by Kiefer, Lena
»Aber ich dich nicht!«, schnauzte er sie an. »Warum kapierst du das nicht? Das mit uns war nett, solange es gedauert hat, aber es war nie ernst. Und jetzt ist es vorbei. Endgültig!«
Ich hielt die Luft an. Hatte er mir nicht gesagt, dass er in Ada verliebt gewesen war? Dass er bei ihr darauf gehofft hatte, es wäre etwas Ernstes?
»Okay«, schluchzte Ada. »Dann verschwinde ich jetzt aus deinem Leben. Aus euer aller Leben. Für mich gibt es keinen Grund mehr zu bleiben. Also mache ich Schluss, ein für alle Mal.«
»Meine Güte, dann tu es doch endlich! Verschwinde, am besten für immer, damit würdest du jedem hier einen Gefallen tun. Vor allem mir. Ich bin froh, wenn ich dich nie wiedersehen muss!«
Man hörte Ada noch weinen, dann brach die Aufnahme ab. Das Display wurde dunkel, und ich merkte, dass ich keine Luft bekam, egal, wie oft ich einatmete. Lyalls Tonfall war so bösartig gewesen, so unglaublich gefühllos, und in meinem Kopf war nur ein Gedanke: Was, wenn mir jemand so etwas gesagt hätte, als ich auf dieser Brücke stand? Wäre ich gesprungen? Hätte ich Schluss gemacht? So wie Ada? Sie hatte vielleicht selbst die Entscheidung getroffen, sich das Leben zu nehmen. Aber Lyall hatte sie dazu gebracht. Mit seinen grausamen Worten ohne jedes Mitgefühl für dieses arme Mädchen, das so furchtbar in ihn verliebt gewesen war. Die Erkenntnis riss mir den Boden unter den Füßen weg, zerschmetterte mein Herz und ließ mich liegen, reglos, hilflos vor Schmerz. Mein Körper war taub, ich fühlte mich, als würde ich ersticken. Das kann nicht wahr sein. Das kann alles nicht wahr sein.
Aber dann schaffte ich es, einen anderen Gedanken zuzulassen: Du musst hier weg. Sofort. Ich musste verschwinden von diesem verdammten Ort, ich musste mich vor dem schützen, was hier passiert war. Vor Lyall.
Die Aufnahme von Ada und ihm kreiste in einer Endlosschleife durch meine Gedanken, unterbrochen von meinen eigenen Erinnerungen an den dunkelsten Moment meines Lebens. Meine Gefühle wollten an die Oberfläche, aber ich hinderte sie daran, drückte sie brutal beiseite, wischte die Tränen weg, um zu funktionieren. Erst einmal musste ich verschwinden. Zusammenbrechen konnte ich später.
Ich sprang aus dem Auto, riss die Abdeckung von Lokis Windschutzscheibe, zog das Stromkabel ab, warf beides ins Auto. Dann ließ ich den Wagen an und schoss aus dem Campingplatz, bog auf die Straße hinaus und gab Gas. Regen schlug gegen meine Scheiben, offenbar hatte das Wetter gedreht. Ich hasste den Gedanken daran, dass Regen mich ab jetzt immer an Lyall erinnern würde.
Ich trat das Gaspedal stärker durch, legte mein Handy auf die Ablage, schaltete das Navi ein. Wir hatten kurz nach zehn, wenn ich Loki ein bisschen quälte, konnte ich heute Abend in High Wycombe sein. Ich brauchte jetzt meine Familie. Sie waren die Einzigen, die vielleicht verhindern konnten, dass ich in den tiefen Abgrund stürzte, der sich vor mir auftat. So wie damals.
Das Telefon klingelte, Mister Darcy erschien auf dem Display. Für einen kurzen Moment war der Schmerz so übermächtig, dass ich langsamer wurde, aber dann drückte ich den Anruf weg. Tränen verschleierten meine Sicht, ich rieb mir mit der Hand über die Augen. Der Zusammenbruch kam näher, ich wusste es. Aber ich würde durchhalten. Das hatte ich immer getan.
