by Kiefer, Lena
»Wer sonst?«, sagte Finlay und steuerte den Jeep um die Kurve, um uns von dem Hotelkomplex wegzubringen. »Ich bin schließlich der König der Ablenkungen, und da vorne war ein ganzer Haufen Kiesel, der mich so nett angelächelt hat. Könnte allerdings sein, dass Davidges Protzkarre ein paar Kratzer abgekriegt hat, als ich einen Stein dagegen geworfen habe.« Er grinste.
»Hausfriedensbruch, Spionage, Sachbeschädigung«, zählte ich auf. »Wir sind echt eine super Truppe.« Dann drehte ich mich nach hinten zum Rücksitz um. »Alles okay bei dir?«, fragte ich Kenzie.
»Ja, klar.« Sie lächelte, wenn auch nur zaghaft. Ich hatte keine Ahnung, ob das an diesem Moment zwischen uns lag oder an der generellen Situation. Oder doch, ich hatte eine Ahnung. Aber die gefiel mir so wenig, dass ich sie einfach verdrängte.
»Was habt ihr rausgefunden?«, fragte Finlay. Bevor jedoch einer von uns etwas sagen konnte, winkte er schon wieder ab. »Wartet, ich brauche erst mal etwas zu essen. Ich bin total ausgehungert.«
»Du hast nur im Auto gewartet«, erinnerte ich ihn.
»Das ist nicht wahr, schließlich habe ich dafür gesorgt, dass ihr abhauen könnt. Also sei nicht so knauserig, sondern lade mich gefälligst zu ein paar griechischen Spezialitäten ein.«
Da ich ebenfalls etwas zu essen vertragen konnte und Kenzie auch einwilligte, wehrte ich mich nicht weiter. Etwa zwanzig Minuten später fuhren wir durch einen kleinen Ort und fanden ein hübsches Restaurant mit Terrasse. Dort suchten wir uns einen Tisch am Rand mit Blick aufs Meer und bestellten Getränke und ein paar Kleinigkeiten als Vorspeisen.
»Okay, jetzt.« Finlay ließ ein gefülltes Weinblatt in seinem Mund verschwinden. »Waff hat Davipf für Dreck am Ftecken?«
»Er hat keine Manieren beim Essen?«, antwortete ich sarkastisch und brachte Kenzie damit immerhin zum Lächeln. Finlay nahm sich einfach das nächste Weinblatt und ignorierte mich.
Kenzie atmete ein. »Als ich im Gebäude war, habe ich Davidge und eine Frau miteinander sprechen hören. Das war eigentlich nicht sonderlich spannend, sie haben nur über eure Familie hergezogen und dass man Dora auf jeden Fall zuvorkommen muss, weil sie sonst in allen Magazinen Artikel bekommt und Davidge in die Röhre guckt. Oh, und dass die Griechen ihm die Füße küssen, weil er sich dazu herablässt, hier ein Hotel zu bauen – und ihm deswegen bestimmt nichts ankreiden.« Sie verdrehte die Augen. »Aber eine Sache war interessant. Sie haben gesagt, ihr Kontakt im Kefi Palace hätte ihnen gesagt, der Eröffnungstermin wäre auf keinen Fall für uns zu schaffen.«
»Ihr Kontakt?« Mir lief es kalt den Rücken runter. »Das heißt, die haben jemanden bei uns, der ihnen Infos gibt?«
»Sieht so aus.« Kenzie machte ein unglückliches Gesicht. »Ich weiß nur nicht, wer. Niemandem aus Doras Team würde ich das zutrauen. Vielleicht einer von den Handwerkern?«
Finlay wischte sich die Finger an einer Serviette ab und runzelte die Stirn. »Du schließt das Team von vornherein aus? Warum?«
Sie lehnte sich vor. »Na, überleg doch mal … wer würde es sich denn mit Dora versauen, nur um ein bisschen Kohle von Davidge zu bekommen? Sie ist einer der großen Namen in der Branche, sie kennt alle, oder nicht? Wer es sich mit ihr verscherzt, kann seine Zukunft gleich auf den Müll werfen.«
»Auch wieder wahr.« Finlay überlegte. »Damit bleiben wirklich nur die Handwerker.«
Die beiden redeten weiter miteinander, aber ich hörte nicht mehr zu. Weil eine plötzliche Erkenntnis wie eine kalte Faust nach meinen Eingeweiden griff. Wenn Davidge einen Maulwurf bei uns hatte, dann brauchte er keinen Spitzel, der über den Zaun kletterte und sich auf dem Gelände herumtrieb. Wozu einen Typen schicken, der bei uns spionierte, wenn man direkt an der Quelle saß? Das ergab keinen Sinn.
