Feel Again

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Feel Again Page 31

by Mona Kasten


  Er lächelte schwach und nickte dann in Richtung des Hauses. Obwohl er nichts sagte, beruhigte mich seine Anwesenheit. Wie er das machte – es würde mir wohl ewig ein Rätsel bleiben.

  Als ich wieder zu Riley sah, starrte sie uns mit leicht geöffneten Lippen an.

  »Was ist, wird’s bald?«, fragte ich.

  Sofort machte sie kehrt und verschwand in Richtung Haustür. Ich stieß hörbar die Luft aus und folgte ihr. Isaacs Hand verschwand von meinem Rücken, und als ich mich zu ihm umdrehte, wich er meinem Blick aus.

  Wir betraten das Haus und wurden von aufgeregtem Stimmengewirr begrüßt, das aus dem Wohnzimmer in den Flur drang.

  »Wo ist Morgan?«, fragte ich unsicher.

  Riley warf einen Blick über die Schulter. »Der macht sich bei Lawrence fertig.«

  »Sag mir nicht, dass er auch da geschlafen hat?«, sagte ich und zwang meine Lippen zu einem Lächeln.

  Sie schnaubte. »Als ob. Aber das bleibt unser Geheimnis, okay? Die da drinnen dürfen das auf keinen Fall erfahren.«

  Im Wohnzimmer saßen Rileys engste Freundinnen und Brautjungfern Harlow und Janice am Esstisch, auf dem mehrere Sektflöten und ein ganzer Haufen Schminke und Lockenstäbe aufgebaut waren. Sie sprangen auf, als sie mich sahen, und nahmen mich fest in den Arm.

  »Wir haben uns schon ewig nicht mehr gesehen, Sawyer.« Sie strahlten mich an. »Geht’s dir gut?«, fragte Janice, bevor sie ihren Blick zu Isaac schweifen ließ. »Und wer ist dein Begleiter?«

  »Das ist Isaac«, erklärte ich und zeigte mit der Hand auf ihn. Die beiden sahen mich erwartungsvoll an, aber mehr würde ich dazu nicht sagen. Ich war nicht hier, um in allen Details zu erläutern, was zwischen Isaac und mir lief. Nicht einmal Riley hatte ich davon erzählt.

  Isaac stellte sich den beiden höflich vor, bevor Riley mit uns nach oben lief und Isaac eine Mini-Führung durch das Haus gab. Wir stellten unsere Taschen im Gästezimmer ab und begannen dann, uns herzurichten. Kurze Zeit später tauchte Harlows Freund Pete auf, der Isaac unter seine Fittiche nahm, während Janice mir die Haare machte. Da ich eine Abneigung gegen Haarnadeln hegte und generell alles, das meine Bewegungsfreiheit in irgendeiner Weise einengte, kostete es mich große Mühe, sie nicht anzufauchen, während sie an mir ziepte und zerrte. Glücklicherweise hatte jemand bereits den Sekt geöffnet. Der Alkohol half mir, wenigstens ein bisschen runterzukommen. Das, und das aufgeregte Lächeln auf Rileys Gesicht.

  Harlow wollte mein Make-up machen, aber ich schaffte es, sie abzuwimmeln. Ich ließ niemanden an mein Gesicht, der nicht meine Schwester war – und die hatte gerade anderes im Kopf.

  Während im Hintergrund eine Playlist lief, die hundertprozentig Riley im Vorfeld zusammengestellt hatte, und ich großzügig schwarzen Lidschatten verblendete, unterhielten sich Rileys Freundinnen über die Single-Männer, die Janice heute abschleppen wollte.

