Whiskey Lullaby
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»Kommt darauf an, was du mit ereignisreich meinst.« Ich war nicht sicher, ob sie die Leiche oder den Striptease meinte. Ich wollte mich nicht verraten. Es gab ein paar Dinge, von denen sogar beste Freundinnen nichts wissen sollten.
»Ich rede davon, dass du auf dem Parkplatz einer der schmierigsten Oben-ohne-Bars von Savannah über die Leiche deines Schulleiters gestolpert bist. Der Parkplatz am The Foxy Lady hat im letzten Monat mehr Kriminalität erlebt als Whiskey Bayou in hundert Jahren.«
»Nun, das haben sie nicht gerade in der Zeitung annonciert«, murmelte ich. Gerade den schlimmsten Club von Savannah hatte ich mir für meine Bewerbung ausgesucht.
»Was war das?«, fragte Kate mit einer hochgezogenen Augenbraue.
»Nichts«, sagte ich. »Einfach Pech. Ich muss irgendwann eine Aussage machen, aber ich werde nicht verdächtigt.«
»Natürlich nicht. Du bist die schlechteste Lügnerin, die ich kenne. Die Polizei wüsste nach dreißig Sekunden, ob du ihn getötet hast oder nicht. Pass nur auf, dass du die Aussage nicht hinausschiebst. Das würde nur den Inspektor verärgern, wenn er dir nachspüren müsste.«
Mein Brustwarzen machten sich bemerkbar und ich bekam eine Gänsehaut, als ich an Nick Dempsey dachte. Ich würde ihn wiedersehen müssen, egal wie sehr ich mich meines Benehmens vom Vortag schämte. Ein kleiner Teil von mir freute sich auf unsere nächste Begegnung. Der andere Teil von mir wollte nach Alaska ziehen und vergessen, dass mir Nick Dempsey jemals über den Weg gelaufen war.
»Glaub bloß nicht, ich hätte nicht gemerkt, dass du mir verschwiegen hast, was du auf dem Parkplatz zu tun hattest. Ich habe immer noch jede Menge Kontakte, weißt du. Ich könnte es herausfinden, wenn ich wollte.«
»Dann werde ich mich für nicht zurechnungsfähig erklären lassen. Alles, was du wirklich wissen musst, ist, dass ich nie als professionelle Tänzerin Karriere machen könnte.«
»Das war mir schon klar«, sagte Kate. »Ich habe dich bei unserem Abschlussball gesehen.«
»Oje. Wo du schon so gut über diese Dinge Bescheid weißt, kannst du mir sicher sagen, wie ich einen Nebenjob kriege, der mir in kurzer Zeit viel Geld bringt.«
»Vielleicht vermietet dir Matratzen-Mattie ein Zimmer stundenweise. Es ist immerhin das älteste Gewerbe der Welt und bei ihr stehen immer Autos vor dem Haus.«
»Du bist nicht gerade eine Hilfe. In meiner Verzweiflung stehe ich kurz davor, sogar das in Betracht zu ziehen. Schau dir diese Bude an. In sechzig Tagen muss ich hier raus sein, dann stelle ich eher ein Zelt hinten in mein Klassenzimmer, als wieder bei meiner Mutter einzuziehen. Es regnet herein, die Abflüsse sind verstopft und mir fällt der Putz von der Decke ins Essen, wenn ich vor dem Fernseher sitze.«
»Ich verstehe nicht, wieso du so dringend Geld brauchst. Du hast doch einen guten Job an der Schule und diese Wohnung kostet ja auch nicht gerade viel.« Kate schaute auf die abblätternden Wände und die gewellten Teppichböden und war offensichtlich nicht sehr angetan von dem, was sie sah. »Ich nehme an, die Raten für dein Auto haben es in sich, aber es ist ja auch ein netter Schlitten. Schließlich musst du dein Image pflegen.«
»Ja, und die Knöllchen sind der Beweis«, sagte ich, deprimierter denn je. So hörte sich das an, wenn Kate mein Leben in ein paar Sekunden zusammenfasste. »In der Hutton Street steht ein Haus zum Verkauf, das ich gern kaufen möchte, aber ich hab noch nicht genug für die ganze Anzahlung zusammen. Ich habe eine erste Anzahlung von fünftausend geleistet, damit die Sache ins Laufen kam. Ich habe alle Formulare ausgefüllt und John Hyatt bei der Bank versprochen, dass ich den Rest des Geldes bis in sechzig Tagen zusammenbringen würde.«
»Da bleibt nicht viel Zeit«, sagte Kate.
