in den Sinn kam: »Ich habe Isaac gerade dabei geholfen, seinen Ruf zu verbessern.«

  Hinter mir spürte ich, wie Isaac sich versteifte.

  Dawns kastanienrotes Haar war zerzaust, und sie blies sich den verschwitzten Pony aus der Stirn. Skeptisch blickte sie zwischen uns hin und her. »Kommt ihr zurück an unseren Tisch?«

  Ich nickte und ließ zu, dass sie sich bei mir unterhakte. Als ich mich nach wenigen Metern zu Isaac umdrehte, starrte er auf den Boden.

  Die Mädchen am anderen Ende der Bar hatten aufgehört zu lachen.

  Der Montagmorgen begann wie jede Woche damit, dass ich mir vor meinem ersten Kurs einen großen Smoothie holte und damit über das Campusgelände spazierte. Woodshill war toll. Obwohl ich ein Junior und der Campus seit mittlerweile zwei Jahren mein Zuhause war, betrachtete ich die schönen Backsteingebäude mit den hohen Torbögen und die Statuen einflussreicher Personen jedes Mal so, als wäre es mein erster Tag hier. Es gab immer wieder etwas Neues zu entdecken.

  Zum Beispiel war mir noch nie das Muster auf der Backsteinmauer direkt neben dem Astronomiegebäude aufgefallen. Ich stellte meinen Smoothie auf einer Bank ab, holte meine Spiegelreflexkamera aus der Tasche und ging in die Hocke. Durch die Linse betrachtete ich die Musterung im Gestein. Wahrscheinlich war dort Regen in das Gemäuer eingedrungen, und die Feuchtigkeit hatte sich ausgebreitet und es so verfärbt, dass es aussah, als ob ein Gesicht sich in Richtung der Sonne reckte.

  Das Licht, das auf die Mauer fiel, war genau richtig. Immer noch durch die Linse blickend machte ich einen langsamen Schritt zurück und drehte am Rädchen für den ISO-Wert. Manuell stellte ich den Fokus ein.

  Ich drückte auf den Auslöser. Wie immer sandte das leise Klicken meiner Kamera ein aufgeregtes Kribbeln in meine Magengegend, und ich bekam Gänsehaut. Fotografie war alles für mich. Es gab nichts, w
as mir mehr bedeutete, nichts, was mich auch nur annähernd so glücklich machte wie der Moment, in dem ich wusste, dass ich ein perfektes Foto geschossen hatte.

  Nach einer Weile packte ich meine Kamera wieder ein, nahm meinen Smoothie und ging zu meinem Kursraum. Visualisierung der Gesellschaft und ihrer Ideologien war eines der wenigen Pflichtseminare in meinem Studium, das mir gut gefiel und mich nicht mit endloser Theorie zu Tode langweilte. Mittels Fotografie sollten wir bestimmte Aspekte der Gesellschaft widerspiegeln und dazu Stellung nehmen. In diesem Semester lautete die Aufgabe, einen Beitrag zum kritischen Verständnis der sozialen Wirklichkeit zu leisten. Leider gehörte zu dem Abschlussbericht, den wir schreiben mussten, auch eine theoretische Analyse. Ich hätte gut darauf verzichten können, aber für diesen Kurs nahm ich sogar das in Kauf.

  »Morgen«, sagte ich in den Raum und bekam vereinzeltes Murmeln zurück.

  Ich ging zu meinem gewohnten Platz in der ersten Reihe, ließ mich auf den Stuhl fallen und holte meinen Laptop aus der Tasche. Für ihn war damals mein gesamtes Gespartes draufgegangen, und er war neben meiner Kamera, die Dawn liebevoll auf den Namen Frank getauft hatte, mein teuerstes Besitztum.

  Ich gab selten viel Geld aus. Da ich fast ausschließlich in der Mensa aß, brauchte ich nicht viel für Essen, und Klamotten kaufte ich meist gebraucht und nähte und schnitt sie mir so zurecht, dass sie mir gefielen. Das Van-Halen-Shirt, das ich heute trug, hatte ich mir beispielsweise für drei Dollar in einem Thriftshop in Portland gekauft. Es war viel zu groß, aber ich hatte auf der rechten Seite am Saum einen Knoten gebunden, damit man sah, dass ich Jeansshorts darunter trug.

  »Sind wir vollzählig? Dann fange ich jetzt an«, sagte meine Dozentin, Robyn Howard, und allmählich ebbte das Murmeln im Raum ab. Sie öffnete ihre Präsentation, die sie mit dem Beamer an die Leinwand warf, und begann, mit Begriffen wie Ortsspezifität, Wesentlichkeit und Modifikation um sich zu werfen. Ich mochte Robyn sehr, nicht zuletzt, weil sie jung war, blaue Haare hatte und mir – im Gegensatz zu vielen meiner anderen Dozenten – noch kein einziges Mal einen Was-will-die-eigentlich-hier-Blick zugeworfen hatte. Ihren Vorträgen konnte ich trotzdem nur mit einem Ohr folgen. Ich hasste Theorie.