  »Ich kann nicht glauben, dass ich der einzige Single bin«, sagte sie in einem Tonfall, bei dem man nicht genau wusste, ob sie sich freute oder es eher blöd fand. »Ich meine, wer hätte gedacht, dass ausgerechnet du die Erste bist, die unter die Haube kommt?«

  Riley zuckte bloß mit den Schultern. »Ich sicher nicht. Aber wie sagt man so schön? Wenn du es weißt, weißt du es.«

  Harlow seufzte verzückt. »Ich will auch einen Antrag von Pete bekommen. Mal ehrlich, er sollte sich ein Beispiel an Morgan nehmen.«

  »Ich werde nachher den Part mit dem Brautstrauß überspringen und ihn dir einfach direkt in die Hand drücken, damit er den Wink mit dem Zaunpfahl versteht.«

  Ich schmunzelte.

  »Was ist mit dir, Sawyer?«, fragte Janice und deutete mit ihrem Glas in meine Richtung. Sie saß mir gegenüber am Tisch und wippte mit ihrem Stuhl.

  »Ich freue mich auf den kostenlosen Alkohol«, sagte ich und pinselte weiter an meinem Auge herum, obwohl ich eigentlich längst fertig war.

  Janice verdrehte die Augen. »Du weißt genau, dass ich das nicht gemeint habe. Das war auf den Kerl bezogen, mit dem du hergekommen bist.«

  So gern ich Janice mochte, aber ihre Fragerei nervte mich. Mal ganz abgesehen davon, dass sie das überhaupt nichts anging.

  »Lass meine Schwester in Ruhe und überleg dir lieber jetzt schon einen Plan für nachher. Die Hälfte der Gäste kennt dich. Die andere Hälfte nicht. Willst du lieber was Neues ausprobieren oder eine alte Flamme wieder brennen lassen?«

  Ich warf Riley einen Blick zu, der dankbar und entgeistert zugleich war.

  »Eine alte Flamme wieder brennen lassen? Sag mal, Riley, wie viel Sekt hattest du schon?«, fragte Harlow kichernd.

  Riley sah aus, als würde sie im Kopf zählen. »Wahrscheinlich sollte ich lieber auf Wasser umsteigen.«

  »Gute Idee.« Sofort stand ich auf und ging in die Küche, um ihr welches zu holen.

  Als ich zurückkam, stand ein Mann im Anzug im Wohnzimmer, und es dauerte einen Moment, bis mein Gehirn registrierte, dass es Isaac war.

  Mein Mund klappte auf und wurde ganz trocken, als ich an ihm hinab- und wieder hinaufblickte. Er trug einen graublauen Anzug mit einem weißen Hemd und einer dunkelblauen Fliege. Der Anzug saß perfekt und schmiegte sich an genau den richtigen Stellen an seinen Körper. Hilflos starrte ich ihn an, als mich das Bedürfnis überkam, meine Finger in die Knopfleiste seines Hemds zu haken und es mit Gewalt aufzureißen.

  Isaac entdeckte mich im Türrahmen. Das angedeutete Lächeln rutschte ihm aus dem Gesicht, als er mich in dem schwarzen Kleid, das ich mit Riley gekauft hatte, und den gewellten, halb hochgesteckten Haaren sah. Ich wusste, dass er dasselbe dachte wie ich. Man konnte es ihm an den Augen ablesen. Und als hätte er das gemerkt, wandte er den Blick ab.

  Ich schluckte schwer und stellte das Wasserglas vor meiner Schwester ab. Meine Finger zitterten. Ich musste mich dringend zusammenreißen.

  »Danke, Sawyer«, sagte sie und trank sofort einen großen Schluck. »Isaac, du siehst übrigens großartig aus.«

  »Danke«, sagte er leise und wurde rot.

  Im Komplimente-Annehmen war er nach wie vor nicht sonderlich gut. Aber ich war mir sicher, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis er auch das konnte.

