by Kiefer, Lena
»Vielleicht doch noch mal die goldene«, murmelte ich und griff danach, um sie auf der niedrigen Kommode zu platzieren. Sie passte aber immer noch nicht perfekt zu dem grauen Bett mit dem gepolsterten Kopfteil und den tiefblauen Sitzmöbeln im Chesterfield-Stil, die ich ausgesucht hatte. Goldene Accessoires gaben dem Raum Wärme, genau wie die Nacht- und Beistelltischchen aus Olivenholz und der Frisiertisch von Ioannis, den ich aufgearbeitet und neu lackiert hatte. Als Kleiderschrank hatte ich nicht auf eines der Modelle aus dem Katalog zurückgegriffen, sondern einen griechischen Bauernschrank gewählt, der nun gegenüber vom Bad stand. Ich war mit allem in »meiner« Villa mehr als zufrieden, scheiterte aber nun an der Dekoration. Das war doch wirklich zum Verrücktwerden.
»Unentschlossen, Kenzie?«
Ich wandte mich um und schaute zu Theodora, die gerade hereingekommen war und lächelte, als sie mich da mitten im Raum stehen sah.
»Ich kann mich nicht für eine Vase entscheiden. Die goldene ist ziemlich dominant, die graue zu unauffällig und die blaue eigentlich zu groß.«
Sie trat neben mich und legte die Stirn in Falten.
»Okay. Und was tust du jetzt?«
»Keine Ahnung. Vermutlich eine weitere halbe Stunde darüber nachdenken und dann immer noch keine Entscheidung treffen?« Ich sah sie an. »Was würdest du tun?«
Theodora legte den Kopf schief. »Mir hilft es immer, wenn ich einen Schritt zurücktrete. Nicht im räumlichen Sinne, sondern gedanklich in der Entscheidungskette.«
»Du meinst, ich sollte mir keine Gedanken darüber machen, welche Vase passt, sondern mir überlegen, ob eine Vase überhaupt passt?«
»Genau das.« Theodora nickte. »Ich habe drüben bei Martha ein paar Stücke gesehen, die dir gefallen könnten. Warte kurz.« Sie ging, und ich lehnte mich an die Rückseite des Sofas, das mit Blick nach draußen mitten im Raum stand. Da ich schon seit einer Weile keine dreckigen Klamotten mehr bei der Arbeit trug, durfte ich das sogar.
Die letzten zwei Wochen waren einerseits wie im Flug vergangen und andererseits so schön gewesen, dass ich mir hoffentlich jeden Moment gut genug eingeprägt hatte, um mich auch noch in Jahren daran erinnern zu können. Das Hotel hatte sich mit all den tatkräftigen Händen zu genau dem traumhaften Ort entwickelt, den sich Theodora vorgestellt hatte. Die Arbeit mit ihr war so inspirierend, wie ich es mir erhofft hatte, und obwohl wir vorher schon fleißig gewesen waren – seit ihrer Rückkehr sprudelte die Kreativität nur so aus uns heraus. Deswegen hatten wir auch alle eine eigene Villa bekommen, um sie einzurichten, unter den strengen Augen unserer Mentorin, die sogar Elliott einige seiner vielen Möbel hatte ausreden können. Okay, sie hatte ihm gedroht, nie wieder mit ihm zu reden. Aber das Ergebnis zählte.
Und dann war da natürlich Lyall. Immer und immer wieder Lyall. Bei der ganzen Arbeit hatten wir nicht so viel Zeit füreinander, wie wir es uns wünschten, aber wir nutzten jede Sekunde, jeden freien Abend und jede verdammte Nacht. Wir redeten, öffneten uns, kamen einander auf jede erdenkliche Weise näher. Und ich verliebte mich mit jeder Frage, mit jeder ehrlichen Antwort, mit jedem Blick in seine schwarzen Augen und jedem Morgen, an dem ich neben ihm aufwachte, noch mehr in ihn.
Aber schon übermorgen würde das alles vorerst enden, denn dann musste ich zu meinem Interview nach London fliegen und auch die anderen reisten ab. Wir waren fertig mit unserer Arbeit, für uns gab es hier nichts mehr zu tun – und Lyall musste ebenfalls zurück nach Chicago, um seine entscheidende Klausur zu schreiben. Aber schon in drei Wochen würden wir uns zur Eröffnung hier im Kefi Palace wiedersehen und dann hoffentlich mehr darüber wissen, wie es weiterging.