Also ging es am Ende doch um mich? Behielt mich jemand im Auge? Aber wer? Und warum? Ich hatte keine Ahnung. Nur ein drängendes Gefühl.
Ein Gefühl, dass das Ganze nicht gut für mich ausgehen würde.
22
Kenzie
Finlay und ich wurden von unseren Überlegungen kurz abgelenkt, weil wir klären mussten, wer das letzte gefüllte Weinblatt bekommen sollte – als ich sah, dass Lyall plötzlich blass wurde. Finlay war jedoch schneller.
»Lye, was ist los?«, fragte er. Ich überlegte, ob die beiden so eine besondere Verbindung zueinander hatten wie meine Schwestern und ich – dass man direkt spürte, wenn mit dem anderen etwas nicht in Ordnung war. Wahrscheinlich war es so, schließlich waren sie einen großen Teil ihrer Jugend zusammen aufgewachsen.
»Nichts.« Lyall zwang sich ein Lächeln auf das Gesicht.
»Lüg mich nicht an.« Finlay legte die Stirn in Falten, aber dann zuckte Lyalls Blick zu mir und ich ahnte: Das war etwas, das mich nichts anging. Was mir einen Stich versetzte, nach allem, was er schon früher vor mir verheimlicht hatte. Trotzdem schob ich meinen Stuhl zurück und stand auf.
»Ich lasse euch mal kurz allein reden«, sagte ich, aber da legte sich eine Hand auf meine, sanft und warm, und ein bittender Blick traf mich.
»Nein, bleib. Ich habe keine Geheimnisse vor dir.« Ein leises Zögern folgte diesen Worten. »Nicht mehr.«
Wie ferngesteuert sank ich wieder auf meinen Stuhl, nicht in der Lage, zu verhindern, was da gerade passierte – was schon seit Tagen passierte. Etwas zwischen Lyall und mir veränderte sich ganz langsam, und einem Teil von mir gefiel das sehr gut. Dieser Teil witterte bei jedem Augenkontakt, jeder Berührung, jedem Lächeln, jedem Wort aus seinem Mund Morgenluft. Und der andere Teil von mir, der immer noch zutiefst verletzt war, wurde stiller. Ich wusste nicht, ob es daran lag, dass Lyall jetzt wieder in meiner Nähe war, an seinem freundlichen Verhalten mir und allen anderen gegenüber, an der bedingungslosen Zuneigung, die sein bester Freund ihm entgegenbrachte, an diesen Momenten zwischen uns … aber die Stahltür, die ich nach unserer letzten Begegnung im Sommer hinter mir geschlossen hatte, schien einen Spalt aufgehen zu wollen.
Ich wehrte mich jedoch mit aller Macht dagegen, dem nachzugeben. Denn ich wusste, jemand, der einmal log, der log auch wieder. Von dem Schmerz ganz zu schweigen, den er mir zugefügt hatte.
Mühsam riss ich meinen Blick von seinen Augen los und nahm mein Glas, um einen Schluck Cola zu trinken. Schluss jetzt damit. Es ist vorbei, sieh es endlich ein.
»Also, was ist los mit dir?«, fragte Finlay seinen Cousin, und mir wurde klar, dass dieser Moment zwischen Lyall und mir für einen Unbeteiligten kaum eine Sekunde gedauert haben konnte.
»Mir ist gerade klar geworden, dass der Typ, den ich gestern auf dem Gelände erwischt habe, nicht von Davidge kam. Er braucht schließlich keinen Spion von außen, wenn er die Infos direkt aus dem Hotel bekommt. Und das bedeutet … irgendjemand beschattet mich. Jemand, der schlau genug ist, den Typen so zu instruieren, dass er lügt, wenn er erwischt wird, um den Verdacht auf Davidge zu lenken.«
Finlay sah ihn an. »Dann glaubst du … es waren dieselben Leute wie in Chicago?«
Ich kam nicht ganz mit. »In Chicago?«, fragte ich.
