by L.J. Shen
»Komm mit zu mir, und lern meine Mutter kennen«, schlug er aus heiterem Himmel vor.
Ein Lachen stieg in meiner wunden Kehle auf. Es war keineswegs heiteren Ursprungs, sondern entsprang Verlegenheit, gepaart mit Nervosität. Ich rieb meine Hände, um sie nach dem Bad im Meer zu wärmen, bevor ich sie vors Gesicht schlug, damit er die Röte in meinen Wangen nicht sah. »Wow, mir war nicht bewusst, dass das mit uns etwas Ernstes werden soll. Und das, nachdem du dich geweigert hast, mich zum Abschlussball zu begleiten, als wir tatsächlich ein Paar waren.«
Er verdrehte die Augen, dann wurde sein Blick entschieden. »Diese Bälle sind stinklangweilig, abgesehen davon waren wir nicht wirklich zusammen. Wir hatten lediglich Sex, bis dein Vaterkomplex mit aller Macht zutage trat. Jedenfalls denke ich, meine Mom könnte dir helfen.«
»Helfen wobei?« Es klang fast wie ein Schnauben. Mir war nicht zu helfen. Ich stand im Begriff, zwei Menschen übel mitzuspielen, um den einen zu retten, den ich liebte.
»Bei deiner familiären Situation.« Bane wusste nicht alles, aber unterm Strich genug. Die Hilfe einer unbeteiligten Person anzunehmen war ein verlockender Gedanke, aber ich kannte Banes Mutter überhaupt nicht, und obwohl ich wusste, dass sie eine einflussreiche Persönlichkeit mit weitreichenden Kontakten war, vertraute ich Erwachsenen generell nicht. Echten Erwachsenen. Jenen, die die Welt regierten, in der ich lebte. »Ich weiß das Angebot zu schätzen, aber ich habe alles im Griff.« Ich ging zur Fahrerseite, öffnete die Tür und setzte mich hinters Steuer.« Der Audi roch immer noch nach Vicious – dem Vorbesitzer –, und ich musste unweigerlich an Trent denken. Seine aufrechte Haltung, sein unnachahmliches Stirnrunzeln. Bane tauchte an meinem Fenster auf und klopfte grinsend auf das Autodach.
»Hast du deshalb vergessen, dein Board aufs Dach zu schnallen? Denk doch wenigstens darüber nach, Gidget. Weil ich nämlich nicht glaube, dass du alles im Griff hast, und falls du eine helfende Hand brauchst … Du weißt, meine taugt zu mehr als Petting.«
»Das ist ekelhaft, trotzdem danke.«
Ich befestigte mein Surfbrett und fuhr davon, machte noch nicht einmal einen Abstecher nach Hause, um zu duschen und mich umzuziehen. Ich musste mir überlegen, wie es mit meiner Mutter weitergehen sollte. Und ich brauchte einen Plan, um an den Speicherstick zu gelangen. Doch zuallererst musste ich aufhören, an Trent zu denken, als wäre er nicht der Feind.
KAPITEL 20
TRENT
Atlanta, Georgia, war das zu fassen?
»Du bist ganz sicher?« Das Kinn auf meiner Faust aufgestützt, trommelte ich mit den Fingern auf meinen Schreibtisch und starrte Amanda an, als hätte sie mir eine Hiobsbotschaft überbracht – und nicht die Nachricht, auf die ich seit einer verflixten Ewigkeit wartete. Und in gewisser Weise traf das auch zu. Die Information war ohne Nutzen, absolut unbrauchbar. Amanda saß mir gegenüber, jeder Zoll die professionelle Privatermittlerin, in ihrer schicken, aber nicht übertrieben eleganten Kombination aus weißer Bluse und einer schmal geschnittenen schwarzen Hose. Sie nickte und schob einen braunen Umschlag über den Tisch.