»Hier.« Theodora war zurück, in den Händen ein kugelförmiges Korbgeflecht, eine halbhohe Statuette aus Olivenholz und zwei blau-weiße Keramikschalen. »Vielleicht ist da was dabei.«
Ich besah mir die kleine Statue genauer. Das Holz war glatt poliert und fühlte sich warm in der Hand an. Es war eine stilisierte Ballerina, die ihre Arme nach oben reckte – wie man diese Position nannte, wusste ich nicht, obwohl Juliet ein paar Jahre Ballett gemacht hatte. Die gemusterten Schalen waren auch sehr hübsch, aber da sie flach waren und der Wohnraum einige Stufen tiefer lag, würde man sie von unten nicht sehen. Und die geflochtene Kugel erinnerte mich an diese Dinger, die durch die Wüste rollten.
»Ich glaube, die ist gut.« Vorsichtig platzierte ich die Statuette auf dem Möbelstück und trat dann die Treppe hinunter, um mir das Bild von dort aus anzusehen. »Was meinst du?«
Theodora nickte. »Gefällt mir sehr gut. Vor allem hast du dann das Holz wieder aufgegriffen und somit einen organischen Punkt in all dem Grau und Weiß.«
Ich atmete aus.
»Das heißt dann wohl … ich bin hier fertig.« Es war ein komisches Gefühl, das auszusprechen, denn es bedeutete nicht nur den Abschluss der Arbeit an dieser Villa, sondern auch meiner Zeit auf Korfu. Einer Zeit, die als Flucht aus England begonnen hatte und am Ende zu einer der schönsten meines Lebens geworden war.
»Und, bist du zufrieden?«, fragte Theodora mich.
Ich drehte mich einmal um die eigene Achse und nahm mit kritischem Blick alles in Augenschein. Aber obwohl mein Perfektionismus mir oft den Spaß verdarb, konnte ich jetzt nichts mehr finden, das mich störte. Vielleicht auch, weil Lyalls Mutter mir in der letzten Woche ungefähr hundertmal gesagt hatte, dass man irgendwann loslassen musste.
»Ja«, sagte ich. »Ich bin zufrieden.«
»Das bin ich auch. Sehr sogar.« Sie lächelte. »Ich hoffe, du weißt, dass dir meine Tür immer offensteht. Ob im Studium, danach für einen Job – oder wenn du dich mal über meinen Sohn beschweren möchtest.«
Ich musste lachen. »Gut zu wissen. Auf die ersten zwei Sachen komme ich bestimmt zurück.«
Theodora lachte mit, aber sie wurde sehr bald wieder ernst. »Ich habe Lyall noch nie so glücklich gesehen wie jetzt. Und ich hoffe, ihr bleibt zusammen und lasst euch nicht von Geheimnissen und Intrigen auseinanderbringen, wie es bei den Hendersons gerne der Fall ist.«
»Bestimmt nicht«, sagte ich leichthin und nahm den Karton, in dem die Kissenhüllen gewesen waren, um ihn wegzuräumen. Lyall und ich hatten das schlimmste Geheimnis längst überstanden, obwohl Theodora davon nichts wusste. Wir würden auch alles andere hinkriegen.
»Dora?« Bella stand in der Tür. »Weißt du noch, ob wir einen oder zwei von den grauen Gropius-Sesseln bestellt hatten? Elliott hat ihn sich unter den Nagel gerissen und behauptet, es wäre seiner. Aber ich bin mir sicher, dass der aus meiner Bestellung ist.«
Theodora seufzte. »Sag doch gleich, dass ihr mal wieder einen Schiedsrichter braucht.« Ich grinste, und sie verdrehte kurz die Augen, bevor sie nickte. »Kenzie, das war wirklich hervorragende Arbeit. Und ganz ohne das Drama, das andere produzieren.« Sie schaute demonstrativ zu Bella, aber ihre mütterliche Zuneigung zu der Italienerin machte dem strengen Blick einen Strich durch die Rechnung. »Wir sehen uns spätestens heute Abend bei der Party am Strand.«
Die beiden verschwanden, und auch, wenn ich Ewigkeiten hier hätte stehen, mir die Villa ansehen und über die Stoffe der Vorhänge, der Couch oder die Bettwäsche streichen können, gab es doch etwas, was ich noch lieber sah als ein nahezu perfekt eingerichtetes Zimmer. Oder eher, jemanden .
