by Kiefer, Lena
»Der McCoy vom Campingplatz, der hinter Edie her war?« Das Gesicht meines Cousins verfinsterte sich. »Und was willst du machen, wenn du Zara raushalten möchtest?«
»Ich kümmere mich selbst um ihn«, sagte ich grimmig.
»Hier in Kilmore? Super Idee. Kommt sicher gut, wenn du den Goldjungen der Stadt vermöbelst.« Finlay schüttelte den Kopf.
»Mir fällt schon was ein, das mich nicht ins Gefängnis bringt. Erst mal brauche ich aber eine Dusche.« Meine Sachen waren längst getrocknet, aber ich fror und musste nachdenken. Das konnte ich am besten, wenn ich meinen Kopf unter einen heißen Wasserstrahl hielt.
»Okay, dann gehe ich solange Fiona ärgern.« Finlay stand auf. »Zieht der Jungfrauen-Kram noch?«
»Immer«, versprach ich. »Aber am besten redest du einfach mit ihr darüber, wie wir letztes Jahr nach dieser Victorias-Secret -Aftershow-Party mit der Brasilianerin und der Schwedin im Hotelpool waren. Das wird sie zur Weißglut treiben.«
»Ah, die Engel.« Finlays Gesichtsausdruck wandelte sich zu einem breiten Grinsen. »Alles klar. Und heute Abend fahren wir nach Edinburgh.«
»Keine Einwände. Ach, und Fin?«
»Hm?« Er blieb in der Tür stehen.
»Tut verdammt gut, dass du hier bist.«
»Immer, Mann. Weißt du doch.« Damit war er auch schon weg. Ich riss meinen Blick von den Schnipseln im Papierkorb los und ging ins Bad. Als ich meine restlichen Klamotten ausgezogen hatte und die Tür zur Dusche öffnete, merkte ich, dass Kenzies Duft noch an mir haftete. Nur ganz leicht, aber mir wurde schlagartig wieder heiß. Drews Drohung hatte die Erinnerung an unseren Kuss vielleicht verdrängt, aber auf keinen Fall vertrieben. Fuck.
Wahrscheinlich war es doch besser, ich duschte kalt.
Edinburgh an einem Freitagabend war immer einen Besuch wert. Aber heute war es ein bisschen wie Freigang nach zwei Wochen im Knast. Als wir aus Finlays Aston Martin stiegen – was Autos anging, war mein Cousin das absolute Klischee eines reichen Erben –, hatte ich das Gefühl, zum ersten Mal wieder durchatmen zu können.
»Hast du eigentlich was wegen Jamie gehört?«, fragte ich Finlay, während wir durch die Straßen mit ihren rußgeschwärzten Fassaden liefen. Es war nach neun und die Sonne bereits weg, aber dunkel war es noch nicht.
»Nicht viel. Meine Kontakte haben zwar herausgefunden, dass er sich in Spanien aufhält, aber auf Genaueres warte ich noch. Er ist gut darin geworden, unterzutauchen. Es könnte dauern, bis wir ihn finden.«
Ich nickte, aber spürte gleichzeitig einen vertrauten Schmerz im Magen. Jamie war früher meine wichtigste Vertrauensperson gewesen, der typische coole Onkel, der einen großen Teil von Edinas und meiner Kindheit mit uns verbracht hatte und auch danach immer für mich dagewesen war. Bis vor drei Jahren, als nicht nur mein Leben eine harte Kehrtwende genommen hatte, sondern zuvor auch seins. Und der Kontakt abgerissen war.
»Mach dir keine Sorgen, Lye«, sagte Finlay und lächelte. »Wir finden ihn schon.«
»Ja, fragt sich nur, was wir dann machen, wenn keiner von uns mit ihm Kontakt haben oder ihm Geld geben darf«, murmelte ich. Das war wohl die schlimmste der berühmten Henderson-Regeln: Wer einen öffentlichen Skandal produzierte, wurde restlos aus der Familie getilgt. Niemand der anderen durfte Kontakt aufnehmen, Unterstützung anbieten oder Geld weitergeben, sonst war er ebenfalls raus. In einem Moment, in dem man dringend Hilfe brauchte, wurde man einfach im Stich gelassen, nur weil man den Namen Henderson beschmutzt hatte. Auch deswegen brauchten wir den Führungswechsel. Damit so etwas nie wieder jemandem passierte.
