Exodus

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Exodus Page 65

by Leon Uris


  So ging es weiter und weiter.

  »Keine überlebenden Angehörigen.«

  »Auch dieses Kind träumt den Traum, der sich fast bei allen Kindern zeigt, die in Auschwitz waren. Sie träumt von übelriechendem Rauch. Dieser Traum ist symbolisch für den Geruch des Rauches aus den Öfen, in denen die Leichen verbrannt wurden.« »Bettnässen.«

  »Mißtrauen und Feindlichkeit.«

  »Angstträume.«

  »Aggressivität.«

  Kitty Fremont stellte die Karteikästen in den Aktenschrank und schloß ihn ab. Sie sah sich einen Augenblick in ihrem Büro um, dann machte sie rasch das Licht aus und ging hinaus.

  Als sie in ihre Wohnung kam, rief sie nach Karen. Sie bekam keine Antwort, aber auf dem Küchentisch lag ein Zettel.

  Liebe Kitty,

  die Gruppe möchte zum Abschied gern ein Lagerfeuer machen. Es wird aber nicht allzu spät werden. Karen.

  Kitty steckte sich eine Zigarette an und ging unruhig im Raum hin und her. Sie zog die Vorhänge vor, um die Lichter unten im Tal nicht zu sehen. Sie ertappte sich dabei, wie sie den Stoff der Vorhänge in der Hand hielt, die ihre Kinder für sie genäht hatten. Zehn dieser Kinder hatten Gan Dafna bereits verlassen, um zum Palmach zu gehen.

  Es war drückend heiß im Zimmer. Sie ging hinaus zur Gartentür. Die Luft war würzig vom Duft blühender Rosen. Kitty ging den Weg zwischen den Reihen der kleinen Häuschen entlang, die alle unter Bäumen und hinter Hecken auf kleinen Rasenflächen lagen. Sie kam an das Ende des Weges und wollte schon wieder zurückgehen, als sie von dem Lichtschein angezogen wurde, der aus dem Fenster von Dr. Liebermann fiel.

  Der arme alte Mann, dachte Kitty. Sein Sohn und seine Tochter waren von der Universität abgegangen und jetzt bei der Negev-Brigade des Palmach, weit fort. Sie ging zur Tür und klopfte. Die Haushälterin öffnete und führte sie in Dr. Liebermanns Arbeitszimrner. Der alte Mann war gerade dabei, eine hebräische Inschrift auf einer Keramik zu entziffern. Aus dem Radio erklang leise eine Melodie von Schumann. Dr. Liebermann hob den Kopf, und legte das Vergrößerungsglas aus der Hand.

  »Schalom«, sagte Kitty.

  Er lächelte. Sie hatte ihn bisher noch nie in hebräischer Sprache begrüßt. »Schalom, Kitty«, sagte er. »Es ist ein so schöner Gruß, um von guten Freunden Abschied zu nehmen.«

  »Schalom ist ein wunderschöner Gruß, und es ist auch eine nette Art, sich bei guten Freunden anzumelden.«

  »Aber Kitty — meine Liebe —.«

  »Ja, Dr. Liebermann. Ich bleibe in Gan Dafna.«

  VIERTES BUCH

  WACHE AUF, MEINE EHRE

  Sei mir gnädig, Gott, sei mir gnädig! denn auf dich traut meine Seele, und unter dem Schatten deiner Flügel habe ich Zuflucht, bis daß das Unglück vorübergehe. Ich liege mit meiner Seele unter den Löwen, die Menschenkinder sind Flammen, ihre Zähne sind Spieße und Pfeile und ihre Zungen scharfe Schwerter. Sie stellen meinem Gange Netze und drücken meine Seele nieder; sie graben vor mir eine Grube und fallen selbst hinein.

  Mein Herz ist bereit, Gott, mein Herz ist bereit, daß ich singe und lobe. Wach auf, meine Ehre, wache auf, Psalter und Harfe, mit der Frühe will ich aufwachen.

  57. PSALM DAVIDS

  I.

  Im Herbst des Jahres 1947 wurde die sechstausend Jahre alte Sache des jüdischen Volkes vor die UNO gebracht.

  Chaim Weizmann, Sprecher der Zionistischen Weltorganisation, und Barak ben Kanaan, Vertreter des Jischuw, begaben sich als Führer einer zwölfköpfigen Delegation zu der entscheidenden Auseinandersetzung nach Flushing Meadow, New York. Die Mitglieder dieser Delegation, gewitzt durch lange Jahre vergeblicher Bemühung und feindlicher Ablehnung, gaben sich keinerlei Illusionen hin.