Ich verließ die Villa, grüßte im Vorbeigehen den Trupp Gärtner, der letzte Hand an die Beete legte, und wandte mich in Richtung des Pools. Dabei kam ich an den Bungalows vorbei, deren Fassaden nach dem Brand einen frischen Anstrich bekommen hatten und sogar innen mittlerweile fast fertig renoviert waren. Auch von den zerstörten Schuppen war nichts mehr zu sehen, und dank Rollrasen und neuen Olivenbäumen war der Ausblick nun wieder richtig schön. Trotzdem fröstelte es mich meistens, wenn ich hier vorbeikam. So als würden diese Nacht und das verheerende Feuer auf ewig in meinem Kopf bleiben. Den Schuldigen der Brandstiftung hatte man noch nicht gefunden – Clea hatte ein Alibi, weil sie Lyalls Drohung ernst genommen und die Insel verlassen hatte, und Davidges Leute konnte die Polizei ohne eindeutige Beweise nicht überführen – aber es hatte keine weiteren Anschläge mehr gegeben, und nachdem Theodora die Zäune reparieren u
nd mit Überwachungstechnik hatte ausstatten lassen, fühlten wir uns sicher.
Der Pool war mittlerweile ein wahrer Urlaubstraum – gefliest mit blau melierten Kacheln und bestückt mit kleinen Inseln, in die Palmen gepflanzt worden waren. Letzten Schliff brauchte allerdings noch die neue Poolbar, die erst vor ein paar Tagen fertig geworden war. Und hier würde ich vermutlich Lyall finden, der mir gesagt hatte, dass er dabei helfen wollte, das Mobiliar zusammenzubauen.
Allerdings sah ich ihn nicht, nur die Handwerker, die ein Loungesofa in Richtung Bar trugen, und den Wasserinstallateur, der mit dem halben Körper unter der Spüle steckte.
»Hast du Lyall gesehen?«, fragte ich Fliesenguru Wilbur, der gerade an mir vorbeikam, eine Kiste mit Zierkacheln auf dem Arm.
»Ich glaube, der wollte runter zur Strandbar, weil dort im Lager noch neue Zapfanschlüsse liegen.«
Also weiter. Ich bedankte mich, stieg die schmale Treppe hinunter, die hinter der Poolbar zum Strand führte und nur dem Personal vorbehalten sein würde, und landete direkt an der Tür zum Lager. Der Raum dahinter war dunkel, und meine Augen brauchten einen Moment, um sich an das spärliche Licht zu gewöhnen. Dann bahnte ich mir einen Weg durch die Regalreihen.
»Lyall? Bist du da?«
»Hier drüben«, tönte es da aus einer Ecke und ich schlängelte mich um einen maroden Kleiderständer. Lyall hockte vor einem Pappkarton mit irgendwelchen silbernen Gegenständen darin und richtete sich auf, als ich zu ihm kam. »Sieh an, eine willkommene Ablenkung.«
Ich grinste – es war unmöglich, nicht zu lächeln, sobald ich ihn anschaute. Selbst wenn er so verschwitzt und staubig war wie jetzt. Und eine Menge von dem Dreck auf meine saubere Kleidung übertrug, als er die Arme um meine Hüften legte.
»Oder bist du etwa auch auf der Suche nach Zapfanschlüssen?« Mit gespieltem Misstrauen sah er mich an. »Vergiss es, die da gehören mir.«
»Du darfst sie behalten«, erlaubte ich ihm gnädigerweise und streichelte seinen Nacken. »Ich bin eigentlich nur hier, weil ich dich vermisst habe. Aber ich kann auch wieder gehen und dich mit deinen Zapfdingern da allein lassen, wenn ihr gerade dabei seid, eine Beziehung aufzubauen.«
»Nichts da, du bleibst schön hier«, murmelte er leise und küsste mich. Und wie jedes Mal, wenn er das tat, blendete ich unsere Umgebung aus, und in meinem Kopf war nur noch Platz für Lyall – für das Gefühl seiner Lippen auf meinen, den Moment, wenn er sie öffnete und ich ihn einließ. Für den warmen Druck seiner Hände an meinem Rücken, die Hitze, die sich augenblicklich in meinem Inneren zusammenbraute und in jede Faser meines Körpers schoss. Die Vorfreude auf mehr, die sich breitmachte, sobald ich ihn spürte. Ich wusste, ich würde davon nie genug bekommen. Niemals.
