by Liliana Hart
Als die Welle der Nostalgie über mich weggerauscht war, hielt ich erst einmal den Atem an, weil Polizeibüros immer nach Schweiß, Urin und verbranntem Kaffee rochen. Ich ging an der gequält dreinschauenden Frau am Eingangstresen vorbei und schaute mich nach Nick um. Er war nicht zu übersehen.
Anscheinend war er mitten in einer hitzigen Diskussion mit einem der anderen Beamten in Zivil. Sein dunkles Haar hing ihm leicht über die gefurchte Stirn. Er war gekleidet wie die anderen Inspektoren, Sportjackett und lose gebundene Krawatte. Mit dem Unterschied, dass er gut aussah. Zu gut für meine Gemütsruhe. Er hatte die Hände auf die Hüften gestützt und man konnte sein Schulterholster sehen. Und dann kam dieser heiße Blick in meine Richtung und ich wusste nicht, ob ich wegrennen oder mir die Kleider vom Leib reißen sollte.
Er ließ seinen Gesprächspartner mitten im Satz stehen und kam auf mich zu.
»Alles in Ordnung?«, fragte er. »Du siehst aus, als hättest du einen Unfall gehabt.« »Eddie Pogue«, sagte ich zur Erklärung. »Ist das ein ungünstiger Zeitpunkt? Der Typ, mit dem du geredest hast, sah verärgert aus.« »Nein, es ist kein ungünstiger Zeitpunkt. Er ist nur sauer, weil er die Wette zum gestrigen Spiel verloren hat.« Wir starrten uns einige Sekunden lang an; ich wusste, er hatte gerade gelogen und Nick fragte sich wahrscheinlich, ob ich mich darüber aufregen würde. Ich beschloss, die Sache ruhen zu lassen. Es war zu früh für Streit, also platzte ich mit etwas anderem heraus. »Hast du Kinder?«
»Ist das eine dieser typisch weiblichen Fangfragen?« »Es ist eine Ja-Nein-Frage, du Hornochse.«
»Also nein. Ich habe keine Kinder. Ich sagte schon, dass ich nur sechs Monate lang verheiratet war und die letzten drei davon gab es noch nicht mal Sex. Aber ich hätte nichts dagegen, es mal zu probieren, wenn du nichts dagegen hast. Ich hab etwa zwanzig Minuten Zeit«, sagte er mit einem Blick auf die Uhr.
Ich verneinte mit einem Kopfschütteln und er führte mich an einen Metallschreibtisch voller Heftmappen und Pappbecher mitten im Raum und bot mir einen gelben Plastikstuhl zum Sitzen an.
»Ich habe nie verstanden, wie ihr in diesem Chaos arbeiten könnt«, sagte ich mit einem Blick in den Raum.
»Ach ja, ich hatte vergessen, dass dein Vater Polizist war. Nicht jeder kann mit einem zusammenleben, das ist sicher. Vor allem, wenn der andere nicht weiß, ob du wiederkommst.« »Nun, das ist einfach dumm. Ich war immer nur stolz auf meinen Vater. Er war ein verdammt guter Polizist. Wir haben uns nie Sorgen um ihn gemacht, denn er liebte seinen Beruf und ich wette, er war ziemlich gernervt, dass er vor dem Fernseher gestorben ist, anstatt im Dienst. Wenn das jemand so im Blut hat, kannst du es ihm nicht nehmen. Das wäre grausam.« »Meine Ex-Frau dachte da anders. Sie dachte, es sei egoistisch von mir, dass ich nicht zumindest versuchte, anders zu sein.« »Dann war es wohl richtig, dass du dich hast scheiden lassen.« »Ich hab mich nicht scheiden lassen. Sie hat die Scheidung eingereicht und dann gleich darauf einen Kieferchirurgen in Atlanta geheiratet. Ich denke, ich hatte Glück.« Ich fragte mich unwillkürlich, ob Nick immer noch etwas empfand für die Frau, die ihn verlassen hatte. Hatte er damit abgeschlossen? Er schien über die ganze Angelegenheit etwas traurig zu sein. Da konnte ich natürlich nicht den Mund halten.