»Hundert pro. Val lebt in einem hübschen Apartmentgebäude in Buckhead, einer gehobenen Wohngegend Atlantas. Sie hat einen Chihuahua. Keinen Mann. Keine Kinder. Nach meiner Kenntnis arbeitet sie nicht. Es ist mir ein Rätsel, wie sie ihr Leben finanziert. Ich könnte natürlich tiefer graben, aber dazu müsste ich nach Atlanta fliegen und dir die Kosten für das Ticket, das Hotel sowie meinen Stundensatz in Rechnung stellen. Ich könnte aber auch Kontakt zu einem Kollegen vor Ort aufnehmen, der alles in Erfahrung bringt, was du wissen willst.«
Gäbe es einen Ratgeber darüber, wie ich emotional mit der Val-Geschichte und den Dingen im Allgemeinen umgehen sollte, würde ich ihn mir sofort zulegen und noch weitere Exemplare bestellen. Zum ersten Mal seit Jahren schien es, als machten wir Fortschritte. Meine Eltern und ich begleiteten Luna jede Woche zu ihrem Gebärdensprachkurs. Wir strengten uns alle an, und tatsächlich kommunizierte sie inzwischen mit uns. Weitere Unterstützung bekam Luna von Camila, die sie sehr mochte, und Sonya, die sie absolut vergötterte. Nicht zu vergessen Edie Van Der Zee, der es gelungen war, dass meine Tochter lächelte und lachte, Spaß am Klamottenkaufen und an Disneyland hatte. Der Durchbruch schien zum Greifen nahe, und jetzt Staub aufzuwirbeln würde alle bislang erzielten Erfolge unnötig gefährden. Als ich meine Jagd auf Val eröffnet hatte, waren die Umstände nicht vergleichbar gewesen. Ich, allein in Chicago, mit einem einjährigen Kind im Arm. Noch immer hatte ich den Moment in Erinnerung, als ich zum Hörer gegriffen und meinen besten Freund Dean angerufen hatte, damit er seinen Vater, einen Anwalt, fragte, ob er einen vertrauenswürdigen Privatdetektiv kenne. Während Luna mit ihren neuen scharfen Zähnchen an meinem Arm herumnagte und erbarmungswürdig nach ihrer Mutter jammerte, hatte ich durch das Fenster auf die Stadt gestarrt.
Ich war zornig gewesen.
Außer mir.
Verzweifelt.
Rachgierig.
Und jetzt begriff ich, dass ich nichts von alledem mehr war.
Zumindest nicht in dem Maß, dass ich alles aufs Spiel setzen würde, was ich in den vergangenen Monaten erreicht hatte. Luna stand an oberster Stelle, und es sah nicht so aus, als wäre Val daran interessiert, Anspruch auf sie zu erheben. Vielmehr hatte es den Anschein, als hätte sie einen neuen reichen Gönner gefunden, den sie aussaugen konnte.
»Lass gut sein«, antwortete ich und winkte ab. Ich stand auf, trat vor das bodentiefe Fenster und warf einen befremdeten Blick auf Los Angeles. Die Stadt war wie die Lust. Schmutzig, verrucht, lasterhaft und gleichzeitig irgendwie unwiderstehlich. Sie entbehrte sämtlicher Vorzüge, die Menschen schätzten. Struktur, Niveau, Schönheit. Dennoch war sie wie ein Magnet. Sie zog Reiche ebenso an wie Traumtänzer und spuckte sie wieder aus. Aus ebendiesem Grund hatte ich mich in Todos Santos niedergelassen, obwohl ich es als alleinstehender gemischtrassiger Mann nicht leicht hatte in dieser ultraweißen, frivol elitären Gemeinde. Luna sollte nicht mit Verderbtheit in Berührung kommen. Sie verdiente mehr, als sie bisher vom Leben bekommen hatte.
»Ganz sicher?«, vergewisserte Amanda sich, dabei trat ihr jamaikanischer Akzent deutlicher zutage als zuvor. Das passierte immer, wenn sie aus dem Konzept gebracht wurde. Meine Antwort hatte sie sichtlich überrascht. Ich drehte mich zu ihr um, verschränkte die Hände hinter dem Rücken und nickte bestätigend mit dem Kopf.
»Luna hat sich mittlerweile gefangen. Ich will ihr seelisches Gleichgewicht nicht gefährden, sondern mich lieber darauf konzentrieren, es zu stärken.« Sie zum Sprechen zu bringen. »Falls alles nach Plan läuft, kann ich Val irgendwann diskret kontaktieren und sie überzeugen, mir das alleinige Sorgerecht zu übertragen.«
Amanda nickte und griff nach ihrer Handtasche. Eine Ära ging zu Ende. Ich hatte über Jahre mit ihr zusammengearbeitet, sie monatelang gevögelt, und jetzt war alles vorbei. Sie stand auf, und ich trat, aus dem Bedürfnis heraus, Anstand zu zeigen, zu ihr. Ich war kein Scheißkerl. Meistens jedenfalls. Und niemals gegenüber Menschen, die mich nicht beschissen behandelten.
