Gold - Pirate Latitudes

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Gold - Pirate Latitudes Page 26

by Michael Crichton


  »Ja.«

  »Und fürder erfuhrt Ihr, dass selbiges Kriegsschiff ein englisches Handelsschiff überfallen und Lady Sarah Almont als Geisel genommen hatte, was Euch Veranlassung zu einem Vergeltungsschlag gab. Richtig?«

  »Ja.«

  Hacklett hielt erneut inne. »Wie brachtet Ihr in Erfahrung, dass das Kriegsschiff Lady Sarah Almont gefangen genommen hatte?«

  »Sie war an Bord des Kriegsschiffs, als wir gekapert wurden«, sagte Hunter. »Das erfuhr ich – von einem schwatzhaften spanischen Soldaten.«

  »Wie praktisch für Euch.«

  »Es entspricht der Wahrheit. Nachdem wir entkommen konnten – was, wie ich hoffe, vor diesem Tribunal kein Verbrechen ist –, verfolgten wir das Kriegsschiff nach Matanceros und sahen dort, wie Lady Sarah von Bord in die Festung verbracht wurde.«

  »Dann habt Ihr also mit dem alleinigen Ziel angegriffen, die Tugend dieser Engländerin zu bewahren?« Hackletts Stimme triefte vor Sarkasmus.

  Hunter blickte im Tribunal von einem Gesicht zum nächsten. »Gentlemen«, sagte er, »wenn ich mich nicht irre, ist es nicht Aufgabe dieses Tribunals herauszufinden, ob ich ein Heiliger bin« – amüsiertes Lachen erklang –, »sondern einzig und allein, ob ich ein Pirat bin. Ich wusste natürlich von der Galeone im Hafen von Matanceros. Sie war eine überaus verlockende Prise. Dennoch wird das Gericht hoffentlich anerkennen, dass die Provokationen eine Vielzahl solcher Angriffe gerechtfertigt hätten – und zwar eindeutige Provokationen, die keinen Raum für juristische Spitzfindigkeiten oder formale Deuteleien lassen.«

  Er blickte zu dem Gerichtsschreiber hinüber, dessen Aufgabe es war, bei dem Verfahren Protokoll zu führen. Erstaunt stellte Hunter fest, dass der Mann friedlich dasaß und nicht mal die Feder in der Hand hielt.

  »Sagt uns«, sagte Hacklett, »wie ist es Euch gelungen, von dem spanischen Kriegsschiff zu entkommen, nachdem Ihr gefangen genommen worden wart?«

  »Durch den Heldenmut und die Tapferkeit des Franzosen Sanson, der uns befreite.«

  »Ihr habt eine hohe Meinung von diesem Sanson?«

  »Allerdings, ja, denn ich verdanke ihm mein Leben.«

  »Nun gut denn«, sagte Hacklett. Er drehte sich auf seinem Stuhl um. »Ruft den ersten Zeugen, Mr André Sanson!«

  »André Sanson!«

  Hunter wandte sich zur Tür, erneut fassungslos, als Sanson in den Saal trat. Der Franzose bewegte sich rasch, mit geschmeidigen fließenden Schritten, und nahm seinen Platz im Zeugenstand ein. Er hob die rechte Hand.

  »André Sanson, schwört Ihr auf die Heiligen Evangelisten, wahrheitsgetreu Zeugnis abzulegen zwischen dem König und dem Gefangenen, dem Piraterie und Räuberei zur Last gelegt wird, so wahr Euch Gott helfe?«

  »Ich schwöre es.«

  Sanson senkte die rechte Hand und sah Hunter in die Augen. Der Blick war ausdruckslos und mitleidig zugleich. Er hielt den Blick etliche Sekunden, bis Hacklett wieder das Wort ergriff.

  »Mr Sanson.«

  »Sir.«

  »Mr Sanson, Mr Hunter hat die Ereignisse der fraglichen Seeexpedition aus seiner Sicht geschildert. Wir möchten nun die Geschichte aus Eurer Sicht hören, als Zeuge, dessen Mut von dem Angeklagten bereits gewürdigt wurde. Würdet Ihr uns bitte sagen, mit welchem Ziel die Cassandra in See stach – ursprünglich, so wie Ihr es verstanden habt?«