»Bist du sicher, dass du sie nicht mehr liebst?«
»Himmel, nein. Ich glaube, ich habe sie nie wirklich geliebt. Es gibt eben Dinge, die tut man, wenn man jung ist und zu dumm, es besser zu wissen. Der Sex war toll, und ich dachte, das reicht für eine Ehe. Was ist nun mit Eddie Pogue?«, fragte er, wieder ganz Polizist.
Irgendwie mochte ich nicht mehr darüber reden.
»Hast du irgend etwas über den Mord an Herrn Mooney herausgefunden?«, fragte ich in der Hoffnung auf einen Themawechsel.
»Ich habe viele Theorien und einige Verdachtsmomente, aber bisher ist alles im Sande verlaufen. Wir haben deinen Ex immer noch nicht für ein Verhör ausfindig machen können. Er hat das Weite gesucht, als du und Veronica alle anderen bei der Gala abgelenkt habt. Seitdem hat ihn niemand mehr gesehen. Veronica ist noch im Krankenhaus und Girard Dupres hat ein handfestes Alibi, denn er wurde Freitag Abend verhaftet, weil er eine Minderjährige als Tänzerin in seinem Club engagiert hat. Und dein Freund Robbie Butler war den ganzen Abend zu Hause, was die Beamten, die ich vor seinem Haus postiert hatte, bestätigen können.
»Und was ist mit John Hyatt?«
»Wir haben nach dem Mord an Victor Mooney alle Nachbarn befragt, auch John Hyatt. Er und seine Verwalterin haben zusammen die Gästeliste und andere Einzelheiten für eine Party besprochen, die die Bank jedes Jahr für die Honoratioren organisiert. Loretta Swanson hat seine Aussage bestätigt, als wir sie endlich ausfindig gemacht hatten. Keiner von beiden hatte irgend etwas Verdächtiges an Herrn Mooneys Verhalten bemerkt.« »Vielleicht decken sie sich gegenseitig«, bemerkte ich. »John Hyatt hat eine Verlobte, aber für eine platonische Beziehung scheint er zuviel Zeit mit seiner Immobilienverwalterin zu verbringen. Und Loretta Swanson sieht auch nicht gerade platonisch aus. Ihr trieft der Sex aus allen Poren.« »Da hast du recht«, sagte Nick mit einem träumerischen Lächeln.
Ich trat ihm gegen das Schienbein und gleich ging es mir besser.
»Zieh die Krallen nur wieder ein. Aus irgendeinem Grund stehe ich auf unfallgefährdete Ex-Stripperinnen mit einem Hang zur Eifersucht.« »Was auch immer. Ich wette, das sagst du zu jeder.« Er lächelte, aber ich erkannte Niedergeschlagenheit und Sorge in seinen Augen.
»Mein Bauchgefühlt sagt mir, dass die beiden Morde zusammenhängen, aber die Beweislage deutet auf verschiedene Mörder hin. Wir haben keine DNA und bisher auch noch keine Hinweise zu den Fingerabdrücken auf dem Umschlag. Das einzige Bindeglied bist du, Addison.« »Und was willst du damit sagen?«
»Ich will sagen, sei vorsichtig. Und sag mir, wenn es neue Überraschungen gibt.« »Ich weiß nicht, ob ich noch mehr Überraschungen aushalte. Meine größte Angst ist im Moment, dass ich meinem Körper noch mehr Schaden zufüge als bisher. Seit fast zwei Wochen gehe ich nicht einmal mehr zum Yoga, weil mir alles wehtut.« Nicks Augen bekamen bei der Erwähnung von Yoga einen abwesenden Ausdruck und ich merkte, dass er für unser Date schon große Pläne hatte.