Lyall nickte, sah mich aber nicht an. »Bevor ich hergekommen bin, wurde ich nachts auf dem Weg nach Hause von jemandem beobachtet und verfolgt. Ich habe den Spieß umgedreht, aber ich konnte ihn nicht erwischen.«
Finlay runzelte die Stirn. »Wir dachten, es wäre jemand, der von Moira oder Grandma einen Tipp bekommen hat, damit Sophia und Lyall direkt auf allen Titelseiten landen, wenn ihre Verkupplungsnummer Erfolg gehabt hätte.«
»Wer ist Sophia?«, fragte ich, ohne darüber nachzudenken.
»Niemand«, knurrte Lyall.
»Sie ist eine von denen, die ein großes Interesse daran haben, Teil unserer Familie zu werden.« Finlay fing meinen Blick auf. »Guck nicht so, Kenzie. Was glaubst du, wie oft das passiert? Ich bekomme pro Jahr ungefähr dreißig Frauen vorgestellt, in die ich mich am besten sofort verlieben soll, weil sie gut fürs Unternehmen wären.«
Ich dachte daran, dass das bei Finlay wohl ein aussichtsloses Unterfangen war, weil er sein Herz rettungslos an Edina verloren hatte. Aber es schockierte mich immer wieder, wenn ich hörte, wie bei den Hendersons aus dem Hintergrund die Fäden gezogen wurden.
Alle glaubten, reichen Leuten stand in jeder Hinsicht die Welt offen. Aber am Ende waren sie viel weniger frei als wir normalen Menschen.
»Geht mich ja auch nichts an«, murmelte ich und warf einen flüchtigen Blick zu Lyall, dessen Gesicht ganz hart war. Ich wusste, wie sehr er es hasste, nicht selbst über sich entscheiden zu dürfen. Offensichtlich war diese Verkuppelungsaktion nicht in seinem Sinne gewesen. »Aber wer sollte dich denn sonst verfolgen?« Mir kam ein furchtbarer Gedanke. »Etwa jemand aus Adas Familie?«
Er zuckte zusammen, als ich ihren Namen sagte, und fast tat es mir leid, dass ich ihn erwähnt hatte. Bis mir einfiel, dass dieser Name für alles stand, was zwischen uns kaputtgegangen war – und dass es allein Lyalls Schuld war. Jetzt schüttelte er den Kopf. »Nein, sicher nicht.«
»Wer dann?« Finlay sah ratlos aus.
»Keine Ahnung. Aber ich komme schon dahinter.« Lyall schien die Frage in seinem Kopf zu verstauen. »Wichtiger ist es, den Verräter zu finden, der Davidge Infos über Mums Projekt steckt.«
»Sie haben keinen Namen genannt.« Ich hob die Schultern. »Nicht einmal ein Geschlecht.«
»Sag mir noch mal, was sie genau gesagt haben«, bat er mich.
»Dass deiner Mum die Sache mit den Arbeitern recht geschehen würde, wenn sie hier auf der Insel ein Hotel eröffnet, wo Davidge sich breitmachen wollte. Und dann sagte die Frau Unser Kontakt im Kefi Palace sagt, sie könnten niemals am 10. Juni eröffnen .«
Lyall sah nachdenklich aufs Meer hinaus, als versuchte er, einen Gedanken zu fassen zu bekommen, der nicht leicht zu greifen war. Dann hellte sich sein Gesicht plötzlich auf. »Der 10. Juni.«
»Was ist damit?«, fragte Finlay irritiert.
»Kenzie, wusstest du, dass die Eröffnung am 10. Juni sein sollte?« Lyall schaute mich an.
»Klar, Dora hat gesagt, bis Juni sollte alles fertig sein.«
»Ja, aber hat sie dabei das genaue Datum erwähnt?«
Ich überlegte, aber dann schüttelte ich den Kopf. »Nein, ich glaube nicht.«
»Siehst du, ich wusste es auch nicht. Aber es gibt jemanden, der das wusste. Und der ist Davidges Maulwurf.« Er nahm sein Handy und wählte eine Nummer. Es dauerte nicht lange, bis jemand dranging. »Mum? Nur ganz kurz: Wer wusste alles von dem Neueröffnungstermin des Kefi? Von dem genauen Termin?« Er hörte zu, dann schüttelte er den Kopf. »Das erzähle ich dir später, wenn ich Genaueres weiß. Ich ruf dich wieder an.«
»Und?«, fragten Finlay und ich gleichzeitig ungeduldig.
