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Exodus

Page 78

by Leon Uris


  Einen Augenblick lang herrschte verblüfftes Schweigen.

  »Was wollen Sie damit sagen?« fragte Ben Zion.

  »Wenn man einen Bogen um Latrun schlägt, so beträgt die Entfernung von Straße zu Straße sechzehn Kilometer.«

  »Aber diese sechzehn Kilometer sind nur eine Linie auf der Karte. Es gibt keine Straße dort, die Schluchten sind wild und unpassierbar.«

  »Es gibt eine Straße dort«, sagte David.

  »Sag mal, David — wovon redest du eigentlich?« fragte Avidan. »Über einen Teil dieses Gebietes führt eine Straße aus römischer Zeit. Sie ist zweitausend Jahre alt und völlig verschüttet und überwachsen, doch sie ist da. Für den Rest der Strecke kann man dem Verlauf der Wadis folgen. Das weiß ich so sicher, wie ich hier stehe.«

  David ging an die Wandkarte und zeichnete um Latrun einen Halbkreis, der die beiden Straßen miteinander verband.

  Avidan und Ben Zion starrten schweigend auf die Karte. Altermann lächelte ironisch.

  »David«, sagte Avidan skeptisch und sachlich, »nehmen wir einmal an, es gelingt dir tatsächlich, diese angeblich vorhandene römische Straße zu finden, und nehmen wir weiter an, es gelingt dir auch, einen Saumpfad durch die Wadis zu finden — was ist damit gewonnen? Das bedeutet noch lange keine Hilfe für das belagerte Jerusalem.«

  »Mein Vorschlag geht dahin«, sagte David ohne Zögern, »daß wir über die römische Straße eine neue Straße bauen und die Einnahme Latruns unnötig machen, indem wir es umgehen.«

  »Hören Sie mal, David«, sagte Ben Zion skeptisch. »So, wie Sie die Strecke auf der Karte eingezeichnet und geplant haben, müßten wir diese Straße unmittelbar vor der Nase der Arabischen Legion in Latrun bauen.«

  »Stimmt«, sagte David. »Wir brauchen nicht viel mehr als einen Pfad, der gerade breit genug ist für einen Lastwagen. Josua ließ die Sonne bei Latrun stillstehen, vielleicht können wir den Nächten befehlen, stillzustehen. Wenn ein Arbeitskommando von Jerusalem und ein anderes von Tel Aviv aus baut, und wenn wir lautlos bei Nacht arbeiten, dann können wir die Umgehungsstraße innerhalb eines Monats fertigstellen. Und was die Arabische Legion angeht, so wissen Sie genauso gut wie ich, daß Glubb mit seinen Leuten nicht aus Latrun herauskommen und sich zum offenen Kampf stellen wird.«

  »Das ist nicht so sicher«, sagte Altermann. »Vielleicht stellt er sich zum Kampf, wenn es um die Straße geht.«

  »Wenn Glubb sich nicht davor scheute, mit der Legion zum Kampf anzutreten, warum hat er dann nicht vom Dreieck aus angegriffen und versucht, Israel in zwei Teile zu zerschneiden?«

  Das war eine Frage, die niemand beantworten konnte. Vielleicht hatte David recht; doch das war nur eine Vermutung. Ben Zion und Avidan saßen schweigend und dachten über Davids Vorschlag nach. »Und was wollen Sie von mir?« sagte Ben Zion schließlich.

  »Geben Sie mir einen Jeep und eine Nacht Zeit, um die Strecke abzufahren.«

  Avidan machte sich Sorgen. In der ersten Zeit der Hagana war es für ihn jedesmal schmerzlich, wenn er einen Verlust gehabt hatte. Es war ihm nahegegangen wie der Verlust eines Sohnes oder einer Tochter. Jetzt, im Krieg, gingen die Verluste der Juden in die Tausende, und für ein kleines Land war das eine verheerende Zahl. Die meisten dieser Todesopfer, Männer wie Frauen, gehörten zur Elite der jungen Generation. Keine Nation, gleichgültig, wie groß oder wie klein, konnte es sich leisten, das Leben von Leuten wie David ben Ami leichtfertig aufs Spiel zu setzen, mußte Avidan denken. Vielleicht bildete David sich nur ein, Kenntnis von einer Straße nach Jerusalem zu haben, weil er wollte, daß sie existierte. »Einen Jeep und vierundzwanzig Stunden«, bat David.

