Bevor wir fallen

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Bevor wir fallen Page 1

by Bowen, Sarina




  Inhalt

  Titel

  Zu diesem Buch

  Zitat

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  Die Autorin

  Die Romane von Sarina Bowen bei LYX

  Impressum

  SARINA BOWEN

  Ivy Years

  Bevor wir fallen

  Roman

  Ins Deutsche übertragen von

  Ralf Schmitz

  Zu diesem Buch

  Bei einem Sportunfall verletzt Corey Callahan sich so schwer, dass sie vorübergehend auf einen Rollstuhl angewiesen ist. Um ihren überfürsorglichen Eltern zu entkommen, entschließt sie sich, den Platz am renommierten Harkness College trotzdem anzunehmen. Gleich am ersten Tag begegnet sie dem sexy Eishockeyspieler Adam Hartley, der sich in den Ferien ein Bein gebrochen hat und nun auch im barrierefreien Wohnheim untergebracht wurde. Da ihr Zimmernachbar mit Krücken und Gipsbein vor ähnlichen Herausforderungen steht wie Corey, verbringen die beiden viel Zeit miteinander, und schnell merkt sie, dass es an Adam mehr zu entdecken gibt als nur sein gutes Aussehen und sein freches Sportlerimage. Er hilft ihr, die Folgen ihres Unfalls zu verarbeiten, und behandelt sie als Einziger völlig normal. Corey entwickelt Gefühle für Adam, die über enge Freundschaft weit hinausgehen, und in ihr regen sich Hoffnungen, die sie seit ihrem Unfall für begraben hielt. Aber Adam hat eine hübsche Freundin, die er für ein Mädchen im Rollstuhl sicher nie verlassen würde, und Corey weiß, dass sie nach ihrem Unfall nicht auch noch die Kraft hat, mit einem gebrochenen Herzen zu leben!

  Die Hoffnung ist das Federding,

  das in der Seel’ sich birgt

  und Weisen ohne Worte singt

  und niemals müde wird.

  EMILY DICKINSON

  1

  Wasserspeier und ein Barbecue

  Corey

  »Sieht doch vielversprechend aus«, sagte meine Mutter, als sie die mit Efeu überwucherte Fassade des Studentenwohnheims betrachtete. Ich hörte die großen Erwartungen, die in ihrem Tonfall mitschwangen. »Probier mal deinen Kartenschlüssel aus.«

  Überall auf dem Campus hörte man die Ahs und Ohs der Eltern der Erstsemesterstudenten am Harkness College. Den Reiseführern konnte man entnehmen, dass drei der letzten sechs Präsidenten mindestens einen Abschluss an diesem dreihundert Jahre alten College gemacht hatten; und dass zweimal täglich Studenten der Carillon Guide die einhundertvierundvierzig Stufen des Beaumont-Towers hinaufstiegen, um den Campus mit einem Ständchen zu beglücken, das von den Glocken herrührte, von denen jede mindestens eine Tonne wog.

  Allerdings interessierte sich meine Mutter leider weder aus historischen noch aus architektonischen Gründen für das Wohnheim. Es war die Rampe für Rollstuhlfahrer, die es ihr angetan hatte.

  Ich rollte vorwärts und hielt meine glänzende neue Harkness-ID vor den Kartenleser. Dann drückte ich die blaue Taste mit dem Rollstuhl darauf und hielt die Luft an, bis die schön gewölbte Tür langsam aufschwang. Nach allem, was ich im vergangenen Jahr durchgemacht hatte, konnte ich kaum glauben, dass dies hier tatsächlich geschah. Ich war drin.

  Nachdem ich die Rampe hoch und in das schmale Gebäude gerollt war, zählte ich zwei Schlafräume – einen links, einen rechts des Ganges – mit breiten Türen, die von den barrierefreien Zimmern dahinter kündeten. Vor mir sah ich eine Treppe mit einem hübschen Geländer aus Eiche. Wie die meisten Wohnheime am Harkness College hatte auch dieses keinen Aufzug. Einem der oberen Räume würde ich mit meinem Rollstuhl also gewiss keinen Besuch abstatten.

  »Der Boden ist absolut ebenerdig«, stellte meine Mutter beifällig fest. »Als man uns mitgeteilt hat, dass das Gebäude acht Jahre alt ist, hatte ich da meine Zweifel.«

  Und das war noch vorsichtig ausgedrückt.

