by Mona Kasten
KAPITEL 5
»Oh ja, das magst du.«
Ich widerstand dem Drang, die Augen zu verdrehen. Eigentlich war Topher Culkin richtig gut im Bett. Er wusste, wie er sich bewegen und was er mit seinen Händen tun musste. Nur leider redete er zu viel.
Viel zu viel.
»Das magst du, oh ja«, raunte er wieder, dieses Mal direkt in mein Ohr. Wortwörtlich in mein Ohr. Er kam so dicht ran, dass sein Atem sich feucht in meiner Ohrmuschel anfühlte. Bäh. Am liebsten hätte ich ihm den Mund zugehalten. Hätte ich das gewusst, hätte ich mehr getrunken.
Ich hob mein Becken an, in der Hoffnung, dass er meinen empfindlichsten Punkt erneut treffen würde. Er stieß hart in mich und … Jackpot!
Ich ließ den Kopf in den Nacken fallen und stöhnte laut. Genau das war es.
»Komm schon, Baby«, stöhnte Topher. Er schob eine Hand unter mein Bein und hob mein Knie gegen seine Brust.
»Genau da«, seufzte ich, als er den Punkt erneut traf.
Das Lob bekam ihm gut. Er schob sich wieder und wieder in mich, bis mein Körper anfing zu beben. Ich kratzte mit den Nägeln über Tophers Rücken und spürte förmlich, wie all die Wut, der Frust und die angestaute Energie dieser beschissenen Woche endlich aus mir herausströmten. In diesem Moment dachte ich an gar nichts. Es war das beste Gefühl der Welt.
»Baby, du bist so verflucht …«
Ich versenkte meine Nägel noch tiefer in Tophers Schulter und brachte ihn damit erfolgreich zum Schweigen.
Er biss die Zähne zusammen, so fest, dass sie knirschten, und die Muskeln in seinem Bauch spannten sich an. Ich drückte den Rücken durch und genoss das Gefühl von seinem Körper auf mir und seiner Härte in mir.
Topher ächzte. Nach einem weiteren, tiefen Stoß erschauerte er. Ich klammerte mich an seinen Schultern fest, während ich fühlte, wie er in mir zuckte.
Atemlos rollte er sich von mir und ließ sich auf den Rücken fallen. Für ein paar Minuten waren nur unsere abgehackten Atemzüge zu hören.
»Das war gut, Baby. Wahnsinnig gut.«
Ich brummte nur. Ich war immer noch wie im Rausch und wehrte mich nicht dagegen, als Topher einen Arm um mich schlang und einschlief.
Am frühen Morgen schlich ich mich aus Tophers Wohnheimzimmer und besorgte mir – und wie immer auch Dawn – auf dem Weg nach Hause Frühstück. Mein Schädel pochte, aber aus Erfahrung wusste ich, dass es nichts war, was ein ausgiebiger Spaziergang, ein großer Smoothie und ein Käse-Bagel nicht wieder gutmachen konnten.
Als ich im Wohnheim ankam, ging es mir schon deutlich besser. Am liebsten wäre ich direkt zu den Duschen gegangen, aber ich musste vorher ein Handtuch und Sachen zum Umziehen aus dem Zimmer holen.
Vor unserer Tür hielt ich kurz inne und lauschte. Das hatte ich mir angewöhnt, nachdem ich Dawn und Spencer einmal in flagranti erwischt hatte – etwas, das ich nicht noch mal erleben wollte. Spencers blasser Hintern tauchte heute noch in meinen Träumen auf – und zwar nicht in den guten.
Zwei Stimmen drangen durch die Tür zu mir durch. Eine war männlich, und auch wenn es sich nicht so anhörte, als wären die beiden mit etwas Anrüchigem beschäftigt, klopfte ich trotzdem zweimal zur Warnung, bevor ich die Tür öffnete.
Dawn saß an ihrem Schreibtisch, allerdings nicht mit Spencer, sondern mit Isaac. Die beiden waren über ihre Schreibblöcke gebeugt und blickten auf, als ich reinkam.
»Lange Nacht?«, fragte Dawn.