  Avidan sah Ben Zion an. Altermann schüttelte den Kopf. Was David vorhatte, schien undurchführbar. Der Gedanke an Jerusalem bedrückte jedes Herz. Jerusalem war das eigentliche Zentrum, der lebendige Kern des Judentums. Dennoch — Ben Zion fragte sich, ob es nicht von Anfang an Wahnsinn gewesen sei, die Stadt halten zu wollen.

  David sah mit brennenden Augen von Avidan zu Ben Zion. »Ihr müßt mir eine Chance geben!« rief er heftig.

  Es klopfte. Altermann ging an die Tür und nahm eine Meldung entgegen, die er Ben Zion reichte. Das Blut wich aus dem Gesicht des Generalstabschefs. Er reichte die Meldung an Avidan weiter.

  Keiner der Anwesenden hatte Avidan jemals fassungslos gesehen; doch jetzt begann seine Hand zu zittern, Tränen stiegen ihm in die Augen.

  »Soeben hat die Altstadt kapituliert«, sagte er. Seine Stimme war kaum zu hören.

  »Nein!« rief Altmann.

  Ben Zion ballte die Hände zur Faust. »Ohne Jerusalem gibt es keine jüdische Nation!« stieß er zwischen den Zähnen hervor. Er wandte sich um. »Fahren Sie, David — finden Sie einen Weg nach Jerusalem!«

  Als Moses mit den Kindern Israels an das Ufer des Roten Meeres kam, da fragte er nach einem Mann, dessen Glaube an die Allmacht Gottes so fest war, daß er bereit sein werde, als erster ins Meer zu gehen. Der Mann, der damals vortrat, hieß Nachschon.

  Und »Nachschon« wurde jetzt der Deckname für das gewagte Unternehmen Ben Amis.

  Bei Einbruch der Dunkelheit startete David in der südlich von Tel Aviv gelegenen Stadt Rechovot und fuhr nach Judäa. Am Fuß der Berge, kurz vor Latrun, bog er von der Straße in die Wildnis der steilen, steinigen Schluchten und Wadis ab. David ben Ami wurde auf seinem Weg von einer leidenschaftlichen Besessenheit vorangetrieben, doch seine Leidenschaft wurde durch das Bewußtsein von der Schwierigkeit und Wichtigkeit seiner Aufgabe gezügelt und von seiner genauen Kenntnis des Landes kontrolliert.

  David fuhr mit gedrosseltem Motor und im ersten Gang langsam und vorsichtig, als er in die Nähe von Latrun kam. Die Gefahr, einer Patrouille der Legion zu begegnen, war groß.

  Seine Aufmerksamkeit verschärfte sich noch, als er in der Ferne das Fort sah. Langsam steuerte er das Fahrzeug einen steilen Hang hinunter. Er war auf der Suche nach der vom Schutt der Jahrtausende bedeckten Römerstraße. An einer Stelle, wo zwei Wadis aufeinanderstießen, hielt er an, stieg aus und kratzte mehrere Steine hervor. Ihre Struktur gab ihm die Bestätigung, daß sich die Straße hier befand. Nachdem er erst einmal die allgemeine Richtung des Marschweges der römischen Legionen festgestellt hatte, war es ihm möglich, sich auf diesem Weg mit größerer Geschwindigkeit vorwärtszubewegen.

  David ben Ami fuhr im Bogen um Latrun herum, sich und seinem Fahrzeug das Äußerste abverlangend. Immer wieder stellte er den Motor ab und saß unbeweglich, um auf ein feindliches Geräusch zu lauschen, das er gehört zu haben meinte. Oftmals kroch er auf Händen und Knien über den Boden, um in der Dunkelheit die Richtung des Weges durch die trockenen, felsigen Wadis zu ertasten. Die sechzehn Kilometer schienen endlos. Die Nacht verging zu schnell, und die Gefahr, auf eine arabische Patrouille zu stoßen, wurde immer größer.

  Ben Zion und Avidan, die die ganze Nacht über gewartet hatten, waren bei Morgengrauen müde und voller Sorge. Davids Wagnis hielten sie für einen sinnlosen Versuch, und in ihrem Innern waren sie davon überzeugt, daß sie ihn nie wieder sehen würden.

  Das Telefon klingelte. Avidan hob den Hörer ab, und sein Gesicht nahm einen gespannten Ausdruck an.