»Ooh Leute, ernsthaft?« Edinas Stimme sorgte für die trillionste Unterbrechung in den letzten zwei Wochen. Ich ließ Lyall los, zog mein Shirt zurecht und unterdrückte ein Seufzen. Man war hier nirgendwo allein. Das war das Los auf einer Baustelle mit fast hundert Handwerkern – und einer Edina Henderson. »Hier drin wohnen ungefähr vierhundert Spinnen und es ist dreckig und stinkt nach altem Bier. Seid ihr so scharf aufeinander, dass ihr das einfach ausblendet?«
»Japp«, sagte Lyall trocken. »Allerdings reicht es offenbar nicht, um auch noch dich auszublenden.«
»Das ist auch unmöglich, wie du weißt.« Seine Schwester grinste. »Ich wurde geschickt, weil der Installateur sich Sorgen gemacht hat, dass du bei der Suche nach den Anschlüssen an Altersschwäche gestorben bist. Er braucht sie nämlich jetzt, wenn er heute noch fertig werden soll.«
Lyall sah mich an, und ich konnte in seinen Augen lesen, was er nicht laut sagte: später . Ich nickte nur und sah ihm nach, als er mit dem Karton voller Anschlüsse zum Hinterausgang verschwand.
»Sorry«, sagte Edina wenig bedauernd, als wir vor die Tür traten.
»Kein Problem.« Ich hob die Schultern, und mir fiel auf, dass wir seit ein paar Tagen nicht mehr wirklich miteinander geredet hatten. Genauer gesagt, seit Finlay abgereist war. Er hatte zwar gesagt, dass man ihn von der Uni werfen würde, wenn er nicht bald nach New York zurückkehrte, aber wir wussten es besser – vor allem Edina. Er hatte es in ihrer Nähe nicht länger ausgehalten. »Wie geht es dir?«, fragte ich also.
»Gut.« Die Antwort kam schnell. Zu schnell.
»Sicher?« Vielleicht war es an der Zeit, ihr zu verraten, dass ich den Streit gehört hatte. »Ich … habe mitbekommen, dass ihr gestritten habt. Am Morgen nach dem Brand in der Lobby.«
Edina schien nicht wütend darüber zu sein, nicht einmal überrascht. »Wie viel hast du gehört?«
»Nicht viel. Okay, vielleicht doch. Ich schätze, so ziemlich alles. Es war aber keine Absicht, ich wollte nur nicht stören, und das hätte ich, wenn ich an euch vorbeigegangen wäre. Tut mir leid.«
Sie zuckte die Achseln. »Dann weißt du ja, dass er mehr darunter leidet als ich. Finlay ist … er ist emotionaler, sensibler, er hat mehr Herz als wir anderen zusammen.« Edina schnaubte. »Fin würde alles aufgeben, damit wir zusammen sein können, und wahrscheinlich wirkt es egoistisch, dass ich das nicht will. Aber eigentlich schütze ich ihn damit. Er würde es nicht überleben, seinen Dad nicht mehr zu sehen, seinen Bruder und vor allem Lyall. Ich würde das vielleicht hinkriegen, aber er nicht.«
»Aber in New York hast du das ignoriert?« Ich hatte weder sie noch Finlay gefragt, was an Silvester passiert war. Edina war jedoch der direkteste Mensch, den ich kannte. Sie würde mir schon sagen, wenn mich das nichts anging.
»Oh Gott, New York.« Sie schnaubte, offenbar über sich selbst. »Reden wir nicht darüber, okay? Ich will das einfach nur vergessen.«
»Weil es so mies war?«, fragte ich in dem Versuch, sie aufzuheitern.
»Nein«, sie schnaubte wieder. »Weil es so verdammt gut war.«
So viel zum Aufheitern.
»Weißt du, ich habe es echt versucht.« Edina strich sich die Haare zurück. »Ich habe angefangen, ernsthaft zu daten, du weißt schon, mit Essen und Nach-Hause-Bringen und dem ganzen Mist.« Sie sah aus, als hielte sie das per se für ein dämliches Konzept.
»Und, war jemand dabei?«, fragte ich trotzdem.