Ich zuckte mit den Schultern und reichte ihr die Tüte mit ihrem Frühstück – einem riesigen Schokoladenmuffin. »Hätte ich gewusst, dass du da bist, hätte ich noch einen mitgebracht.«
Isaac sagte nichts, sondern betrachtete mich langsam von oben bis unten. Sein Blick ging von dem tiefen Ausschnitt meines schwarzen Minikleids über die zerrissenen Strumpfhosen zu meinen Boots und wieder hoch zu meinen Haaren, denen man mit Sicherheit ganz genau ansah, was ich in der Nacht zuvor getan hatte.
Isaacs Kiefer spannte sich an. Ich hätte zu gerne gewusst, was er dachte.
»Kein Problem«, sagte Dawn. »Wir teilen einfach und – oh, nein, sorry, Isaac. Du hast Pech gehabt. Sie hat mir meinen Lieblingsmuffin mitgebracht. Danke, Sawyer!«
»Kein Ding«, murmelte ich und ging zu meiner Kommode.
»Nein, wirklich«, sagte Dawn nachdrücklich. »Du bist zu gut zu mir.«
»Schon okay.« Ich öffnete die unterste Schublade und holte Shorts, ein Shirt und frische Unterwäsche heraus.
Dawn wedelte mit dem Muffin in der Luft herum. »Dieser Muffin ist der Beweis dafür, dass du mich liebst!«, verkündete sie triumphierend.
Ich schnaubte und ging mit meinen Sachen über dem Arm zur Tür. Die Situation war mir unangenehm, und Isaacs wacher Blick, der zwischen mir, Dawn und dem Muffin hin- und herwanderte, machte es nicht besser.
»Ich bin duschen.«
Als ich die Tür hinter mir zuzog, hörte ich Dawn sagen: »Sie liebt mich.«
Dawn und Isaac saßen bis zum späten Nachmittag zusammen und lernten. Ich versuchte, so zu tun, als wären sie nicht da, stopfte mir meine Kopfhörer in die Ohren und fing an, die Bilddateien auf meinem Laptop zu sortieren. Es waren mehr als tausend – das Ergebnis von zwei Jahren Fotografiestudium –, und seit Isaac sie aus den Tiefen meiner Festplatte gerettet hatte, war meine komplette Ordnung zerstört. Alle Dateien befanden sich in einem Ordner und waren mit ellenlangen Zahlen- und Buchstabenkombinationen benannt, was bedeutete, dass ich jede einzelne einmal öffnen musste, um herauszufinden, wo sie hingehörte.
Während ich durch die Bilder klickte, wurde mir bewusst, dass ich noch immer keine Ahnung hatte, was ich für mein Abschlussprojekt machen sollte. Von den Campusbildern war Robyn nicht besonders begeistert gewesen, und auch die »Der Morgen danach«-Fotoreihe kam nicht infrage. Mit der Ausstellung war das Projekt für mich abgeschlossen. Außerdem wollte ich, solange ich noch studierte, so viel wie möglich ausprobieren, um später ein breit gefächertes Portfolio vorweisen zu können.
Ich brauchte dringend eine Eingebung. Es musste etwas sein, das zu mir passte, meine Handschrift trug und gleichzeitig interessant für Robyn war. Gerade jetzt, wo sie sich noch mal für mich eingesetzt hatte und meine Bilder ausstellte, wollte ich sie nicht enttäuschen.
Ich browste durchs Netz und ließ mich auf meinen Lieblingsseiten inspirieren. Ich erstellte ein Moodboard, auf das ich alles schob, was mich halbwegs ansprach, aber der Funke wollte einfach nicht überspringen. Irgendwann stöhnte ich frustriert auf und ließ meine Stirn auf den Laptop sinken.
»Geht mir genauso, Sawyer«, meinte Dawn und gähnte ausgiebig.
»Ich könnte auch eine Pause vertragen«, stimmte Isaac zu.
»Wollen wir was bestellen?«, fragte meine Mitbewohnerin.
»Von mir aus gern«, meinte Isaac. Er blickte kurz zu mir und sah dann sofort wieder auf seine Notizen.
»Was ist mit dir, Sawyer?«, fragte Dawn.
Ich nickte und streckte die Arme über meinem Kopf aus.
Wenig später saßen wir um meinen runden Tisch, vor uns so viel asiatisches Essen ausgebreitet, dass davon wahrscheinlich eine Großfamilie satt geworden wäre. Es war schön, zur Abwechslung mal nicht in der Mensa zu essen, allerdings ein Luxus, den ich mir nicht häufig leisten konnte.