  »Morgan hat mir gerade geschrieben«, sagte Pete, der neben Harlow stand und einen Arm um ihre Taille geschlungen hatte. Er scrollte mit seiner freien Hand über den Bildschirm seines Handys. »Sie sind jetzt unterwegs und schauen in der Scheune, ob alles so weit fertig ist.«

  Alle Farbe wich aus Rileys Gesicht, und die Hand, in der sie das Glas hielt, fing gefährlich an zu zittern. Sofort war ich bei ihr und legte von hinten meine Hände auf ihre Schultern. Beruhigend strich ich mit den Daumen über ihren Rücken. Riley griff nach meiner Hand und klammerte sich daran fest. Sie warf einen Blick über die Schulter und sah mich an.

  »Ich werde heiraten«, flüsterte sie.

  Ich nickte. »Und wie du das wirst.«

  Sie schluckte schwer. »Sawyer, ich muss dir was sagen …«

  »Nicht jetzt«, unterbrach ich sie. »Wir haben danach doch alle Zeit der Welt.« Ich merkte erst, dass ich mit der Stimme nach oben gegangen war und es sich wie eine Frage angehört hatte, als Riley heftig nickte.

  »Ja, natürlich.« Sie stockte. »Es ist nur …«

  »Wir bringen dich jetzt zu deinem Verlobten«, fiel ich ihr erneut ins Wort. »Und dann kannst du mich mit allem volllabern, was dir auf dem Herzen liegt. Okay?«

  Sie zögerte. Aber dann breitete sich ein zaghaftes Lächeln auf ihren Lippen aus. »Okay.«

  Nachdem wir es geschafft hatten, Riley in ihr Kleid zu bekommen, ohne ihre Frisur zu zerstören, machten wir uns auf den Weg zur Location. Isaac und ich nahmen Janice mit, während Pete mit Harlow und Riley fuhr. Ich drehte wie verrückt an den Knöpfen von Isaacs Musikanlage und wechselte alle paar Minuten den Radiosender, weil ich kurz davor stand, vor Nervosität durchzudrehen. Und je näher wir der Scheune kamen, desto schlimmer wurde es. Isaac fragte währenddessen Janice über ihre Arbeit in der Tierklinik aus. Ich versuchte, mich auf seine Stimme
zu konzentrieren, aber das unangenehme Kribbeln in meinem Körper ließ nicht nach, ebenso wenig wie das Pochen hinter meinen Schläfen.

  Der Weg dauerte nur zwanzig Minuten und führte ein Stück am Wasser entlang, bis wir in den Wald einbogen. Leider war das Wetter am Vormittag umgeschlagen, und jetzt war der Himmel dunkelgrau, und es schüttete wie aus Kübeln. Außerdem war es schweinekalt. Ich war froh, dass die Trauung drinnen stattfinden würde, denn in meinem Kleid wäre ich sonst erfroren.

  Auf den letzten Metern waren Lampions zu beiden Seiten des Schotterwegs angebracht, auf denen Rileys und Morgans Initialen leuchteten. Da es so düster war und die Sonnenstrahlen es nicht mehr durch die Wolken hindurchschafften, wirkte der warme Lichtschein der Lampions umso einladender. Wir folgten den handgeschriebenen Holzschildern zum Parkplatz, und Isaac parkte den Wagen.

  Auf dem Weg zur Scheune versanken Janice und ich beide mit unseren Absätzen in dem durchnässten Boden, während Isaac sein Bestes tat und einen Schirm über unsere Köpfe hielt.

  Janice erklärte uns, dass die Trauung in einem kleinen Anbau stattfinden würde und die Feier dann in der großen Scheune, die direkt danebenlag. Da sie beim Aufbauen und Dekorieren geholfen hatte, wusste sie genau, wo wir langgehen mussten. Je mehr sie erzählte, desto schmerzhafter wurde mir bewusst, wie wenig ich an den Hochzeitsvorbereitungen meiner Schwester teilgenommen hatte.

  »Ich wünschte, ich hätte mehr geholfen«, murmelte ich.