»Tatsächlich, ja.« Sie nickte. »Daniel studiert mit mir, ist im Rugby-Team der Uni, nett, witzig und echt heiß. Er lacht über meine Witze, er hat hervorragende Manieren und er interessiert sich nicht dafür, dass ich eine Henderson bin. Wir können stundenlang miteinander reden, ohne dass es langweilig wird, neulich sind wir sogar eine Stunde nachts durch Notting Hill spazieren gegangen wie in dem Film mit Julia Roberts und Hugh Grant. Kurz: Er ist perfekt.«
»Aber?«, sprach ich aus, was sie in der Luft hängen ließ.
»Aber er ist nicht Fin.« Sie lachte bitter auf. »Ich habe mich in diesen verrückten Spinner verliebt, da war ich noch keine fünfzehn. Hals über Kopf, keiner hat das ernst genommen. Aber es wurde ernst … und tief und besonders zwischen uns. Niemand auf der Welt kennt mich besser, niemand versteht mich besser als Finlay. Wer immer an seine Stelle treten soll, muss ihn erst mal aus meinem Herz rauswerfen. Und dort macht er sich verdammt breit.«
Ich schwieg, weil ich ihr Dilemma verstand. Schließlich hatte ich im letzten Dreivierteljahr ebenfalls erlebt, wie es war, wenn man jemanden einfach nicht vergessen konnte, obwohl man es um jeden Preis wollte.
»Was passiert denn, falls ihr es schafft, den Rat zu übernehmen?«, fragte ich, nachdem ich mich versichert hatte, dass niemand außer uns hier am Strand war. »Lyall hat gesagt, dass ihr die Regeln dann ändern könntet.«
Edina nickte. »Ja, könnten wir. Aber wenn Mum nicht mitzieht, können wir es vergessen. Und selbst wenn sie es tun würde … ich weiß nicht, ob ich das aushalten würde. Als das mit Jamie passiert ist, haben alle darüber hergezogen, über ihn und seine Art zu leben. Jeder dahergelaufene Depp hat sich eingebildet, ihn zu kennen und zu wissen, warum er so abgestürzt ist. Ich will nicht, dass sie das auch mit uns tun. Dass sie uns hinter vorgehaltener Hand als gestört und abnormal bezeichnen.«
»Also bleibt dir nichts anderes übrig, als ihn dir aus dem Kopf zu schlagen?« Ich fragte mich, wie sich Edina fühlen musste, w
enn ich schon so eine elendige Hoffnungslosigkeit wegen Finlay und ihr spürte. Ich mochte beide so gern, und man merkte, wie sehr sie sich liebten, obwohl sie das nie zeigen durften. Dass sie keine Chance haben sollten, machte mich wahnsinnig traurig.
»Sieht ganz danach aus.« Edina holte tief Luft. »Zum Glück habt immerhin ihr zwei euer Happy End bekommen und ich freue mich wie irre darüber. Auch wenn ich euch bitte nie wieder erwischen will.« Sie zeigte streng mit dem Finger auf mich, dann straffte sie ihre Schultern. »So, und nun zeig mir deine Villa. Mum hat gesagt, sie ist die schönste von allen, und ich bin ein kleines bisschen neugierig.«
»Okay, Milady, auf zur Führung. Bitte dort entlang.« Ich lächelte und akzeptierte stumm, dass sie das Thema wechselte. Was sollte ich auch dazu sagen? Ich konnte die Regeln nicht ändern, ich konnte die Welt nicht ändern für sie. Obwohl ich das gerne getan hätte.
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Lyall
Die Party war genau das, was sie sein sollte: der ideale Abschluss einer stressigen, aber dennoch grandiosen Zeit. Es gab Fisch, Fleisch und Gemüse vom Grill, zum letzten Mal griechische Spezialitäten, dazu gekühlte Getränke in großen Behältern mit Eis und natürlich das Meer und den Strand als Kulisse. Wilbur war ein hervorragender Cocktail-Mixer, wie sich herausstellte, also bekamen wir alle Caipirinhas. Edina tanzte mit Martha und Orfeas, Bella improvisierte ein Best-of von Elliotts arrogantesten Ausbrüchen, er hielt mit einer perfekten Imitation von ihr dagegen, und als es dunkel wurde und die beiden verschwunden waren, wunderte das niemanden mehr. Die meiste Zeit war ich an Kenzies Seite, weil wir es kaum aushielten, einander nicht ständig zu berühren, aber dann ließ ich sie kurz allein, um etwas vorzubereiten, und kehrte erst danach an den Strand zurück. Sie zuckte überrascht zusammen, als ich plötzlich hinter ihr auftauchte und sie umarmte.