»Über die Brücke gehen wir dann, wenn wir da sind.« Finlay war wie immer 80 Kilo purer Optimismus. »Ich warne dich übrigens lieber vor. Lahmarschig & Partner haben mir nicht gerade viel Raum für Spaß gelassen. Ich muss einiges nachholen.«
»Kein Problem.« Ich grinste. »Tu, was du tun musst, ich passe auf, dass du keinen Mist anstellst.«
»Was soll das denn heißen? Alter, du bist nicht in Kilmore, hier gelten Moiras bescheuerte Regeln nicht.« Finlay stieß mich an. »Zeit, dass du mal wieder Mist anstellst. Und mit Mist meine ich Sex, falls du das nicht verstanden haben solltest.«
Ich musste lachen. »Glaub mir, ich habe es verstanden. Aber du weißt, das hier ist Edinburgh und nicht L. A. oder Paris, oder? Du wirst Schwierigkeiten haben, dein Beuteschema zu finden.« Denn das bestand bei Finlay vor allem aus Models, je mehr Topdesigner in der Vita, desto besser. Er saß am liebsten in der Front Row bei irgendwelchen Fashion Shows und machte danach die Afterpartys unsicher. Noch so ein Klischee. Aber da ich wusste, warum er in diesen Dingen so oberflächlich war, zog ich ihn damit nicht auf.
»Es geht ja auch um dich, mein Freund«, sagte er. »Und du stehst doch auf die bodenständigen Mädels, also wirst du sicher fündig. Hier schickt dir schließlich keiner Drohbriefe, nur weil du mit jemandem rummachst.« Er blieb stehen. »Weißt du eigentlich schon, wie du McCoy deinen Standpunkt klarmachen willst, ohne die Stadt noch mehr gegen dich aufzubringen?«
Ich schüttelte den Kopf. »Noch nicht. Aber ich bezweifle ohnehin, dass der Typ seine Drohung tatsächlich wahr macht. Er ist vielleicht Samariter des Jahres, aber er ist nicht dumm. Seine Mutter hat viel zu verlieren, wenn er mich gegen sich aufbringt. Wahrscheinlich reicht es, ihn daran zu erinnern.«
Finlay bog in eine Seitenstraße ab und steuerte die Tür eines Pubs an. »Also wirst du dich nicht von dieser Kenzie fernhalten?« Es klang lauernd, als warte er auf eine bestimmte Antwort.
Ich atmete tief ein. »Es wäre besser, ich würde es tun.« Ich hatte den gesamten Nachmittag darüber gegrübelt, aber ich war zu keiner anderen Lösung gekommen. Zum einen, weil ich gegen die Regeln verstieß, wenn ich nicht den Rückzug antrat, und riskierte, dass man mich dabei erwischte. Und zum anderen wegen Kenzie. Ganz Kilmore bedrängte sie, redete ihr ein, dass ich nicht gut für sie war, und ich konnte ihr nicht einmal das Gegenteil versichern, denn sie durfte die Wahrheit über Ada nicht erfahren. Niemals. Wenn sie nach ihrem Gespräch mit Drew also nicht ohnehin einen Bogen um mich machte, musste ich das meinerseits tun.
»Lye?«, fragte Finlay, als hätte er meine Gedanken gelesen. »Du wirst doch nicht alles für ein Mädchen riskieren, das du kaum kennst, oder?«
Ich schüttelte den Kopf. »Keine Sorge. Ich weiß, was ich zu tun habe.«
Das war mir jetzt klar: Wenn ich nicht alles aufs Spiel setzen wollte, dann musste ich aufhören, nach Kenzie Ausschau zu halten. Ich musste aufhören, an sie zu denken oder daran, wie verflucht krass es mich zu ihr hinzog. In einer anderen Zeit oder einem anderen Leben hätte ich nicht gezögert, um dafür zu sorgen, dass aus dieser Anziehung zwischen uns mehr wurde. Viel mehr. Alles.
Aber so musste ich diesen Sog zwischen uns unterdrücken, alle Tore schließen und darauf hoffen, dass die Barriere hielt.
15
Kenzie
Edinburgh war unglaublich. Ich hatte die Stadt schon früher besucht, als Kind mit unseren Eltern, aber damals hatte ich nur mit meinen Schwestern um die Wette gejammert und lautstark nach einem Eis verlangt. Jetzt konnte ich sie genießen, diese Metropole voller Geheimnisse, mit den alten Bauwerken, den moosbedeckten Felsen mitten im Herzen der Stadt und ihrer Lebendigkeit, die durch die Straßen pulsierte. Ich kannte und mochte London, aber Edinburgh hatte eine ganz eigene Magie. Ich wusste nicht, ob es an den dunklen Mauern lag, von denen die Gassen gesäumt wurden, an den geheimnisvollen Brücken oder der Gewissheit, dass es hier Katakomben gab, wo es spuken sollte. Eins war jedoch klar: Obwohl meine Laune zu wünschen übrig ließ, war ich bezaubert.