  In der mitten in Manhattan gelegenen Wohnung Dr. Weizmanns wurde ein behelfsmäßiges Hauptquartier eingerichtet. Die Delegierten hatten die Aufgabe, Stimmen zu gewinnen. Weizmann übernahm es als seine persönliche Aufgabe, die Juden in aller Welt zu alarmieren und sie aufzufordern, bei den Regierungen ihrer Länder vorstellig zu werden.

  Die Arbeit Barak ben Kanaans vollzog sich mehr in der Stille und hinter den Kulissen. Seine Aufgabe war es, sich über das stündlich wechselnde Kräfteverhältnis auf dem laufenden zu halten, die Situation zu analysieren, um schwache Stellen ausfindig zu machen und die Mitglieder der Delegation vorzuschicken, um irgendwelchen plötzlichen Veränderungen zu begegnen.

  Nach dem einleitenden parlamentarischen Geplänkel, das die Sache nur unnötig verzögerte, wurde die Frage der Teilung Palästinas auf die Tagesordnung gesetzt.

  Die Araber begaben sich siegessicher nach Lake Success. Sie hatten es erreicht, daß der Moslemstaat Afghanistan und das mittelalterlich feudale Königreich Yemen Mitglieder der UNO wurden, wodurch der arabisch-mohammedanische Block in der Generalversammlung über elf Stimmen verfügte.

  Außerdem nutzten die Araber auf jede mögliche Weise den Kalten Krieg aus, der zwischen den beiden Großen, den Vereinigten Staaten und der Sowjetunion, loderte, indem sie geschickt den einen gegen den anderen ausspielten. Es war von Anfang an klar, daß die Teilung Palästinas nur erreicht werden konnte, wenn beide Großmächte ihren Segen dazu erteilten. Rußland und die Vereinigten Staaten waren bisher noch in keiner Frage einer Meinung gewesen, und es schien wenig wahrscheinlich, daß sie es in diesem Falle sein würden.

  Für die Annahme des Beschlusses der Teilung Palästinas durch die Vollversammlung war eine Zweidrittelmehrheit erforderlich. Die Juden mußten zunächst einmal zweiundzwanzig Stimmen erhalten, um nur die elf Stimmen des arabisch-mohammedanischen Blocks zu überstimmen und sie damit unschädlich zu machen. War das erreicht, so mußten sie für jede einzelne Stimme, die die Araber für sich buchen konnten, zwei weitere Stimmen gewinnen.

  Die internationale Presse befürwortete im allgemeinen die Teilung. Außerdem waren Jan Smuts von der Südafrikanischen Union und der große Vertreter des Liberalismus, der tschechoslowakische Außenminister Jan Masaryk, auf dem Kampfplatz erschienen. Dänemark, Norwegen und ein paar andere Länder waren in ihrer Haltung entschieden und unerschütterlich. Die gefühlsmäßige Einstellung zugunsten der Teilung war stark, doch Sympathie allein war nicht genug.

  Die vier Großen, die Mächtigen, ließen den Jischuw im Stich. Frankreich, das die illegale Einwanderung offen begünstigt hatte, zog sich plötzlich zurück. Unter den Arabern in den französischen Kolonien, in Marokko, Algerien und Tunesien, herrschte Unruhe. Wenn Frankreich für die Teilung stimmte, so konnte das bei den Arabern möglicherweise eine Explosion auslösen.

  Die Sowjetunion hatte andere Gründe, nicht für die Teilung zu stimmen. Seit mehr als zwei Jahrzehnten war der Zionismus in Rußland verboten. Die Russen verfolgten ein Programm der allmählichen Ausmerzung des Judentums. Durch alle möglichen Einschränkungen hofften sie, das jüdische Element bei den neuen Generationen auszuschalten. Die Teilung Palästinas konnte die russischen Juden daran erinnern, daß sie Juden waren: die Sowjetunion war daher gegen die Teilung. Damit war zugleich die Haltung des machtvollen slawischen Blocks bestimmt.