»Danke, nett, dass du mich daran erinnerst. Sehr hilfreich.«
Ich war ein Idiot gewesen, zu glauben, ich könnte soviel Geld in so kurzer Zeit auftreiben. Mein Auge fing wieder an zu zucken, also holte ich noch ein Bier aus dem Kühlschrank und drückte es an mein Lid, um den Druck zu lindern.
Das Schöne daran, in einer Kleinstadt zu wohnen, ist, dass Einrichtungen wie Banken gewisse Zugeständnisse machen, die man von großen Hypothekengesellschaften nie bekäme. Zum Beispiel nicht zu prüfen, ob ich wirklich genug Geld hatte, bevor sie mir den Erwerb eines Eigenheims genehmigten. Es ist so eine Art Hassliebe, denn John Hyatt, der Chef der Bank, hat auch die schlechte Angewohnheit, jedem in der Stadt zu erzählen, wie viel du wert bist und in welchem Zustand sich dein Girokonto befindet. Ich bin eine von denen, die sich von einem Gehalt zum nächsten hangeln. Ich wohne vielleicht in einer Bruchbude, aber mein Auto ist neu und ich trage immer gute Schuhe. Es gibt Schlimmeres im Leben.
»Es war wohl nicht so gut, John Hyatt zu sagen, du könntest den Rest des Geldes so schnell besorgen«, sagte Kate. »Du kennst doch seinen Überlegenheitskomplex und dass er kleinen Leuten gern zeigt, wo sie hingehören. Er wird dir etwas Fürchterliches anhängen und es in der ganzen Stadt verbreiten, wenn du dein Wort nicht hältst. Weißt du noch, als dieses schreckliche Gerücht über Mary Gantz kursierte? Er erzählte allen, sie hätte ihren Autokredit platzen lassen, weil sie sich einen hartnäckigen Tripper eingefangen hatte und ihre Arztrechnungen so hoch waren.«
»Er hat das in die Welt gesetzt?«, fragte ich und war geschockt. »Sie ist immer noch in Therapie wegen der Affäre. Was für ein fieser Typ.«
»Genau das sage ich. John Hyatt solltest du nicht gegen dich aufbringen. Wie viel fehlt dir denn?«
»Etwa fünftausend Dollar, deswegen brauche ich einen Zweitjob.«
»Wenn du so dringend einen brauchst, könnte ich dir ein paar Überwachungsaufträge von meiner Agentur geben. Wir sind im Moment ein bisschen überlastet. Ehebruch und Betrug haben diesen Monat zugenommen.«
Kate war zwei Jahre lang Polizistin gewesen, bevor sie zu der Überzeugung kam, sie sei kein Teamplayer; also kündigte sie und eröffnete ein eigenes Privatdetektivbüro zwischen Whiskey Bayou und Savannah.
Die Ermittlungsagentur McClean war eine der bekanntesten in ganz Georgia. Kate hatte mit ihren Bekannten bei der Polizei freundschaftliche Beziehungen aufrechterhalten und sie durfte weiterhin eine Waffe tragen. Manchmal war ich ein bisschen neidisch wegen der Waffe. Sie sah damit richtig cool und wichtig aus, wenn wir irgendwo zum Abendessen waren. Das Einzige, was ich herumtragen durfte, war ein Stapel unkorrigierter Klassenarbeiten.
»Ich freue mich, dass dein Geschäft gut läuft«, sagte ich; der Gedanke, dass das Pech anderer Leute mir Geld bringen könnte, munterte mich auf. »Was müsste ich denn machen?«
»Der Job ist ziemlich einfach. Ich gebe dir ein paar Akten zu den Personen, mit deren Observation wir beauftragt wurden, du folgst ihnen und machst Fotos. Da du keine Lizenz hast, darfst du dich nicht mit den Kunden treffen und du musst genau Buch führen, damit ich die Berichte schreiben kann. Wir geben dir einen Vertrag als freie Mitarbeiterin und zahlen dir für jeden Abend hundert Dollar. Du musst nur aufpassen, dass die Zielpersonen dich nicht sehen.«
»Hundert Dollar pro Abend! Ich wette, Matratzen-Mattie schafft keine hundert Dollar pro Abend.«
»Matratzen-Mattie hat keine Zähne mehr, Addison. Ich glaube nicht, dass du das vergleichen kannst.«
»Egal. Ich nehme den Job. Wenn ich abends für dich arbeite und zu jeder Mahlzeit Top Ramen esse, könnte ich es gerade schaffen. Das ist super. Danke dir.«
»Wozu hat man Freundinnen? Komm morgen nach der Schule im Büro vorbei, dann kannst du den Papierkram erledigen.«
Ich würde die beste Mitarbeiterin werden, die die Ermittlungsagentur McClean jemals hatte. Sam Spade würde ein Niemand sein, wenn Addison Holmes erst einmal im Einsatz war. Mein Seufzer ließ Kate wohl meine Gedanken lesen.