  »Um Blutholz zu fällen.«

  »Und wurdet Ihr irgendwann eines Besseren belehrt?«

  »Das wurde ich.«

  »Bitte erläutert das dem Gericht.«

  »Nachdem wir am zwölften September losgesegelt waren«, sagte Sanson, »steuerte Mr Hunter die Monkey Bay an. Dort verkündete er der Besatzung, dass sein Ziel Matanceros sei, um das dort vor Anker liegende Schatzschiff zu kapern.«

  »Und wie war Eure Reaktion?«

  »Ich war schockiert«, sagte Sanson. »Ich erinnerte Mr Hunter daran, dass ein solcher Überfall Piraterie sei und mit dem Tode bestraft würde.«

  »Und seine Antwort?«

  »Flüche und unflätige Beschimpfungen«, sagte Sanson, »sowie die Warnung, dass er mich, sollte ich nicht vorbehaltlos mitmachen, wie einen Hund töten und mich in Stücken an die Haie verfüttern würde.«

  »Dann erfolgte Eure Beteiligung also unter Zwang und nicht freiwillig.«

  »So ist es.«

  Hunter starrte Sanson an. Der Franzose wirkte ruhig und gelassen, während er sprach. Nichts ließ erkennen, dass er log. Er warf Hunter wiederholt einen Blick zu, einen trotzigen Blick, als wollte er sagen: Streitet meine Geschichte ruhig ab, es glaubt Euch doch keiner.

  »Was geschah dann?«

  »Wir nahmen Kurs auf Matanceros in der Hoffnung, dass uns dort ein Überraschungsangriff gelingen würde.«

  »Verzeiht, meint Ihr damit einen Angriff ohne vorausgegangene Provokation?«

  »Ganz recht.«

  »Bitte fahrt fort.«

  »Auf dem Weg nach Matanceros trafen wir auf das spanische Kriegsschiff. Da wir deutlich unterlegen waren, wurden wir von den Spaniern gekapert, als Piraten.«

  »Und was habt Ihr getan?«

  »Ich wollte auf keinen Fall in Havanna als Pirat sterben«, sagte Sanson, »zumal ich bis dahin gezwungen worden war, Mr Hunters Befehl zu folgen. Daher versteckte ich mich und konnte anschließend meinen Kameraden zur Flucht verhelfen. Ich vertraute darauf, dass sie nun die Rückkehr nach Port Royal beschließen würden.«

  »Und das taten sie nicht.«

  »Allerdings nicht. Sobald Mr Hunter auf seinem Schiff wieder das Kommando übernommen hatte, zwang er uns, Kurs auf Matanceros zu nehmen, um seinen ursprünglichen Plan in die Tat umzusetzen.«

  Hunter konnte sich nicht mehr beherrschen. »Ich habe euch gezwungen? Wie hätte ich denn sechzig Mann zwingen können?«

  »Schweigt!«, brüllte Hacklett. »Der Gefangene wird sich still verhalten oder er wird aus dem Gerichtssaal entfernt.« Hacklett wandte sich wieder Sanson zu. »Wie seid Ihr zu dem Zeitpunkt mit dem Angeklagten ausgekommen?«

  »Schlecht«, sagte Sanson. »Er legte mich für die Dauer der Fahrt nach Matanceros in Eisen.«

  »Und dann wurde Matanceros überfallen und die Galeone gekapert?«

  »Aye, Gentlemen«, sagte Sanson. »Und ich wurde auf die Cassandra verbracht: Mr Hunter hatte sich das Schiff angesehen und für seeuntüchtig befunden, nach dem Angriff auf Matanceros. Er ließ alles von Wert von diesem Schiff auf die gekaperte Schatzgaleone schaffen. Dann übertrug er mir das Kommando über die angeschlagene Cassandra. Im Grunde überließ er mich und die paar Mann, die er mir als Besatzung mitgab, unserem Schicksal, denn er konnte davon ausgehen, dass die Cassandra die offene See nicht überstehen würde. Meine Männer sahen das ebenso. Wir hatten Kurs auf Port Royal genommen, als ein Hurrikan uns überraschte. Unser Schiff wurde zerstört und alle meine Leute kamen ums Leben. Nur ich allein konnte mich mit dem Beiboot nach Tortuga retten und von dort hierher.«

  »Was wisst Ihr über Lady Sarah Almont?«

  »Nichts.«

  »Gar nichts?«

  »Ich höre den Namen zum ersten Mal«, sagte Sanson. »Wer soll das sein?«

  »Interessant«, sagte Hacklett mit einem raschen Blick zu Hunter. »Es ist eine junge Frau, von der Mr Hunter behauptet, sie aus Matanceros befreit und sicher hierhergebracht zu haben.«

