Exodus

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Exodus Page 38

by Leon Uris


  »Seit vielen Jahren habe ich mir Gedanken gemacht, um hinter die Lösung des verwirrenden Rätsels zu kommen, wie ich meinen Leuten helfen könnte. Es fällt mir schwer, es zu glauben, doch es gibt keine schlimmeren Ausbeuter als die arabischen Großgrundbesitzer. Sie wollen nicht, daß es den Fellachen besser geht. Denn das könnte unter Umständen ja ihr eigenes Wohlleben gefährden.«

  Barak hörte gespannt zu. Es war ein ungewöhnliches Bekenntnis aus dem Munde eines Arabers.

  »Ich habe gesehen und erlebt«, fuhr Kammal fort, »wie die Juden zurückgekommen sind und wahre Wunder in dem Land vollbracht haben. Wir haben nichts gemeinsam, weder die Religion, die Sprache noch unser Äußeres. Ich bin mir nicht einmal sicher, ob uns die Juden nicht letzten Endes vielleicht doch das ganze Land wegnehmen werden. Trotzdem — die Juden sind die einzige Rettung für das arabische Volk. Sie sind im Verlauf von tausend Jahren die einzigen, die Licht in diesen dunklen Winkel der Welt gebracht haben.«

  »Ich weiß, Kammal, daß es Ihnen nicht leicht fällt, das zu sagen — .«

  »Lassen Sie mich bitte ausreden. Wenn es möglich ist, daß wir friedlich nebeneinander leben, so groß die Unterschiede zwischen uns auch sein mögen, dann muß sich das, was ihr erreicht habt, schließlich auch für uns vorteilhaft auswirken. Ich weiß nicht, Barak, ob ich mit meiner Ansicht recht habe, aber ich sehe keinen anderen Weg für das arabische Volk.«

  »Wir haben euch niemals irgendeinen Anlaß gegeben, an der Aufrichtigkeit unseres Wunsches nach Frieden zu zweifeln —.« »Gewiß — doch es gibt Kräfte, die mächtiger sind als Sie und ich, und die uns gegen unseren Willen in einen Konflikt bringen könnten.«

  Wie wahr, dachte Barak, nur allzu wahr.

  »Hören Sie, Barak — ich habe mich entschlossen, dieses Land am Hule-See, das Sie so gern besitzen wollten, an die Zionistische Siedlungsgesellschaft zu verkaufen.«

  Baraks Herz begann zu klopfen.

  »Das geschieht nicht nur aus reinem Wohlwollen. Ich knüpfe bestimmte Bedingungen daran. Ihr müßt den Arabern von Abu Yesha Gelegenheit geben, eure Methoden der Bodenbearbeitung und der Gesundheitspflege zu erlernen. Das ist nur allmählich zu erreichen, im Verlauf einer längeren Zeitspanne. Ich möchte, daß einige der aufgeweckten Jungen aus meinem Dorf Gelegenheit bekommen, eure Schule zu besuchen, um Lesen und Schreiben zu lernen.«

  »Das soll geschehen«, sagte Barak.

  »Ich habe noch eine weitere Bedingung.«

  »Welche?«

  »Sie müssen mit von der Partie sein.«

  Barak stand auf und strich sich seinen Bart. »Ich? Warum ich?« »Wenn Sie dabei sind, kann ich sicher sein, daß meine Bedingungen erfüllt werden und wir in Frieden miteinander leben können. Ich habe Ihnen vom ersten Tage an vertraut, seit Sie vor mehr als dreißig Jahren als junger Mann nach Abu Yesha kamen.«

  »Ich werde es mir überlegen«, sagte Barak.

  »Und was wirst du nun Kammal sagen?« fragte Sara.

  Barak zuckte die Schultern. »Was gibt es da zu sagen? Wir können natürlich nicht hin. Wirklich ein Jammer. Jahrelang habe ich versucht, ihn dazu zu bringen, dieses Land zu verkaufen. Wenn ich jetzt nicht mitmache, bekommen wir es nie.«

  »Wirklich schade«, sagte Sara. Sie goß den Tee ein.

