by Liliana Hart
»Ja und ja. Das erkläre ich später. Lächle einfach und tu so, als wüsstest du von nichts.« »Ich weiß nichts.«
»Perfekt. Und erinnere mich später, dass ich dir ein paar Tipps zur Kunst des Striptease gebe. Das kleine Lederding könntest du eines Nachts mal für mich anprobieren.« »Im Traum«, sagte ich, aber ich lächelte, wie verlangt, obwohl ich am liebsten nach Alaska gezogen wäre.
Wir brachten die ersten paar Gänge mit angespanntem Schweigen und unbehaglicher Stimmung hinter uns. Nick schien als Einziger die unterschwellige Spannung am Tisch nicht wahrzunehmen, oder zumindest war er ein besserer Schauspieler als wir anderen.
Ich hatte es auch geschafft, vor dem Dessert drei Gläser Wein zu trinken, sodass mir die unterschwelligen Spannungen fast schon egal waren, obwohl Veronica Nick immer noch schwüle Blicke zuwarf und ihr Decolleté massiv zur Schau stellte.
Das Tanzen und Händeschütteln hatte begonnen, was Greg als Ausrede benutzte, sich in die Menge zu stürzen, Hände zu schütteln und sein aufgesetztes Lächeln zu lächeln. Auch Nick und Mike verließen ihre Sitzplätze und taten, was Männer so tun, wenn sie an einem überfüllten Ort einen Smoking tragen müssen und kein Sport zum Zuschauen in Reichweite ist. Also blieben ich, Veronica und Kate in eisiger Stille am Tisch vereint zurück. Ich dachte, ein bisschen Abwechslung sei nötig, damit es interessant blieb und bestellte zum Dessert Weißwein statt des Rotweins, den ich bisher getrunken hatte.
»Ich höre, du musstest dir einen Zweitjob suchen, weil du Geldprobleme hast«, sagte Veronica und kam zur Sache, sobald die Männer ausser Sichtweite waren.
»John Hyatt hat viele Informationen, nicht?« Ich bedeutete dem Kellner, er solle mein Glas auffüllen.
»Ich nehme an, es ist gut, eine Freundin wie Kate zu haben, die dir einen Job gibt, denn ich habe gehört, als Stripperin bist du lausig.« Kate und ich hielten beide die Luft an, aber aus verschiedenen Gründen. Kate, weil sie zum ersten Mal hörte, ich sei eine Stripperin. Ich, weil mein Geheimnis keins mehr war. Greg war der einzige Schuldige. Er musste es ihr gesagt haben. Veronica lächelte mich an wie eine Sonnenanbeterin und ich wusste, dass ich mein wohlerzogenes Benehmen nicht durchhalten konnte. Ich schickte im Geiste eine Entschuldigung an Nick und Kate, in der Hoffnung, sie würden mich verstehen, und eine weitere an meine Mutter, für die es eine schreckliche Demütigung sein würde, wenn sie davon erfuhr. Ich war bisher die Hauptursache für jedes graue Haar, das meine Mutter überfärben musste, daher nahm ich an, dass die Nachricht sie nicht allzusehr überraschen würde. Meine Mutter war hart im Nehmen und niemand durfte sich erlauben, ihre Kinder zu kritisieren. Dazu hatte nur sie ein Recht.
»Ich weiß nicht, wovon du redest«, log ich. »Weiß Greg eigentlich, dass du mit John Hyatt schläfst, um Informationen über die Finanzen andere Leute zu bekommen?« »Also bitte«, lachte Veronica. »Ich brauche mit einem Mann nicht zu schlafen, um zu kriegen, was ich will. Ich habe da ganz andere Methoden. Fast hätte ich dir ein paar Tipps angeboten, aber ich habe gesehen, wie du Herrn Butler um den kleinen Finger gewickelt hast.« »Was hat er denn damit zu tun? Lass doch den Mann in Frieden ruhen!« »Nun, es könnte sich doch ziemlich schnell herumsprechen, wie du seine Leiche gefunden hast. Und dass wahrscheinlich du ihn in einem Anfall von Eifersucht umgebracht hast«, sagte sie mit einem hinterlistigen Schlangenlächeln.
Aus irgendeinem Grund waren wir alle drei aufgestanden und Kate hatte leicht ihre Hand auf meinen Arm gelegt, für den Fall, dass ich etwas Unüberlegtes tat. »Du lügst«, sagte ich, aber alle Farbe war aus meinem Gesicht gewichen. Mir war klar, dass sich ein Gerücht dieses Kalibers, wenn es erst einmal in die Welt gesetzt wurde, im Handumdrehen in der Stadt verbreiten würde.