  »Als er Matanceros verließ, war sie nicht bei ihm«, sagte Sanson. »Wenn ich Mutmaßungen anstellen darf, würde ich sagen, Mr Hunter hat ein englisches Handelsschiff angegriffen und die junge Lady als Prise genommen, um seine Verfehlungen zu rechtfertigen.«

  »Ein überaus zweckdienliches Ereignis«, sagte Hacklett. »Aber wieso haben wir nichts von einem solchen Handelsschiff gehört?«

  »Wahrscheinlich hat er alle an Bord getötet und das Schiff versenkt«, erklärte Sanson. »Auf seiner Heimfahrt von Matanceros.«

  »Eine letzte Frage«, sagte Hacklett. »Erinnert Ihr Euch an einen Sturm auf See am zwölften und dreizehnten September?«

  »Ein Sturm? Nein, Gentlemen. Da hatten wir keinen Sturm.«

  Hacklett nickte. »Danke, Mr Sanson. Ihr seid entlassen.«

  »Wie es das hohe Geri
cht wünscht«, sagte Sanson und verließ den Raum.

  Nachdem die Tür mit einem hohlen hallenden Klang ins Schloss gefallen war, trat für einen Moment Stille ein. Das Gericht wandte sich Hunter zu, der vor Wut zitterte und kalkweiß geworden war, aber dennoch um Fassung rang.

  »Mr Hunter«, sagte Hacklett, »könntet Ihr Euer Gedächtnis dahin gehend befragen, wie sich die Widersprüche erklären lassen zwischen Eurer Darstellung der Ereignisse und der von Mr Sanson, den Ihr, wie Ihr sagtet, so hoch achtet?«

  »Er ist ein Lügner, Sir. Ein dreckiger und gemeiner Lügner.«

  »Das Gericht ist gewillt, eine solche Bezichtigung zu berücksichtigen, falls Ihr dafür irgendwelche Beweise vorbringen könnt, Mr Hunter.«

  »Ich habe nur mein Wort«, sagte Hunter, »aber ich bin sicher, Lady Sarah Almont wird der Aussage des Franzosen in jeder Hinsicht widersprechen, was als Beweis genügen wird.«

  »Wir werden uns selbstverständlich ihre Aussage anhören«, sagte Hacklett. »Aber ehe wir sie als Zeugin aufrufen, bleibt eine verwirrende Frage zu klären. Der Überfall auf Matanceros – ob gerechtfertigt oder nicht – ereignete sich am achtzehnten September. Ihr seid am siebzehnten Oktober nach Port Royal zurückgekehrt. Bei Piraten bedeutet eine so lange Verzögerung, dass eine unbekannte Insel angesteuert wurde, um die erbeuteten Schätze zu verbergen und somit den König zu hintergehen. Wie lautet Eure Erklärung?«

  »Wir waren in ein Seegefecht verstrickt«, sagte Hunter. »Dann kämpften wir drei Tage lang gegen einen Hurrikan an. Anschließend mussten wir das Schiff am Ufer einer Insel außerhalb der Boca del Dragon kielholen, was uns vier Tage kostete. Als es endlich wieder weiterging, griff uns ein Krake an –«

  »Wie bitte? Meint Ihr ein Ungeheuer der Tiefe?«

  »Ganz richtig.«

  »Wie amüsant.« Hacklett lachte, und die anderen im Tribunal fielen mit ein. »Eure einfallsreiche Erklärung für diese einmonatige Verzögerung findet durchaus unsere Bewunderung, auch wenn sie uns nicht glaubhaft erscheint.« Hacklett wandte sich auf seinem Stuhl um. »Ruft Lady Sarah Almont in den Zeugenstand.«

  »Lady Sarah Almont!«

  Einen Augenblick später betrat eine blass und mitgenommen wirkende Lady Sarah den Saal, leistete den Eid und wartete auf die Fragen. Hacklett blickte sie überaus besorgt an.

  »Lady Sarah, zunächst möchte ich Euch in der Kolonie Jamaika willkommen heißen und mich für die schauderhaften Umstände entschuldigen, unter denen Eure gewiss erste gesellschaftliche Begegnung in diesen Breitengraden erfolgt.«

  »Danke, Mr Hacklett«, sagte sie mit einer leichten Verbeugung. Sie blickte Hunter nicht an, kein einziges Mal. Das beunruhigte ihn.