Allerdings war ich noch nicht einmal an Carson’s Supermarkt vorbei, da tauchte Finlays Aston Martin hinter mir auf. Das war bestimmt kein Zufall und sicher saß auch nicht Lyalls Cousin in dem Wagen. Er fuhr mir nach? Was bedeutete das? Er konnte doch gar nicht ahnen, was ich gehört und mit wem ich gesprochen hatte. Warum also folgte er mir?
Ich setzte den Blinker, ohne zu wissen, wieso ich das tat. Wahrscheinlich, weil ich Sicherheit wollte, wo es gar keine zwei Meinungen geben konnte. Aber trotzdem tat ich es, meine Gefühle verlangten danach. Sie trieben mich an den Rand der Straße und dann aus meinem Auto hinaus auf den nassen Asphalt, in den Regen. Auf Lyall zu, der in diesem Moment aus dem Aston stieg und sich die verletzte Schulter hielt.
»Kenzie, was ist los? Ist etwas passiert?« Er sah mich besorgt an. Wenn ich geglaubt hatte, alles bisher wäre schlimm gewesen, dann war es dieser Moment, der mich eines Besseren belehrte. Lyalls Blick, diese ehrliche Sorge, diese Zuneigung … nichts davon war jetzt noch von Bedeutung. Er hatte das zwischen uns zerstört, schon vor drei Jahren und dann erneut in den Highlands, als er mich angelogen hatte.
Ich antwortete nicht, weil ich meiner Stimme nicht traute, und drückte nur den Startknopf auf meinem Handy. Wieder hörte ich Lyall aus dem Lautsprecher.
»Meine Güte, dann tu es doch endlich! Verschwinde, am besten für immer, damit würdest du jedem hier einen Gefallen tun. Vor allem mir. Ich bin froh, wenn ich dich nie wiedersehen muss!«
Er wurde leichenblass, als er die Sätze hörte. Völlig geschockt atmete er ein. »Kenzie, ich –«
»Ich will nur eins wissen«, fiel ich ihm ins Wort. Ich war noch nie so aufgebracht gewesen. Nicht an dem Abend, als er mich am Loch gefunden hatte, nicht nach Elenis Unfall. Wahrscheinlich nicht einmal damals, als ich zu der Brücke gefahren war. »Ist das deine Stimme? Hast du das gesagt?«
Er schwieg, vollkommen starr. Da hakte etwas in mir aus.
»Hast du das zu ihr gesagt, Lyall?!«, brüllte ich ihn an. »Hast du es gesagt und hat sie sich danach umgebracht?«
Er rang mit sich, wahrscheinlich legte er sich alle möglichen Antworten zurecht, um die richtige herauszusuchen. Aber dann war es nur ein Wort, das er aussprach. Schlicht, klar, ohne spürbare Emotion.
»Ja.«
Meine Knie wurden weich, mir wurde schwindlig, so als hätte ich bis zu diesem Moment noch darauf gehofft, es gäbe eine Erklärung. Eine Montage, ein Fake, es gab Software für so etwas. Aber dieses eine Wort ließ jede Hoffnung zerbersten, und es war, als würde auch die Welt in sich zusammenstürzen und mich unter ihren Trümmern begraben. Ich hatte ihm vertraut, mich in ihn verliebt, ich hatte alle Warnungen in den Wind geschlagen und mich auf mein Gefühl verlassen, mein ach so untrügliches Gefühl.
Und nun stand ich hier, vor ihm, im Regen, sah ihm in die Augen und wusste, es hatte mich getrogen. Lyall hatte mich belogen, mir etwas vorgemacht. Ohne dass ich es bemerkt hatte. Ich war sehenden Auges ins Messer gelaufen, in dieses wunderschöne und gefährliche Messer, dessen Stiche mich nun verbluten ließen.
Kein Wort kam mehr über meine Lippen. Wie in Zeitlupe drehte ich mich um, lief zurück zu meinem Wagen. Lyall sagte nichts, er sprach mich nicht an, hielt mich nicht auf. Das war mir Beweis genug. Ich schaffte es im Laufschritt zu Loki, stieg ein, schlug die Tür zu und war allein. Allein mit dem brennenden Kummer, mit meinem gebrochenen Herzen, allein mit dem Schluchzen, das meinen Hals hinaufstieg und mich zu ersticken drohte. Und mit diesem Messer in meiner Brust. Der Schmerz war so grauenhaft und so endgültig, dass ich ihn kaum ertragen konnte.