»Ich habe jedenfalls nicht mit meinem Chef geschlafen, um an meine Stelle zu kommen«, sagte sie. »Meinst du etwa, ich wollte Hauswirtschaft unterrichten? Ich war für deine Stelle qualifizierter als du, aber Herrn Butler konnte ich durch nichts beeinflussen. Er hatte nur Augen für dich. Anscheinend stand er auf Frauen mit dem Körper einer Hausfrau mittleren Alters. Sag mal, Addison, ist Herr Butler deiner überdrüssig geworden wie Greg? Hat er dich einfach sitzen gelassen? Ein plausibles Motiv für einen Mord.« Veronica beugte sich zu mir herüber, aus ihren Giftzähnen sprühte Gehässigkeit und der riesige Busen quoll aus ihrem Kleid. Mit war immer noch nicht klar, warum sie dachte, ich hätte irgendeine – sexuelle oder anderweitige – Beziehung mit Herrn Butler gehabt. Während der ganzen Zeit, in der er an unserer Schule war, hatten wir nicht mehr als zehn Worte gewechselt. Noch mehr verblüffte mich, dass Veronica glaubte, sie müsste meine Stelle haben. Ich war fast bereit, ihr einen Tausch anzubieten, damit sie sah, was sie an Grauenvollem verpasst hatte. Ich hätte nichts dagegen, sieben Stunden täglich den Kids beizubringen, wie man Topflappen häkelt oder einem Mehlsack die Windeln wechselt.
»Schau mal, sogar Nick hat in der Dreiviertelstunde, die er in deiner Gesellschaft verbringen musste, das Interesse verloren«, sagte sie und zeigte auf die Tanzfläche.
Ich hätte besser nicht hingeschaut. Aber Nick hätte heute Abend eigentlich mein Rettungsanker sein sollen. Er hatte gesagt, er ginge nirgends hin und ich hatte ihm geglaubt. Also schaute ich hin.
Und sah Nick, wie er die Arme um eine Frau schlang, die ich noch nie gesehen hatte und mit der er für mein Gefühl viel zu eng umschlungen tanzte; er lachte, weil sie ihm gerade irgendwas ins Ohr geflüstert hatte. Das war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Aber wenn ich untergehen musste, dann nicht kampflos.
»Du hast es nicht anders gewollt, du Flittchen«, sagte ich und sah Veronica herausfordernd an. »Was wird wohl in zehn Jahren sein, wenn dir die Titten, auf die du so stolz bist, bis zum Knie hängen und kein Kerl mehr übrig ist, dem du noch keinen geblasen hast?« Ich hörte, wie Kate hinter vorgehaltener Hand ein Lachen unterdrückte. Veronica stotterte und Spucke flog durch die Luft. Addison Holmes kam keiner in die Quere. Nun ja, manchmal schon, aber dieses Mal nicht.
»Ach ja?«, sagte sie mit zugekniffenen Augen. »Du bist doch nur ein geschlechtsloses Möchtegern, das in schwarzem Leder wie eine erbärmliche Nutte aussieht und ansonsten einfach nur erbärmlich. Vielleicht hättest du deinem ersten Instinkt folgen und bei deiner lesbischen Freundin hier bleiben sollen. Ach nein. Geht ja gar nicht. Sogar die Lesbe hat es irgendwie geschafft, einen Mann abzukriegen.« Ich bebte vor Wut. Im Raum war es ungewöhnlich still und ich sah um uns herum eine Gruppe von Leuten stehen, die gespannt verfolgten, was hier abging. Nick sah zu mir herüber, aber es war mir gleichgültig. Er bedeutete mir nichts. Ich hatte genug von Leuten, die mich vor anderen lächerlich machten. Das konnte ich selber gut genug. Ich drehte mich wieder zu Veronica um, als Nick sich in meine Richtung aufmachte; ich wollte meinen Abgang machen und nach Hause aufbrechen, bevor er mich erreichte.
»Ein schönes Exemplar von Mann«, sagte Veronica und sah ebenfalls zu Nick. »Anscheinend bist du fähig, attraktive Männer zu finden, aber nicht, sie zu halten. Ich frage mich nur, warum?« Veronicas Augen glänzten wie schwarze Murmeln. Ihr zufriedenes Grinsen war mehr, als ich ertragen konnte. Sie wusste, dass sie mich endlich ins Mark getroffen hatte, aber ihre spitze Zunge hatte noch nicht genug Schaden angerichtet. »Ich freue mich schon auf den Einzug in das Häuschen, auf das du ein Auge geworfen hattest. Für ein frischverheiratetes Paar ist es genau das Richtige. Vielleicht kannst du dir ja leisten, es uns abzukaufen, wenn wir erst in etwas Größeres ziehen.