»Muss ich dich mit deinen Fantasien allein lassen?«, fragte ich.
»Nein, ich werde dich sehr bald einweihen. Pass nur auf, dass du dir bis morgen keine weiteren Verletzungen zuziehst. Ich möchte nicht, dass du dir meine tolle Idee entgehen lässt.« »Was wäre das denn für eine tolle Idee?«
»Die, wo wir beide nackt sind und du mit den Knöcheln an die Ohren kommst.« Mein Inneres wurde so heiß wie geschmolzene Lava und mein Herz schlug mir bis zu den Ohren. Was sich Nick gerade ausgemalt hatte, überwältigte mich. Schade, dass ich ihn enttäuschen musste, denn bei all meinen geschwollenen und geprellten Körperteilen glaubte ich nicht, dass ich mit den Knöcheln je bis an die Ohren käme. Wahrscheinlich sollte ich lieber etwas Zeit in einer heißen Badewanne verbringen.
* * *
Sobald ich von dem Besuch bei Nick nach Hause gekommen war, schlief ich ein und als ich aufwachte, war es schon etwas spät für die Tupper-Party bei Rose Maries Freundin.
Ich hüpfte unter die Dusche und versuchte, meine Haare zu bändigen, aber die standen mir von der Rasentrimmerjagd noch zu Berge. Ich zog die erstbesten Klamotten aus dem Schrank, legte in aller Eile Lipgloss auf und zog Sandalen an, da klopfte es an der Tür.
Ich sah auf die Uhr und joggte zur Tür. Fast hätte ich mich verschluckt, als ich die Tür öffnete und Nick sah, wie er sich mit einer Hand am Türrahmen abstützte und in der anderen ein Six-Pack Corona hielt. Seine Haare waren von einem langen Arbeitstag zerwühlt, die Bartstoppeln warfen dunkle Schatten. Aus seinen blauen Augen strömten Hitze und Begehren und noch etwas, über das ich nicht nachdenken wollte, weil es Gefahr bedeuten konnte.
»Wenn du mich noch länger so anschaust, dann kommst du heute Abend nicht zu deiner Party und wir schaffen es garantiert nicht in das Restaurant, das ich für morgen Abend reserviert habe.« »Oh Mann«, sagte ich und leckte mir die Lippen. Die Drohung war beeindruckend. Vielleicht sollte ich ihn beim Wort nehmen?
»W-was machst du denn hier?« Super. Der Mann hatte mich zu einem stotternden Dummchen gemacht.
»Ich werd‘ mir das Spiel anschauen«, sagte er und schob mich langsam rückwärts in meine Wohnung. Er schlug die Tür mit dem Stiefel zu und ich musste schlucken. »Heute kommt nämlich das Entscheidungsspiel.« »Ja klar, ich weiß. Ich hab schon die Aufnahmefunktion eingestellt. Ich hab dir doch gesagt, dass ich weggehe.« »Du magst Basketball?«, fragte er überrascht.
»Natürlich mag ich Basketball. Jeder mag Basketball.« »Und Baseball? Magst du Baseball?«
Ich schaute ihn an wie ein Kind mit Lernbehinderung. »Baseball ist top. Alle andere Sportarten verblassen daneben.« »Oh Gott. Ich werde dich heiraten müssen.«
»Nicht, bevor du mich zum Abendessen ausführst. Für was für eine Frau hältst du mich denn?« »Für eine, die ich sehr, sehr begehre«, sagte er und schob mich gegen die Wand. Er nahm meine Unterlippe zwischen die Zähne und biss sanft zu. Ich stöhnte und versuchte zu überlegen, was ich noch machen musste.
»Warte einen Momen«, sagte ich und schob ihn weg. »Was machst du wirklich hier?« »Sagen wir, ich will hier sein, falls du ungebetenen Besuch bekommst.« »Du hättest ja einfach fragen können, anstatt mich mit diesem ganzen Verführungskram zu irritieren.« »Der Verführungskram war nur ein angenehmer Nebeneffekt für uns beide«, sagte er und griff wieder nach mir.