»Was hat Madison eigentlich gesagt?«, fragte Dawn und fischte sich eine Frühlingsrolle aus einer der kleinen Pappschachteln.
Isaacs Rolle fiel währenddessen mit einem Plumps auf den Tisch. Mit geröteten Wangen hob er sie auf und schob sie sich ganz in den Mund.
»So schlimm?« Dawns Ausdruck wurde mitfühlend.
»Pflimmer«, antwortete er mit vollem Mund.
Ich nahm eine große Gabel Nudeln und starrte beharrlich auf meinen Teller.
»Wieso schlimmer?«, hakte Dawn nach.
Isaac rutschte auf seinem Stuhl hin und her und stieß dabei mit seinen langen Beinen so heftig gegen den Tisch, dass eine Schachtel umfiel. Ich stellte sie wieder auf und sah Isaac an. Es war offensicht
lich, dass ihm Dawns Fragerei unangenehm war. Aber sie ließ nicht nach. In dieser Hinsicht war sie wie ein Terrier. Sie biss sich fest und ließ erst wieder los, wenn sie wusste, was sie wissen wollte.
»Wieso guckst du so, als hätte sie dich verprügelt?«, fragte sie weiter. Ihre Augen wurden groß. »Sie hat doch Ja gesagt, oder nicht?«
Isaac schüttelte den Kopf. Er hatte noch immer die Frühlingsrolle im Mund und fing erst jetzt langsam an zu kauen. Anscheinend hatte er nicht vor, seine Antwort weiter auszuführen. Stattdessen starrte er auf die Serviette, die neben seinem Teller lag, und begann, sie in ihre Einzelteile zu zerrupfen. Aber Dawn wandte ihren Blick nicht von ihm ab, und schließlich knickte er mit einem Seufzen ein.
»Sie hat mir einen Korb gegeben«, sagte er zu seinem Teller.
»Was? Wieso das denn?«, fragte Dawn empört.
Wieder rückte Isaac so komisch auf dem Stuhl herum. Diesmal hob ich die Pappschachtel nicht auf, als sie umfiel.
»Sie hat … einfach kein Interesse.«
Ich nahm die letzte Frühlingsrolle und dippte sie in die Chilisauce. Dawns Pech, wenn sie sich lieber über Isaacs Datingversuche unterhalten wollte.
»Aber warum denn nicht? Du bist ein lieber Kerl und total attraktiv, außerdem …«
Dawn kam nicht weiter, weil Isaac sich nämlich verschluckte, als sie ihn als attraktiv bezeichnete.
Ich konnte es Madison nicht verübeln, dass sie kein Interesse hatte. Um einen Typen, der so wenig Selbstbewusstsein hatte, würde ich auch einen großen Bogen machen. Egal, wie nett er auch sein mochte.
»Ich war mir so sicher, dass ihr euch gut verstehen würdet«, murmelte Dawn und stützte das Kinn auf einer Hand ab. Mit der anderen nahm sie wieder ihre Gabel und stocherte gedankenverloren in ihren Nudeln herum.
»Nimm’s mir nicht übel, Dawn, aber ich möchte nicht mehr von dir verkuppelt werden. Das ist schon das zweite Mädchen, das mich mitleidig angesehen und mir einen Korb gegeben hat, und langsam habe ich keine Lust mehr, mich zum Affen zu machen«, sagte Isaac und tauschte seine Stäbchen gegen eine Plastikgabel.
»Du bist einfach zu nett«, hörte ich mich plötzlich selbst sagen.
Dawn und Isaac sahen mich beide fassungslos an. Innerlich verdrehte ich die Augen. Warum hatte ich nicht meinen Mund gehalten?
»Ist die Wahrheit«, sagte ich schulterzuckend. »Die Mädchen, mit denen Dawn versucht, dich zu verkuppeln, sind wahrscheinlich nicht an den netten Kerlen von nebenan interessiert.«
»Du weißt doch gar nicht, mit wem ich ihn alles verkuppeln will«, sagte meine Freundin vorwurfsvoll.
Ich hob eine Braue. »Grace. Madison. Everly.«
Isaac gab ein ersticktes Geräusch von sich.
Ich warf den beiden einen herausfordernden Blick zu.
»Wehe, du antwortest ihr«, knurrte Dawn.