  Der Umstand, dass meine Eltern mich förmlich angefleht hatten, nicht hierherzukommen, war nur das Tüpfelchen auf dem i der bitteren Ironie, die mich verfolgte. Während andere Eltern in solchen Momenten praktisch Konfetti über ihren Nachwuchs regnen ließen, hatten meine pro Kopf zwei Herzattacken erlitten, weil ihre Kleine sich für ein College entschieden hatte, das mehr als tausend Kilometer von zu Hause entfernt lag, was bedeutete, dass sie nicht alle halbe Stunde nach ihr sehen konnten.

  Gott sei Dank.

  Nach dem Unfall hatten sie mich auf Knien angefleht, noch ein Jahr zu warten. Aber wer hatte schon Lust, ein Jahr herumzuhängen und keinen anderen Zeitvertreib zu haben als zusätzliche Stunden Physiotherapie. Als ich auf den sprichwörtlichen Tisch schlug, um endlich mit dem College beginnen zu können, änderten meine Eltern ihre Taktik und versuchten, mich dazu zu überreden, lieber in Wisconsin zu bleiben und dort eine Uni zu besuchen. Anschließend musste ich mir jede Menge besorgter Vorträge zu den Themen »Warum ausgerechnet Connecticut?« und »Du musst niemandem etwas beweisen!« anhören.

  Doch ich wollte es so. Ich wollte die Chance, dieselbe Eliteuniversität zu besuchen wie mein Bruder. Ich wollte die Unabhängigkeit, ich wollte einen Tapetenwechsel, und vor allem wollte ich mir den Geschmack des vergangenen Jahres aus dem Mund spülen.

  In diesem Moment öffnete sich die Tür links von mir und ein hübsches Mädchen mit dunklen Locken streckte den Kopf heraus.

  »Corey!«, rief sie mit einem Strahlen im Gesicht. »Ich bin Dana!«

  Als ich die Nachricht, mit wem ich zusammenwohnen würde, aus unserem Briefkasten in Wisconsin gefischt hatte, hatte ich nicht recht gewusst, was ich von Dana halten sollte. Doch in den vergangenen Monaten hatten wir einige E-Mails hin- und hergeschrieben, und ich hatte sie ein wenig besser kennengelernt.

  Sie stammte aus Kalifornien, hatte aber eine Highschool in Tokio besucht, weil ihr Vater dort seit Jahren geschäftlich zu tun hatte. Über meine körperlichen Macken wusste sie Bescheid. Ich hatte ihr erklärt, dass ich in meinem rechten Fuß und meinem ganzen linken Bein kein Gefühl mehr hatte. Und ich hatte sie vorgewarnt, dass ich die meiste Zeit im Rollstuhl saß. Auch wenn ich mit unförmigen Beinschienen und auf Unterarmstützen manchmal eine armselige Imitation des aufrechten Gangs hinlegte. Außerdem hatte ich mich bei ihr dafür entschuldigt, dass man ihr mit mir eine äußerst seltsame Mitbewohnerin zugewiesen hatte und dass sie für den Rest des Erstsemesters mit »der Behinderten« in einem anderen Wohnheim als die anderen Studenten leben musste.

  Nachdem Dana mir sofort geantwortet hatte, dass mache ihr nichts aus, begann mir eine kleine Hoffnungsfee auf meiner Schulter aufmunternd ins Ohr zu flüstern. Das kleine gefiederte Ding schwirrte wochenlang um mich herum und hauchte seine Ermutigungen. Als ich Dana nun zum ersten Mal in Fleisch und Blut vor mir stehen sah, schlug die Hoffnungsfee auf meiner Schulter begeistert ein Rad.

  Ich breitete die Arme aus und schloss den Rollstuhl in meine Geste mit ein. »Wie hast du mich erkannt?«

  Ihre Augen funkelten, bevor sie genau richtig reagierte: »Facebook, du Dussel!« Dann riss sie die Tür auf, und ich rollte hinein.

  »Unser Zimmer ist sagenhaft!«, rief Dana schon zum dritten Mal. »Wir haben mindestens doppelt so viel Platz wie alle anderen. Das ist super für Partys.«

  Gut, dass ich mit Dana eine Mitbewohnerin hatte, für die das Bierglas immer halb voll war.