»Oh nein, jetzt nicht. Ich muss hier raus. Ich komme zu spät.« Ich schob ihn mit aller Kraft weg und hoffte im Stillen, er würde etwas hartnäckiger weitermachen, dann könnte ich ihm vorwerfen, seinetwegen die Party verpasst zu haben.
»Viel Spaß«, sagte er, und war schon auf dem Weg ins Wohnzimmer, wo er den Fernseher einschaltete.
Es blieb mir nichts übrig, als meine Tasche zu nehmen und zu gehen. Ich hatte völlig vergessen, welchen Grund ich hatte anführen wollen, dass er in meiner Abwesenheit nicht in meiner Wohnung bleiben durfte. Aber nach meiner Rückkehr, wenn mein Gehirn wieder normal funktionierte, würde ich ihm schon die Leviten lesen.
* * *
Sehr zu meiner Überraschung hatte ich seit dem Beginn meiner Arbeit für Kate ein schönes Stück Geld sparen können und ich hatte kaum ein schlechtes Gewissen dabei, einen Tupper-Kaufrausch zu planen. Noch ein paar Wochen Von-Bäumen-fallen und Mit-scharfen-Gegenständen-gejagt-werden und ich hätte genug Geld zusammen für den Rest der Anzahlung. Ich hoffte, die Früchte meiner Arbeit dann lebend genießen zu können. Direkt hinter Rose Maries grellgelbem VW Käfer kam ich zum Stehen und sprang aus dem Auto. Rose Marie zwängte sich aus ihrem Käfer, und ich stand da mit hängender Kinnlade und hervortretenden Augen angesichts der Farbkakophonie, die aus dem kleinen Auto hervorquoll. Rose Marie trug einen wirbelnden Sarong in allen Regenbogenfarben und hatte ihre Füße der Schuhgröße 39 in sexy pinkfarbene Plateausandaletten Größe 37 gezwängt.. Die Modegötter lagen wahrscheinlich alle im Koma. Dorthin wäre ich auch gerne entflohen.
»Wow, Rose Marie. Du siehst wirklich — sommerlich aus«, sagte ich unbeholfen. Ich schaute auf meinen eigenen kurzen Khaki-Rock von The Gap und mein weißes Top und fühlte mich absolut underdressed.
»Danke. Es ist neu«, sagte sie strahlend.
Wir gingen gemeinsam hinauf zum Haus, das im Landhausstil gehalten war. Obwohl es fast 19 Uhr war, stand die Sonne noch hell am Himmel.
»Ich wundere mich, dass du tatsächlich gekommen bist«, sagte Rose Marie unvermittelt. »Ich dachte immer, du wärst ein bisschen prüde. Ich hoffe, du nimmst mir‘s nicht übel«, fügte sie schnell hinzu.
Ich war etwas irritiert. Was hatte denn eine Tupperparty damit zu tun, ob jemand prüde war? Und, verdammt nochmal, ich bin nicht prüde. Hätte ich sonst im The Foxy Lady getanzt? Wohl eher nicht. Fast wäre ich schwach geworden und hätte ihr davon erzählt, aber dann fiel mir wieder ein, dass es etwas ungünstig wäre, diese Neuigkeit in der ganzen Stadt zu verbreiten. »Ich bin gar nicht prüde«, sagte ich trotzig. »Und überhaupt, was hat das mit Tupperware zu tun?« Rose Marie japste. »Das ist keine Tupperparty, Addison. Ich dachte, du würdest dir die Website anschauen, die auf der Einladung stand.« Eine Welle der Angst baute sich in meiner Magengrube auf und ich stellte die einzig wichtige Frage. »Was für eine Art Party ist es dann?« »Eine Leidenschaftsparty«, sagte Rose Marie mit freudig geröteten Wangen. Jetzt war es allerdings zu spät. Ich konnte nicht schreiend zu meinem Auto rennen. Die Haustür ging auf und ich wurde in ein großes Wohnzimmer gebeten, das schon voller Frauen war. Kerzen brannten, Wein und Käse standen bereit. Es sah nicht aus wie ein Sündenpfuhl, also traute ich mich etwas weiter in den Raum. Ich blieb neben Rose Marie stehen, als eine Frau auf uns zukam.