  Barak ging unruhig und unglücklich im Zimmer umher. »Wir müssen nun mal auf dem Teppich bleiben, Sara«, brummte er. »Man braucht mich beim Jischuw-Zentralrat, und man braucht mich bei der Siedlungsgesellschaft. Leider bin ich nicht einer von denen, die auf der Allenbystraße einen Laden haben.«

  »Nein, natürlich nicht«, sagte Sara voller Anteilnahme. »Deine Arbeit ist wichtig, und du bist für die Allgemeinheit unentbehrlich.« »Ja«, sagte er, während er seine unruhige Wanderung durch das Zimmer wieder aufnahm, »und außerdem sind wir nicht mehr die Jüngsten. Ich bin über Fünfzig, und dieses Land dort urbar zu machen, wird eine sehr harte Arbeit sein.«

  »Du hast recht, Barak. Wir sind zu alt, um als Pioniere in die Wildnis zu gehen. Du hast deinen Beitrag zum Aufbau dieses Landes geleistet.«

  »So ist es! Ich werde Kammal absagen.«

  Er ließ sich in einen Sessel sinken und seufzte tief. Es war ihm nicht gelungen, sich selbst zu überzeugen. Sara stand vor ihm und sah ihn lächelnd an. »Du machst dich über mich lustig«, sagte er sanft. »Warum?«

  Sie setzte sich auf seinen Schoß. Er strich ihr über das Haar, und seine mächtigen Hände waren von überraschender Zartheit.

  »Ich mußte gerade an dich und Ari denken. Es wird eine sehr schwere Arbeit werden, und die Strapazen werden groß sein.« »Schweig, Weib — und trink deinen Tee.«

  Barak kündigte der Zionistischen Siedlungsgesellschaft, verkaufte seine Wohnung in Tel Aviv und zog mit fünfundzwanzig Familien von Neusiedlern zum Hule-Moor, um dort einen Moschaw zu errichten. Sie nannten die Siedlung Yad El, die Hand Gottes.

  Sie schlugen ihre Zelte unterhalb der Felder von Abu Yesha auf und machten sich einen genauen Arbeitsplan. Noch nie hatten NeuSiedler vor einer so schwierigen Aufgabe gestanden. Das Hule-Moor war ein unergründlicher Sumpf, mit finsteren Dickichten aus undurchdringlich verfilztem Unterholz und Papyrusstauden, die bis zu neun Meter hoch aufragten. Im schlammigen Boden lebten giftige Schlangen, Skorpione, Ratten und hundert andere Arten von Getier. Alles, selbst Trink- und Waschwasser, mußte auf Mauleseln herangebracht werden.

  Sara hatte die Leitung des Ausgangslagers, des Krankenzeltes und der Küche. Barak führte die Arbeitskommandos, die Tag für Tag mit Schaufeln und Hacken in die Sümpfe zogen.

  In diesem ersten Sommer arbeiteten sie Tag für Tag, Woche um Woche und Monat um Monat in der glühenden Sommerhitze. Sie standen im Wasser, das ihnen bis an die Hüften und manchmal bis zum Hals reichte und hieben mit Macheten auf den wuchernden Dschungel ein, bis sie die Arme nicht mehr heben konnten. Auf dem bereinigten Terrain begannen sie mit dem Bau von Entwässerungskanälen. Die Frauen arbeiteten Seite an Seite mit den Männern und standen mit ihnen im Schlamm. Der zehnjährige Ari ben Kanaan, eins von den drei Kindern in der Siedlung, schaffte den Abfall fort und brachte Trinkwasser und Verpflegung für die Arbeiter heran. Jede Woche hatte sieben Werktage, und man arbeitete von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang. Und doch fanden sie jeden Abend noch die Kraft, ein paar Lieder zu singen und Horra zu tanzen, ehe sie sich für sechs oder sieben Stunden schlafen legten. Dazu kam nachts die übliche Wache zum Schutz gegen Räuber und wilde Tiere.

  Sie mußten sich sehr beeilen, um den Bau der Entwässerungskanäle vor den winterlichen Regenfällen zu beenden. Wenn das Regenwasser nicht ablief, war die Arbeit des Sommers vergeblich gewesen. Auch hier wurden Hunderte australischer Eukalyptusbäume gepflanzt, die das Wasser aufsaugten. Alle Siedlungen in der Gegend schickten ihnen soviel Arbeitskräfte zu Hilfe, wie sie selbst entbehren konnten.

  Am Abend bei Kerzenlicht unterrichteten Sara und Barak Ari und die beiden anderen Kinder. Die winterlichen Regengüsse setzten ein und schwemmten das Ausgangslager fast davon. Nach jedem Sturzregen mußten sie zu den Entwässerungskanälen eilen und dafür sorgen, daß sie der Schlamm nicht verstopfte und das Ablaufen des Wassers verhinderte.

  Selbst ein Mann von der Stärke und Energie Barak ben Kanaans begann sich allmählich zu fragen, ob sie sich diesmal nicht doch zuviel zugetraut hatten. Jedesmal, wenn er Ari und Sara ansah, blutete ihm das Herz. Sie waren von Insekten zerstochen, litten an Ruhr, hatten Hunger und Durst.