»Das ist mein Haus«, sagte ich; meine Augen waren nur noch Schlitze und das Adrenalin war auf hundertachtzig. Und ehe ich mich versah, machte sich mein Arm selbstständig. Wein flog in Zeitlupe aus meinem Glas und klatschte über die gesamte Vorderseite von Veronicas silbernem Kleid, wodurch der dünne Stoffe noch unanständiger aussah.
Sie brauchte etwa fünf Sekunden, um den Schaden zu ermessen und stieß dann einen Schrei aus, der einer Rachegöttin Ehre gemacht hätte.
»Du Fotze!«, schrie sie, so laut sie konnte.
Man konnte hören, wie es dem gesamten Ballsaal den Atem verschlug. Dieses Wort nahm außerhalb von Kneipen oder Spielhallen nie jemand in den Mund und
schon gar nicht eine Frau. Und dann ging alles sehr schnell. Ich weiß nur noch, dass ich mich am Boden wiederfand, mit Schokoladentorte zwischen uns und ihren Knien in meiner Magengrube. Ich schrie vor Schmerzen, zog sie an den Haaren und bäumte mich unter ihr auf, um sie loszuwerden. Wir waren bestimmt eine Augenweide, wie wir so über die Tanzfläche rollten. Ich kratzte und zerrte und es tat mir zum ersten Mal leid, ein Mädchen zu sein, denn genauso kämpfte ich. Ich hörte Stoff reißen und bekam ihre nackten Brüste voll ins Gesicht. Ich tat das Einzige, was mich vor dem Erstickungstod retten konnte und stach ihr in die Augen, wie ich es aus Stummfilmkomödien kannte. Greg beugte sich über uns und versuchte verzweifelt, den Kampf zu beenden. Er griff Veronica unter die Arme und versuchte, sie von mir herunterzuheben. Man sah ihm an, dass er die Szene für extrem geschäftsschädigend hielt. Veronica Kopf schnellte nach hinten und knallte gegen Gregs fein geschnittene römische Nase, woraufhin ich in unkontrolliertes Gelächter ausbrach. Ich erhob mich schließlich auf die Knie und schaffte es, Veronica einen soliden Faustschlag ins Gesicht zu verpassen. Ich konnte zu meiner Genugtuung gerade noch das Krachen von Knochen und Knorpel hören, ehe ich einen Schlag auf den Hintern bekam und mein Gehirn zu Brei wurde.
Kapitel 9
Samstag
* * *
Ich öffnete meinen Augen einen kleinen Spalt und sah verschwommen, wie Nick mich aus nächster Nähe ansah.
»Bin ich tot?«
»Noch nicht«, sagte er.
Als ich das nächste Mal aufwachte, schien helles Licht durch meine Schlafzimmervorhänge und jeder Zentimeter meines Körpers tat weh. Das war mittlerweile ein gewohntes Gefühl, denn dass mir gar nichts wehtat, war schon lange her.
Ich konnte nicht klar denken und hatte wahnsinnige Kopfschmerzen, also stand ich vorsichtig auf und stieg in die Dusche. Erst als ich schon drin war und das Wasser aufdrehte, wurde mir bewusst, dass ich mich nicht hatte ausziehen müssen. Das hatte jemand anders für mich erledigt.
Nick.
Ich versuchte mich zu erinnern, was wohl in der vergangenen Nacht alles passiert war. Ich hatte doch wohl nicht die einzige wilde Sexnacht meines Lebens erlebt und sofort wieder vergessen? Ich steckte den Kopf unter die heiße Dusche und zuckte zusammen, als der Wasserstrahl die frischen Kratzer auf Brust und Armen traf.
Oh Gott.
Langsam kam mir alles wieder in den Sinn. Ich hatte mich lächerlich gemacht. Wieder einmal. Und Nick war ein verlogenes Stück Dreck, wie Greg. Ich sah plötzlich das ungute Muster, das sich hier abzeichnete und wusste, dass ich irgendetwas ändern musste. Ich hatte eine vage Erinnerung an Nick während meiner Bewusstlosigkeit, aber das war auch schon alles.
Ich wickelte mir ein weißes Handtuch um den Kopf, zog einen weichen Baumwollbademantel an, der auf den Wunden nicht so wehtat, und ging in die Küche.