»Aber sie hat recht.«
»Ich habe einen siebten Sinn, wenn es um so was geht.« Ich schob ein paar weitere Nudeln in meinen Mund.
»Ist es nicht normalerweise der sechste Sinn?«
»Frag nicht«, murrte Dawn. Sie stützte das Kinn auf ihre zierlichen Hände. »Was habe ich falsch gemacht?«
»Gar nichts«, sagte ich, nachdem ich heruntergeschluckt hatte. Dann deutete ich mit meiner Gabel auf Isaac. »Du bist einfach zu nett.«
»Hör nicht auf sie. Deine Traumfrau ist irgendwo da draußen und wartet nur auf dich«, ging Dawn dazwischen, doch Isaac ignorierte sie und drehte stattdessen seinen Stuhl ein Stück mehr in meine Richtung.
»Heißt das, ich muss mich wie ein Rüpel benehmen, um ein Date zu bekommen?«, fragte er.
Wie ein Rüpel benehmen. Innerlich verdrehte ich die Augen. Nur Isaac würde auf die Idee kommen, sich so auszudrücken, um das Wort »Arschloch« zu vermeiden.
Ich hob abwägend die Schultern. »Kommt drauf an. Was genau suchst du denn?«
Er biss sich auf Unterlippe. »Ehrlich gesagt ist es mir mittlerweile egal. Ein einziges Date zu bekommen, wäre schon ein echter Fortschritt.« Seine Wangen waren inzwischen dunkelrot, aber er sah mich unbeirrt an.
»Dann solltest du dringend ein bisschen selbstbewusster werden«, sagte ich. »Und vielleicht was an deinem Look ändern.«
»Was ist verkehrt an meinem Look?«, fragte er und klang dabei ernsthaft interessiert.
Ich zuckte mit den Schultern. »Eigentlich nichts. Wenn man auf deinen nerdigen, superkorrekten Stil steht. Ich meine, bei dir ist ja kein Haar an der falschen Stelle. Bestimmt gibt es Mädels, die das heiß finden, aber die meisten fühlen sich davon wahrscheinlich im ersten Moment etwas eingeschüchtert.«
»Hm.« Isaac blickte an seinem Hemd hinab und fingerte gedankenverloren an der Fliege an seinem Kragen herum. Heute war sie türkis.
»Ich könnte dich innerhalb eines Monats zu einem Bad Boy machen, der an jedem Arm ein Mädchen hängen hat«, sagte ich leichthin.
»Meinst du?«, fragte er.
Ich nickte. »Ziemlich sicher, ja. Ich meine, die Grundvoraussetzungen bringst du mit.«
Ein Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus.
Und da klickte es.
Ich hatte ein Bild vor Augen. Nein, es waren zwei. Eines von Isaac, wie er jetzt aussah – mit Brille, Fliege und akribisch gestylter Frisur. Und eines in Schwarz-Weiß, das einen vollkommen anderen Isaac zeigte – einen Isaac mit zerzausten Haaren, der locker und selbstbewusst wirkte und ein Mädchen im Arm hielt. Oder zwei.
Vorher und nachher.
Die Transformation des Isaac Grant.
Es wäre das perfekte Thema für meine Abschlussarbeit.
»Wieso starrt ihr euch so an?«, fragte Dawn.
»Ich schlage dir einen Deal vor«, fing ich an.
»Ich höre.«
Ich beugte mich vor, die Unterarme auf meine Knie gestützt, und sah ihm direkt in die Augen. »Ich mache einen Bad Boy aus dir und helfe dir, ein Date mit dem Mädchen deiner Wahl zu bekommen. Im Gegenzug halte ich alles auf Fotos fest und mache daraus mein Abschlussprojekt.«
Eine Weile lang studierte er konzentriert mein Gesicht, so als würde er nach versteckten Absichten suchen. »Meinst du das ernst?«, fragte er schließlich.
»Isaac, du brauchst dich für niemanden verändern, nur damit du …« Aus dem Augenwinkel sah ich, dass Dawn merkwürdige Bewegungen mit ihren Händen machte, doch ich konnte meinen Blick nicht von Isaacs braun-grünen Augen losreißen.
»Was, wenn ich mich verändern will?«, fragte er leise.
Die Frage war an Dawn gerichtet – aber ich war diejenige, die antwortete.