»Du hast gerade einen Anfall von Größenwahn, stimmt‘s?«
»Vielleicht ein bisschen«, sagte ich und zog eine Schnute.
»Soll ich dir zeigen, wie aufregend es ist, Detektivin zu sein? Trink dein Bier aus und dann raus aus dem Schlafanzug.«
»Du wirst es nicht bereuen, Kate.«
»Das hast du auch gesagt, als du mich in der zehnten Klasse überredet hast, heimlich Mutters Wagen zu nehmen,
um zu Brad Coopers Party zu fahren.«
»Ja, aber sie hat nie herausgefunden, wie die Delle in ihren Kotflügel gekommen ist.«
* * *
Es regnete immer noch in Strömen, als wir von meiner Wohnung aus zum Parkplatz gingen. Kate parkte problemlos auch in der Nähe herabfallender Backsteine und wenn ich mir ihr Auto so anschaute, war mir klar, warum ihr das nichts ausmachte.
»Nettes Auto«, sagte ich und beäugte den Taurus mit instinktiver Abneigung.
»Die erste Faustregel ist, dass man sich an seine Umgebung anpasst.«
Ich blickte mit einem Kopfschütteln auf meinen glänzend roten Z und dann wieder auf Kates Taurus.
»Bist du sicher, dass du nicht mein Auto nehmen willst?«, fragte ich. Ich verzog das Gesicht, als das klebrige Zeug am Türgriff an meiner Hand hängen blieb.
»Nein, ich sagte doch gerade, wir müssen uns anpassen. Knallrote Sportwagen neigen zur Auffälligkeit. Besonders wenn HISTORY auf dem Kennzeichen steht.«
»Schon gut, schon gut, zeig mir, wo es lang geht«, sagte ich. »Wen lassen wir hochgehen?«
»Niemanden«, sagte Kate und verdrehte die Augen.
Wir fuhren mit nervtötend vorschriftsmäßigem Tempo nach Savannah und ich musste mich sehr beherrschen, um nicht zappelig zu werden und immer wieder auf den Tacho zu linsen. Wir bogen in ein Wohngebiet mit Mittelklassehäusern aus den Siebzigern im Ranch-Stil ein. Dort standen verschiedene Autotypen und Modelle und ich musste beschämt zugeben, dass Kate recht hatte. Mein Auto wäre hier jedem sofort ins Auge gesprungen, auch im Regen. Sie parkte hinter einem Minivan, auf dessen Heckscheibe jemand ,Wasch mich‘ in den Staub geschrieben hatte, und stellte den Motor aus. Ich knackte mit den Fingergelenken, weil ich mit Kate an Schweigen nicht gewöhnt war.
»Wenn die erste Regel heißt, nicht auffallen«, sagte ich, »wie lautet denn die zweite?«
»Die zweite Regel ist, dass wir niemanden konfrontieren oder festnehmen«, sagte sie. »Niemals. Und die dritte und wichtigste Regel ist, dass wir niemals gegen Gesetze verstoßen. Deine einzige Aufgabe ist es zu beobachten, zu fotografieren und Notizen für die Akte zu machen. Das sind neunzig Prozent unserer Arbeit. Wir verlassen uns auf die Fakten und auf unseren Instinkt, um uns bei Bedarf aus der Affäre zu ziehen. Dann ist der Fall gelöst und die Akte kommt in die Kartei.«
»Cool. Ich hab einen Super-Instinkt.«
Ich muss Kate zugute halten, dass sie auf diese Aussage hin einen völlig neutralen Gesichtsausdruck bewahrte. Ich hatte einen miserablen Instinkt, und niemand wusste das besser als Kate.
Kate war immer die Ernste von uns beiden, fast ein analer Charakter, was sie jedoch durch einen dermaßen trockenen Humor ausglich, dass es oft zum Lachen fast zu spät war, wenn man darüber nachdachte, was sie gesagt hatte. Kate bekam nie Ärger. Außer, wenn sie mit mir zusammen war.
