Love is Bold – Du gibst mir Mut: Roman (Love-is-Reihe 2) (German Edition)

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Love is Bold – Du gibst mir Mut: Roman (Love-is-Reihe 2) (German Edition) Page 4

by Engel, Kathinka


  »Hallo, ihr Schätze«, sagt Phoenix mit ihrer tiefen Männerstimme. »Bereit für unseren Mädelsabend?«

  Maya nickt begeistert und reicht Phoenix ihren Stoffaffen, den sie zu jedem Übernachtungsdate mitschleppt.

  »Ich bin kein Mädchen«, korrigiert Weston.

  »Das weiß ich doch, handsome, aber man muss kein Mädchen sein, um einen schönen Abend zu haben.«

  »Du hast aber ›Mädelsabend‹ gesagt«, beharrt er.

  »Das ist doch nur ein Wort. Niemand wird ausgeschlossen.«

  Deswegen liebe ich es, dass meine Kinder in Tremé aufwachsen. Die Vielfalt, mit der sie seit ihrer Geburt konfrontiert werden, macht ihr Leben reich und bunt. Genauso hätte ich es mir für mich selbst auch gewünscht. Stattdessen saß ich in prunkvollen Villen, erhielt klassischen Klavierunterricht und lernte für die Schule. Es war behütet, sicher – solange mein Vater nicht da war. Aber für einen kleinen Jungen unendlich langweilig. Bei der ersten Gelegenheit – ich kann kaum älter als vierzehn gewesen sein – stahl ich mich weg. Ich überlistete meine Nanny und wagte mich ins musikalische Leben von New Orleans. Mein Klavierlehrer hatte mir von einer Musikschule in Tremé erzählt, in der Kinder und Jugendliche Jazz und Funk spielten. Und dort ging ich hin, wann immer ich konnte. Ich lernte Bonnie und Link kennen. Und über sie Blythe.

  Maya hat es sich bereits auf Phoenix’ Sofa gemütlich gemacht. Weston stellt seine Schuhe ordentlich in den Eingangsbereich.

  »Trinkst du noch einen Tee mit uns?«, fragt Phoenix, und da ich noch etwas Zeit habe, nehme ich dankend an.

  Von einem kleinen, runden Tisch fegt Phoenix mit der Hand ein paar Bastelarbeiten in einen Korb auf dem Boden. Sie näht all ihre Kostüme selbst, und es sieht so aus, als wäre sie gerade dabei, neue Masken mit Federn und Pailletten zu gestalten.

  »Also sag schon, Darling, was ist los?«, erkundigt sie sich, während sie einen dampfenden Becher mit Kräutertee vor mich stellt.

  »Was meinst du?«, frage ich.

  »Süßer, man sieht dir aus hundert Metern Entfernung an, dass du grübelst.«

  Ich muss lachen. »Tut man das also?«

  »In der Tat.« Sie streicht mir mit ihrer großen Hand über den Arm.

  »Dann muss es wohl das Übliche sein«, sage ich.

  »Das ›Übliche‹ haben wir alle, Schatz.« Sie sieht mich auf diese forschende Art an. Ihre Augen wirken durch die Masse an Schminke, die sie gekonnt darum verteilt hat, noch größer.

  »Du weißt doch, wie es ist. Geld, Verantwortung … Manchmal spüren wir es mehr, manchmal weniger.«

  »Das ist alles sehr wahr. Aber weißt du, was guttut?«, fragt sie und legt ihre Hand auf meine Hand. »Wenn man dabei nicht allein ist.«

  »Ich bin nicht allein. Ich habe meine Band, dich, seit Neuestem einen Großvater …«

  »Und wer ist da, wenn abends das Licht ausgeht?«

  Mich durchzuckt etwas. »Meine Kinder und ich«, sage ich und lächle Phoenix müde an.

  »Es ist jetzt wie lange her?«, fragt sie. »Vier Jahre? Mehr als das, oder?«

  »Etwas.« Vier Jahre, in denen ich getrauert habe, gelernt habe, mit der Trauer um meine Frau zu leben, angefangen habe, mich auf die schönen Erinnerungen zu konzentrieren und den Schrecken zu vergessen.

  »Es ist keine Schande, sich anlehnen zu wollen. Es ist kein Betrug«, sagt sie.

  »Bietest du dich an?« Ich weiß nicht, wie ich auf ihre Worte reagieren soll. Deswegen bleibt mir nur die Flucht in den Humor.