  »Lady Sarah«, sagte Hacklett, »dieses Tribunal bedarf dringend der Antwort auf die Frage, ob Ihr von Spaniern gefangen genommen und dann von Captain Hunter befreit wurdet oder ob Ihr gleich von Captain Hunter gefangen genommen wurdet. Könnt Ihr uns aufklären?«

  »Das kann ich.«

  »Dann seid bitte so freundlich.«

  »Ich befand mich an Bord des Handelsschiffes Entrepid«, sagte sie, »auf dem Weg von Bristol nach Port Royal, als …«

  Ihre Stimme verklang. Langes Schweigen trat ein. Sie blickte Hunter an. Er starrte in ihre Augen, die so verängstigt waren, wie er es nie gesehen hatte.

  »Fahrt fort, bitte.«

  »… als wir am Horizont ein spanisches Schiff sichteten. Es eröffnete das Feuer auf uns, und wir wurden gekapert. Zu meiner Überraschung musste ich feststellen, dass der Captain dieses spanischen Schiffes ein Engländer war.«

  »Meint Ihr Charles Hunter, den Gefangenen, der hier vor uns steht?«

  »Ja.«

  »Bitte fahrt fort.«

  Hunter hörte kaum den Rest ihrer Darstellung: wie er sie auf die Galeone geholt, dann die englische Besatzung getötet und das Schiff in Brand gesteckt hatte. Wie er Lady Sarah erzählt hatte, er würde behaupten, sie vor den Spaniern gerettet zu haben, um seinen Überfall auf Matanceros zu rechtfertigen. Sie erzählte ihre Geschichte mit hoher, dünner Stimme, sprach schnell, als wollte sie die Sache möglichst rasch hinter sich bringen.

  »Danke, Lady Sarah. Ihr seid entlassen.«

  Sie verließ den Raum.

  Das Tribunal blickte Hunter an, sieben Männer mit leeren, ausdruckslosen Gesichtern, die Hunter musterten wie ein Geschöpf, das bereits tot war. Ein langer Augenblick verging.

  »Wir haben von der Zeugin nichts über Eure bunten Abenteuer in der Boca del Dragon oder mit dem Seeungeheuer gehört. Habt Ihr irgendeinen Beweis?«, fragte Hacklett freundlich.

  »Nur den hier«, sagte Hunter und entblößte rasch seinen Oberkörper. Auf seiner Brust waren die Schwellungen und Blutergüsse von gewaltigen, untertassengroßen Saugern zu sehen, ein schauerlicher Anblick. Die Angehörigen des Tribunals schnappten nach Luft. Sie murmelten untereinander.

  Hacklett ließ seinen Hammer knallen, um die anderen wieder zur Ordnung zu rufen.

  »Ein interessantes Amüsement, Mr Hunter, aber nicht überzeugend für die hier anwesenden gebildeten Gentlemen. Wir können uns alle lebhaft vorstellen, mit welchen Mitteln Ihr in Eurer verzweifelten Lage die Folgen eines Angriffs von so einem Ungetüm nachgestellt habt. Das Gericht ist nicht überzeugt.«

  Hunter blickte in die Gesichter der sieben Männer und sah, dass sie sehr wohl überzeugt waren. Aber Hackletts Hammer knallte erneut.

  »Charles Hunter«, sagte Hacklett, »dieses Gericht befindet Euch der Piraterie und Räuberei auf hoher See im Sinne der Anklage für schuldig. Möchtet Ihr irgendeinen Grund nennen, warum keine Strafe gegen Euch verhängt werden soll?«

  Hunter zögerte. Ihm fielen zahllose Flüche und Kraftausdrücke ein, aber keiner davon würde irgendeinen Zweck erfüllen. »Nein«, sagte er leise.

  »Ich habe Euch nicht verstanden, Mr Hunter.«

  »Ich sagte, nein.«

  »Dann lautet das Urteil gegen Euch, Charles Hunter, und Eure gesamten Besatzung wie folgt: Ihr werdet dorthin zurück verbracht, wo Ihr herkamt, und dann, am kommenden Montag, zum Exekutionsplatz, dem High Street Square in der Stadt Port Royal, überführt, wo Ihr am Halse aufgehängt werdet, bis der Tod eintritt. Danach werden Eure Körper vom Galgen genommen und an den Rahen Eures Schiffes aufgehängt werden. Möge Gott Eurer Seele gnädig sein. Bringt ihn weg, Aufseher.«

  Hunter wurde aus dem Saal geführt. Als er durch die Tür trat, hörte er Hacklett lachen: ein eigenartiges, dünnes, meckerndes Lachen. Dann fiel die Tür hinter ihm zu, und er wurde zurück ins Gefängnis gebracht.