»Du musst unbedingt noch einmal am Tag herkommen«, sagte Amy neben mir. »Ein Abend reicht nicht, um alles zu sehen.« Sie war es gewesen, die vorgeschlagen hatte auszugehen – vermutlich, ohne zu wissen, was am heutigen Morgen passiert war. Ich hätte am liebsten abgesagt und mich in meinem Camper verkrochen, nachdem ich den ganzen Nachmittag damit zugebracht hatte, Paula beim Aussuchen von Tapeten zu assistieren. Aber in Kilmore erinnerte mich alles an Lyall, an das Gefühl seines Atems auf meinem Gesicht, seinen Lippen auf meinen. Und an das, was Drew über ihn gesagt hatte.
Er ist ein verdammter Psychopath, dem andere Menschen völlig egal sind. Er kann sogar dich zerstören. Bitte gib ihm keine Gelegenheit dazu.
»Kenzie, hörst du überhaupt zu?«
»Sorry«, murmelte ich. Drew und Tamhas gingen einige Schritte vor uns und lachten über etwas. Da nutzte ich meine Chance. »Amy? Was weißt du eigentlich über Lyall Henderson?«
Sie kam kurz ins Stocken, lief dann aber weiter. »Nicht mehr als alle anderen«, sagte sie ausweichend.
»Ist er wirklich das, was man in Kilmore behauptet?«
Sie hob die Schultern. »Schwer zu sagen, was er ist.«
»Aber du kennst ihn doch von früher, oder?«, bohrte ich weiter. Sie stammte schließlich aus Kilmore, und Lyall hatte dort seine Sommer verbracht, seit er nach Eton gegangen war.
»Ja, schon.« Amy warf einen Blick zu Drew, aber dann sprach sie weiter. »Wir haben früher in den Ferien zusammen abgehangen, die Jugendlichen aus dem Ort und die Hendersons. Damals war Lyall echt in Ordnung. Er hatte immer einen hohen Verschleiß, was Mädchen anging – aber wenn man jede haben kann, will man vielleicht auch jede haben, keine Ahnung.« Sie hob die Schultern. »Aber in seinem letzten Sommer in Kilmore war er anders, irgendwie extremer in allem, hat härter gefeiert, sich nicht um die Gefühle anderer geschert. Und dann diese völlig verkorkste Beziehung zu Ada … ich weiß bis heute nicht, was die beiden voneinander wollten.« Amy seufzte. »Nach dem Sommer war jedenfalls nichts mehr wie vorher. Manchmal denke ich, das gilt für uns alle.«
»Aber –«
»Wo bleibt ihr denn?«, rief weiter vorne Tamhas und winkte uns zu sich. So kam ich nicht noch einmal dazu, Amy nach Ada zu fragen – oder warum das mit ihr und Lyall so verkorkst gewesen war. Aber obwohl sie mir andere Infos gegeben hatte als Drew, war ich nicht schlauer. Lass es endlich gut sein , sagte mir eine wohlmeinende Stimme. Du hast zum ersten Mal in deinem Leben einen Sommer nur für dich. Vergeude ihn nicht an jemanden, der dir mit großer Wahrscheinlichkeit wehtun wird.
Ich nickte, als wollte ich mich selbst daran erinnern. Als könnte ich mit diesem Nicken Lyall einfach aus meiner Erinnerung streichen. Aber immerhin für den heutigen Abend würde ich es versuchen. Ich würde Edinburgh genießen, genau wie die Zeit in Schottland. Weil ich das verdient hatte, verdammt noch mal.
Tamhas führte uns in einen der Pubs in der Innenstadt. Es war brechend voll, aber er schien den Chef zu kennen und irgendwie bekamen wir einen kleinen Ecktisch, an den wir uns zu viert quetschten. Als wir zwei Stunden später im Liquid Room , dem angeblich angesagtesten Club der Stadt, landeten, waren wir gut gestärkt für eine lange Nacht. Über die Gespräche und das Gelächter vergaß ich, wie der Tag begonnen hatte, und folgte ganz meinem Credo, diese Nacht auszukosten. Und es funktionierte fantastisch. Ich tanzte mit Amy und Tamhas, ich lachte mich über die Besonderheiten der schottischen Sprache kaputt und bekam einen Gin Tonic von einem Australier namens Riley spendiert, der hier ein Auslandssemester machte. Als er mich später auf die Tanzfläche lotste und dort an sich zog, ließ ich es zu, denn alles andere wäre gegen meine Prinzipien für den heutigen Abend gewesen.