»Ich danke dir.« Ich legte die Arme um sie. »Für alles. Deine Unterstützung in Sachen Val, für die Informationen auf diesem USB-Stick …«
Sie erwiderte die Umarmung und schmiegte sich an mich. »Solltest du doch noch etwas brauchen, weißt du, wo du mich findest.« Ihr Mund strich über mein Ohr, und ich rückte ein Stück ab, fasste ihr Kinn, fuhr mit dem Daumen über ihre Unterlippe und schüttelte den Kopf.
»Es ist vorbei«, teilte ich ihr sanft mit.
Sie zog eine Braue hoch. »Die Frau ist zu beneiden.«
»Ganz und gar nicht. Glaub mir.«
Sie entzog sich mir und stützte die Hand in die Hüfte, nun wieder ganz geschäftsmäßig. »Soll ich an dem Jordan-Van-Der-Zee-Fall dranbleiben oder die Akte schließen und sie dir zuschicken?«
Ich musste nicht erst nachdenken. »Mach weiter wie bisher, und lass nicht locker, bis ich seinen Kopf auf dem Silbertablett serviert bekomme.«
EDIE
Die Woche schleppte sich
von Montag bis Donnerstag öde dahin. Das einzig Hervorstechende war, dass mein Vater zum Glück nicht in der Firma auftauchte – vermutlich unternahm er eine ausgedehnte Reise mit einer seiner Gespielinnen, oder er plante seinen nächsten Schritt in Richtung Weltherrschaft – und ich weder etwas zu mir nehmen noch meiner Mutter in die Augen sehen konnte. Sie ahnte noch immer nicht, dass ihr Ehemann sie zu verlassen gedachte. Ihre Tage verbrachte sie damit, in den Badezimmerspiegel zu starren und darauf zu warten, dass ihre Haare wie durch ein Wunder ihr Wachstum beschleunigten. Ich bekochte sie, und sie aß, ohne sich zu beklagen. Von Trent fehlte jede Spur, und ohne ihn gab es keine Lichtblicke. Ich wanderte durch die Flure im fünfzehnten Stockwerk und fühlte mein Herz in meinem Magen, meinen Adern, meiner Brust, meinen Beinen, einfach überall. Es war geschwollen, krank und entzündet. Den Dienstag brachte ich damit zu, Luna zu helfen, Bilder von Seepferdchen im Internet aufzustöbern und sie mit Wasserfarben nachzumalen. Ich gab ihr die Kette mit der Meeresschnecke, die ich für sie gebastelt hatte. Sie sah genau aus wie meine und auch wieder nicht.
Ihre Muschel war beschädigt, fehlerhaft, unvollkommen.
Ich hatte sie an dem übrigen Schnürsenkel in der Packung befestigt, es war also so etwas wie ein Freundschaftsarmband. Als ich ihr das sagte, leuchteten ihre Augen freudig und erstaunt auf. Sie verstand nicht, warum ich das getan hatte.
Ich begriff es selbst nicht.
In der verzweifelten Hoffnung, einen Blick auf Trent zu erhaschen, drückte ich mich überall auf der Etage herum. Ich brauchte diesen Speicherstick.
Am Freitag ging mein Wunsch endlich in Erfüllung.
Ich saß vor Jordans Büro an meinem Arbeitsplatz, einer kleineren armseligeren Ausgabe von Max’ L-förmigem Eichenholzschreibtisch, vertieft in die Seiten eines Surfer-Magazins, das ich von zu Hause mitgebracht hatte. Als ich gerade umblättern wollte, warf jemand etwas zu mir her. Zweierlei, um genau zu sein. Ein Snickers und einen Müsliriegel. Mein Kopf fuhr hoch, ich lupfte die Brauen. Trent stand vor mir. Groß, adrett und unwiderstehlich. Er hüllte sich wie gewohnt in Schweigen, darum griff ich mir wahllos einen der Riegel, packte ihn aus und biss hinein. Der Hunger, der sich über die Tage angestaut hatte, übermannte mich schlagartig, als hätte ich erst Trent zu Gesicht bekommen müssen, bevor ich ihn stillen durfte.