»Ich würde sagen, dann haben wir einen Deal.«
Ich streckte meine Hand aus. Einen Wimpernschlag später schlug er ein. Ich erinnerte mich daran, dass es nicht einmal eine Woche her war, dass wir Hände geschüttelt hatten und seine Haut vor Nervosität kalt und klebrig gewesen war. Jetzt fühlte sie sich angenehm warm an, und ich strich mit dem Daumen kurz darüber.
In Isaacs Augen flackerte etwas auf.
Wir werden so viel Spaß miteinander haben, Isaac Theodore.
Dawn stöhnte gequält auf. »Oh Gott, was habe ich nur angerichtet.«
KAPITEL 6
»Guck nicht mich an. Tu einfach so, als wäre ich nicht da«, sagte ich konzentriert. Ich machte einen Schritt auf Isaac zu und ging vor ihm in die Hocke. Eigentlich hätte ich für diese Bilder einen Assistenten gebraucht, jemanden, der mir mit dem Licht half und aufpasste, dass sich nichts in Isaacs Brille spiegelte. Aber es würde auch so klappen.
Zumindest solange Isaac seine Aufregung in den Griff bekam.
»Du machst mich nervös«, gab er zurück, und schon wieder zuckte sein Blick zu mir und genau in die Kamera.
»Schau auf deinen Bildschirm«, sagte ich.
Er seufzte, tat aber, was ich sagte.
Zwar war die Idee hinter dieser Fotosession, Isaac so zu zeigen, wie er vor seiner Transformation war – schüchtern, unbeholfen, verkrampft. Aber die Bilder sollten natür
lich wirken und alltäglich. Wie Schnappschüsse eben. Sie sollten nicht »Ich-bin-so-aufgeregt-weil-Sawyer-mich-fotografiert-Hilfe!« schreien.
Erneut drückte ich den Auslöser. Isaac zuckte zusammen.
»Okay, so wird das nichts«, murmelte ich. Ich nahm die Kamera runter und trat um den Schreibtisch zu ihm.
Isaac war vor Schreck fast vom Stuhl gefallen, als ich heute Nachmittag bei seiner Arbeit aufgetaucht war und die Kamera auf ihn gerichtet hatte. Sein Chef hatte in der TV-Abteilung wieder einen Film geschaut und nicht gemerkt, wie ich mich an ihm vorbei in die Werkstatt geschlichen hatte. Ich hatte Isaac unbedingt überraschen und mein Kommen nicht ankündigen wollen. Wenn er sich stundenlang im Voraus Gedanken gemacht hätte, wäre er jetzt wahrscheinlich noch steifer gewesen. Wobei ich eigentlich bezweifelte, dass das überhaupt möglich war.
Vielleicht war er aber auch einfach immer noch erstaunt, dass ich es mit unserem Deal tatsächlich ernst gemeint hatte.
»Ich hätte dich vorwarnen sollen. Ich bin überhaupt nicht fotogen«, murmelte er.
»Das stimmt nicht«, sagte ich und beugte mich an ihm vorbei, um den Rechner einzuschalten. »Gibt es nicht irgendetwas, das du an diesem Computer zu erledigen hast?«
Er zuckte unbeholfen mit den Schultern.
Ich sah mich im Raum um. Dann ging ich zum Fenster und versuchte, die schweren braunen Vorhänge, die davor hingen, ein Stück weiter aufzuziehen. Eine Wolke Staub kam mir entgegen, und ich hustete.
»Ich habe ewig nicht mehr sauber gemacht. Sorry.« Isaac kam zu mir und zog die Vorhänge ganz auf.
»Bist du auch noch Wesleys hauseigene Putzkraft?«, krächzte ich.
Er reichte mir seine Wasserflasche. »Manchmal.«
Ich nahm einen Schluck und stellte die Flasche zurück auf den Schreibtisch. »Er beutet dich aus.«
Isaac zuckte wieder nur mit den Schultern. »Und wenn schon. Geld ist Geld.«
»Du könntest sicher einen anderen Job finden«, versuchte ich erneut, aber er drehte sich um und setzte sich wieder auf den Schreibtischstuhl.
»Ich könnte die Liste hier digitalisieren«, schlug er vor und hielt ein Blatt in die Höhe, auf dem lauter Zahlen standen.