  »Die Funkstelle ruft an«, sagte er zu Ben Zion. »Sie haben eben einen Funkspruch aus Jerusalem bekommen.«

  »Inhalt?«

  »J—35—8.«

  Ben Zion schlug eine Bibel auf und begann ungeduldig darin zu blättern. Dann stieß er einen langen Seufzer der Erleichterung aus, als er die Stelle fand. »Jesia, Kapitel fünfunddreißig, Vers acht: Und es wird daselbst eine Bahn sein und ein Weg. Es wird da kein Löwe sein, und wird kein reißend Tier drauftreten noch daselbst gefunden werden, sondern man wird frei sicher daselbst gehen.«

  Der erste Schritt auf dem Weg des Unternehmens »Nachschon« war getan: David ben Ami hatte den Weg gefunden, auf dem Latrun umgangen werden konnte! Es bestand wieder Hoffnung für Jerusalem.

  Tausende von Freiwilligen wurden in Jerusalem zu strengster Geheimhaltung verpflichtet. Heimlich brachen sie auf und strömten aus der Stadt, um mit ihren Händen einen Weg durch die Wildnis zu bahnen, längs der Route, die David gefunden hatte. David k
ehrte nach Tel Aviv zurück, von wo sich eine zweite Gruppe freiwilliger Arbeiter aufmachte, die auf der anderen Seite zu bauen anfing. Die beiden Arbeitskommandos hielten sich bei Tage verborgen und arbeiteten nachts, direkt vor den Wachen der Arabischen Legion in Latrun. Sie arbeiteten fieberhaft und schweigend. Das gesamte Erdreich mußte Sack für Sack auf dem Rücken weggeschleppt werden. Durch die Wadis und Schluchten arbeiteten sich die beiden Gruppen Schritt für Schritt die alte Römerstraße entlang aufeinander zu. David ben Ami erbat seine Versetzung nach Jerusalem; sie wurde ihm gewährt.

  Jordana hatte sich die ganze Zeit, seit sie in Tel Aviv Abschied von David genommen hatte, in einem Zustand hochgradiger Nervosität befunden. Sie kehrte nach Gan Dafna zurück, wo ungeheure Arbeit zu leisten war, um die zerstörte Siedlung wiederaufzubauen. Die meisten Gebäude lagen in Trümmern. Die jüngeren Kinder, die man damals evakuiert hatte, waren inzwischen zurückgekommen. Kittys Bungalow hatte nur geringfügigen Schaden erlitten. Jordana war mit Kitty und Karen dort eingezogen. Zwischen den beiden Frauen hatte sich eine herzliche Freundschaft entwickelt.

  Kitty konnte nicht übersehen, in welchem Zustand sich Jordana befand, als sie von Tel Aviv zurückkam, obwohl Jordana versuchte, sich nichts davon anmerken zu lassen. Eines Abends, zwei Wochen nach dem Abschied von David, saß sie mit Kitty im Speiseraum, um noch eine Kleinigkeit zu essen und einen Tee zu trinken. Während Kitty sprach, wurde Jordana plötzlich blaß, stand auf und rannte hinaus. Kitty lief ihr nach und erreichte sie gerade noch, ehe sie zu Boden sank. Kitty fing sie auf und brachte sie mit Mühe in ihr Büro, legte sie auf das Feldbett und flößte ihr mit Gewalt einen Schluck Cognak ein. Es dauerte zehn Minuten, bis Jordana wieder zu sich kam. Sie richtete sich benommen auf.

  »Was war los?« fragte Kitty.

  »Ich weiß nicht. So etwas habe ich noch nie erlebt. Ich hörte Ihnen zu, aber plötzlich konnte ich Ihre Stimme nicht mehr hören und auch Ihr Gesicht nicht mehr sehen. Mir wurde schwarz vor den Augen, und es durchfuhr mich kalt.«

  »Erzählen Sie weiter.«

  »Ich — ich hörte David schreien — es war entsetzlich.«

  »Also, jetzt hören Sie mal zu, meine Dame. Ihre Nerven sind kurz vorm Zerreißen. Ich möchte, daß Sie ein paar Tage ausspannen. Gehen Sie nach Yad El zu Ihrer Mutter —«

  Jordana sprang auf. »Nein!« sagte sie.

  »Setzen Sie sich!« fuhr Kitty sie an.

  »Das ist ja alles Unsinn. Ich benehme mich einfach unmöglich.« »Das ist eine ganz normale Reaktion. Sie wären nicht in einem solchen Zustand, wenn Sie sich ab und zu ein wenig Luft gemacht und ein wenig geheult hätten, statt zu versuchen, alles krampfhaft zu unterdrücken.«

  »David wäre entsetzt, wenn er wüßte, wie ich mich benehme.« »Hören Sie doch auf damit, Jordana. Zum Teufel mit Ihrem SabreStolz. Ich gebe Ihnen jetzt ein Beruhigungsmittel, und dann bringen wir Sie ins Bett.«

  »Nein!« sagte Jordana und lief hinaus.