  Noch schlimmer war die Malaria. Im Verlauf dieses ersten Sommers und Winters hatte Sara fünf und Ari vier Anfälle. Der Schüttelfrost und das Fieber brachten ihr Leben in Gefahr.

  Für viele der Familien war der Kampf mit dem Sumpf zu schwer. Von der ursprünglichen Gruppe zog es die Hälfte vor, in die Stadt zurückzugehen, um leichtere Arbeit zu finden. Und es dauerte nicht lange, da gab es in Yad El einen Friedhof. Zwei der Siedler waren an Malaria gestorben.

  Yad El — die Hand Gottes. Vielleicht war es die Hand Gottes gewesen, die sie hierher geführt hatte; zweifellos aber waren es menschliche Hände, die den Sumpf trockenlegen mußten. Drei Jahre lang kämpften sie pausenlos und drängten den Sumpf zurück! Schlie
ßlich war genügend anbaufähiges Land da, um daraus fünfundzwanzig Höfe von je zweihundert Dunam zu errichten. Sie hatten keine Zeit, sich des Erfolges zu freuen: Es mußte gesät werden. Häuser waren zu bauen.

  Ari ben Kanaan hatte die Folgen der Malaria und anderer Krankheiten überwunden und war ein baumlanger Bursche geworden. Im Alter von vierzehn Jahren leistete er das Tagewerk eines erwachsenen Mannes. Als die Felder gepflügt waren und sie ihr kleines Haus bezogen hatten, konnte Sara Barak mitteilen, daß sie abermals ein Kind erwartete. Und am Ende des vierten Jahres ereigneten sich für Barak ben Kanaan zwei Dinge von großer Wichtigkeit: Sara schenkte ihm eine Tochter, die das gleiche leuchtend rote Haar hatte wie er. Das zweite bedeutende Ereignis war die erste Ernte im Yad El.

  Jetzt endlich hielten die geplagten Neusiedler für einen Augenblick in ihrer schweren Arbeit inne und nahmen sich die Zeit, ein Fest zu feiern. Und was für ein Fest! Pioniere aus den Kibbuzim und Moschawim der ganzen Gegend, die den Leuten von Yad El geholfen hatten, kamen, um daran teilzunehmen. Es kamen Araber von Abu Yesha, und eine ganze Woche lang ging es hoch her, bis in den Morgen hinein. Alle kamen und besahen sich die Tochter von Barak und Sara. Man nannte sie Jordana, nach dem Fluß, der am Rande von Yad El entlangfloß.

  Die Errichtung von Yad El hatte eine ungeheure Wirkung auf die Araber von Abu Yesha. Barak erfüllte alles, was er zugesagt hatte. Er richtete Lehrgänge für die Araber ein, um sie im Gesundheitswesen, der Verwendung landwirtschaftlicher Maschinen und neuen Methoden der Landbestellung zu unterweisen. Die Schule von Yad El stand jedem arabischen Knaben aus Abu Yesha offen, der Lust hatte, sie zu besuchen. Der Arzt und die Krankenschwester der Siedlung waren auf Abruf jederzeit für die Araber bereit.

  Kammals Lieblingssohn, ein Junge namens Taha, war ein paar Jahre jünger als Ari. Von früh auf hatte Kammal in seinem Sohne Taha das tiefe Verlangen, das auch ihn erfüllte, wachgerufen, die Lebensverhältnisse der Fellachen zu verbessern. Als zukünftiger Muktar von Abu Yesha verbrachte Taha mehr Zeit in Yad El als in seinem eigenen Dorf. Er war der persönliche Schützling der Familie Ben Kanaan. Taha und Ari wurden enge Freunde.

  Während die Bewohner von Yad El und Abu Yesha miteinander in Frieden lebten und den Beweis dafür lieferten, daß Araber und Juden trotz der zwischen ihnen bestehenden kulturellen Unterschiede einträchtig Seite an Seite existieren konnten, bekamen viele der anderen Effendifamilien es langsam mit der Angst zu tun, als sie sahen, mit welchem Schwung die Juden der dritten Aliyah-Welle an die Arbeit gegangen waren und was sie zustande gebracht hatten. Dieses Beispiel konnte sich verheerend auswirken. Wie, wenn die Fellachen anfingen, gleichfalls Schulen, sanitäre Maßnahmen und ärztliche Einrichtungen zu verlangen!

