Exodus

Home > Literature > Exodus > Page 14
Exodus Page 14

by Leon Uris


  Kleine, kümmerliche Schiffe, bis an die Grenze der Tragfähigkeit mit verzweifelten Menschen beladen, stachen mit Kurs auf Palästina in See, um zumeist von den Engländern aufgebracht zu werden, sobald sie die Drei-Meilen-Zone erreicht hatten. Die illegalen Einwanderer wurden interniert, wieder einmal waren die Flüchtlinge in einem Lager gelandet. Diesmal war es ein Lager in Palästina, bei Atlit.

  Nachdem Karen erfahren hatte, daß ihr Vater lebte, brannte auch sie darauf, nach Palästina zu gelangen. Denn es schien ihr selbstverständlich, daß ihr Vater gleichfalls dorthin kommen werde. Obwohl sie erst fünfzehn war, wurde sie zu den Zusammenkünften des Palmach hinzugezogen, die nachts am Lagerfeuer stattfanden und bei denen wunderbare Geschichten von Erez Israel erzählt wurden. Sie wurde zur Abschnittsleiterin ernannt und bekam die Aufsicht über hundert Kinder, die sie für den Augenblick vorzubereiten hatte, da sie sich an Bord eines Mossad-Schiffes begeben sollten, um die Blockade zu durchbrechen und Palästina zu erreichen. Die britische Einwanderungsquote für Palästina betrug monatlich nur fünfzehnhundert, und die Engländer wählten immer Leute aus, die entweder zu alt oder noch zu jung waren, um zu kämpfen. Die Männer ließen sich Bärte wachsen und färbten sich die Haare grau, um alt auszusehen, doch darauf fielen die Engländer nur selten herein.

  Eines Tages im April des Jahres 1946, neun Monate, nachdem Karen aus Dänemark fortgegangen war, teilte ihr Galila die große Neuigkeit mit.

  »In den nächsten Tagen kommt ein Aliyah-Bet-Schiff, und du und deine Kinder fahren mit.«

  Karens Herz schlug.

  »Und wie heißt das Schiff?« fragte sie.

  »Es heißt Stern Davids«, antwortete Galila.

  XVI.

  Bei der britischen CID war man über den ägäischen Trampdampfer Karpathos sehr genau im Bilde. Man wußte, wann die Karpathos in Saloniki von Mossad Aliyah Bet erworben worden war. Man hatte den Weg des fünfundvierzig Jahre alten Schiffes von achthundert Tonnen zum Piräus, dem Hafen von Athen, verfolgt, wo eine amerikanische Aliyah-Bet-Crew an Bord kam und mit der Karpathos nach Genua gelangte. Man hatte beobachtet, wie die Karpathos dort ausgebessert und zum Blockadebrecher umgebaut wurde, und man wußte den genauen Zeitpunkt, an dem das Schiff von Genua ausgelaufen war und sich auf den Weg zum Golfe du Lion begeben hatte.

  An der ganzen südfranzösischen Küste wimmelte es von Agenten der CID. Rund um das Lager von La Ciotat waren Posten verteilt, die Tag und Nacht Ausschau hielten, um Anzeichen irgendeiner Bewegung größeren Ausmaßes zu entdecken. Ein Dutzend wichtiger und unwichtiger französischer Beamter wurde bestochen. Whitehall versuchte Druck auf Paris auszuüben, um zu verhindern, daß die Karpathos in französische Gewässer hineingelangte. Doch der politische Druck und die Bestechungsgelder der Engländer vermochten die Zusammenarbeit zwischen den Franzosen und Mossad Aliyah Bet nicht zu stören. Die Karpathos erreichte die Drei-Meilen-Zone.

  Die nächste Phase des Spiels bestand aus einer Reihe von Täuschungsmanövern, die das Ziel hatten, die Engländer hinters Licht zu führen und abzulenken. Wagenkolonnen, von französischen Fuhrunternehmern zur Verfügung gestellt und von französischen Fahrern gesteuert, verließen mehrfach in verschiedenen Richtungen das Lager. Als die Engländer schließlich völlig verwirrt waren, erfolgte der eigentliche Ausbruch. Sechzehnhundert Flüchtlinge, darunter Karen mit ihren hundert Kindern, wurden eilig aus dem Lager heraus und zu einem geheimen Treffpunkt an der Küste gebracht. Das gesamte Gebiet war nach außen hin in weitem Umkreis durch französisches Militär abgeriegelt. An einer unbeobachteten Stelle der Küste wurden die Flüchtlinge aus den Lastwagen ausgeladen und in Schlauchbooten zu der alten Karpathos hinausgebracht, die draußen vor der Küste vor Anker lag.