»Du musste antiseptische Salbe drauftun, sonst entzünden sich die Kratzer. Ich hab das gestern Abend schon gemacht, aber du musst sie weiterhin auftragen.« Ich fuhr überrascht herum und griff mir mit einer Hand an den Hals, als ich Nick sah, der mit aufgeschlagener Zeitung und einer Schüssel Cornflakes am Frühstückstisch saß. Seine Haare waren noch feucht vom Duschen und die nackten Füße hatte er auf einen zweiten Stuhl gelegt.
»Danke für den ärztlichen Rat. Und nun verschwinde aus meiner Wohnung«, sagte ich und drehte ihm den Rücken zu, um mir eine Tasse Kaffee zu holen. Ich hätte wissen sollen, dass er nicht auf mich hören würde.
Schweigend stellte er sich hinter mich. Ob es nun sein sexy Duft war oder die Art, wie ich ins Kribbeln kam, ich wusste, er war da. Trotzdem schreckte ich zusammen, als er mir die Hand auf die Schulter legte.
»Würdest du mir wohl sagen, warum du so sauer auf mich bist, wo ich doch eigentlich sauer auf dich sein sollte? Schließlich war das meine Partnerin, die sich beim wichtigsten gesellschaftlichen Ereignis des Jahres vor den Augen meines Chefs und aller meiner Kollegen prügelnd auf dem Fußboden gewälzt hat.« Er bebte hinter mir und ich wagte kaum, mich umzudrehen und seiner Wut ins Gesicht zu schauen. Irgendwie hatte er schon recht. Aber als ich mich umdrehte, bebte er nicht vor Wut. Seine Mundwinkel verzogen sich zu einem Grinsen und er lehnte sich an mich, um nicht in Gelächter auszubrechen. »Eins bist du bestimmt nicht – langweilig«, sagte er, küsste mich auf die Wange und ging zurück zu seinen Cornflakes. »Das mag ich bei einer Frau.« Ich vergaß kurz, warum ich böse auf ihn war, aber hatte mich schnell wieder im Griff. »Das ändert nichts daran, dass du jetzt bitte gehen sollst.« »Warum? Wir haben zu arbeiten und außerdem macht es mir irgendwie Spaß, mich um dich zu kümmern.« »Nun, um deine sexy Tanzpartnerin gestern Abend hast du dich ja anscheinend recht gut gekümmert.« Er lächelte nur kurz bei diesem Anzeichen von Eifersucht und las weiter. »Hast du nichts von dem gehört, was Veronica gestern Abend zu mir gesagt hat?« »Ich habe gestern Abend einige treffende Worte gehört, einige davon stammten sogar von dir. Welche meinst du genau?« »Alle. Jedes Wort, dass sie zur mir gesagt hat, war wahr, außer der Anschuldigung, ich hätte meinen Vorgesetzten verführt und ihr den Job weggeschnappt. Ich frage mich, wie sie darauf kommt«, sagte ich und schüttelte ungläubig den Kopf. »Aber mit einem hatte sie recht. Ich scheine keinen Mann halten zu können. Ich brauche aber nicht noch so einen wie Greg in meinem Leben, und seist du auch nur für Ablenkungssex. Mein Ego und mein Selbstwertgefühl haben für die nächsten sechzig, siebzig Jahre genug gelitten. Das bist du nicht wert.« Ich spürte die Tränen kommen und drehte mich um, um mich mit dem Frühstück zu beschäftigen.
»Natürlich bin ich es wert«, sagte er. »Ich bin einer von der anständigen Sorte. Die Frau, mit der ich getanzt habe, war zwei Jahre lang mein Streifenpartner. Sie ist verheiratet, hat vier Kinder und wäre sehr geschmeichelt, wenn sie wüsste, dass du sie für sexy hältst.« »Oh.« Super, Addison. Ganz schön schlagfertig. »Nun, Veronica hatte mit allem anderen recht.« Logik und Wahrheit sollten meine Stimmung nicht beeinflussen.