  Stattdessen öffnete ich das Photoshop-Programm und rief mein neuestes Projekt auf – eine Fotoreihe, die den Titel »Der Morgen danach« trug. In den letzten fünf Monaten hatte ich nach jedem meiner One-Night-Stands Fotos gemacht. Natürlich nicht von den Männern, mit denen ich geschlafen hatte. Das wäre geschmacklos gewesen und nicht mein Stil. Stattdessen hatte ich die Kleidungsstücke, die auf dem Boden verteilt waren, fotografiert und versucht, sie in besonderer Weise zu inszenieren. Ich hatte die Lichtstrahlen eingefangen, die am Morgen durch die Vorhänge geschienen waren, hatte Ewigkeiten auf dem Boden gehockt, um genau im richtigen Moment auf den Auslöser zu drücken. Die Bilder waren ästhetisch, elegant und sexy, und jeder, der sie sah, konnte in sie hineininterpretieren, was er wollte. Das war es, was ich an Kunst so liebte. Es gab kein Richtig und kein Falsch, kein Schwarz oder Weiß. Alles war okay, und alles hatte seine Berechtigung.

  Ich öffnete die neueste Datei und betrachtete das Foto. Ich hatte es noch nicht bearbeitet, aber ich konnte schon jetzt sehen, dass es toll werden würde. Die ganze Szene war in rotes Licht getaucht, und was ich besonders mochte, war, dass der Fokus des Bildes nicht auf den Kleidungsstücken, sondern auf einer Uhr lag. Ich zoomte das Bild etwas näher heran, um das Ziffernblatt erkennen zu können, da atmete hinter mir jemand zischend ein.

  Ich drehte mich um. Ein blondes Mädchen – ich glaubte, sie hieß Ashley – starrte mich mit weit aufgerissenen Augen an.

  »Ist was?«, fragte ich.

  Sie presste ihre Lippen zu einer schmalen weißen Linie zusammen und senkte den Blick wortlos auf ihren eigenen Laptop.

  Stirnrunzelnd drehte ich mich wieder nach vorne.

  Den Rest des Seminars verbrachte ich damit, das Bild zu bearbeiten. Als Robyn mit der Theorie durch war, ging sie durch die Reihen und kommentierte den Zwischenstand unserer Arbeiten. Bei mir angekommen, beugte sie sich über meinen Laptop und betrachtete erst das Bild mit der Uhr und dann noch mal die anderen Bilder, die ich ihren Ratschlägen folgend nach dem letzten Seminar noch mal an einigen Stellen überarbeitet hatte.

  »Sehr schön, Sawyer«, sagte sie. »Mir gefällt, wie du auf diesem Bild hier mit dem Licht gespielt hast.«

  »Nicht nur mit dem Licht …«, schnaubte das Mädchen hinter mir. Ich hatte keine Ahnung, was ihr Problem war, und widerstand dem Drang, auf ihre Bemerkung einzugehen, während meine Dozentin in unmittelbarer Nähe war. Dankenswerterweise ignorierte auch Robyn sie taktvoll.

  »Hast du schon eine Idee für dein Abschlussprojekt?«, fragte sie stattdessen.

  »Ich weiß noch nicht genau«, sagte ich. »Das hier ist nett, aber es ist mir noch nicht gut genug. Portraits fand ich spannend, aber als wir die letztes Semester machen mussten, hat mir auch da irgendetwas gefehlt. Ich hätte noch eine Reihe mit Bildern vom Campus, aber auch die scheint mir irgendwie nicht …«, ich suchte nach dem richtigen Begriff, »… wichtig genug.«

  Robyn lächelte warm. »Du bist eine Perfektionistin durch und durch.«

  »Nur, wenn es um Fotografie geht.«

  »Lass dir nicht zu viel Zeit zum Nachdenken. Du hast großes Talent, aber denk daran, dass du auch eine Abschlussarbeit schreiben musst. Und die wird um einiges umfangreicher sein als die bisherigen Arbeiten, die du für mich gemacht hast.«

  »Okay. Ich halte die Augen offen.«

  Sie nickte kurz, dann wandte sie sich dem nächsten Studenten zu.

  Nach der Stunde räumte ich meinen Kram zusammen und schulterte gerade meinen sackförmigen Rucksack, da stieß das Mädchen aus der Reihe hinter mir mit ihrer Schulter mit voller Kraft gegen mich und stürmte an mir vorbei aus dem Raum.

  Was zur Hölle?

  Ich folgte ihr schnellen Schrittes. Als würde sie auf mich warten, stand sie neben der Tür des Seminarraums, wo sie von zwei Freundinnen umarmt und getröstet wurde. Als sie mich entdeckten, warfen sie mir vernichtende Blicke zu.

  »Habe ich dir irgendetwas getan, Ashley?«, fragte ich.