»Nur eine Person wusste bislang, wann das Hotel neu eröffnet werden soll«, sagte Lyall und machte es spannend. »Und das war Nikolaos.«
»Nikolaos?«, stieß ich hervor. »Aber er hat deiner Mum das Kefi Palace doch verkauft. Was für ein Interesse hätte er, ihr das nun zu versauen? Nein, er war das ganz sicher nicht.« Er war neulich da gewesen, ein netter, älterer Herr, dessen Leben dieses Hotel gewesen war. Ich konnte nicht glauben, dass er uns verraten würde. Zu welchem Nutzen denn auch?
Lyall verengte die Augen.
»Hm, wer dann? Glaubt ihr wirklich, einer von den Handwerkern ist ein Spion?«
Finlay legte die Serviette hin.
»Uns bleibt nur eins: Wir müssen denjenigen aus der Reserve locken.«
»Du meinst, wir geben Falschinfos raus?«, fragte Lyall.
»Der Klassiker.« Sein Cousin grinste. »Sieht so aus, als würde ich mal mit ein paar Leuten im Hotel reden müssen, um ihnen Flöhe ins Ohr zu setzen. Ich hatte ja keine Ahnung, dass meine Talente hier so dringend gebraucht werden.«
Er sah aus, als hätte man ihm ein richtig tolles Geschenk gemacht, und ich musste grinsen, als ich es bemerkte. Lyall schien indes schon zu einem anderen Punkt gesprungen zu sein.
»Hast du das auch gehört, als Davidge über die Poolanlage geredet hat?«, fragte er mich.
»Ja, natürlich«, antwortete ich. In dem Moment war meine Aufmerksamkeit zwar durch Lyalls Nähe abgelenkt gewesen, aber ich hatte es mitbekommen. »Davidge sagte, wenn jemand herausfinden würde, dass sie sich beim Pool nicht an die Vorgaben gehalten haben, wären sie dran. Denkst du, er hat irgendetwas Illegales getan?«
Lyall atmete ein. »Schwer zu sagen. Es gibt eine Menge Vorschriften für Poolanlagen. Es würde ihm ähnlichsehen, sie zu umgehen, um Kosten oder Zeit zu sparen. Wenn er vielleicht zu tief gräbt, ohne eine Genehmigung zu haben …« Er ließ den Satz auslaufen, dann stand er plötzlich auf. »Wir sollten zurückfahren. Ich muss was überprüfen.«
»Was?« Finlay sah zu ihm hoch. »Wir können nicht gehen. Ich hatte noch gar kein Hauptgericht!«
»Ich lasse dir etwas zum Mitnehmen einpacken«, sagte Lyall fast schon ein bisschen herzlos, dann war er bereits in das Innere des Restaurants unterwegs, um unsere Rechnung zu begleichen. Als er wieder herauskam, hatte er eine Pappschachtel in der Hand und einen mehr als entschlossenen Ausdruck auf dem Gesicht.
»Gehen wir.«
Finlay und ich wechselten einen Blick, aber schließlich blieb uns nichts anderes übrig, als Lyall zu folgen.
In den nächsten vier Tagen war so viel zu tun, dass ich kaum noch Kapazitäten hatte, über Lyall nachzudenken – was kurios war, denn ich verbrachte so viel Zeit mit ihm wie nie. Unsere Mission war jetzt das Wichtigste, und wir waren mit Feuereifer dabei, Davidge die Tour zu versauen. Lyall und ich redeten eine Menge, wenn auch nicht über uns, beratschlagten uns mit Finlay und es wurde mit jedem Tag normaler, zusammenzuarbeiten. Ich merkte, dass ich mich an seine Nähe gewöhnte, obwohl ich alles daransetzte, innerlich auf Abstand zu bleiben. Hilfreich dafür war sein Cousin, der unsere kleine Task Force zum Trio ergänzte und grundsätzlich jede aufgeladene Situation durch seine bloße Anwesenheit entschärfte.
»Gibt es Neuigkeiten von der Front?« Finlay kam aus der Tür und gab uns jeweils eine Flasche Mythos Bier. Am Abend hielten wir neuerdings Kriegsrat in Lyalls und Finlays Zimmer, um den aktuellen Stand auszutauschen. Und da es heute warm genug war, um draußen zu sitzen, hatten wir den Balkon gewählt. Er lag am Tennisplatz und man konnte uns hier nicht belauschen, ohne entdeckt zu werden.