  Unser Zimmer war wirklich schön. Direkt hinter der Tür lag etwas, das Harkness-Studenten einen »Gemeins
chaftsraum« nannten, was für den Rest der Welt aber einfach ein Wohnzimmer war. Daran grenzten zwei Schlafzimmer, die beide groß genug waren, um darin mit einem Rollstuhl manövrieren zu können. Was die Möbel anbetraf, so verfügte jede von uns über einen Schreibtisch und – überraschenderweise – ein Doppelbett.

  »Ich habe Laken für ein schmales Bett mitgebracht«, sagte ich irritiert.

  »Ich auch«, lachte Dana. »Vielleicht haben barrierefreie Zimmer immer Doppelbetten. Egal, dann müssen wir eben shoppen gehen – wie schrecklich!« Ihre Augen blitzten.

  In dem Moment kam, unter der Last einer meiner Koffer schnaufend, meine Mutter ins Zimmer. »Shoppen? Wozu?«

  »Bettwäsche«, antwortete ich. »Wir haben Doppelbetten.«

  Sie klatschte in die Hände. »Dann bringen wir euch Mädels zu Target, bevor wir zurückfahren.«

  Ich wäre meine Eltern lieber gerne schnell wieder losgeworden, doch Dana stimmte begeistert zu.

  »Aber ich schau mich erst noch mal um. Vielleicht brauchst du ja noch mehr Sachen«, sagte meine Mutter und marschierte in unser Badezimmer.

  Das Bad war geräumig und hatte eine barrierefreie Dusche.

  »Perfekt«, rief sie. »Lass uns schon mal ein paar Sachen von dir einräumen und sehen, wo du deine Katheter trocknen kannst.«

  »Mutter!«, zischte ich. Ich hatte wirklich keine Lust, gleich als erstes meine abgefahrenen Rituale vor meiner Mitbewohnerin zu erörtern.

  »Wenn wir zu Target fahren«, ließ sich Dana aus dem Gemeinschaftsraum vernehmen, »sollten wir uns auch nach Teppichen umsehen. Hier drin hallt es.«

  Meine Mutter kam aus dem Bad gelaufen, um mich noch tiefer zu demütigen. »Oh, solange Corey noch laufen übt, ist ihr ein Teppich bloß im Weg. Sie könnte stolpern. Aber sagt doch mal, wo Frank euren Fernseher aufhängen soll«, fügte sie hinzu, während sie sich im Kreis drehte.

  Ich nahm die Gelegenheit wahr, das Thema zu wechseln. »Mein Vater hat einen Flachbildfernseher und einen Kabelvertrag für uns besorgt«, erklärte ich Dana. »Das heißt, falls du nichts dagegen hast, es steht ja nicht jeder auf Fernsehen.«

  Dana wog nachdenklich den Kopf hin und her. »Ich bin auch nicht so der Fernsehjunkie …« Ihre Augen blitzen. »Aber vielleicht versammeln sich ja gewisse, äh, Leute in unserem Zimmer, um hier Sport zu gucken.«

  Meine Mutter lachte. »Was für Leute?«

  »Habt ihr unseren Nachbarn noch nicht gesehen? Er ist im dritten Studienjahr.« Meine neue Mitbewohnerin blickte vielsagend Richtung Gang.

  »Gegenüber?«, fragte ich. »In dem zweiten barrierefreien Schlafraum?« Nicht gerade der erste Ort, an dem ich nach einem heißen Typen suchen würde.

  Sie nickte. »Wart’s ab. Du wirst schon sehen.«

  Unsere Einkaufstour dauerte viel länger, als ich gehofft hatte. Meine Mutter bestand mit dem Hinweis, dass die speziellen Betten unsere Schuld seien, darauf, für Danas neue Laken zu bezahlen.

  Sie entschied sich für eine Daunendecke mit einer riesigen toten Blume in der Mitte. Ich nahm Punkte.

  »Sehr fröhlich«, kommentierte Mom anerkennend.

  Meine Mutter hatte immer schon auf fröhlich gestanden. Aber nach den Monaten, die wir hinter uns hatten, klammerte sie sich an den Begriff wie an einen Rettungsring.