Trotzdem schaffte ich es, die Bremse zu lösen, trotzdem schaffte ich es, loszufahren.
Loki beschleunigte, ich hielt auf die Kurve zu. Das Letzte, was ich im Rückspiegel sah, bevor die Bäume ihn verschluckten, war Lyall, der im strömenden Regen auf der Straße stand und mir nachschaute. Ohne eine Regung in seinem schönen Gesicht oder seinem perfekten Körper. Wasser lief ihm aus den dunklen Haaren in seine schwarzen Augen, aber er zuckte nicht einmal. Als wäre er nicht von dieser Welt. Als wäre er tatsächlich das, was alle sagten. Als wäre er der Teufel.
Du hast keine Ahnung, wer er ist. Wozu er fähig ist.
Doch, nun wusste ich es.
Aber jetzt war es zu spät.
Dank
Es ist wirklich verrückt. Kaum habe ich begriffen, mit wie viel Begeisterung Ophelia Scale von den LeserInnen aufgenommen würde – da erscheint schon ein neues Buch von mir. Genauer gesagt drei Bücher, denn für Einzelbände fehlt mir irgendwie ein Gen. Auch in die Geschichte von Kenzie und Lyall ist viel Liebe und Arbeit hineingeflossen, nicht nur von mir, sondern auch von vielen anderen Menschen. Denen möchte ich an dieser Stelle danken.
Martina Patzer, meiner Lektorin für alle Fälle, bei der Sinn machen und Spaß haben nicht gern gesehen ist – nur sprachlich betrachtet natürlich. Wir haben uns bei diesem Projekt ganz neu zusammenfinden müssen, aber ich denke, das Erge
bnis kann sich sehen lassen.
Ein großer Dank geht wie immer an den cbj Verlag unter der liebevollen Herrschaft von Susanne Krebs, der schon das Zuhause für Ophelia und Lucien war – und nun auch eines für Kenzie und Lyall ist. Danke für eure immer offenen Ohren und E-Mail-Postfächer, Julia, Verena, Sonja, Sina und Leonie!
Gerlinde, was soll ich sagen? Manche Superheldinnen brauchen keinen Umhang, ihnen reicht ein scharfer Verstand, ein großes Herz und Visitenkarten mit »Literarische Agentur Silke Weniger« darauf. Ich bin dir und natürlich auch Silke sehr dankbar für alles, was ihr für mich (aka die ungeduldigste Autorin in eurer Kartei) tut.
Meine liebe Kira, du hast dir vom ersten Gedanken bis zu den Druckfahnen alles geduldig angehört, was ich über Lyall und Kenzie loswerden musste, warst bei allen Schwierigkeiten an meiner Seite, hast mit mir geflucht und mehr als einmal einen guten Rat gegeben. You are the true KL to my LK.
Meinen Testleserinnen Jacky, Lena, Jana, Elly, Alisa und Janina für euer Feedback – und ganz besonders Beril, deren Engagement für meine Bücher von Beginn an weit über das hinausging, was ich mir erträumen konnte. Ihr rockt!
Ich danke meiner wundervollen Kollegin Nena fürs Testlesen und Lyall-Mögen, für aufbauende Worte und Motivation in allen Lebens- und Schreiblagen. Das Partner-Tattoo wartet auf uns.
Vielen Dank natürlich an meine Familie, meine Eltern und meine Schwester, die immer für mich da sind. An meine Schwiegereltern, die so cool drauf sind, dass ich mich getraut habe, ihnen die unzensierte Fassung zu geben. Und an Felix, der mich wirklich sehr lieben muss, denn er hat einen New-Adult-Roman gelesen, obwohl jeder andere Mensch auf der Welt eher zur Zielgruppe gehört als er. (Spoiler: Er mochte es!)
Ihr, liebe LeserInnen, die ihr dieses Buch gekauft und gelesen habt – ich hoffe, ihr mochtet die Geschichte, die Charaktere, die Gefühle, aber vor allem den Cliffhanger. Wenn es etwas gibt, bei dem ich euch nie enttäuschen werde, ist es das. Vielen Dank für alles und wir sehen uns hoffentlich zu Band 2 wieder!
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