  Kitty seufzte resigniert. Was sollte man mit einem Mädchen anfangen, das der Meinung war, jede Äußerung einer Gefühlsregung werde von den anderen als Schwäche ausgelegt?

  Drei Tage nach diesem Zwischenfall kam Kitty eines Abends, nachdem sie Karen zu Dov geschickt hatte, in ihren Bungalow. Jordana arbeitete an Berichten und schien ihr Eintreten gar nicht bemerkt zu haben. Kitty nahm auf einem Stuhl an der anderen Seite des Schreibtisches Platz. Jordana hob den Blick von ihrer Arbeit und lächelte. Aber sie wurde ernst, als sie Kittys Gesicht sah. Kitty nahm ihr die Feder aus der Hand.

  Eine Weile saßen beide schweigend.

  Schließlich sagte Jordana. »David ist tot.«

  »Ja.«

  »Wie geschah es?« fragte Jordana mit tonloser Stimme.

  »Ari hat mich vor ein paar Minuten angerufen. Die genauen Umstände weiß man nicht. Allem Anschein nach hat er eine Gruppe organisiert, teils Palmach, teils Makkabäer, teils Hagana — auf eigene Faust. Er hat mit dieser Gruppe einen Angriff unternommen und versucht, die Altstadt zurückzuerobern. Es gelang ihnen, den Zionsberg zu erobern —.«

  »Weiter«, sagte Jordana.

  »Sie kämpften auf verlorenem Posten. Es war ein Selbstmordkommando.«

  Jordana saß unbeweglich.

  »Was kann ich tun, was kann ich sagen?« sagte Kitty.

  Jordana stand auf. »Machen Sie sich um mich keine Sorge«, sagte sie mit fester Stimme.

  Niemand sah Jordana bat Kanaan eine Träne vergießen. Sie versteckte sich mit ihrem Kummer in den Ruinen von Abu Yesha. Dort saß sie unbeweglich vier Tage und vier Nächte lang, ohne zu essen oder zu trinken. Dann kehrte sie nach Gan Dafna zurück. Genau wie Ari nach dem Tode von Dafna erwähnte auch Jordana nie mehr Davids Namen.

  Einen Monat, nachdem David ben Ami den Weg nach Jerusalem gefunden hatte, war eines Nachts die »Burma-Straße« zur Umgehung von Latrun vollendet. Eine mit Panzerfahrzeugen gesicherte Transportkolonne brauste über diese Umgehungsstraße nach Jerusalem, und die Belagerung der Stadt war für alle Zeiten beendet.

  Bis jetzt hatte noch niemand mit Sicherheit gewußt, ob der Staat Israel am Leben bleiben würde. Doch in dem Augenblick, als die Männer der Arbeitskolonne von Jerusalem den Männern der Arbeitskolonne von Tel Aviv die Hand reichten, hatten die Juden ihren Freiheitskrieg gewonnen.

  XIII.

  Dem jungen Staate Israel standen noch viele Monate erbitterte und blutiger Kämpfe bevor, doch die Fertigstellung der »Burma-Straße« gab den Juden einen moralischen Auftrieb in einem Augenblick, als sie ihn am dringendsten benötigten.

  Nachdem die Juden die erste Invasion der arabischen Streitkräfte aufgehalten hatten, gelang es dem Sicherheitsrat der UNO, einen einstweiligen Waffenstillstand herbeizuführen. Er war beiden Seiten sehr willkommen. Die Araber hatten es zweifellos nötig, ihre Streitkräfte neu zu organisieren. Sie hatten der Welt gegenüber das Gesicht verloren, da es ihnen nicht gelungen war, das Land zu überrennen. Und die Israelis brauchten Zeit, um weitere Waffen hereinzubekommen und ihre militärische Einsatzfähigkeit zu verbessern.

  Die Provisorische Regierung war nicht völlig Herr der Lage, denn der Palmach, die Makkabäer und die orthodoxen Juden waren nur bedingt zur Mitarbeit bereit. Der Palmach verzichtete allerdings auf die Sonderstellung seiner Elitekorps und trat geschlossen in die israelische Armee ein, als die Regierung drohte, den Palmach wegen der Ablehnung, Befehle vom Oberkommando entgegenzunehmen, aus der kämpfenden Truppe auszuschließen. Auch die Makkabäer stellten Sonderbataillone innerhalb der israelischen Armee auf, bestanden jedoch darauf, daß diese Bataillone von Offizieren der Makkabäer befehligt würden. Nichts konnte dagegen die starre Haltung der religiösen Fanatiker verändern, die an der wörtlichen Interpretation der Bibel festhielten und weiterhin auf den Messias warteten.