  »Und jetzt die passenden Kopfkissen, meine Damen. Und …«, sie bog in den nächsten Gang ein, »für jede ein Extrakissen. Sonst sehen die Betten nicht richtig aus.«

  »Sie muss das nicht tun«, flüsterte Dana mir zu.

  »Lass sie«, gab ich zurück und bedeutete ihr, sich zu mir herunterzubeugen, damit ich etwas Vertrauliches hinzufügen konnte. »Kuck mal nach Teppichen. Wenn du was Gutes entdeckst, kommen wir ein andermal noch mal her.«

  Sie sah mich stirnrunzelnd an. »Aber ich dachte …«

  Ich verdrehte die Augen. »Sie hat eine Meise.«

  Dana verschwand mit einem Zwinkern zwischen den Teppichen.

  Als wir zurückkamen, stand mein Vater mitten in unserem leeren Zimmer und zappte durch die Kanäle auf dem inzwischen an der Wand befestigten Fernseher.

  »Voller Erfolg!«, rief er.

  »Danke, Dad.«

  Sein Lächeln verriet seine Müdigkeit. »Keine Ursache.«

  Während meine Mutter mir im vergangenen Jahr vor allem auf den Geist gegangen war, gestaltete sich das Verhältnis zu meinem Vater noch beträchtlich schwieriger. Früher hatten wir den lieben langen Tag nur über Eishockey geredet. Unsere gemeinsame Leidenschaft und das, womit er seinen Lebensunterhalt verdiente. Doch nach dem Unfall hatte sich ein unbehagliches Schweigen zwischen uns breitgemacht. Dass ich nicht mehr eislaufen konnte, machte ihn fix und fertig. Er war seitdem um mindestens zehn Jahre gealtert. Ich hoffte sehr, er würde, sobald ich aus dem Haus war, wieder zu seinem alten Ich zurückfinden.

  Es war höchste Zeit meine Eltern hinauszukomplimentieren. »Leute, auf der Wiese gibt es ein Barbecue für die Erstsemester. Dana und ich wollen dahin. Sofort.«

  Meine Mutter rang die Hände. »Warte. Ich hab deine Nachttischlampe noch nicht installiert.«

  Sie flitzte ins Schlafzimmer, während ich mir einen wütenden Kommentar verkniff. Echt jetzt? Ich besaß seit meinem siebten Lebensjahr keine Nachttischlampe mehr. Und als mein Bruder vor vier Jahren am Harkness angefangen hatte, hatte es auch keine derartigen Handreichungen gegeben. Damien hatte nicht mehr als ein Flugticket und ein gut gemeintes Klopfen auf die Schulter bekommen.

  »Sie kann nicht anders«, sagte mein Vater, der meine Miene richtig deutete. Dann hob er seinen Werkzeugkasten vom Boden auf und wandte sich der Tür zu.

  »Alles wird gut«, sagte ich, während ich ihm hinterherrollte.

  »Ich weiß, Corey.« Er legte mir eine Hand auf den Kopf, nahm sie aber gleich wieder weg.

  »Dad? Ich hoffe, du hast eine tolle Spielzeit.«

  Sein Blick war schwermütig. »Danke, Schatz.«

  Unter anderen Umständen hätte er mir bestimmt dasselbe gewünscht. Er hätte meine Schulterpolster gecheckt, und wir hätten uns im Zimmer nach einem Platz für meine Hockeytasche umgesehen. Und später hätte er einen Flug gebucht, um herzukommen und mich spielen zu sehen. Doch nun würde nichts dergleichen passieren. Stattdessen standen beziehungsweise saßen wir uns schweigend im Flur gegenüber.

  Doch schon im nächsten Moment wurde mein Tagtraum jäh vom Anblick eines Typen beendet, der gerade an der Wand neben seiner Zimmertür ein Whiteboard aufhängte. Zuerst fiel mein Blick auf einen äußerst straffen Rücken und muskulöse Oberarme. Er versuchte, einen Nagel in die Wand zu bekommen, ohne dass dabei seine Krücken auf den Boden polterten.

  »Verdammt«, fluchte er leise, als trotzdem eine umfiel.