»Herzlich Willkommen, meine Damen«, und gab beiden von uns ein Wattestäbchen. »Bitte geht zur Toilette und tragt dieses Gel auf eure Klitoris auf. Sobald ihr fertig seid, fängt die Party an.« Die Frau ging weiter, ohne mehr zu sagen, und ich stand da mit heruntergefallener Kinnlade und hummerrotem Gesicht. Rose Marie war schon ins Bad gegangen, um das Gel aufzutragen, während ich mir diesen kleinen Tupfer, der den Abend interessant machen würde, näher ansah. Rose Marie kam aufgeregt und mit hochrotem Gesicht aus dem Bad zurück und ich hatte keine Wahl, als nun selbst zur Tat zu schreiten. Würde es jemand merken, wenn ich es einfach wegwarf? Gab es eine Art unsichtbares Zeichen, das jedem zeigen würde, dass ich zu feige war, ein bisschen Gel auf meine Muschi zu streichen? Also, als Feigling wollte ich vor lauter Fremden ja nicht dastehen, also schloss ich die Augen und erledigte die Angelegenheit. Hinterher wurde mir klar, dass ich gerade etwas auf meinen Körper geschmiert hatte, von dem ich absolut nicht wusste, was es war. Und wenn ich nun Krebs bekam oder blind wurde? Unter Druck konnte ich nicht gut denken, aber ich musste natürlich den Rest des Abends über meine fünf Sinne beisammen halten.
Ich ging wieder ins Wohnzimmer, hochrot, weil natürlich jeder hier wusste, was ich gerade gemacht hatte. Ich sah die wissenden Blicke und das versteckte Lächeln. Da richtete ich mich gerade auf, ergriff ein großes Glas Wein vom Tisch und setzte mich neben Rose Marie aufs Sofa.
»Ist es nicht toll?«, flüsterte sie.
»Pfirsicharoma«, sagte ich und kippte das ganze Glas; dann verlor ich die Nerven und rannte aus der Tür. »Herzlich Willkommen, meine Damen. Mein Name ist Donna Limpkin, und ich möchte meiner guten Freundin Rose Marie Valentine dafür danken, dass sie so viele neue Gesichter mitgebracht hat, damit ich Ihnen meine Produkte vorführen kann.« Ja, danke, Rose Marie.
»Sie sind alle heute hier, um zu sehen, dass die Leidenschaft in jeder von uns ist und dass es absolut nichts Peinliches hat, über die Sinnlichkeit zu sprechen, die jede von uns in sich trägt—manchmal unterdrückt, manchmal aggressiv. Frauen sind wunderbare Geschöpfe, die über soviel sexuelle Macht verfügen; ich hoffe, dass jede von Ihnen heute Abend mit etwas mehr Wissen, ein bisschen mehr Neugier und viel mehr Macht nach Hause geht. Fangen wir an.« Ich war nicht gehemmt. Ich konnte alles, was die anderen Frauen im Raum auch konnten, und ich wette, ich konnte es besser. Ich nahm die herumgereichte Weinflasche in Empfang und füllte mein Glas.
Dann sah ich, wie Donna Limpkin eine Flasche aus ihrer Tasche nahm, und grinste. Mit einem Namen wie Limpkin musste sie eine verdammt gute Verkäuferin sein, um eine Reihe Frauen von der Güte ihrer Produkte zu überzeugen. Mir war jetzt warm und es kribbelte überall; ich beschloss, mit dem Wein ein bisschen langsamer zu machen.