»Wo bleibst du eigentlich heute Nacht, Brit Girl?«, fragte Riley irgendwann frech, die Hände auf meinen Hüften.
»Bei meinem Kumpel«, antwortete ich unschuldig. »Oder hast du etwa eine bessere Idee?«
»Eine? Hundert.« Er raunte es in mein Ohr und mein Körper reagierte sofort darauf. Als er sich zu mir beugte und seine Lippen auf meine drückte, wurde das Gefühl stärker. Aber es war nicht mehr als ein harmloser Flirt, also lachte ich nur, drehte mich von ihm weg – und mein Herz blieb stehen.
Etwa zehn Meter von mir entfernt an der Bar stand Lyall.
Er hatte ein Glas in der Hand und einen vollkommen unergründlichen Ausdruck auf dem Gesicht. Ich konnte nicht sagen, ob er verärgert war, sich wunderte oder es ihm völlig egal war, was er gerade gesehen hatte, denn er verbarg jede Emotion vor mir. Wir sahen uns einen Moment in die Augen, dann wandte er sich ab und redete mit dem blonden Typen neben sich, der mir vage bekannt vorkam. Ich war immer noch wie erstarrt, aber Lyall sah kein weiteres Mal her.
»Kenzie?« Riley berührte mich am Arm. »Brauchst du was?«
»Frische Luft!«, rief ich ihm zu, weil ich nicht wusste, wie ich sonst hier wegkommen sollte.
»Soll ich mitgehen?«
»Nein, nicht nötig. Ich bin gleich wieder da.« Ich lächelte flüchtig, drängte mich durch die tanzende Menge und gelangte nach viel Schieberei zur Treppe und schließlich zum Ausgang. Kühle Nachtluft schlug mir entgegen und ich ließ die pumpende Musik hinter mir.
Tief atmete ich ein, dann schnorrte ich eine Pall Mall von einem Grüppchen neben mir, zündete sie an und erinnerte mich beim ersten Zug wieder daran, dass ich Rauchen hasste. Genervt schnippte ich die Zigarette aus und warf sie in den Rinnstein. Automatisch ballten sich meine Hände zu Fäusten.
Warum brachte Lyalls Anwesenheit mich so aus der Fassung? Er und ich hatten uns nur geküsst, nicht die ewige Liebe geschworen. Wieso also machte es mir etwas aus? Weil da etwas zwischen euch ist. Du solltest dringend die Finger von ihm lassen, aber du willst es nicht. Ganz egal, was man über ihn sagt.
Oder gerade deswegen.
Gerne hätte ich behauptet, dass ich gegen so etwas gefeit war. Gegen den Drang, die Warnungen anderer zu ignorieren und das zu tun, wonach mein Gefühl verlangte. Klar, ich war in den letzten Jahren echt vernünftig gewesen, ich hatte es sein müssen . Aber konnte ich nicht selbst entscheiden, ob ich das Risiko einging? War es nicht meine Sache, wen ich mochte oder nicht? Doch. Vielleicht würde ich es bereuen, vielleicht würde er mir das Herz brechen. Aber ich konnte nicht mit irgendwelchen Australiern tanzen und mich von ihnen küssen lassen, wenn in meinem Kopf Lyall war – und dass ich ihn küssen, ihn berühren wollte. Nur ihn. Noch nie in meinem Leben hatte ich so etwas gefühlt wie am heutigen Morgen. Ich wollte nicht, dass es schon endete, ich wollte mir vertrauen. Und meinem Gefühl.
Entschlossen drehte ich mich um und lief zurück in den Club. Ich würde einfach mit ihm reden, ihn nach Ada fragen und was mit ihr passiert war. Sehen, wohin das führte. Ich würde mir nicht von den Ängsten anderer meine eigenen diktieren lassen.
Bevor ich in den Bereich mit der Bar ging, wollte ich mir schnell die Hände waschen, also schlug ich den Weg zu den Toiletten ein. Der Gang, der dorthin führte, war in Clubs traditionell eng und versifft, und ich musste mich an einigen Jungs vorbeischieben, um zum Frauenwaschraum zu gelangen. Zumindest glaubte ich, dass er dort lag, aber das war ein Irrtum – der Flur endete in einer Sackgasse. Als ich mich umdrehte, um zurückzugehen, hörte ich die Stimmen zweier Leute, die sich offenbar in einem schmalen Seitenflur unterhielten. Der Klang der einen ließ mich stocken, und ich blieb stehen, um zu lauschen.