»Dieses Spiel haben wir schon seit Längerem nicht gespielt«, flachste ich.
Er zuckte die Achseln. »Mir sind inzwischen bessere Alternativen eingefallen, um mich mit dir zu amüsieren.« Keiner außer ihm hätte die Worte so leise artikulieren können, dass niemand sonst sie hörte. Meine Seele war wie ein Ballon, dem die Luft ausging, und das immer zügiger. Ich hatte mich nach ihm verzehrt, dabei war ich für ihn nur eine weitere spontane Liebelei. Womöglich bedeutete es insgeheim meine Rettung, ihn aufs Kreuz zu legen. Nichts würde uns mehr aneinanderbinden, sobald ich uns von Grund auf zerstört hätte. Wann immer er in meiner Nähe war, verlor ich mein eigentliches Ziel aus den Augen. Was man von ihm eindeutig nicht behaupten konnte.
»Ich erwarte dich in meinem Büro.« Er wies mit dem Kopf zum Flur. »In zwanzig Minuten, damit es keinen Verdacht erregt.«
Dass wir bisher noch nicht aufgeflogen waren, bewies nur, dass die Menschen um uns herum de facto egozentrische Armleuchter waren. Weil ich nämlich nicht wirklich einen Hehl aus meinem Interesse an ihm machte. Sicher, wir sprachen kaum miteinander, hingen nicht zusammen rum und knutschten auch nicht in irgendwelchen Ecken. Aber meine Augen ließen keinen Raum für Zweifel. Wann immer sie ihn erblickten, stand Verlangen in ihnen.
Er verzog sich in sein Büro, und ich nutzte die Zeit, um meine Gedanken zu sortieren und meine Haare zu einem unordentlichen Dutt zu verknoten, bevor ich an seine Tür klopfte.
»Komm rein.«
Ich schloss die Tür hinter mir, lehnte mich dagegen und verbarg die Hände hinter meinem Rücken. Ich fühlte mich von ihm angezogen, als wäre er die Sonne. Ein herrlicher Genuss, von der Natur erzeugt, der einen leicht ins Verderben stürzen konnte, wenn man sich zu nahe heranwagte. Und er sah mich an, als wäre ich der Mond. Bleich und einsam und unendlich fern.
»Wieso nennt man dich den Stummen?«, fragte ich endlich. Das hatte ich schon lange tun wollen, doch der richtige Zeitpunkt hatte sich nie ergeben. Trent schien heute gut aufgelegt zu sein. Das wollte ich ausnutzen, solange wir immer noch miteinander redeten.
»Erklärt sich das nicht von selbst?« Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück, verströmte Macht und Autorität. »Ich spreche nur, wenn es unbedingt sein muss, Edie.«
Mir gegenüber war er nicht gerade mundfaul. »Ja, aber warst du schon immer so, oder kam das erst, nachdem …«
»Lunas Mutter uns sitzen ließ? Nein, ich bin generell ein schweigsamer Mensch.«
»Aus einem speziellen Grund?«
»Ich mag keine oberflächliche Konversation, kein Getratsche oder dergleichen. Ich spreche, wenn es etwas zu sagen gibt. Willst du auf etwas Bestimmtes hinaus, Edie, oder verschwendest du nur meine Zeit?«
Ich zog die Stirn in Falten. »Weshalb hast du mich in dein Büro beordert? Wie es scheint, ist deine Laune mal wieder im Keller.«
»Ursprünglich hatte ich etwas Schmutziges und Unangemessenes im Sinn, stattdessen möchte ich dir einen Vorschlag unterbreiten. Setz dich.« Er wies mit einem Nicken zu dem Stuhl ihm gegenüber. Ich zögerte kurz, bevor ich Platz nahm und die Hände im Schoß verschränkte, um nicht vor Spannung an den Nägeln zu kauen.