  Die ganze Nacht fuhren die Schlauchboote zwischen der Küste und dem Schiff hin und her. Die amerikanischen Besatzungsmitglieder holten die ängstlichen Flüchtlinge mit kräftigen Armen an Bord, und Palmach-Männer brachten sie rasch an die für die einzelnen Gruppen vorgesehenen Plätze. Die Flüchtlinge hatten nichts bei sich als einen Rucksack, eine Feldflasche voll Wasser, und den brennenden Wunsch, Europa hinter sich zu lassen.

  Karens Schützlinge, die Kleinsten, wurden als erste an Bord gebracht und bekamen eine Ecke im Laderaum zugewiesen, in der Nähe der Leiter, die zum Deck hinaufführte. Karen beeilte sich, die Kleinen zur Ruhe zu bringen. Glücklicherweise waren die meisten durch die Aufregung so mitgenommen, daß sie sofort einschliefen. Ein paar weinten, doch Karen war sofort zur Stelle, um sie zu trösten und zu beruhigen.

  Es verging eine Stunde, dann eine zweite und eine dritte, und der Laderaum wurde allmählich zu eng. Mehr und mehr Flüchtlinge kamen, bis der Laderaum so vollgepackt war, daß man sich kaum noch rühren konnte.

  Dann wurde das Deck mit Flüchtlingen belegt, und als auch hier alles voll war, ergoß sich der Strom bis auf die Brücke.

  Bill Fry, der amerikanische Kapitän des Schiffes, kam die Leiter herunter und warf einen Blick auf die zusammengepferchte Masse in dem Laderaum. Er stieß einen leisen Pfiff aus. Er war ein stämmiger, untersetzter Mann mit einem Stoppelbart und einem kalten Zigarrenstummel zwischen den Zähnen.

  »Junge, Junge, so was müßte die Bostoner Feuerpolizei mal sehen«, brummte er. »Die würde einen Heidenspektakel machen.«

  Er verstummte und lauschte. Aus der Dunkelheit war eine sehr süße Stimme zu hören, die ein Wiegenlied sang. Er stieg die letzten Stufen der Leiter hinunter, trat über die Menschen hinweg, die unten im Raum lagen, und ließ den Schein seiner Taschenlampe auf Karen fallen, die einen kleinen Jungen in ihren Armen hielt und ihn in Schlaf sang. Einen Augenblick lang meinte er, eine Madonna vor sich zu sehen, und blinzelte verblüfft. Karen hob den Kopf und gab ihm einen Wink, den Schein der Taschenlampe von ihrem Gesicht zu nehmen.

  »He, Kleine«, sagte Bill mit seiner polternden Stimme, »sprichst du Englisch?«

  »Ja.« »Wer hat denn die Aufsicht hier bei den Kindern?«

  »Die Aufsicht habe ich, und ich möchte Sie bitten, ein bißchen leiser zu sprechen. Ich habe Mühe genug gehabt, die Kinder zur Ruhe zu bringen.«

  »Ich rede so laut, wie's mir paßt. Ich bin der Käpt'n. Du bist ja kaum älter als die meisten von deinen Kindern.«

  »Wenn Sie Ihre Sache als Kapitän so gut machen wie ich meine hier bei den Kindern«, antwortete Karen ärgerlich, »dann sind wir morgen früh in Palästina.«

  Bill Fry kraulte sich sein bärtiges Kinn und lächelte. Er sah wahrhaftig nicht aus wie einer der würdigen dänischen Schiffskapitäne, mußte Karen denken, und seine Grobheit war mit Sicherheit nur gespielt.

  »Du gefällst mir. Kleine. Wenn du irgendwas brauchst, dann komm auf die Brücke und sag mir Bescheid. Und sei ein bißchen respektvoller.«