  Der schlimmste Rückschlag, den die Juden zu erleiden hatten, war die Haltung der Vereinigten Staaten. Der amerikanische Präsident, die Presse und die Öffentlichkeit standen der Frage sympathisch gegenüber. Doch die internationale Politik nötigte die Vereinigten Staaten, offiziell eine zweideutige Stellung zu beziehen. Eine Befürwortung der Teilung hätte das Fundament der westlichen Welt gefährdet, weil sie zu einem Bruch der anglo-amerikanischen Solidarität geführt hätte. Großbritannien war noch immer die herrschende Macht im Nahen Osten; die amerikanische Außenpolitik war von der englischen Außenpolitik nicht zu trennen. Wenn Amerika für die Teilung stimmte, so brüskierte es damit England, Darüber hinaus sah sich Amerika aber noch einer größeren Gefahr gegenüber. Die Araber drohten mit Krieg, falls die Vollversammlung der Teilung zustimmen sollte. Wenn es zu einem Krieg kam, hätten die Vereinten Nationen den Frieden mit Gewalt erzwingen und die Sowjetunion oder ihre Satelliten mit Truppen an einer internationalen Streitmacht im Nahen Osten beteiligen müssen.

  Von den vier Großmächten war Großbritannien de
r entschiedenste und gefährlichste Gegner der Teilung. Als die Engländer die Frage des Palästina-Mandats vor die UNO brachten, waren sie von der Annahme ausgegangen, daß die UNO keine Lösung finden und deshalb die Engländer bitten würde, in Palästina zu bleiben. Doch dann begab sich der Untersuchungsausschuß der UNO nach Palästina und kam auf Grund seiner Ermittlungen zu einer bitteren Kritik an der englischen Herrschaft. Außerdem hatte die Weltöffentlichkeit erfahren, daß hunderttausend englische Soldaten nicht in der Lage gewesen waren, sich mit der Entschlossenheit der Hagana, des Palmach, der Makkabäer und des Aliyah Bet zu messen, was dem britischen Prestige empfindlich Abbruch tat.

  Die Engländer wollten ihre Machtstellung im Nahen Osten aufrechterhalten. Nur indem sie die Teilung Palästinas torpedierten, schien es ihnen möglich, gegenüber den Arabern das Gesicht zu wahren. Außerdem bedienten sich die Engländer nicht ungeschickt der amerikanischen Furcht vor einem russischen Eindringen im Nahen Osten, indem sie ankündigten, daß sie ihre Truppen im August 1948 aus Palästina zurückziehen würden. Schließlich zeigte sich England auch nicht bereit, mit Hilfe britischer Streitkräfte einem UNO-Beschluß Respekt zu verschaffen. Nachdem es England somit geglückt war, die USA zu überspielen, veranlaßte es die Staaten des Commonwealth zur Stimmenthaltung und begann gleichzeitig die kleineren europäischen Länder unter Druck zu setzen, die sich in wirtschaftlicher Abhängigkeit von Großbritannien befanden.

  Für den Jischuw sah es dunkel aus. Belgien, Holland und Luxemburg beugten sich dem englischen Druck. Andere kleinere Länder, mit deren Wohlwollen die Juden ebenfalls gerechnet hatten, begannen, sich zurückzuhalten.

  Die Haltung der asiatischen Länder war uneinheitlich. Sie wechselten ihre Meinungen fast stündlich. Die meisten von ihnen würden fraglos die Araber unterstützen, weil sie dadurch den Westmächten gegenüber ihre Solidarität gegen jede Art von Kolonialherrschaft bekunden konnten und weil sie sich zum Teil die arabische These zu eigen gemacht hatten, daß die Juden Vertreter des Westens in einem Teil der Welt seien, wohin sie nicht gehörten. Griechenland war den Arabern keineswegs freundlich gesinnt; es hatte aber zu beachten, daß immerhin hundertfünfzigtausend Griechen in Ägypten lebten. Ägypten ließ über das Schicksal dieser Minorität keinen Zweifel, falls die Griechen für die Teilung stimmen sollten.

  Äthiopien mochte die Ägypter ebensowenig, war aber sowohl geographisch als auch wirtschaftlich mit diesem Lande verknüpft.

  Romulo von den Philippinen hatte sich klar gegen den TeilungsVorschlag bekannt. Kolumbien machte aus seiner antijüdischen Einstellung kein Hehl.