  Und was sollte daraus werden, falls sich die Fellachen, Gott behüte, mit dem Gedanken befreundeten, ihre Gemeinschaftsbelange ebenso wie die Juden durch demokratische Abstimmung zu regeln, bei denen nicht nur die Männer, sondern auch die Frauen stimmberechtigt waren! Das konnte unter Umständen für das so wunderbar funktionierende Feudalsystem der Effendis den Todesstoß bedeuten!

  Um diese gefährliche Entwicklung aufzuhalten, sprachen die Effendis die Unwissenheit, die mißtrauische Angst und den religiösen Fanatismus der Fellachen an. Sie betonten immer wieder, daß die Juden Eindringlinge aus dem Westen waren, die darauf ausgingen, dem Fellachen ihr Land zu stehlen. In Wirklichkeit hatten die Effendis selbst den Juden dieses Land verkauft, um viel hebräisches Gold an sich zu bringen.

  Da es viele Jahre lang keinen größeren Zwischenfall mehr gegeben hatte, setzte sich Hadsch Amin el Husseini erneut in Bewegung. Es war im Jahre 1929. Diesmal inszenierte er kaltblütig einen Zwischenfall, mit dem er die Araber erneut zu verärgern gedachte. Die Stelle in Jerusalem, auf der der Felsendom, die Moschee Omars, stand, wurde von den Moslems als heilig verehrt. Von dieser Stelle aus war, wie sie glaubten, ihr Prophet Mohammed in den Himmel aufgefahren. Genau an dieser Stelle stand noch eine erhaltene Mauer des jüdischen Tempels, der im Jahre 76 v. Chr. von den Römern zum zweitenmal zerstört worden war. Diese Tempelmauer war für die Juden die heiligste aller Stätten. Fromme Juden kamen hierher, um zu beten und die vergangene Größe Israels zu beweinen. Durch die Tränen der Juden wurde diese Mauer in aller Welt als die »Klagemauer« bekannt.

  Der Mufti brachte gefälschte Fotos in Umlauf, auf denen Juden zu sehen waren, die bei der Klagemauer standen, im Begriff, die heilige Stätte des Islams, den Felsendom, zu »entweihen«. In ihrem muselmanischen Fanatismus fielen die Fellachen erneut über die Juden her, diesmal mit Hilfe des Klans der Husseini und anderer Effendis. Auch diesmal richtete sich ihre Wut gegen die wehrlosen alten Juden, die in den heiligen Städten lebten. Das Massaker war noch umfangreicher als bei dem Pogrom, den der Mufti zehn Jahre vorher inszeniert hatte. Die Unruhe griff um sich. Die Straßen waren unsicher, und auf beiden Seiten stieg die Zahl der Toten in die Tausende. Auch diesmal waren die Engländer nicht in der Lage, dem Gemetzel Einhalt zu gebieten.

  Sie entsandten einen Untersuchungsausschuß. Er stellte fest, daß die Schuld eindeutig bei den Arabern lag. Dann aber setzten sich die Engländer paradoxerweise über den Inhalt der Balfour-Deklaration und die Bestimmungen des Mandatsvertrages hinweg und schlugen vor, den Erwerb von Grund und Boden durch die Juden und die jüdische Einwanderung zu beschränken, »um so die Furcht der Araber zu beschwichtigen«.

  XIV.

  In dem Jahr, in dem diese schwelenden Unruhen ausbrachen, 1929, trafen die Siedler von Yad El ein Abkommen mit dem Müller des arabischen Dorfes Ata, das rund zehn Kilometer von Yad El entfernt war.

  Barak betraute Ari mit der Aufgabe, nach Ata zu fahren, um das Korn von Yad El dort mahlen zu lassen. Sara war dagegen, einen Jungen von vierzehn Jahren allein über Land zu schicken, zumal bei der gegenwärtigen gespannten Lage und den Unruhen. Doch Barak war eisern. »Weder Ari noch Jordana sollen wie Ghetto-Juden in Angst leben«, sagte er.

  Ari war stolz auf das Zutrauen, das sein Vater zu ihm hatte, als er sich auf den Eselskarren schwang. Der Karren war mit einem Dutzend Säcke voll Korn beladen. Ari fuhr los, die Straße entlang nach Ata.

  In dem Augenblick, als er in das Dorf hineinfuhr, wurde er von einem Dutzend Araberjungen entdeckt, die in der Nähe des Kaffeehauses herumlungerten. Sie warteten, bis er um die Ecke gebogen war und schlichen ihm dann nach zu der Mühle.