  Als er sich zu uns umdrehte, war es, als würde sich nach einem Regentag doch noch die Sonne blicken lassen. Sein Gesicht war so schön wie das eines Filmstars, mit strahlenden braunen Augen und dichten Wimpern. Sein dickes braunes Haar war ein bisschen zerzaust, als wäre er gerade mit den Fingern hindurchgefahren. Außerdem war er groß, und er sah stark aus, ohne dabei gleich wie ein Muskelprotz zu wirken. Nicht gerade der Körper eines Linebackers, aber definitiv athletisch. Definitiv.

  Wow!

  »Hey«, grüßte er und offenbarte dabei ein Grübchen.

  Hallo auch, Süßer, antwortete mein Hirn unwillkürlich. Mein Mund blieb jedoch leider stumm. Einen Pulsschlag später ging mir auf, dass ich die ganze Zeit wie ein Reh ins Scheinwerferlicht auf seinen schönen Mund starrte.

  »Hey«, brachte ich unter allergrößter Anstrengung quiekend hervor.

  Mein Vater bückte sich, um die Krücke aufzuheben, die diesem hübschen Geschöpf entglitten war. »Das nenne ich mal einen Gipsverband, mein Sohn.«

  Ich sah genauer hin und spürte, dass ich rot wurde. Seinen Gips zu betrachten, bedeutete, ihn praktisch von oben bis unten zu mustern. Am Ende meiner gründlichen Prüfung blieb ich mit dem Blick an einem äußerst muskulösen Bein hängen. Das Gegenstück steckte in einem weißen Gips.

 
; »Ja, wunderschön, oder?« Seine Stimme war auf eine so männliche Weise rau, dass ich eine Gänsehaut bekam. »An zwei Stellen gebrochen.« Damit streckte er meinem Vater die Hand hin. »Adam Hartley.«

  »Autsch, Adam Hartley«, sagte Dad und schüttelte ihm die Hand. »Frank Callahan.«

  Adam Hartley blickte an seinem Bein hinunter. »Tja, Mr Callahan, da sollten Sie erst den anderen Burschen sehen.«

  Die Miene meines Vaters erstarrte.

  Doch dann verzog mein Nachbar seinen Mund erneut zu einem extrabreiten Grinsen. »Keine Sorge, Sir, Ihre Tochter muss nicht Tür an Tür mit einem Schläger wohnen. In Wahrheit bin ich gestürzt.«

  Das Gesicht, das mein Vater darauf machte, war so unbezahlbar, dass ich zu sabbern aufhörte und stattdessen lachen musste.

  Als mein hinreißender neuer Nachbar mir die Hand reichte, musste ich ein Stück vorrollen, um sie zu ergreifen.

  »Netter Schachzug«, kommentierte ich seine Schlagfertigkeit. »Ich bin Corey Callahan.«

  »Freut mich«, sagte er, als er mit seiner Riesenhand zupackte.

  Als seine hellbraunen Augen aufleuchteten, bemerkte ich, dass jede Iris von einem dunkleren Ring eingefasst war. Ich fühlte mich mit einem Mal befangen, als er sich über mich beugte, um mir die Hand zu schütteln. Und war es hier drinnen nicht plötzlich viel zu warm?

  Im nächsten Moment wurde der Bann von einer schrillen weiblichen Stimme gebrochen, die aus seinem Zimmer drang.

  »Haaartleeey! Du musst das Foto aufhängen, damit du mich nicht vergisst, solange ich in Frankreich bin! Ich kann mich bloß nicht entscheiden, wo es am besten aussieht.«

  Hartley verdrehte ein kleines bisschen die Augen. »Mach noch drei Abzüge, Schatz«, rief er. »Dann hast du eines für jede Wand.«

  Mein Vater reichte Hartley grinsend seine Krücke.

  »Liebling?«, ließ sich die Stimme aufs Neue vernehmen. »Hast du meine Mascara gesehen?«

  »Die brauchst du doch gar nicht, Schönste«, antwortete er, während er sich beide Krücken unter die Arme klemmte.

  »Hartley! Hilf mir suchen!«

  »Tja, das klappt nie«, sagte er augenzwinkernd. Dann wies er mit einem Nicken auf seine offene Zimmertür. »Hat mich sehr gefreut, aber jetzt muss ich dringend die große Make-up-Krise lösen.«

 

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