  Die mittel- und südamerikanischen Staaten besaßen ein Drittel der siebenundfünfzig Stimmen in den Vereinten Nationen. Die meisten dieser Länder standen der Auseinandersetzung um Palästina fern und verhielten sich neutral. Die Juden forderten Jerusalem als Hauptstadt ihres künftigen Staatswesens; ohne Jerusalem war dieser Staat ihrer Meinung nach ein Körper ohne Herz. Die süd- und mittelamerikanischen Staaten waren überwiegend katholisch. Und der Vatikan wünschte ein internationalisiertes Jerusalem. Sollten die Juden auf Jerusalem beharren, riskierten sie den Verlust dieser für sie lebenswichtigen Stimmen in der UNO.

  Die Juden setzten ihre Arbeit trotzdem fort. Sie hofften auf ein Wunder, das sie ohne Zweifel brauchten. Den ganzen September und Oktober hindurch spornten Dr. Weizmann und Barak ben Kanaan ihre Delegation unermüdlich immer wieder an. Kein Rückschlag konnte sie entmutigen.

  Die stärkste Waffe der Juden war die Wahrheit. Es war die gleiche Wahrheit, die auch die neutrale UNSCOP in Palästina festgestellt hatte: daß das Land ein tyrannisierter Polizeistaat war; daß die Araber weder kulturell noch wirtschaftlich oder in sozialer Hinsieht über das Mittelalter hinausgekommen waren; daß die Juden mit Fleiß und Erfindungsgeist aus Wüstensand blühende Städte und aus Sümpfen fruchtbare Felder geschaffen hatten, und schließlich die in den DP-Lagern gewonnene Erkenntnis, daß die jüdische Sache schlechthin auch eine Sache der Menschlichkeit war.

  Granados von Guatemala, Lester Pearson von Kanada, Evatt von Australien, Masaryk von der Tschechoslowakei, Smuts von Südafrika, Fabregat von Uruguay, und zahlreiche andere Männer aus großen und kleinen Nationen waren entschlossen, die Wahrheit in Flushing Meadow nicht begraben zu lassen.

  Im November des Jahres 1947 geschah dann schließlich das »Wunder von Lake Success«.

  Es begann mit einer vorsichtig formulierten Erklärung der Vereinigten Staaten, in der festgestellt wurde, daß man »im Prinzip« für die Teilung sei.

  Und dann erfolgte ein Schachzug, der die Welt in Erstaunen versetzte. Die Sowjetunion, die den Zionismus seit mehr als zwei Jahrzehnten verboten hatte, machte eine ihrer verblüffenden Kehrtwendungen und erklärte sich für die Teilung. Diese Eröffnung erfolgte nach einer Geheimsitzung des slawischen Blocks; Wischinsky sprach in pathetischen Tönen von den Strömen vergossenen jüdischen Blutes und dem gerechten Anspruch der Juden auf eine Heimat.

  Hinter dieser humanitären Maske hatten die Russen ein gerissenes politisches Manöver vollzogen. Zunächst einmal hatten sie öffentlich ihr Mißtrauen gegenüber den Arabern bekundet. Sie waren sich darüber klar, daß die arabischen Drohungen nicht ernstzunehmen waren. Rußland konnte heute der Teilung sehr wohl zustimmen und die Araber morgen wieder für sich gewinnen. Inzwischen ging die sowjetische Strategie darauf aus, sowohl die Engländer als Tyrannen zu brandmarken als auch einen Schachzug zu machen, der möglicherweise dazu führen konnte, daß die Russen im Nahen Osten Fuß faßten. Außerdem waren sich die Russen darüber klar, daß Amerika, wenn die Sowjetunion der Teilung zustimmte, gleichfalls dafür stimmen mußte, da es sonst auf der ganzen Welt das Gesicht als Freund der Gerechtigkeit verloren hätte. Dies wiederum mußte eine Erschütterung der anglo-amerikanischen Solidarität bedeuten. Schließlich durfte die Sowjetunion erwarten, daß ihr diese »humanitäre« Proklamation einen enormen Prestigegewinn einbringen würde. Und so hatte der Jischuw plötzlich und ganz unerwartet einen seltsamen Bundesgenossen gefunden.

  Während die zwei großen Mächte ihre sorgfältig formulierten Erklärungen zugunsten der Teilung Palästinas abgaben, kursierten in den Räumen und auf den Gängen der UNO zahlreiche Gerüchte, die von Stunde zu Stunde dramatischer wurden.

  Das große Schachspiel ging weiter. Bei diesen Manövern wurden Granados und Lester Pearson zu entscheidenden Figuren. Nach vielen Bemühungen und nur unter Aufwendung großen diplomatischen Geschicks gelang es diesen beiden Männern, die Vertreter der Vereinigten Staaten und der Sowjetunion an einem Konferenztisch zusammenzubringen. Am Ende der Konferenz erklärten sich die beiden Großmächte in einem gemeinsamen Kommuniqué endgültig für die Teilung.