»Zuallererst möchte ich dir sagen, dass ich weiß und respektiere, dass die Samstage dir gehören. Das hast du mir klar zu verstehen gegeben. Aber ich muss dich um einen Gefallen bitten. Vicious veranstaltet sein alljährliches Sommerfest – tatsächlich führt seine Frau Emilia Regie –, und Luna und ich müssen uns dort blicken lassen. Sie hasst diese Art gesellschaftlicher Anlässe wie die Pest, genau wie die Kinder, die mit ihr reden und spielen wollen. Normalerweise würde ich meine Eltern bitten, dass sie sich um sie kümmern, während ich in der Küche und am Grill eingespannt bin, aber sie sind verreist. Ich würde dich nicht fragen, wenn ich eine Wahl hätte. Das weißt du, oder?«
Ich war so sehr an seine herrische Art gewöhnt, dass ich einen Moment brauchte, um sein Ansinnen zu verarbeiten.
Samstag.
Grillfest.
Theo.
Nein.
Ich schluckte. »Hör zu …«
»Jeder Mensch hat seine persönliche Belastungsgrenze. Solche Festivitäten sind die meiner Tochter, Edie.« Er taxierte mich mit einem Blick, den ich nicht ganz entschlüsseln konnte. Niedergeschlagen war nicht das richtige Wort, aber er passte auch ganz und gar nicht zu seinem üblichen überbordenden Ego. »Ich kenne deine Geschichte nicht, trotzdem weiß ich, dass du Lunas Gefühle nachempfinden kannst. Sie wird dort allein herumstehen, weil ich nicht jede Sekunde bei ihr sein kann. Die anderen Kinder werden ihr auf die Pelle rücken. Sie wird sich unwohl fühlen, Angst und Stress spüren. Das will ich nicht, andererseits kann ich nicht jede verdammte Einladung ablehnen und mich ständig mit ihr in meinem Penthouse verkriechen, wozu ich ohnehin schon die Hälfte der Zeit gezwungen bin.«
Das saß. Seine Ansprache ging mir an die Nieren, weil er den Nagel auf den Kopf getroffen hatte. Ich war mit der Rolle der Außenseiterin vertraut. Sie war Teil von mir, auch wenn ich nach außen nicht den Anschein erweckte. Den Tränen nahe schüttelte ich den Kopf. Ganz egal, wie meine Entscheidung ausfiele, ich würde diesen Raum mit schwerem Herzen verlassen. Seit Theo in dieser Einrichtung untergebracht war, hatte ich ihn jeden Samstag besucht, ihn kein einziges Mal enttäuscht. Nicht einmal, wenn ich krank war. Wollte ich wegen Trent und seiner Tochter tatsächlich mit dieser Tradition brechen?
Wie viel länger würde ich überhaupt noch zu Lunas Leben gehören? Der Gedanke, Abschied von diesem bezaubernden, stillen kleinen Mädchen nehmen zu müssen, das mich an mich selbst erinnerte, gab am Ende den Ausschlag. »Nur dieses eine Mal«, hörte ich mich sagen. »Bitte, frag mich danach nie wieder. Weil ich mich dafür hassen würde, Luna eine Abfuhr zu erteilen, und dich
dafür, dass du mich in diese Bredouille bringst. Die Samstage gehören mir«, bekräftigte ich. Er nickte knapp und versuchte, seine offenkundige Erleichterung zu verbergen.
Die Anspannung wich aus seinen Schultern. »Es ist das erste und das letzte Mal. Ich weiß nicht, wer er ist, aber er kann sich glücklich schätzen, dich zu haben.« Meine paranoide Seite wurde munter, und ich sprang auf.
»Woher weißt du, dass es ein Er ist?«
»In erster Linie, weil ich kein Idiot bin. Sitzt er im Gefängnis? Planst du ein gemeinsames Leben mit ihm, sobald er herauskommt? Willst du ein Nest mit ihm bauen, seine Schulden bezahlen?«
Es wäre fast zum Lachen gewesen, hätte er nicht auf tragische Weise zugleich falsch- und richtiggelegen. Ich ging zur Tür, fasste die bronzene Klinke und atmete tief durch. Ich spürte seinen Blick in meinem Rücken, während er auf eine Entgegnung wartete. Draußen hörte man das geschäftige Treiben in den Büros. »Wir sehen uns am Samstag.«
»Du gehst erst, wenn du mir geantwortet hast.«
»Sagt wer?«
»Dein Boss.«
»Du hast dich nicht wie mein Boss verhalten, als du mir einen Joint und deinen Schwanz offeriert hast.«