»Ich frage dich jetzt zum letzten Mal: Was machst du heute Abend ausgerechnet in diesem Laden?« Das war eindeutig Drew, und er war nicht nur angetrunken, sondern auch so unfreundlich, wie ich ihn am heutigen Morgen zuletzt gehört hatte. Daher überraschte es mich nicht, wer ihm antwortete.
»Ich bin zufällig hier, nichts weiter«, sagte Lyall ruhig.
»Ach, erzähl mir doch keinen Scheiß!«, rief Drew aggressiv. »Es gibt unzählige Clubs in Edinburgh und du kommst zufällig in den Liquid Room ? Ich habe dich gewarnt, Henderson. Wenn du Kenzie nicht in Ruhe lässt, dann –«
»Du solltest lieber vorsichtig sein, wem du drohst, McCoy«, unterbrach Lyall ihn knurrend, und ich hörte plötzlich einen deutlichen US-Akzent. Verstellte er sich etwa, wenn er in Kilmore war? Warum? »Du weißt, das kann böse enden.«
»Ach ja?«, fragte Drew. »Weil du mich dann auch verschwinden lässt? Oder deine stinkreiche Familie bittest, mir Geld zu bezahlen, damit ich die Klappe halte? So wie Adas Mutter? Vergiss es. Ich lass mich nicht kaufen.«
»Vielleicht nicht, nein. Aber deine Mum will doch wahrscheinlich ihren Auftrag bei uns behalten, oder nicht?«
Ich schnappte auf meinem Lauschposten nach Luft. Drohte Lyall ernsthaft damit, Paula den Job zu entziehen? Kälte kroch mir den Rücken hinauf und sammelte sich in meinem Nacken.
/> »Das wagst du nicht«, keuchte Drew.
»Ach nein? Wenn man dir glaubt, wage ich doch so ziemlich alles.« Lyalls Stimme war beherrscht, aber der Ton bescherte mir eine Gänsehaut. Gerade klang er tatsächlich so, wie Drew gesagt hatte – wie jemand, dem andere Menschen völlig egal waren. »Unsere Familie ist sehr empfindlich, was die Sache mit Ada angeht. Vor allem, weil Vollidioten wie du so tun, als wüssten sie Bescheid.«
»Ich weiß auch Bescheid, ich weiß alles darüber!«, regte sich Drew auf. »Ich habe mich um sie gekümmert, nachdem du mit ihr fertig warst! Sie hat mir erzählt, was du zu ihr gesagt, wie du mit ihr Schluss gemacht hast. Sie war so ein tolles Mädchen, aber dann war sie völlig kaputt, Lyall. Deinetwegen!«
»Du hast überhaupt keine Ahnung, wie sie war!«, rief er.
»Schwachsinn! Ich kannte sie viel länger als du, sie war nett und freundlich und ein guter Mensch, bis sie auf dich getroffen ist. Und wer weiß, was du mit ihr angestellt hast, damit sie die Klappe hält!« Drew holte hörbar Luft. »Und jetzt ausgerechnet Kenzie? Findest du nicht ein anderes Mädchen, das du um den Verstand vögeln und dann wie Scheiße behandeln kannst?«
»Großer Gott, ist das dein Ernst? Da hat der Goldjunge aber tief in die Kiste mit den bösen Worten gegriffen.« Lyall lachte abfällig. »Sag mir doch, Drew, warum hast du so ein Problem damit, dass es Kenzie ist? Ist dir Amy inzwischen zu langweilig geworden? Ich könnte es verstehen.«
Ein dumpfer Schlag ließ mich zurückfahren, aber obwohl ich wusste, dass ich verschwinden sollte, machte ich drei Schritte nach vorne. So sah ich, dass Drew vermutlich den ersten Treffer gelandet hatte, Lyall ihn jedoch nun an die Wand drückte, den Arm unter sein Kinn gepresst. Drew war zwar etwas größer, aber er konnte sich nur mit Mühe befreien, bevor Lyalls Schlag ihn traf. Er taumelte und stürzte sich dann auf seinen Gegner, riss ihn zu Boden. Ich sah für einen Moment völlig perplex zu, wie die beiden sich prügelten. Dann schritt ich ein.