Lyall nahm die Flasche entgegen und setzte sich auf einen der drei Stühle. »Ich habe ja direkt nach unserem Besuch bei Davidge nachgeforscht, aber die Gesetze sind endlos und mein erster Impuls ließ sich nicht gleich bestätigen, also habe ich heute mit einem meiner Dozenten telefoniert. Er ist seit ungefähr hundert Jahren Bauleiter und kennt so ziemlich jede Vorschrift, die es für den Bau von Poolanlagen geben kann. Da sind unzählige Dinge, gegen die man verstoßen kann, aber am schlimmsten ist es, wenn du ein Grundstück kaufst, das mit irgendetwas belastet ist – und du das nicht entsprechend beseitigst.«
»Und das hat Davidge getan?«, fragte ich und öffnete meine Flasche, bevor ich einen Schluck von dem griechischen Bier nahm.
»Das werden wir hoffentlich bald wissen. Ich habe mich als Kaufinteressent des freien Nebengrundstücks ausgegeben und bei den Behörden nachgefragt, die zum Glück genug Englisch konnten, um mich zu verstehen. Es gab dort tatsächlich einen kleinen Müllabladeplatz, wo so ziemlich alles gelandet ist – Schrott, Elektrogeräte, Chemikalien, Bauschutt. Deswegen gibt es für das ganze Gebiet die Auflage, eine Bodenprüfung vorzunehmen und so viel Erdreich abzutragen, dass es keine Gefahr für die Umwelt oder die Menschen darstellt, die dort Urlaub machen. Dreimal dürfen wir raten, was der alte Sack mit so einer Anordnung macht.«
»Er wischt sich damit den Hintern ab«, vermutete ich trocken.
Lyall lachte, ebenso wie Finlay. »Vermutlich. Ich habe ihn über einen Bekannten melden lassen und die hiesigen Behörden werden es prüfen. Genaueres werden wir wissen, sobald Mum etwas von ihrem Insider bei Davidge hört.«
»Sie hat einen Insider bei Davidge?« Da wurde einem ja schwindlig vor lauter Intrigen.
»Klar.« Finlay winkte ab. »Das ist in so großen Firmen eigentlich ganz normal – man liefert sich immer einen Wettlauf darum, herauszufinden, wer deine Infos verkauft. Aber das hier ist anders, persönlicher. Davidge weiß, dass es Doras Solo-Projekt ist, und sabotiert sie deswegen ganz gezielt. Er kommt einfach nicht damit klar, dass wir in einer ganz ander
en Liga spielen als er.«
»Was ist eigentlich mit dem Verräter in unseren Reihen?«, fragte ich ihn. »Bist du weitergekommen?«
Finlay sah mich an. »Der ganze Kram mit den Falschinfos ist ein sehr komplexes Feld, meine Liebe, das braucht seine Zeit. Aber ich habe unterschiedlichen Leuten verschiedene Informationen untergeschoben, und wenn alles so läuft, wie ich es geplant habe, sollten wir bald mehr wissen. Bis dahin ist es ratsam, so zu tun, als wäre alles in Ordnung.«
Lyall und ich zogen ihn damit auf, dass er immer so tat, als wäre er der Held in einem Agenten-Film, wir kamen auf TV-Serien zu sprechen, die besten Staffeln zum Wegsuchten und quatschten über hundert andere Sachen. Aber irgendwann sah ich auf die Uhr und stand auf. »Ich sollte mal langsam rüber.«
»Um zehn?«, stöhnte Finlay. »Komm schon, Kenzie, bleib noch ein bisschen. Lyall und ich öden uns total an, wenn wir allein sind. Oder er zwingt mich, mit ihm den Stoff für diese Klausur durchzugehen, die er noch schreiben muss.«
»Aww, du armer Kerl.« Ich lachte und zauste Finlay die blonden Haare, aber Lyalls Blick ließ mich in der Bewegung innehalten. Es war keine Eifersucht im klassischen Sinne – er wusste genau, sein Cousin und ich hatten ausschließlich freundschaftliche Gefühle füreinander. Nein, es war etwas anderes. Bedauern. Ein Bedauern, das mich meine Hand zurückziehen ließ. »Ich muss mich endlich an meinen Entwurf für die Villa machen«, erklärte ich. »Die anderen sind alle schon fertig.«
»Na, dann: für die Kunst. Mach mich stolz.« Finlay prostete mir zu, und Lyall stand auf, um mich zur Tür zu bringen.
»Habe ich mich eigentlich schon dafür bedankt, dass du uns hilfst?«, fragte er, als wir das Zimmer durchquert hatten.
»Hast du«, lächelte ich und drückte die Klinke herunter. »Und ich habe dir gesagt, dass ich es gern tue. Deine Mum hat es nicht verdient, dass man ihr dieses Projekt versaut.«