  »Besten Dank, Herr Kapitän.«

  »Nicht nötig. Nenn mich einfach Bill. Wir sind alle vom gleichen Stamm.«

  Karen sah ihm nach, wie er die Leiter wieder hinaufstieg. Am Himmel konnte sie das erste schwache Morgenlicht erkennen. Die Karpathos war bis auf den letzten Zentimeter vollgepackt mit Menschen — sechzehnhundert Flüchtlinge. Knarrend und ächzend kam der halbverrostete Anker herauf und schlug gegen den hölzernen Rumpf. Die fünfundvierzig Jahre alten Maschinen kamen langsam auf Touren. Eine Nebelwand hüllte das Schiff ein, als hielte Gott selbst seine schützende Hand darüber, und der alte Kasten entfernte sich knatternd von der französischen Küste, mit der Höchstgeschwindigkeit von sieben Knoten. Nach kurzer Zeit hatte das Schiff die Drei-Meilen-Grenze hinter sich gelassen — Mossad Aliyah Bet hatte die erste Runde gewonnen! Am Mast wurde eine blauweiße jüdische Flagge gehißt, und an Stelle des Namens Karpathos erschien der neue Name des Schiffes: Stern Davids.

  Das Schiff schlingerte jämmerlich. In den überfüllten Laderäumen, in denen es keinerlei Ventilation gab, wurden alle Passagiere blaß. Gemeinsam mit den anderen Palmach-Angehörigen war Karen eifrig beschäftigt, ihre Schützlinge mit Obst zu füttern und ihnen kalte Umschläge zu machen, um ein stärkeres Ausbreiten der Seekrankheit zu verhüten. Wo die Zitronen nicht halfen, war sie rasch mit dem Waschlappen zur Hand. Doch das wirksamste Mittel zur Aufrechterha
ltung von Ruhe und Ordnung war, gemeinsam Lieder zu singen, Spiele zu erfinden und viele lustige Geschichten zu erzählen.

  Sie behielt die Kinder gut in der Hand. Gegen Mittag wurde die Hitze schlimmer und die Luft immer stickiger, und in dem engen, dunklen Laderaum, der mit schwitzenden und sich übergebenden Menschen überfüllt war, entwickelte sich bald unerträglicher Gestank. Es dauerte nicht lange, bis die ersten ohnmächtig wurden. Nur die Bewußtlosen wurden nach oben an Deck gebracht. Für die anderen war einfach kein Platz.

  Drei Ärzte und vier Schwestern, alles Flüchtlinge aus La Ciotat, waren fieberhaft tätig. »Gebt den Leuten zu essen, damit sie was im Magen haben«, verordneten sie. Karen redete den Kleinen gut zu und schob ihnen den Löffel in den Mund. Gegen Abend verteilte sie Beruhigungsmittel und wusch den Kindern Hände und Gesicht mit einem Lappen. Sie mußte sparsam mit dem Wasser umgehen, denn es war sehr knapp.

  Endlich ging die Sonne unter, und in den Laderaum kam ein Hauch frischer Luft. Karen hatte gearbeitet, bis sie nicht mehr konnte, und ihr Kopf war schwer und benommen. Sie fiel in einen Halbschlaf, aus dem sie jedesmal erwachte, sobald eines ihrer Kinder zu weinen begann. Sie hörte jedes Knarren und Ächzen des alten Schiffes, das mühsam seinen Weg nach Palästina machte. Erst gegen Morgen fiel sie in einen tiefen Schlaf voll seltsamer und verworrener Träume.

  Ein plötzliches dröhnendes Geräusch ließ sie erschreckt hochfahren. Es war heller Tag. Alle zeigten hinauf zum Himmel, wo ein riesiger viermotoriger Bomber erschienen war.

  »Ein Engländer! Ein Lancester-Bomber!«

  »Alles an den Plätzen bleiben«, dröhnte es aus dem Lautsprecher. »Kein Grund zur Aufregung, es besteht keine Gefahr.«

  Gegen Mittag erschien am Horizont ein englischer Kreuzer, HMS Defiance, und näherte sich drohend dem Stern Davids, während seine Morselampen eifrig blinkten. Ein kleiner, geschmeidiger Zerstörer, HMS Blakely, stieß zu der Defiance, und die beiden Kriegsschiffe zogen neben dem alten Trampdampfer einher, der langsam und knatternd seine Reise fortsetzte.

  »Unser königlicher Geleitschutz ist eingetroffen«, verkündete Bill Fry über die Lautsprecheranlage.