»Bist du jetzt fertig mit der Selbstmitleidstour?«, fragte Nick. »Du weißt, wie du aussiehst. Du bist alles andere als mittelmäßig. Jemand, der sich an einer Stripperinnen-Karriere versucht, hat doch wohl kaum Probleme mit dem Ego oder dem Selbstwertgefühl.« Ich stöhnte. »Dann ist mein Geheimnis wohl bekannt?« »Vielleicht nicht. Du hast es geleugnet, also steht dein Wort gegen ihres. Ich würde mir darüber keine Gedanken machen. Wir werden sowieso bald herausfinden, wer Herrn Butler ermordet hat und dann spielt alles, was sie sagt, keine Rolle mehr.« »Wirst du mich eigentlich darüber aufklären, warum ich unbekleidet aufgewacht bin?« »Du warst voller Schokoladentorte.« Nick grinste schalkhaft. »Allerdings habe ich keine Ahnung, was in aller Welt du da unter dem Kleid anhattest. Ich habe mir fast eine blutige Nase geholt, um das Ding von dir abzukriegen. Schließlich musste ich das verdammte Teil aufschneiden.« »Mein Gott, warum gerade ich?«
»Keine Angst. Du bist ganz gut dabei weggekommen.« Er legte die Zeitung zusammen und sein Blick fuhr über meinen Körper; dabei begannen Stellen zu kribbeln, die in dem Moment lieber nicht kribbeln sollten. »Ich will ganz offen sein. Ich habe das Video gesehen, wo du im The Foxy Lady in dieses sexy Kostüm gezwängt bist, und ich dachte, ich hätte jede Kurve deines Körpers ausgiebig zu Gesicht bekommen. Aber als ich dieses Teil gestern Abend endlich von dir ab hatte, hat es mich einiges gekostet, dich nicht zu wecken und umgehend zu vernaschen. An deinem Körper ist garantiert nichts langweilig oder unattraktiv.« »Vielen Dank für dieses gruselige Kompliment. Aber ich will trotzdem, dass du gehst.« »Und ich glaube, dass du lügst.«
Er warf die Zeitung zur Seite und bewegte sich auf mich zu, bis ich mit dem Rücken zur Wand stand. Das Blut rauschte mir in den Ohren und jeder Atemzug brannte mir in der Lunge. »Wo hast du die Nacht geschlafen?«, fragte ich leise.
»Ich habe bei dir geschlafen.« Mit dem Finger fuhr er seitlich an meinem Hals hinunter, dann weiter bis zu dem Knoten, der meinen Bademantel zusammenhielt; er machte sich daran zu schaffen, bis er aufging. Mein Bademantel öffnete sich und ich stöhnte, als seine Finger erst meine Brust umkreisten und dann über meine Brustwarzen streiften. Er beugte sich zu mir, bis sei
ne Lippen nur Millimeter von meinen entfernt waren. Mit weit geöffneten Augen sah ich ihm zu, als er meine Unterlippe zwischen die Zähne nahm und sanft zubiss.
Meine Augen verdrehten sich, als er mit seiner Zunge den stechenden Bissschmerz sanft linderte.
»Ich will dich«, flüsterte er.
Ja genau, der Teil, der mich wollte, drückte gerade gegen meinen Nabel. Seine Finger wanderten weiter nach unten und mein Gehirn begann, trotz der ungewohnten Intimität wieder zu funktionieren.
»Warte, das geht zu schnell«, stieß ich hervor und schob ihn mit beiden Händen weg. Ich zog meinen Bademantel fester um mich und machte mit dem Gürtel einen doppelten Knoten.
»Okay, aber vielleicht kannst du mir einen Termin geben. Ich möchte nämlich gerne in dich rein, bevor ich an Altersschwäche sterbe.« Ich musste mich mit geschlossenen Augen sammeln, denn ich war ganz schön in Versuchung gekommen, ihm seinen Wunsch zu erfüllen. »Nach allem, was passiert ist, ist es ein bisschen peinlich, aber ich bin eigentlich zu dem Entschluss gekommen, dass ich keinen Ablenkungssex mit dir will.« »Das ist gut, denn ich will mit dir auch keinen Ablenkungssex«, sagte er.
»Oh.« Da war sie wieder, meine Schlagfertigkeit. Ich wollte fragen, was er genau damit meinte. An seinem Gesichtsausdruck konnte ich nichts erkennen, denn er hatte die Hitze in seinen Augen wieder unter Kontrolle und seinen Körper auch.
»Du musst ein bisschen mehr Salbe auf diese Kratzer auftragen. Sie sehen gar nicht gut aus und ich möchte nicht, dass sie sich entzünden. Wer weiß, was sie für Keime unter ihren Fingernägeln hatte.« »Oh, ja genau«, sagte ich und war noch ein bisschen gelähmt und verwirrt von diesem schnellen Rein und Raus aus der Intimität. Und davon, dass er mir gerade gesagt hatte, er wolle nicht mit mir schlafen.
Ich sah hinab auf die Kratzer. Sie taten mehr weh, als ich zugeben wollte und ich schlurfte ins Bad, um antiseptische Salbe zu holen. Dann zog ich ein Paar graumelierte Jersey-Shorts und ein weiches weißes Top an. Als ich aus dem Schlafzimmer kam, las Nick wieder Zeitung.