  Gerade, als die Vereinigung dieser verschiedenartigen Elemente Wirklichkeit zu werden versprach, kam es zu einem tragischen Ereignis, das die trennende Kluft zwischen der Regierung und den Makkabäern verewigen sollte. Amerikanische Gönner der Makkabäer hatten große Mengen dringend benötigter Waffen angekauft und für die Beförderung dieser Waffen eine Transportmaschine erworben, der man den Namen Akiba gab. Nicht nur Waffen standen bereit, sondern auch mehrere hundert Freiwillige für die Sonderbataillone der Makkabäer. Zwar sahen die Waffenstillstandsbedingungen vor, daß auf beiden Seiten keinerlei Verstärkungen vorgenommen werden sollten; doch hielten sich weder die Araber noch die Juden an diese Vorschrift der UNO.

  Die Existenz der Akiba wurde durch Israelis in Europa bekannt. Die Provisorische Regierung forderte, die Transportmaschine und die Waffen der nationalen Armee zur Verfügung zu stellen. Israel sei eine geeinte Nation und kämpfe einen gemeinsamen Krieg; die Makkabäer-Bataillone seien schließlich nur ein Teil der israelischen Armee. Die Makkabäer waren damit nicht einverstanden. Sie legten auf die Beibehaltung ihrer Sonderstellung Wert und machten geltend, diese Waffen seien ausdrücklich für die Angehörigen ihrer Organisation bestimmt. Es kam zu einem erbitterten Streit zwischen der Provisorischen Regierung, die den Standpunkt vertrat, daß es nur eine zentrale Autorität geben könne, und den Makkabäern, die anderer Meinun
g waren.

  Von Europa aus startete die Akiba mit der ersten Waffenladung und den ersten Freiwilligen. Die Regierung, die sowohl die Waffen als auch die Freiwilligen dringendst benötigte, sah sich gezwungen, den Makkabäern den Befehl zu erteilen, zu veranlassen, daß die Maschine ohne zu landen nach Europa zurückkehrte. Dieser Befehl löste bei den Makkabäern wütende Empörung aus. Als die Akiba Palästina unter Mißachtung der Anordnung der Regierung anflog, wimmelte der Flugplatz von Vertretern der Regierung, Makkabäern und Beobachtern der Vereinten Nationen. Die Regierung ließ der Maschine durch Funkspruch eine letzte Warnung zugehen und forderte sie auf, nach Europa zurückzufliegen. Die Akiba lehnte es ab, dieser Anweisung Folge zu leisten. Auf Befehl der Provisorischen Regierung stiegen Jagdflieger auf, und die Akiba wurde abgeschossen.

  Zwischen der Armee und den Makkabäern kam es zu Kämpfen, und die Makkabäer zogen ihre Bataillone voller Zorn aus der Armee zurück. Doch dieser unglückliche Zwischenfall bewirkte eine endgültige Klärung der Situation. In den Jahren des britischen Mandats hatten die Makkabäer durch ihre beständige Aktivität beigetragen, die Engländer dazu zu veranlassen, Palästina zu räumen. Nach dem Abzug der Engländer aber waren Terrormethoden nicht mehr angebracht. Die Makkabäer schienen unfähig, sich an die Disziplin zu gewöhnen, die in einer regulären Armee notwendig ist. Dadurch war ihr Wert als kämpfende Truppe sehr beeinträchtigt. Ihren einzigen Sieg hatten sie in Jaffa errungen, einer Stadt, in der die Kampfstimmung von Anfang an schwach gewesen war. An anderen Orten hatten sie völlig versagt. Unvergessen war auch ihr Massaker von Neve Sadij geblieben, das stets einen Fleck auf der Ehre der jüdischen Kämpfer darstellen würde. Die Makkabäer waren Aktivisten von großem persönlichem Mut, doch sie lehnten jede Autorität ab. Nach dem unglücklichen Zwischenfall mit der Akiba verharrten sie in trotziger Ablehnung. Ihre Auffassung bestand darin, daß alle Probleme mit Gewalt gelöst werden konnten.

  Monatelang verhandelten Graf Bernadotte und sein amerikanischer Mitarbeiter, Ralph Bunche, als Beauftragte der UNO mit den Juden und den Arabern, ohne jedoch eine Einigung erreichen zu können. Sie konnten innerhalb eines Monats nicht abbauen, was sich im Verlauf von drei Jahrzehnten angesammelt hatte.

 

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