»Dieses bemerkenswerte Gel hier in meiner Hand habe ich jeder von Ihnen bei ihrer Ankunft gegeben, damit Sie es auf ihre Genitalien tupfen konnten. Nun ist genug Zeit vergangen, Sie sollten jetzt alle ein heißes Kribbeln im Körper verspüren, einige fühlen sich vielleicht sogar erregt.« Ich schaute erschrocken um mich, denn sie hatte recht. Ich fühlte mich angetörnt und es war kein Mann in Sicht. Mein Körper heizte von innen auf und ich hatte ein bisschen zu stark das Bedürfnis, auf meinem Stuhl hin und her zu rutschen. Das Schlimmste war, ich saß in einem Raum voller Frauen, denen es genauso erging wie mir. Warum war ich die Einzige, der das Ganze peinlich war? Meine Sinne verschwammen durch weiteren Weinkonsum und ich sah zu, wie die Frau eine endlose Menge Spielzeuge aus ihrem
übergroßen Koffer holte—Sexkoffer nannte ich den jetzt. Handschellen und Federn, Lotionen und Lederpeitschen, ganz zu schweigen von den Dingen, die mein Hirn sich nicht mal zu flüstern traute.
Mein Lieblingsgerät war ,die Schaukel‘, und ich war beschwipst genug, ihren Kauf in Erwägung zu ziehen. Endlich wusste ich, wie die Vorrichtung hieß, die Gretchen Wilder benutzt hatte: ja, die wollte ich! Als Donna mir zwanzig Prozent Rabatt auf den Verkaufspreis von zweihundert Dollar versprach, war ich überzeugt. Anscheinend konnte ich sie mit einem normalen Haken über meinem Bett anbringen und wenn ich sie abmachen wollte, konnte ich eine Zimmerpflanze dranhängen, um peinliche Fragen zu vermeiden. Es war ein genialer Plan, aber er wurde ruiniert von einer der anderen Lehrerinnen, die mich fragte, wie weit ich mit meiner Wohnungssuche war. Es war, als hätte mir jemand einen Eimer kaltes Wasser übergeschüttet, und ich sah ein, dass eine Ausgabe von zweihundert Dollar für ein Gerät, für das ich im Moment keinen Partner hatte—Nick und ich waren ja in unserer Beziehung noch nicht ganz in der Affenschaukelsexphase angelangt—finanziell nicht gerade verantwortungsvoll war. Donna und ich waren beide verärgert, wegen des entgangenen Kaufs, also kaufte ich ein batteriebetriebenes Sextoy namens Mr. Incredible. Keine brauchte einen Mann, wenn sie eins dieser Saugrohre hatte.
Kurz nach neun zwitscherten wir alle ab, unsere Taschen voller schöner Sachen und im Arm die Preise von der Abschiedsverlosung. Ich war gerade beschwipst genug, um zu überlegen, dass mir ein doppelter Karamell-Eisbecher von Dairy Queen zur Alkoholverdünnung helfen würde, sicher nach Hause zu gelangen. Ich umarmte Rose Marie fröhlich und protestierte überhaupt nicht, als sie mir die Schlüssel abnahm und mich auf den Vordersitz ihres kanariengelben Käfers bugsierte.
* * *
Ich hörte das laute Fernsehen aus meiner Wohnung, als ich vollbepackt mit Tüten an der Tür ankam. Nick machte auf, bevor ich daran denken konnte, dass Rose Marie meinen Schlüssel an sich genommen und noch nicht zurückgegeben hatte. Ich fiel nach vorn, da ich meinen Kopf gegen die Tür gelehnt hatte. Er fing mich auf und wir stürzten krachend zu Boden; dabei nutzte ich die Lage, um meine Finger in seinen Haaren zu vergraben und meine Lippen auf seine zu drücken.