Während mein Körper Hausaufgaben machte und Haushaltsarbeiten erledigte, überlegte sich mein Gehirn verschiedene Möglichkeiten, wie Kate und ich die besten Abenteuer erleben konnten. Das konnte heißen, den Fernseher ihrer Eltern auseinanderzunehmen, um einen Roboter für unsere Hausarbeit zu bauen, oder einem Lehrer zu Hause nachzustellen, um herauszufinden, ob er in Wirklichkeit ein verkleideter Superheld war. So etwa zu Beginn der zwölften Klasse schaffte Kate es endlich, nein zu sagen und mich auf kreative Art davon abzuhalten, irgendetwas zu Verrücktes oder schlichtweg Dummes zu tun.
Ich hatte Kate viel zu verdanken.
Ich schreckte aus meinem Tagtraum auf, als der Taurus anruckelte und Kate aus dem Wohngebiet hinausfuhr.
»Wo fahren wir hin?«, fragte ich verwirrt. »Wir sind doch gerade erst angekommen.«
»Addison, wir sind seit einer halben Stunde hier. Ich habe Fotos gemacht und dir eine vollen Überblick darüber gegeben, was dich erwartet, wenn du allein bist. Und du hast den Titelsong von Unser lautes Heim gesummt und im Spiegel nachgeschaut, ob dein Haaransatz zu erkennen ist.«
Sie hatte recht. Ich war ein hoffnungsloser Fall. Stillsitzen war nicht meine Stärke.
»Du bist eine gute Freundin«, sagte ich und tätschelte ihr den Arm.
Kapitel 4
Montag
* * *
»Du siehst aus, als hättest du einen harten Tag hinter dir.« Beim Klang dieser vergnügten Stimme dachte ich an Fingernägel auf einer Schiefertafel und zuckte unwillkürlich zusammen.
Rose Marie Valentine unterrichtet Chorsingen in meiner Nachbarklasse und ihre Singstimme ist leider noch schlimmer als ihre Sprechstimme. Die Wände sind dünn in der High School und manchmal wünschte ich, ich könnte den Schülern in einer Gummizelle von der Schlacht am Little Bighorn erzählen. Wenn das Leben nur so einfach wäre.
Rose Marie war der letzte Mensch, mit dem ich heute reden wollte. Eigentlich wollte ich mit gar keinem reden. Ich wollte heute die unsichtbare Frau sein und ich hoffte, wenn ich es nur fest genug wünschte, meine Augen schloss und nicht auf ihre Anwesenheit reagierte, dann würde sie weggehen und mich in meiner unsichtbaren Wolke der Depression dahinschweben lassen.
»Ist alles in Ordnung mit dir, Addison?«
Nicht immer hat man Glück. Ich hob langsam den Kopf vom Pult und pellte das Blatt von der Klassenarbeit ab, das an meiner Wange kleben geblieben war. An der verschmierten Schrift auf dem Blatt konnte ich sehen, dass auf meiner Wange ein dickes rotes F prangen würde. In meiner linken Schläfe hämmerte eine fröhliche Trommlerkapelle und ich war ziemlich sicher, dass ich ungefähr in meiner Unterrichtsstunde über die Kommunistische Partei der USA den absoluten Tiefpunkt erreichen würde. Rein theoretisch konnte sich die Lage nur bessern.
Nachdem seine Familie benachrichtigt worden war, hatte sich die Neuigkeit von Herrn Butlers Tod wie ein Lauffeuer in unserem kleinen Ort verbreitet. Ich konnte von Glück sagen, dass meine Mitwirkung am Fund der Leiche noch nicht bekannt geworden war, aber ich hatte keine große Hoffnung, dass dieses Glück von Dauer sein würde.
Den ganzen Tag streiften Lehrer und Lehrerinnen mit rotgeränderten Augen durch die Flure und der Schulbetreuer war für alle Schüler und Lehrer verfügbar, die mit der Situation nicht klar kamen. Ich persönlich würde mich noch nicht einmal mit einem eingewachsenen Zehennagel vom hiesigen Schulbetreuer beraten lassen. Meine Mutter war mit ihm zur Schule gegangen und sie sagte, als Kind habe er der Katze Knallfrösche an den Schwanz gebunden und angezündet.