  »Du weißt, dass ich dir verfallen bin«, sagt sie theatralisch und klimpert mit ihren falschen Wimpern. »Aber das meine ich nicht.«

  »Was ist nur los mit euch?«, frage ich grinsend. Mir fallen Curtis’ Bemerkungen während unserer Bandprobe vor ein paar Tagen ein. Der Inhalt war zwar ein anderer – bei Curtis ging es wie immer um Sex –, aber die Botschaft war die gleiche. Und dann kommt mir Bonnies Blick in den Sinn. Eine Mischung aus Genervtheit und Unsicherheit in ihren mahagonifarbenen Augen. Ich habe seither ab und zu an diesen Blick gedacht. Und daran, dass sie anders aussah. Frischer. Auf merkwürdige Art schöner.

  »Wir sehen dich«, sagt Phoenix. »Und nicht nur das. Wir sehen dich außerdem als einen Menschen, der Bedürfnisse hat.«

  Kommen wir jetzt Curtis doch näher? »Phoenix!«, tadle ich sie scherzhaft.

  »Ach, du denkst, es geht hier um Sex?« Sie lacht ihr dunkles Lachen. »Nein, Süßer, auch wenn ich nicht abstreiten würde, dass es mit dir ein reizvolles Thema wäre.«

  Ich sehe mich nach Weston und Maya um, aber die beiden sind vertieft in ihr Spiel.

  »Du, mein lieber Jasper, bist einsam.«

  Ich verschlucke mich beinahe an meinem Tee. »Schwachsinn.«

  »Ach ja?«, fragt Phoenix.

  Es ist Schwachsinn. Ich habe alles, was ich brauche. Meine Kinder, meine Freunde. Seit Kurzem habe ich sogar einen Hugo, was auch immer das bedeutet. Ich bin nicht einsam.

  »Du wehrst dich. Aber glaub mir, ich habe recht. Ich weiß das, weil ich deinen Gesichtsausdruck kenne. Früher habe ich auch so ausgesehen. Früher, als ich noch … Hosen getragen habe.« Sie grinst. »Das Alleinsein ist deine Hose.«

  Ich habe das Gefühl, Phoenix ist ihr Tee zu Kopf gestiegen. »Was hast du in die Mischung getan?«, frage ich und deute auf ihre Tasse.

  »Nichts, wenn Kinder da sind. Das weißt du ganz genau.«

  »Nur, weil man allein ist, bedeutet das nicht, dass man einsam ist, weißt du?«, versuche ich es.

  »Oh, glaub mir, das ist mir bewusst. Und nur, weil man zweisam ist, bedeutet das auch nicht, dass man nicht einsam ist.«

  Ich erinnere mich an Phoenix’ Geschichte. Damals, als sie noch Moses war. Verheiratet mit einer Frau. Wie es sie beinahe alles gekostet hat, das Leben zu führen, das ihr gestattet, sie selbst zu sein. Und wie sie dann wie ein Phoenix aus der Asche aufstieg und zu einem glücklichen Menschen wurde.

  »Ich will nur, dass du Folgendes weißt: Es ist keine Schande, Sehnsüchte zu haben und ihnen nachzugehen.« Auf einmal ist ihre Stimme ganz sanft. Sie nimmt wieder meine Hand und drückt sie einmal fest. »Du bist ein toller Vater. Ein toller Mensch. Du hast es verdient, glücklich zu sein.«

  Ich schlucke. »Das weiß ich. Danke, Phoenix.«

  Wir trinken unseren Tee, dann blicke ich auf die Uhr.

  »Ich glaube, ich sollte wohl langsam mal los. Wenn was ist, Phoenix, ruf an. Die Nummer vom Cat’s Cradle …«

  »… hab ich. Mach dir keine Sorgen, Jasper, es ist nicht das erste Mal, dass die beiden Zuckerstücke hier übernachten.«

  Ich weiß, dass sie recht hat. Und trotzdem plagt mich das schlechte Gewissen. Ich wäre gern in der Lage, meine Kinder selbst ins Bett zu bringen. Jeden Abend. Seit wir nur noch zu dritt sind, ist dieses Band zwischen uns so viel stärker und wichtiger geworden. Auch wenn Blythe in unseren Gedanken ist. Dafür sorge ich. Aber mein Job als Klavierlehrer reicht uns nicht zum Überleben. Nicht mit diesem enormen Schuldenberg. Und mir persönlich würde es auch nicht reichen. Ich brauche die Musik, die Gigs, das Leben. Das ist meine Berufung, meine Medizin gegen alles, was auf mir lastet.