  »Du hast doch die Einladungen gemacht«, erwiderte Janice. »Damit hast du Riley viel Arbeit abgenommen.«

  Den Rest des Weges blieb ich still. Allmählich drang die Kälte in meine Knochen und sorgte für eine Gänsehaut auf meinen Armen, die ich versuchte wegzurubbeln. Ich war froh, als wir endlich die Tür zum Anbau aufstießen und den kleinen Raum betraten.

  »Hübsch«, sagte Isaac neben mir, und ich sah mich um.

  Mehrere Reihen von Stühlen waren aufgebaut, wobei man einen breiten Gang in der Mitte frei gelassen hatte, der von der Tür bis ins Zentrum des Raums führte. Dort befand sich eine große Schiebetür, die geöffnet war und vor der Girlanden hingen, die von der Decke bis zum Boden reichten und sich sanft im Wind wiegten. Direkt davor stand ein länglicher Tisch, auf dem Blumen lagen und der mit einem cremefarbenen Tuch überzogen worden war, das im warmen Licht schimmerte. Die restliche Dekoration war schlicht und passte zu dem rustikalen Stil der gesamten Location. Es war genau so geworden, wie Riley es mir beschrieben hatte, und ich liebte es.

  Wir waren viel zu früh, aber vereinzelt nahmen schon ein paar andere in den hinteren Reihen Platz. Ich entdeckte Morgan, der an der Seite stand und mit einer Frau sprach, von der ich annahm, dass sie die Trauung durchführen würde. Als er mich sah, legte er eine Hand auf ihren Arm und sagte etwas, das sie zum Nicken und Lächeln brachte. Danach kam er zu mir.

  Er trug einen schwarzen Anzug, an dessen Jackett eine Ansteckblume befestigt war, darunter ein dunkles Hemd und Hosenträger. Er umarmte mich fest und grinste mich breit an.

  »Du siehst toll aus, Morgan«, sagte ich lächelnd.

  »Kann ich nur zurückgeben«, erwiderte er und sah nun auch Isaac an. »Hey, Mann. Ich bin Morgan.«

  »Isaac. Freut mich, dich kennenzulernen.« Er ergriff Morgans Hand und schüttelte sie fest. »Und, aufgeregt?«

  Morgan zuckte mit den Schultern. »Nah, nicht wirklich. Kann kaum erwarten, dass es endlich losgeht.«

  So war Morgan immer. Ein Fels, den nichts erschüttern konnte. Nicht einmal seine eigene Hochzeit.

  »Wie geht’s Riley?«, fragte er unvermittelt.

  »Super. Sie hat ordentlich Sekt intus«, sagte ich grinsend.

  Er lachte rau. »Das kann ich mir vorstellen.«

  »Sawyer!«, erklang Janice’ Stimme von weiter hinten. Ich fuhr herum und sah, wie sie mich herbeiwinkte.

  »Morgan, kannst du Isaac seinen Platz zeigen? Ich glaube, meine Schwester braucht mich.«

  »Klar«, meinte Morgan und nickte in Richtung der Sitzplätze. »Euer Platz in der ersten Reihe, da vorne ganz links.«

  Isaac nickte und wollte Morgan schon folgen, da packte ich ihn am Arm. Mein Herz klopfte wie verrückt und meine Finger gruben sich in den Stoff seines Anzugs. Er sah mich überrascht an, aber dann veränderte sich etwas in seinem Blick, und seine Augen wurden sanft. Nach einem kurzen Moment schob er seine Hand in meinen Nacken und streichelte mich kurz. Dann ließ er mich los und folgte Morgan zu unseren Plätzen.

  »Ich glaube, alle sind aufgeregter als du und Morgan«, sagte ich, als ich zu Riley in das winzige Badezimmer trat, in das nicht mehr als zwei Personen passten.

