Ich nicke zögerlich. Natürlich hat er recht. Dennoch bleibt ein flaues Gefühl im Magen zurück.
»Und was die ›neue Person‹ anbelangt, die du ›anschleppen‹ willst: Sprechen wir noch von Bonnie?«
»Ja …«
»Und hast du mir nicht erzählt, Maya hätte mit ihr geredet?«
»Auch das …«
»Vielleicht würde es ihr sogar gefallen. Solange du nichts wagst, Jasper, lernst du auch nichts. Nicht über dich, nicht über deine Kinder. Hättest du nicht gewagt, mich in dein Leben zu lassen, hättest du nie etwas über mich gelernt. Und wie tragisch wäre das gewesen?«
»Sehr tragisch«, bestätige ich lachend.
»Trau den Menschen ein bisschen was zu. Und gönn dir selbst die ein oder andere metaphorische Eispackung.« Er sieht mich forschend an, als wüsste er nicht, ob ich ihn verstanden habe. »Und wenn ich ›metaphorische Eispackung‹ sage, meine ich Sex«, präzisiert er, und ich wünschte, ich hätte keinen Zweifel daran gelassen, dass ich ihn auch ohne seine Präzisierung verstanden hatte.
29 – Bonnie
Heute
Als Erstes stopfe ich die gefaltete Setlist in das neue Einweckglas. Die Setlist, die wir gemeinsam im Auto erstellt haben. Der inzwischen welke Blumenschmuck von meinem Mikro landet ebenfalls darin. Dann folgt das Polaroid der Band. Eine der Brautjungfern hat es geschossen und mir geschenkt. Erst wollte ich es aufhängen, aber während der letzten Tage habe ich begriffen, dass ich mir erst einmal klar werden muss, wie ich von hier aus weitermachen soll.
Es ist schon seltsam. Was als Methode anfing, die schönen Erinnerungen zu verewigen, ist inzwischen zu einem Endlager für schamvolle Momente geworden. Wollte ich früher um keinen Preis vergessen, geht es nun darum, die schmerzhaften Gedanken nicht mehr mit sich herumschleppen zu müssen. Ob es wirklich funktioniert ist eine andere Frage. Aber allein die Tatsache, etwas zu tun, hilft bereits.
Ich schraube das Glas fest zu. Richtig fest. Neben den physischen Erinnerungsstücken enthält es außerdem: die Nacht in Jaspers Arm, unseren Tanz, jedes Wort, das er zu mir gesagt hat, jedes Wort, das ich nicht gesagt habe. Aus meiner Schreibtischschublade hole ich den Bogen mit den Etiketten und klebe eines auf das Glas. Mit einem Filzstift schreibe ich Hochzeit darauf. Und drunter: Unglück im Glück, Unmöglichkeit der Möglichkeit. Im ersten Moment kommt es mir dann etwas melodramatisch vor. Andererseits ist diese ganze Aktion melodramatisch. Deswegen kann ich es ebenso gut zelebrieren. Mich einen Augenblick lang suhlen, dann meine Schultern straffen und mich wieder erheben.
Ich stelle das Glas ins Regal zu den anderen. In jedem von ihnen steckt ein kleines Stück meines dämlichen Herzens. In manchen ein glückliches, in anderen ein trauriges. Aber um im Hier und Jetzt funktionieren zu können, muss ich sie luftdicht verschlossen lagern. Denn dem Sog der Vergangenheit zu widerstehen würde an manchen Tagen sonst meine Kraft übersteigen.
Die Vergangenheit. Als alles noch gut war. Als Blythe und Jasper glücklich waren, Weston und Maya noch eine Mutter hatten. Link eine Schwester und ich eine beste Freundin, für die ich durchs Feuer gegangen wäre. Besser gesagt: für die ich meine emotionalen Feuer löschen konnte, als wäre es nicht nur das Einfachste, sondern auch das Schönste auf der Welt. Doch die emotionalen Feuer sind neu entfacht. Und sie bleiben.
Nachdem ich mich um meine Erinnerungen gekümmert habe, spiele ich zum ungefähr zwanzigsten Mal die Handyaufnahme von Links neuem Song ab, den ich mit Jasper zusammen singen soll. Die zweite Stimme für den Refrain habe ich längst fertig, doch ein Text muss her. Jasper wollte sich eigentlich heute Nachmittag mit mir zusammensetzen, um daran zu arbeiten, aber ich habe Termine vorgeschoben und versprochen, mir bis zur nächsten Bandprobe wenigstens Gedanken zu machen.
Die Aufnahme ist ziemlich schlecht. Übersteuert, voller Hintergrundgeräusche. Doch die Melodie ist klar zu hören. Ebenso Links heiseres Summen dazu. Nach dem ersten Refrain versucht er sich an seinen Lyrics, muss allerdings nach ein paar Takten leise lachend abbrechen. Jedes Mal schleicht sich ein breites Grinsen auf mein Gesicht, wenn ich es höre. Fast finde ich, wir sollten das in den Song einbauen.