  »Also dann, ihr zwei, ich hole euch morgen ab!«, sage ich auf meinem Weg nach draußen und küsse meine beiden Kinder auf den Scheitel.

  »Bye, Dad!«, sagt Weston, ist jedoch gleich wieder vertieft in irgendein Comicheft.

  Maya winkt.

  »Ab mit dir«, befiehlt Phoenix sanft. »Und hör auf, dir Sorgen zu machen. Es steht dir zwar, aber fürs Herz ist es nicht gesund.« Sie tippt gegen meine Brust. »Und das musst du schützen. Denn es ist das Einzige, was noch schöner ist als dein hübsches Gesicht.« Sie grinst, dann schiebt sie die Tür zu.

  Das musikalische Zentrum von New Orleans, das selbst unter der Woche zu später Stunde aus allen Nähten platzt, ist unser zweites Zuhause. Mittwochs haben wir einen festen Slot im Cat’s Cradle, einer der angesagtesten Bars in der Frenchmen Street. Über die letzten Jahrzehnte hat es sich den Ruf als eine der besten Adressen für Livemusik in ganz New Orleans erarbeitet. Die meisten Reiseführer listen die Bar unter ihren Geheimtipps auf, und das kommt uns Musikern
zugute. Denn in New Orleans bekommen Bands keine feste Gage. Sie bekommen Slots in Bars und lassen am Ende einen Hut herumgehen. So war es schon immer. Es ist ein System, das für alle Beteiligten funktioniert, weil es einfach ist. Das bedeutet zwar, wir als Band tragen das Risiko, es heißt aber auch, dass wir an guten Abenden deutlich mehr einnehmen.

  Heute wird so ein guter Abend. Ich habe es im Gefühl, als wir, einer nach dem anderen, auf die kleine Bühne springen. Man kann die Erwartung des Publikums förmlich spüren. Ein paar Wooohooo-Rufe und begeisterte Pfiffe ertönen.

  »Guten Abend, Cat’s Cradle «, ruft Link in sein Mikro, und die Soundkulisse schwillt an. »Wir sind After Hours und damit diejenigen, die euch während der nächsten Stunden mit ein paar Tunes versorgen werden!« Weitere Rufe und Pfiffe.

  Link dreht sich noch einmal zu uns um und grinst. Wir nicken, erwidern sein Lächeln. Dann zählt Curtis unseren ersten Song ein – und wir spielen los.

  Unser Sound ist eine Mischung aus all den Einflüssen, die wir seit unserer Kindheit aufgesogen haben. Ein Mix aus Südstaatenblues, New-Orleans-Funk und Singer-Songwriter-Melodien. Es ist etwas Eigenes und doch nicht fremd. Wir mischen Folk-Ideen mit der Freiheit des Jazz, wir improvisieren und bleiben gleichzeitig in einem festen, klangvollen Rahmen.

  Links Stimme ist das Zentrum, um das wir unsere Songs aufbauen. Sein heiserer Sound jagt uns manchmal immer noch eine Gänsehaut über den Rücken, so gut ist er. In perfektem Einklang mit seiner Gitarre. Sal ist als begnadeter Trompeter der eigentliche Star der Band. Bonnie sorgt am Kontrabass für die Tiefe. Ich wende mich kurz zu ihr, und unsere Blicke treffen sich. Irgendetwas ist anders. Das war kein einmaliger Eindruck bei der letzten Bandprobe. Nein, sie ist auf gewisse Weise präsenter. Oder ist sie nur präsenter für mich?

  Curtis zählt am Schlagzeug den ersten Song ein, und ich konzentriere mich auf die Tasten vor mir.

  Diese Band ist Teil meiner Familie. Sie gibt mir die Geborgenheit, die ich dann an Weston und Maya weitergeben kann. Ohne meine Freunde wäre vieles in meinem Leben schwieriger. Ach, was rede ich, es wäre unmöglich. Und deswegen hat Phoenix auch unrecht. Ich bin alles andere als einsam.

  7 – Bonnie

  Heute

  »Vielen Dank, dass ihr heute Abend hier wart«, ruft Link ins Mikro, während Curtis und ich den Rhythmus beibehalten und Jasper den ein oder anderen Akkord dazu spielt. »Am Keyboard, Ladies and Gentlemen, Jasper Hughes!«

  Jasper spielt eine schnelle, kunstvoll improvisierte Melodie und erntet seinen verdienten Beifall.

  »Die Naturgewalt an der Trompete: Salomon Wallace!«

  Abgesehen von Link, bekommt Sal immer den tosendsten Applaus. Er ist wahrhaftig eine Naturgewalt an der Trompete.