  Sie zuckte nur mit ihren Schultern, genau wie ihr Verlobter wenige Minuten zuvor. »Ich freue mich einfach darauf, seine Frau zu werden.«

  Ich nickte und schüttelte gleich darauf den Kopf. Es kam mir vor wie ein Traum, dass meine Schwester tatsächlich heiraten würde. Wir waren zusammen aufgewachsen, hatten zusammen unsere Eltern verloren, hatten zusammen die Zeit bei Melissa durchgestanden und hatten uns geschworen, immer zusammenzubleiben. Und jetzt? Jetzt befand sie sich an einem vollkommen anderen Punkt in ihrem Leben als ich. Es war … einfach unwirklich.

  »Riley, ich wollte dir noch was geben. Etwas Altes«, murmelte ich nach einer Weile und zog die Kette mit dem Medaillon über meinen Kopf.

  Sie erstarrte. Sie wusste genau, wie viel mir diese Kette bedeutete. »Aber ich habe doch das Armband, Sawyer. Du brauchst es mir nicht geben.«

  »Ich möchte, dass du es trägst. Mom hätte das auch gewollt, da bin ich mir ganz sicher«, sagte ich heiser.

  »Ich …« Riley räusperte sich. »Ich weiß nicht, was ich sagen soll.«

  Ich streifte ihr die Kette über den Kopf und drehte das Medaillon richtig herum. Riley nahm es sofort in die Hand und öffnete es. Sie betrachtete die Bilder von uns und das Foto von Mom und Dad. Plötzlich glänzten ihre Augen verdächtig.

  »Ich wünschte, sie könnten heute bei uns sein«, flüsterte sie.

  »Ich auch.«

  In diesem Moment steckte Harlow den Kopf ins Badezimmer. »Ah! Nicht jetzt schon weinen! Dein Make-up!«

  Sofort fächelte ich ihr Luft zu, damit keine der Tränen aus ihrem Auge lief.

  »Mein Gott, sieh uns nur an«, sagte Riley und schüttelte ungläubig den Kopf. »Ich kann nicht glauben, was für Heulsusen wir geworden sind.«

  Ich brummte zustimmend. »Einfach widerlich.«

  Harlow zog eine Braue in die Höhe. »Ihr Dixons habt nicht mehr alle Tassen im Schrank.«

  Ich presste die Lippen zusammen. Gleich würde Riley keine Dixon mehr sein. Sie würde ihren Namen ablegen und Riley Compton werden. In wenigen Minuten würde ich die einzige Dixon sein, die noch übrig geblieben war.

  »Sawyer«, sagte Riley und griff nach meiner Hand. Ich hatte das Gefühl, dass sie noch etwas sagen wollte, aber ich zwang mir ein Lächeln auf meine Lippen und erwiderte den Druck ihrer Finger. »Ich freue mich für euch.«

  Es war nicht gelogen. Aber es fühlte sich auch nicht nach der Wahrheit an.

  Die Musik setzte ein. Die Band, die später auch auf der Party auftreten würde, spielte einen langsamen, gefühlvollen Song, und die Brautjungfern betraten den Raum. Jetzt, wo es voller war und nahezu alle der knapp siebzig Sitzplätze belegt waren, war es angenehm warm. Trotzdem bekam ich Gänsehaut, als ich Harlow und Janice, beide wunderschön in ihren fliederfarbenen Kleidern, langsam den Gang entlangschreiten sah.

  Als sie auf der Hälfte des Weges waren, ließ ich meinen Blick nach vorne zu Morgan wandern. Jetzt wirkte auch er angespannt, und als er in meine Richtung sah, lächelte ich bekräftigend. Er erwiderte es, und sein Brustkorb hob sich, als er einen tiefen Atemzug nahm.

  Als Harlow und Janice vorne angekommen waren, drehten sie sich erwartungsvoll zur Tür. Die Band begann ein langsames Lied zu spielen, bei dem ich sofort eine Gänsehaut bekam. Als Riley mit Morgans Vater am Arm im Eingang erschien, standen alle Gäste auf und drehten sich, um sie ansehen zu können.