»Addison?«
»Es geht mir gut, Rose Marie. Ich habe nur ein bisschen Kopfweh.«
In Wirklichkeit dachte ich, dass es nicht gerade der beste Tag war, um auf die Polizeiwache zu gehen und bei Inspektor Dempsey die Aussage zu machen, die er so heiß und dringend ersehnte oder um einen neue Job zu beginnen, aber dann dachte ich an das kleine Haus in der Hutton Street und beschloss, durchzuhalten.
Ich öffnete die Augen und sah von Rose Marie mehr, als für mich gut war. Sie trug eine grellrosa Caprihose und einen weiß-rosa-gestreiften Matrosenpulli. Es stimmt schon, dass beleibte Frauen besser keine Querstreifen tragen sollten. Ihre blonde Dauerwelle war hoch aufgetürmt und sie trug immer zwei perfekt gemalte Rougetupfer auf der Wange. Ich verspürte das plötzliche Bedürfnis, mein Makeup-Schwämmchen zu zücken und ihr beizubringen, wie man Ränder verwischt.
»Alles Gute«, sagte sie mit ihrem honigsüßen Akzent, der so dickflüssig war, dass man Butterbrote damit bestreichen konnte.
Rose Marie war kein schlechter Mensch. Sie war nur jemand, für den man viel Energie brauchte, wie für ein Kleinkind oder eine dänische Dogge.
»Ich kann kaum glauben, was Veronica heute beim Mittagessen über dich gesagt hat«, fuhr sie fort. »Ich würde nicht einen Moment lang glauben, dass jemand Nacktfotos von dir ins Internet gestellt hat, aber ich werde heimgehen und heute Nachmittag für dich nachschauen, um sicherzugehen.«
»Danke dir, Rose Marie. Du bist eine wahre Freundin.«
»Ich weiß genau, dass du dasselbe für mich tun würdest«, sagte sie. »Ich würde mich nicht wundern, wenn Veronica die Bilder selbst hineingestellt hätte.« Veronica hatte Erfahrung damit, Nacktfotos von mir ins Netz zu stellen, also hatte mich ihre Bombe beim Mittagessen nich
t völlig überraschend getroffen. Sie hatte das in der 12. Klasse schon einmal gemacht, nachdem ich zur Schülerin mit dem ,größten Erfolgspotential‘ gewählt worden war; damals hatte sie eine Kamera in der Mädchenumkleide installiert. Sie hätte sich wohl kaum die Mühe gemacht, wenn sie geahnt hätte, dass meine größten Erfolge darin bestanden, Geschichtslehrerin an der High School und Vorsitzende des Yoga-Vereins von Whiskey Bayou zu sein. Aber nun war es wieder soweit.
»Sie war schon immer rachsüchtig und egoistisch«, fuhr Rose Marie fort. »Ich habe gehört, sie hat den dritten Ehemann ihrer Mutter mit sechzehn verführt und mit Videoaufnahmen erpresst, weil er ihr nicht das Auto kaufte, das sie wollte.«
»Das habe ich auch gehört«, sagte ich. Auf jeden Fall wusste ich, dass Veronica immer schon rachsüchtig und egoistisch gewesen war. Genau so, wie ich gewusst hatte, dass sie Greg Nelson ins Visier nehmen würde, sobald sie wieder in die Stadt zurückkam. Und ich war so naiv gewesen zu glauben, er würde ihre Avancen ignorieren, weil er so verrückt nach mir war.
»Ich sage dir, ihr zwei bietet dieser Stadt nun schon seit zwanzig Jahren Unterhaltung, aber das ist jetzt nicht mehr nur ein einfacher Fall von weiblicher Rivalität. Ich habe den Eindruck, Veronica will Blut sehen. Wenn ich du wäre, würde ich mich in Acht nehmen.«
»Na, jetzt geht es mir schon viel besser«, sagte ich.
* * *
Zum Glück gibt es Dairy Queen. Wenn einen das Leben im Stich lässt, bekommt man dort immer Rettung in Form von Süßem mit zwanzig Prozent Butterschmalz.
Ich war nach Hause gegangen, um mich in die Berufskleidung einer Ehebrecherbeschatterin zu werfen. Diese umfasste einen kurzen schwarzen Rock, ein Top von einem George Michael-Konzert mit der grellrosa Glitzer-Aufschrift FAITH, ein Paar Flipflops, einen übergroßen Strohhut und eine große Sonnenbrille, damit man mich nicht erkannte. Die rote Tinte hatte ich mir aus dem Gesicht entfernt, aber ich war immer noch nicht in Topform, also beruhigte ich meine Nerven mit einem Bananensplit, bevor ich in Kates Büro fuhr.