  »Am Kontrabass: Bonnie Bailey!«

  Ich tue es Jasper und Sal gleich und spiele eine funkig-schnarrende Tonfolge.

  »Am Schlagzeug: Curtis Sullivan, der, wenn mich nicht alles täuscht, noch ein Date für heute Abend sucht!«

  Ein Kreischen geht durch die Menge, und ich verdrehe die Augen, während Curtis seine Sticks herumwirbelt und auf sein Schlagzeug eindrischt. Den ganzen Abend hat er sich zurückgehalten, aber dies ist sein Moment. Jetzt zeigt er, was er draufhat.

  Jasper beugt sich zu seinem Mikro vor. »An der Gitarre: Lincoln Hughes. Ladys, lasst es euch gesagt sein, er wird euer Herz brechen.«

  Wieder ertönt ein schrilles Kreischen, gepaart mit lauten Pfiffen.

  »Wir sind After Hours.« Ich höre das schelmische Grinsen in Links Stimme. »Und es war uns eine Ehre, heute Abend für euch zu spielen.«

  Wir nehmen den Song wieder auf. Link stellt seine Gitarre ab und springt mit einem geübten Satz von der Bühne. Er nimmt den Hut, der dort für Dollarnoten deponiert ist, und bahnt sich damit einen Weg durch die Menge. Dutzende Hände werfen Scheine hinein und spornen uns so dazu an, noch einmal alles in das Finale unseres letzten Songs zu legen, obwohl wir schon völlig ausgelaugt sind. Heute Nacht werden mich hoffentlich keine Gedanken an einen schlanken Nacken und dunkle Haare wachhalten. Heute Nacht werde ich gut schlafen.

  Nachdem wir geendet haben, leert sich die Bar langsam. Ein großer, blonder Kerl verwickelt mich in ein Gespräch, dem ich aber nur mit halbem Ohr folge. Mit einem Auge beobachte ich meine Bandkollegen. Denn ich muss um jeden Preis verhindern, dass sie verschwinden, ohne dass ich es mitkriege. Es ist ein Drahtseilakt, ein schmaler Grat, auf dem ich mich bewege. Eine Kunst, die ich mit der Zeit perfektioniert habe. Niemals mit Jasper allein sein. Die Prävention geht immer vor. Seit jenem unglückseligen Moment vor gut vier Jahren. Doch noch sind sie alle hier, sodass ich mich entspanne.

  »Im nächsten Leben entscheidest du dich sicher für ein kleineres Instrument«, sagt der Kerl vor mir. Ungefähr zehn Minuten lang hat er versucht, mich damit zu beeindrucken, dass er mit seiner College-Basketballmannschaft irgendein wichtiges Spiel gewonnen hat und sie deswegen für ein paar Tage nach New Orleans gekommen sind, um zu feiern. Jetzt ändert er anscheinend seine Strategie, indem er über mich spricht. Nur leider mit dem ältesten Spruch der Welt.

  »Ja, haha, im nächsten Leben werde ich Flötistin«, sage ich und gebe mir Mühe, nicht zu gelangweilt auszusehen. Er ist nett, er ist hübsch. Es gibt keinen Grund, fies zu ihm zu sein. Auch wenn ich mir wünschte, er würde zu seinen Kumpels zurückkehren. Sie stehen an der Bar und werfen uns ab und zu ungeduldige Blicke zu.

  »Flötistin also.« Er zieht anzüglich die Augenbrauen hoch, und ich ahne, was nun kommt. Hätte ich doch nur Geigerin gesagt!

  Um uns beiden die Peinlichkeit zu ersparen, hebe ich die Hand. »Tu uns den Gefallen, und verkneif dir den nächsten Spruch.«

  Er lacht. »Die Masche funktioniert bei dir wohl nicht?«

  »Hat sie das denn bei irgendwem schon mal?«

  »Vermutlich nicht. Sorry.«

  Wieder lasse ich kurz meinen Blick schweifen. Sal verabschiedet sich, und ich erwidere seinen Gruß mit der Hand. Link ist ebenfalls auf dem Sprung. Aber solange Curtis noch hier ist, ist alles gut.

  »Okay, Bonnie«, sagt der Basketballspieler, »schau, ich finde dich ziemlich süß. Und ich habe mich gefragt, ob du Lust hättest, vielleicht noch ein bisschen mit uns abzuhängen?«

  Ich räuspere mich und blicke kurz zu Boden. Gelegentlich denke ich, vielleicht sollte ich es mal wieder probieren. Dann fällt mir auf, dass ich keine Lust darauf habe.