  Nach allen Spielregeln war der Streit mit Worten nunmehr vorbei. Wieder einmal war es Mossad Aliyah Bet gelungen, mit einem Schiff Europa zu verlassen und das offene Meer zu erreichen. Die Engländer hatten das Fahrzeug gesichtet und folgten ihm. In dem Augenblick, da das Schiff mit den illegalen Einwanderern in die Drei-Meilen-Zone vor Palästina hineinfuhr, würden die Engländer an Bord kommen und das Einwandererschiff nach Haifa abschleppen. Die Flüchtlinge an Bord der Stern Davids riefen wütend zu den englischen Schiffen hinüber und verwünschten Bevin. Sie entrollten ein großes Transparent mit der Inschrift: HITLER HAT UNS UMGEBRACHT, UND DIE ENGLÄNDER WOLLEN UNS NICHT LEBEN LASSEN! Die Defiance und die Blakely reagierten nicht darauf, dampften aber auch nicht weiter, wie mancher, der noch an Wunder glaubte, vielleicht im stillen bei sich gehofft hatte. Die Kinder waren im Augenblick zwar ruhig, doch Karen machte sich Sorgen. Viele der Kleinen wurden durch den Mangel an frischer Luft ernstlich krank. Sie ging nach oben an Deck, arbeitete sich mühsam durch das Gewirr von Armen, Beinen und Rucksäcken und stieg hinauf zur Brücke. Im Ruderhaus saß Bill Fry, der eine Tasse Kaffee trank und dabei die Menschen beobachtete, die in drangvoller Enge das Deck bevölkerten. Bei ihm stand der Palmach-Chef, der irgendwelche Wünsche hatte. »Herrgott noch mal!« brummte Bill. »Dieses ewige Gerede. Befehle sind nicht dazu da, um darüber zu diskutieren. Sie sind dazu da, um befolgt zu werden. Wie zum Teufel wollt ihr Burschen eigentlich irgendwas erreichen, wenn ihr über jede Sache so lange redet? Hier an Bord bin ich der Kapitän!«

  Der Palmach-Chef, der Bills Ausbruch kaum zur Kenntnis nahm, führte ungerührt zu Ende, was er auf dem Herzen hatte, und ging. Bill brummte in seinen Bart und steckte sich einen Zigarrenstummel an. Dann fiel sein Blick auf Karen, die ziemlich blaß in der Tür stand.

  »Hallo, Kleine«, sagte er lächelnd. »Kaffee?«

  »Sehr gern.«

  »Du siehst schlecht aus.«

  »Ich komme bei den Kindern nicht allzuviel zum Schlafen.«

  »Hm — wie kommst du denn mit ihnen zurecht?«

  »Deshalb wollte ich mit Ihnen sprechen. Es geht ihnen zum Teil gar nicht gut, und da unten in dem Laderaum sind auch eine ganze Reihe schwangerer Frauen.«

  »Weiß ich, weiß ich.«

  »Ich finde, die Kleinen sollten für eine Weile nach oben an Deck gebracht werden.«

  Er zeigte nach unten auf das übervölkerte Deck. »Wohin denn?«

  »Sie müssen eben ein paar hundert Freiwillige finden, die mit uns tauschen.«

  »Also, hör mal zu, Kleine, ich mag dir nicht gern einen Korb geben, aber ich habe eine ganze Masse anderer Sorgen. Und so einfach ist die Sache nicht. Wir können auf dieser Nußschale nicht anfangen, die Leute hin und her zu schicken.«

  Karens Gesicht blieb sanft, und auch ihre Stimme klang unverändert freundlich, als sie sagte: »Ich gehe jetzt wieder nach unten und bringe meine Kinder an Deck.« Damit wandte sie sich zum Gehen. »Komm mal her, du. Wie kann ein Mädchen, das so nett aussieht, bloß so eklig sein?« Bill strich sich über das Kinn. »Also gut! Wir werden deine Bälger an Deck unterbringen. Herrgott noch mal, dauernd kommt einer und will was!«

  Am Abend brachte Karen ihre Kinder zu einer Stelle auf dem Achterdeck. In der wunderbar frischen und kühlen Luft fielen sie in einen tiefen, ruhigen Schlaf.

  Am nächsten Tag war das Meer spiegelglatt. Mit der Morgendämmerung erschienen weitere englische Aufklärer, und der inzwischen bereits vertraute Geleitschutz, die Defiance und die Blakely, folgten dem Schiff noch immer. Eine Welle der Erregung lief durch das Schiff, als Bill über Lautsprecher mitteilte, daß sie nur noch knappe vierundzwanzig Stunden von Erez Israel entfernt seien — dem Lande Israel. Alle hielten den Atem an. Die Spannung stieg, und es entstand eine seltsame Stille, die viele Stunden lang anhielt. Gegen Abend kam die Blakely nahe an die Stern Davids heran.