  Eine
n Augenblick lang fürchtete ich, Riley könnte sich umdrehen und davonlaufen, so angespannt wirkte sie. Aber dann erblickte sie Morgan, und der Ausdruck auf ihrem Gesicht verwandelte sich in pures Glück. Ihre Augen leuchteten auf und man sah ihr an, dass sie am liebsten nach vorne rennen und ihm um den Hals fallen würde. Glücklicherweise hielt sein Dad sie fest und tätschelte beruhigend die Hand, die sie bei ihm untergehakt hatte.

  Ich hielt die ganze Zeit den Atem an. Als Riley vorne ankam und ihren Schwiegervater auf die Wange küsste, sagte er zu ihr: »Ich freue mich sehr, ab heute eine weitere Tochter zu haben.«

  Der Schmerz in meinem Herzen traf mich völlig unvorbereitet. Ich zuckte zusammen und spürte sofort Isaacs Blick auf mir.

  »Danke«, krächzte Riley. Dann übergab er ihre Hand an Morgan.

  Und da stand sie. Meine wunderschöne Schwester, neben dem wichtigsten Menschen in ihrem Leben. Während ich hier unten saß und zusah.

  Morgan murmelte etwas, das sie zum Lachen brachte. Ich konnte ihr Gesicht nicht richtig sehen, aber ihre Schultern bebten. Während sie sich zu Harlow drehte und ihr den Brautstrauß reichte, warf sie mir ein Lächeln zu. Sie berührte kurz das Medaillon, und ich lächelte tapfer zurück, auch wenn es sich so anfühlte, als würde mein Herz dabei an mehreren Stellen bröckeln. Dann verstummte die Musik, und die Hochzeitsrednerin fing an zu sprechen. Ihre Worte flogen wie im Rausch an mir vorbei, selbst die Traufrage, die beide natürlich mit »Ja« beantworteten, nahm ich nur mit einem Ohr wahr. Erst als die Gäste um mich herum in Gelächter ausbrachen, holte mich das aus meinem tranceartigen Zustand zurück in die Gegenwart.

  Ich beobachtete, wie Morgen mit einem verschmitzten Grinsen einen Zettel in seine Anzugtasche stopfte – anscheinend hatte er so getan, als könnte er sich nicht an sein Eheversprechen erinnern und müsste es ablesen. Dann wurde sein Blick wieder ernst, und er räusperte sich. Er sah Riley fest in die Augen, als er ihre Hände in seine nahm.

  »Riley«, fing er an und musste sich noch einmal räuspern. Er lächelte und fuhr dann fort: »Als wir uns kennengelernt haben, wusste ich sofort, dass du die Frau bist, mit der ich mein Leben verbringen möchte. Du hast lange gebraucht, um das zu verstehen, aber nun … stehen wir hier. Und ich bin der glücklichste Mann der Welt, weil ich immer noch nicht glauben kann, dass du tatsächlich Ja gesagt hast.« Für einen kurzen Moment flackerte etwas Dunkles in seinem Blick auf, und seine nächsten Worte fühlten sich an wie ein Faustschlag in meine Magengrube: »Ich weiß, dass das Leben nicht immer fair zu dir und deiner Familie war. Ich weiß, dass du und Sawyer Dinge durchmachen mussten, die ich niemandem wünschen würde. Und nicht nur deshalb verspreche ich, dir vom heutigen Tag an für immer eine Stütze zu sein. Ich verspreche dir, dich zu ermutigen, dir zu vertrauen und dich zu respektieren. Ich verspreche dir, deine Familie zu sein, an deiner Seite zu wachsen, mit dir immer auf Augenhöhe zu sein. Ich werde mich um dich kümmern und mich gemeinsam mit dir allen Herausforderungen stellen, die uns das Leben entgegenwirft. Ich liebe dich.«

 

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