  »Danke für das Kompliment«, sage ich deswegen. »Und du scheinst wirklich ein korrekter Typ zu sein. Nicht zu aufdringlich, nicht uncharmant. Aber heute Abend … das wird leider nichts.«

  »Bist du sicher?«, fragt er und sieht ein bisschen enttäuscht aus.

  Aus dem Augenwinkel nehme ich wahr, dass Jasper mit Curtis abklatscht. Das bedeutet, er geht vor ihm. Perfekt. Ich winke und wende mich wieder meinem Gesprächspartner zu.

  »Ganz sicher.«

  Er zuckt mit den Schultern. »Na, macht auch nichts. Vielleicht sieht man sich ja noch mal.«

  »Ja, vielleicht«, sage ich.

  Dann beugt er sich zu mir hinunter und umarmt mich. Er riecht gut nach Männerparfüm.

  »Hat mich sehr gefreut, Bonnie mit dem Kontrabass.«

  »Na endlich«, grölt einer seiner Kumpels, als er zurückkehrt. Es ist mehr als offensichtlich, dass sie weiterziehen wollen. Und das tun sie auch, nachdem zwei von ihnen den Rest ihres Biers geext haben. Lärmend und johlend verlassen sie die Bar, und ich bin seltsam erleichtert. Jetzt sind nur noch Mikey, der sich ins Lager verdrückt, um die Kasse zu machen, und ich hier. Und –

  Shit!

  In diesem Moment öffnet sich die Tür, und Jasper betritt die Bar. Mein Herzschlag beschleunigt sich, und mein Mund fühlt sich auf einmal ganz trocken an.

  »Du bist noch da?«, frage ich und bemühe mich, ihn nicht anzusehen.

  »Ich habe draußen noch mit Curtis gequatscht. Mein ganzes Zeug ist aber noch hier.« Er deutet auf seine Tasche.

  Gut vier Jahre lang. Über vier Jahre ist es mir gelungen, kein einziges Mal mit ihm allein in einem Raum zu sein. Bis heute. Irgendwann musste es ja mal schiefgehen. Also ist es wohl ratsam, das Beste aus de
r Situation zu machen.

  »Ist dein Verehrer abgedampft?«, fragt er.

  »Mhmh«, mache ich. Verdammt, es sollte nicht so krampfig wirken. Ich muss mich zusammenreißen.

  »Weißt du, was Phoenix vorhin zu mir gesagt hat?«

  Er redet einfach, als wäre das hier das Normalste auf der Welt. Und für ihn ist es das ja auch. Wahrscheinlich hat er nicht einmal gemerkt, dass wir nie zu zweit waren.

  »Was?«, frage ich und blicke kurz auf. Direkt in seine grünbraunen Augen. Das Gefühl, das einmal durch mich hindurchfährt, ist bekannt und doch beängstigend.

  »Sie hat gesagt, mein Herz sei das Einzige, was noch schöner sei als mein hübsches Gesicht.«

  O Gott. Was für ein großartiges Gesprächsthema. »Niemand flirtet so unverblümt wie Phoenix.«

  »Apropos Flirten«, sagt Jasper und grinst. Wieder durchzuckt es mich auf diese schmerzhaft verlangende Weise. »Du bist auch länger nicht mehr auf Flirtversuche eingestiegen, oder?«

  Danke, dass du mich daran erinnerst, würde ich antworten, wenn wir normal miteinander umgehen könnten. So entgegne ich nur: »Kann sein«, und denke daran, wie ich versucht habe, es zu meinem Ding zu machen. Wie ich dachte, wenn ich mich ablenke, würde alles besser werden. Und wie ich dann während dem Sex spürte, dass es nicht das war, was ich wollte. Die Tatsache, dass ich mit jemandem ins Bett ging, der nicht Jasper war, machte mich innerlich so leer, dass ich am liebsten geweint hätte. Jedes einzelne Mal. Die Abwesenheit des einen wurde mir durch die Anwesenheit eines anderen viel zu bewusst, sodass ich seit einiger Zeit nicht mehr auf die Avancen von Kerlen eingehe. Vielleicht sollte ich ins Kloster gehen.

  »Ist alles in Ordnung mit dir?«, fragt Jasper, und ich sehe eine kleine Sorgenfalte zwischen seinen Augenbrauen. Eine Sorgenfalte, die man wegküssen sollte – Hör auf damit, Bonnie!

  »Ja, alles gut. Ich bin nur müde.«

 

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