  KAPITEL 35

  Er wurde in eine andere Zelle gesteckt. Offenbar war den Wärtern von Marshallsea einerlei, in welcher er hockte. Er setzte sich in das Stroh auf dem Boden und dachte gründlich über seine missliche Lage nach. Er konnte das Geschehene kaum fassen, und er war maßlos wütend.

  Die Nacht brach herein, und im Gefängnis wurde es still bis auf das Schnarchen und die Seufzer von Häftlingen. Hunter selbst fielen die Augen zu, als er eine vertraute zischende Stimme hörte: »Hunter!«

  Er setzte sich auf.

  »Hunter!«

  Er kannte die Stimme. »Whisper«, sagte er. »Wo seid Ihr?«

  »In der Zelle nebenan.«

  Die Zellen öffneten sich alle nach vorn; er konnte die Nachbarzelle nicht einsehen, doch er konnte einigermaßen gut hören, wenn er die Wange an die Steinwand presste.

  »Whisper, wie lange seid Ihr hier?«

  »Eine Woche, Hunter. War Euer Prozess schon?«

  »Aye.«

  »Und wurdet Ihr verurteilt?«

  »Aye.«

  »Ich auch«, zischte Whisper. »Wegen Diebstahl. Zu Unrecht.«

  Diebstahl wurde wie Piraterie mit dem Tode bestraft.

  »Whisper«, sagte, »was ist mit Sir James geschehen?«

  »Es heißt, er ist krank«, zischte Whisper, »aber das stimmt nicht. Er ist gesund und steht unter Bewachung in der Gouverneursresidenz. Er ist in Lebensgefahr. Hacklett und Scott haben die Macht an sich gerissen. Sie erzählen in der Stadt herum, er würde im Sterben liegen.«

  Hacklett hatte Lady Sarah bedroht, dachte Hunter, be
stimmt hatte er sie gezwungen, eine falsche Aussage zu machen.

  »Es gibt noch mehr Gerüchte«, zischte Whisper. »Madam Emily Hacklett ist angeblich in Hoffnung.«

  »Und?«

  »Nun ja, wie es scheint, erfüllt der Stellvertretende Gouverneur niemals seine ehelichen Pflichten. Es soll ihm an der Fähigkeit mangeln. Deshalb ist ihr Zustand ein Ärgernis für ihn.«

  »Verstehe«, sagte Hunter.

  »Ihr habt einem Tyrannen Hörner aufgesetzt, und das kommt Euch teuer zu stehen.«

  »Und Sanson?«

  »Der ist allein zurückgekommen, in einem Beiboot. Von einer Besatzung keine Spur. Er hat erzählt, seine Leute wären alle in einem Hurrikan ertrunken, nur er hätte sich retten können.«

  Hunter hatte die Wange an die Wand gepresst, und ihre feuchte Kühle gab ihm ein wenig Halt und Trost.

  »Was ist heute für ein Tag?«

  »Samstag, glaube ich.«

  Hunter hatte noch zwei Tage bis zu seiner Hinrichtung. Er seufzt, lehnte sich zurück und starrte durch das vergitterte Fenster auf die Wolken vor einem blassen dünnen Mond.

  Die Gouverneursresidenz am Nordrand von Port Royal hatte so dicke Backsteinmauern wie eine Festung. In einem schwer bewachten Kellerraum lag Sir James Almont fieberkrank auf einem Bett. Lady Sarah Almont legte ihm ein kühles Handtuch auf die heiße Stirn und bat ihn, tief durchzuatmen.

  In diesem Moment kamen Mr Hacklett und seine Gattin herein.

  »Sir James!«

  Almont blickte seinen Stellvertreter mit fieberglasigen Augen an. »Was ist denn nun wieder?«

  »Wir haben Captain Hunter den Prozess gemacht. Er wird übermorgen gehängt, als gemeiner Pirat.«

  Lady Sarah schossen Tränen in die Augen, und sie schaute weg.

  »Findet das Eure Zustimmung, Sir James?«

  »Was immer … Ihr … für das Beste … haltet …«, sagte Sir James, um Luft ringend.

 

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