  Ari, voll Stolz über seine Wichtigkeit, dachte nur an seinen Auftrag. Er brachte sein Anliegen in einwandfreiem Arabisch vor, das er von seinem Freund Taha gelernt hatte. Das Korn wurde zu Mehl gemahlen. Ari paßte genau auf, daß die Säcke mit dem Korn gefüllt wurden, das er gebracht hatte, und nicht etwa mit einem Mehl aus arabischem Weizen von minderer Qualität. Der Müller, der gehofft hatte, einen Sack von dem Mehl für sich auf die Seite bringen zu können, war baß erstaunt, wie genau der Junge aufpaßte. Ari lud die Säcke mit dem Mehl auf und machte sich auf den Rückweg nach Yad El.

  Die Araberjungen, die in einem Versteck gewartet hatten, machten mit dem Müller in aller Eile aus, Aris Mehl zu stehlen und es dem Müller zu verkaufen. Sie liefen im Galopp los, überholten Ari auf einem Abkürzungsweg, bauten ein Straßenhindernis und legten sich in den Hinterhalt.

  Kurz darauf lief Ari, der auf der Straße herankam, direkt in die Falle. Die Jungen sprangen aus der Deckung hervor und warfen mit Steinen nach ihm. Ari gab dem Esel die Peitsche. Nach wenigen Metern aber kam er an das Hindernis und konnte nicht weiter.

  Ein Stein traf ihn ins Gesicht. Er fiel vom Wagen und stürzte halb bewußtlos auf die Straße. Vier der Angreifer warfen sich über ihn und hielten ihn fest, während die anderen die Säcke von der Karre holten und sich damit davonmachten.

  Spät abends kam Ari nach Yad El zurück. Sara, die ihm die Tür aufmachte, warf einen Blick auf sein blutbeschmiertes Gesicht und seine zerfetzte Kleidung; sie schrie laut auf. Ari stand einen Augenblick wortlos vor ihr, dann biß er die Zähne aufeinander, schob sich an seiner Mutter vorbei, rannte in sein Zimmer und schloß sich ein. Obwohl seine Mutter ihn anflehte, die Tür aufzumachen, kam er erst wieder zum Vorschein, als Barak von einer Versammlung nach Hause kam.


  Mit geschwollenen und aufgeplatzten Lippen stand er vor seinem Vater. »Ich habe versagt. Ich habe das Mehl nicht zurückgebracht.« »Nein, mein Sohn«, sagte Barak. »Ich bin es, der hier versagt hat.« Sara stürzte zu Ari und nahm ihn in die Arme. »Schick den Jungen nicht wieder allein los, nie mehr, nie mehr!« Sie ging mit ihm fort, um ihm das Blut abzuwaschen. Barak sagte nichts.

  Am nächsten Morgen nach dem Frühstück nahm Barak, bevor er aufs Feld hinausging, Ari bei der Hand und führte ihn zur Scheune. »Ich habe bei deiner Erziehung etwas vergessen«, sagte er und nahm seinen alten Ochsenziemer vom Haken.

  Dann baute er eine Strohpuppe und nagelte sie an die Scheunenwand. Er zeigte Ari, wie man die Entfernung schätzt, wie man zielt, ausholt und das Leder durch die Luft sausen läßt. Beim Geräusch des ersten Schlages kam Sara mit Jordana im Arm angelaufen.

  »Bist du wahnsinnig geworden, dem Jungen beizubringen, wie man mit einem Ochsenziemer umgeht?«

  »Schweig!« brüllte Barak in einem Ton, wie sie ihn in ihrer mehr als zwanzigjährigen Ehe noch nie von ihm gehört hatte. »Der Sohn Barak ben Kanaans ist ein freier Mann! Er soll niemals ein GhettoJude sein. Und jetzt verschwinde hier — wir haben zu tun.«

  Von morgens bis abends übte sich Ari im Gebrauch des Ochsenziemers. Er schlug den Strohmann kurz und klein. Er zielte nach Steinen, Konservendosen und leeren Flaschen, bis er sie mit einer raschen Drehung des Handgelenks traf. Er übte so lange, bis er den Arm kaum noch heben konnte.

  Nach zwei Wochen belud Barak den Eselskarren abermals mit einem Dutzend Kornsäcken. Er legte seinem Sohn den Arm um die Schulter, ging mit ihm zu dem Karren und überreichte ihm den Ochsenziemer.

  »Fahr mit dem Korn nach Ata und laß es mahlen.«

  »Ja, Vater«, sagte Ari ganz ruhig.

  »Und vergiß eines nicht, mein Sohn: was du da in deiner Hand hältst, ist Wehr und Waffe der gerechten Sache. Verwende sie nie im Zorn oder aus Rache. Nur zur Verteidigung.«

 

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