  Die Araber machten einen letzten verzweifelten Versuch, um zu verhindern, daß die Teilungsfrage der Vollversammlung zur Entscheidung vorgelegt werde. Es stellte sich jedoch sehr bald heraus, daß die Abstimmung, die darüber stattfand, ein Test war: um die Frage zur Entscheidung vor die Vollversammlung zu bringen, war nur einfache Stimmenmehrheit erforderlich, doch die abgegebenen Stimmen würden Aufschluß über das Kräfteverhältnis beider Seiten erbringen. Die Abstimmung erbrachte zwar die erforderliche Stimmenmehrheit, daß die Resolution zur Entscheidung vor die Vollversammlung kam, doch für die Juden brach die Decke ein. Die Auszählung ergab fünfundzwanzig Stimmen dafür, dreizehn dagegen, siebzehn Nationen hatten sich der Stimme enthalten, und zwei Nationen waren bei der Abstimmung nicht zugegen gewesen. Wenn das Verhältnis bei der endgültigen Abstimmung über die Teilung so bleiben sollte, konnte der Jischuw die erforderliche Zweidrittelmehrheit nicht erreichen. Frankreich, Belgien, Luxemburg, die Niederlande und Neuseeland hatten sich der Stimme enthalten. Paraguay und die Philippinen waren bei der Abstimmung nicht zugegen gewesen.

  Die Araber stellten fest, daß viele »sichere« Stimmen für die Teilung den Jischuw im Stich gelassen hatten, und die Juden die erforderliche Stimmenzahl nicht zusammenbekamen. Im Vertrauen darauf, daß sie vielleicht noch ein oder zwei zusätzliche Stimmen einhandeln konnten, änderten die Araber nunmehr plötzlich ihre Taktik und drangen darauf, daß die Frage von der Vollversammlung entschiede
n werde.

  MITTWOCH, DEN 27. NOVEMBER 1947.

  Die letzten Debatten verliefen heftig. Die Mitglieder der jüdischen Delegation saßen auf den ihnen zugewiesenen Plätzen im Saal der Vollversammlung und sahen wie Männer aus, die ihr Todesurteil erwarteten. Das Ergebnis der Testabstimmung war für sie ein schwerer Schlag gewesen. Während die Diskussion weiterging, wurden die Aussichten von Stunde zu Stunde geringer. Für die Juden war es ein »schwarzer Mittwoch«.

  Schließlich bedienten sich die Freunde des Jischuw einer verzweifelten Maßnahme: Sie redeten so lange, bis die Zeit um war. Dadurch verzögerten sie die endgültige Abstimmung. Der nächste Tag war ein Feiertag, Thanksgiving Day. Das bedeutete vierundzwanzig Stunden Aufschub, in denen man versuchen konnte, die benötigten Stimmen doch noch zusammenzubringen. Das Verschleppungsmanöver wurde fortgesetzt, bis die Sitzung vertagt werden mußte.

  Die Jischuw-Delegalion versammelte sich eilig in einem Sitzungsraum. Alle sprachen gleichzeitig.

  »Ruhe!« rief Barak mit dröhnender Stimme. »Wir haben vierundzwanzig Stunden Zeit. Wir wollen jetzt nicht die Nerven verlieren.«

  Dr. Weizmann kam aufgeregt und atemlos hereingestürzt. »Ich habe soeben aus Paris telegrafisch die Nachricht erhalten, daß Leon Blum persönlich bei der französischen Regierung interveniert, um Frankreich dazu zu bewegen, der Teilung zuzustimmen. Die gefühlsmäßige Einstellung zugunsten der Teilung ist in Paris sehr stark.«

  Das war eine sehr erfreuliche Nachricht, denn der ehemalige französische Premierminister war immer noch ein Mann, dessen Stimme großes Gewicht hatte.

  »Könnten wir nicht die Vereinigten Staaten darum bitten, daß Griechenland und die Philippinen entsprechend beeinflußt werden?« Der Delegierte, der die Verhandlungen mit den Amerikanern führte, schüttelte den Kopf. »Truman hat strikte Anweisung erteilt, daß die Vereinigten Staaten keinerlei Druck auf irgendeine Nation ausüben. Von dieser Haltung werden die Amerikaner nicht abgehen.«

 

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