  Aus dem Lautsprecher der Blakely dröhnte eine Stimme in englischer Sprache über das Wasser. »Hallo, Einwandererschiff — hier spricht Captain Cunningham von der Blakely. Ich möchte Ihren Kapitän sprechen.«

  »Hello, Blakely«, rief Bill Fry zurück. »Was gibt's?«

  »Wir wollen einen Unterhändler zu Ihnen an Bord schicken, um mit Ihnen zu reden.«

  »Das können Sie auch so. Wir sind hier ganz unter uns und haben keine Geheimnisse voreinander.«

  »Also gut. Irgendwann nach Mitternacht werden Sie die Gewässer von Palästina erreichen. Wir haben die Absicht, dann bei Ihnen an Bord zu kommen und Sie nach Haifa abzuschleppen. Wir möchten gern wissen, ob Sie bereit sind, dies ohne Widerstand geschehen zu lassen.« »Hello, Cunningham. Wir haben einige schwangere Frauen und kranke Leute an Bord, und wir wollten fragen, ob Sie bereit wären, die zu übernehmen.«

  »Wir haben keine dahingehenden Anweisungen. Werden Sie sich von uns abschleppen lassen oder nicht?«

  »Wohin hatten Sie gesagt?«

  »Nach Haifa.«

  »Teufel auch — wir müssen vollkommen vom Kurs abgekommen sein. Das hier ist nämlich ein Vergnügungsdampfer vom Eriesee.« »Dann werden wir gezwungen sein, mit Gewalt bei Ihnen an Bord zu gehen!«

  »Cunningham!«

  »Ja?«

  »Sagen Sie es Ihren Offizieren und Mannschaften: Ihr könnt euch alle zum Teufel scheren!«

  Die Nacht kam, doch niemand schlief. Alles starrte durch die Dunkelheit, um die Küste zu erspähen, den ersten Blick auf Erez Israel zu tun. Nichts war zu sehen. Die Nacht war neblig. Kein Mond, kein Stern, und die Stern Davids schlingerte in der unruhigen See.

  Gegen Mitternacht klopfte ein Palmach-Gruppenleiter Karen auf die Schulter. »Komm mit auf die Brücke«, sagte er.

  Mühsam bahnten sie sich über die an Deck ausgestreckten Leiber den Weg zum Ruderhaus, wo sich zwanzig Mann der Besatzung und die Palmach-Gruppenleiter drängten. Es war stockdunkel; nur das bläuliche Licht, das vom Kompaß kam, leuchtete. In der Nähe des Ruders erkannte Karen als dunklen Umriß die gedrungene Gestalt von Bill Fry.
r />   »Sind alle da?«

  »Alles vollzählig zur Stelle.«

  »Also, hört mal zu«, ertönte Bills Stimme aus der Dunkelheit. »Ich habe die Sache mit den Palmach-Chefs und meiner Mannschaft durchgesprochen, und wir sind zu einem Entschluß gelangt. An der ganzen Küste ist dicker Nebel. Wir haben einen Hilfsmotor an Bord, mit dem wir eine Geschwindigkeit von fünfzehn Knoten erreichen können. In zwei Stunden kommen wir in die Gewässer von Palästina. Falls es so neblig bleibt, wollen wir versuchen, durchzubrechen und das Schiff südlich von Cäsarea auf Strand zu setzen.«

  Durch den Raum ging ein erregtes Gemurmel.

  »Können wir denn diesen Kriegsschiffen entkommen?« »Die werden unseren Äppelkahn für die Thunderbird halten müssen, ehe ich bis drei gezählt habe«, gab Bill Fry zurück.

  »Aber werden sie uns nicht auf ihrem Radargerät sehen!«

  »Das schon — aber bis ganz an die Küste werden sie uns nicht nachkommen. Die riskieren nicht, einen Kreuzer auf Strand zu setzen.«

  »Und was ist mit der britischen Garnison in Palästina?«

  »Wir haben uns mit dem Palmach an Land in Verbindung gesetzt. Man erwartet uns. Ich bin überzeugt, daß man den Engländern einen interessanten Abend veranstalten wird. Also, ihr habt ja alle in La Ciotat eine Spezialausbildung durchgemacht, wie man sich bei einer Landung zu verhalten hat. Ihr wißt, womit zu rechnen ist und was ihr zu tun habt. Karen und die beiden anderen, die eine Kindergruppe haben — bleibt mal lieber noch einen Augenblick hier, damit ich euch spezielle Anweisungen geben kann. Noch irgendwelche Fragen?«

 

‹ Prev