  Sie fuhr zu mir herum. Rote Flecken hatten sich auf ihrem Gesicht ausgebreitet. Ihre Augen funkelten.

  »Ich heiße Amanda, Schlampe«, fauchte sie.

  Ups. Ich war wirklich nicht gut darin, mir Namen zu merken. »Und ich heiße Sawyer, und nicht Schlampe«, sagte ich ruhig. »Was hast du für ein Problem?«

  Sie machte einen drohenden Schritt in meine Richtung. »Hattest du Spaß?«

  Ich hatte wirklich keine Ahnung, was dieses Mädchen von mir wollte.

  »Ich habe viel Spaß in meinem Leben, ja. Aber ich glaube, darum geht es gerade gar nicht, oder?«, erwiderte ich.

  »Für wie blöd hältst du mich eigentlich? Denkst du, ich würde die Uhr nicht wiedererkennen? Unglaublich, dass du das Bild direkt vor meiner Nase aufmachst. Wie scheiße kann man denn bitte sein?«, keifte sie. Ihre Stimme war so hoch, dass sich meine Nackenhaare aufstellten.

  »Komm mal runter«, sagte ich, bemüht, nicht ebenfalls laut zu werden. »Ich habe keine Ahnung, wovon du sprichst.«

  »Du hast mit meinem Freund geschlafen!«

  Überall auf dem Flur blieben Leute stehen und reckten ihre Hälse. Ein paar von ihnen erkannte ich, allen voran den Brillenträger, der gerade aus dem Raum schräg gegenüber gekommen war und nun – wie alle anderen – innehielt. Es war Isaac. Grant, Isaac Grant. Dawns Freund, den ich am Wochenende geküsst hatte. Dass er mich mit genau demselben Gesichtsausdruck ansah wie alle anderen Umherstehenden auch, versetzte mir einen Stich.

  Ich versuchte, die Fassung zu bewahren und mir den Schock nicht anmerken zu lassen.

  »Ich wusste nicht, dass Cooper eine Freundin hat.«

  Amanda lachte und schluchzte gleichzeitig auf. Ihre Freundinnen streichelten beruhigend ihre Schultern.

  Cooper, der verfluchte Wichser. Er hatte sie mit keinem Wort erwähnt. Nicht auf der Party, nicht, als
er mich gefragt hatte, ob ich mit zu ihm wolle, nicht während wir miteinander geschlafen hatten.

  Fuck.

  Instinktiv trat ich auf Amanda zu. Gefühlt die halbe Uni hatte sich um uns versammelt und schien jedem unserer Worte gebannt zu folgen.

  »Er hat nichts von dir gesagt«, sagte ich so leise, dass uns hoffentlich niemand verstand.

  Sie hob den Blick, und der unbeschreibliche Zorn in ihren Augen war die einzige Warnung, die ich bekam. In der nächsten Sekunde holte sie aus und verpasste mir eine schallende Ohrfeige.

  Der plötzliche Schmerz ließ mich Sterne sehen.

  »Du dreckige Hure!« Ihre Stimme überschlug sich. Nur verschwommen nahm ich wahr, dass es um uns herum vollkommen still war und niemand etwas sagte. In meinem Kopf hingegen dröhnte es. Amandas Worte hatten mich von einem Moment auf den anderen in meine Jugend zurückkatapultiert. Schlampe! Hure! Genau wie deine Mutter!

  Mir wurde schlecht. Amanda hob erneut die Hand. Trotz des Schocks reagierte ich und packte ihr Handgelenk.

  »Du schlägst mich, weil dein Freund seinen Schwanz nicht in der Hose behalten kann?«, fauchte ich und grub meine Nägel in ihre Haut.

  »Du mieses Stück …«

  Ich verfestigte meinen Griff. Dann kam ich mit dem Gesicht ganz dicht an ihres. »Ich kann nichts dafür, dass dein Freund ein Arschloch ist«, sagte ich tödlich leise.

  Ihre Hand erschlaffte, und sie begann zu weinen. Um uns herum stieg der Geräuschpegel wieder. Die Leute begannen zu murmeln. Ich hörte eine gezischte Beleidigung. Dann noch eine.

  Es war zu viel. Meine Wange schmerzte, mein Schädel dröhnte, und ich bekam keine Luft mehr. Unvermittelt ließ ich Amanda los und machte auf dem Absatz kehrt. So schnell ich konnte, bahnte ich mir einen Weg durch die Leute, den Kopf erhoben, aber trotzdem nicht in der Lage, irgendetwas oder irgendjemanden zu erkennen.

  Als ich fast draußen angekommen war, fasste mich jemand am Arm. Ich fuhr herum, war schon bereit dazu, mich zu wehren …

  »Alles okay?«, fragte Isaac. Er betrachtete mich prüfend durch seine Brillengläser.

  »Ich muss hier raus«, krächzte ich.

 

‹ Prev