Seine Gitarre klingt beinahe etwas betrunken, aber auf die gute Art. Ganz sanft und so, als würde sie leicht von links nach rechts taumeln. Er zupft leise Terzen, hinauf und hinab. Hinauf und hinab. Seine Stimme ist eigentlich zu tief und klingt deswegen noch heiserer als sonst. Für Jasper ist es die perfekte Tonlage.
Ich ertappe mich dabei, wie ich mitsumme. Eine Oktave höher natürlich, doch die Melodie ist eingängig. Sie macht Spaß. Einerseits. Andererseits hört man eine Sehnsucht heraus, die ich bis in die Knochen hinein spüre. Ich weiß nicht, ob es an mir liegt, ob die Ereignisse des letzten Wochenendes meine Sinne derart vernebelt haben. Ich werde mit Link darüber sprechen müssen. Wird es ein verliebter Song? Ein sehnsüchtiger? Ein melancholischer? Es ist noch alles denkbar. Aber auf keinen Fall will ich mit einem Text die Stimmung in eine Richtung beeinflussen, mit der Link nicht glücklich ist.
I’m slowly disappearing, würde ich dichten, the closer we get, the more I have to lose. Aber ich mache mir nichts vor. Nicht nur haben diese Gefühle nichts in Links Song verloren, ich schneide mir damit nur ins eigene Fleisch.
Ich könnte etwas in der Art schreiben: Your words make me tremble, your touch makes me weak. Doch das käme meinem Geheimnis bedrohlich nahe.
Your love is taken and my love is wrong. Es ist eine Zeile, die so wahr ist wie nichts, was ich bislang getextet habe. Und genau das macht sie so explosiv.
Love is unfair. Das ist sie.
Beinahe bin ich dankbar, als es an meiner Tür klopft.
»Ich mache mir ein Sandwich, willst du auch eins?«, fragt Lula und steckt ihren Kopf in mein Zimmer. »Warum ist es hier so dunkel?«
»Ich versuche mich auf einen neuen Song zu konzentrieren. Wir brauchen einen Text.«
»Kann ich helfen? Ich wette, ich wäre eine gute Texterin.«
Ich muss lachen. »Wenn man dir glaubt, wärst du in allem gut«, sage ich.
»Ja, vielleicht stimmt es. Schon mal daran gedacht?« Sie zuckt mit den Schultern. »Also, was ist nun? Hast du Hunger?«
Erst will ich ablehnen, doch dann überlege ich es mir anders. »Weißt du, was? Ja, das habe ich wirklich.«
In der Küche macht sich Lula ein Sandwich, das aus mehr Mayonnaise als Brot besteht. Sie klappt die beiden Scheiben zusammen und schneidet den Rand ab.
Ich hingegen greife ins Regal neben Lulas Kopf nach der Packung Lucky Charms. Es sind meine liebsten Frühstücksflocken, weil es nichts Schöneres auf der Welt gibt, als Einhörner aus Marshmallow in Milch zu tränken.
»Ich kann nicht glauben, dass du die immer noch isst«, sagt Lula und schüttelt den Kopf.
»Sagt diejenige, die den Rand ihres Sandwichs verschmäht«, antworte ich grinsend.
»Spart Kalorien«, erwidert Lula mit vollem Mund.
»Die du dir dann in Form von Mayonnaise zuführst?«, frage ich und kann mich gegen ein Lachen nicht wehren.
»Würde ich den Rand essen, müsste ich auf die Mayonnaise verzichten. Ich habe also die Wahl zwischen einem trockenen Sandwich mit Rand, den ich nicht mag, und einem leckeren, saftigen ohne Rand.« Sie sagt das so ernst, dass man sie beinahe bewundern muss für die Logik, nach der sie lebt. »Bei all dem Druck, der einem bezüglich dieser albernen Schönheitsideale gemacht wird, sollte man wenigstens darauf achten, dass man nichts isst, was man nicht wirklich liebt.«
Und hier muss ich ihr recht geben. Ich deute auf meine Schüssel mit den Lucky Charms. »Womit wir wieder bei der Wahl meines Lieblingsnahrungsmittels wären.«
»Ich schätze, wir sind kulinarisch beide im Vorschulalter hängen geblieben«, sagt Lula und beißt in ihr Sandwich, sodass ein großer Batzen Mayo auf die Anrichte tropft. »Statt dauernd zu betonen, wie unterschiedlich wir sind, könnte man auch mal darauf hinweisen, dass wir uns in allen Kategorien, die uns eigentlich zu Individuen machen, ganz schön ähnlich sind. All die ulkigen Angewohnheiten …«
»Was meinst du?«, frage ich und gieße großzügig Milch aus dem Kanister auf mei
ne inzwischen Lunch-Flocken.
»Na ja, die Tatsache, dass wir es beide dunkel mögen, wenn wir nachdenken. Oder eben unsere seltsamen Essgewohnheiten. Deine Milch ist meine Mayo. Oder, dass wir beide lieber in der Vergangenheit wären.«
Ich verschlucke mich beinahe an ein paar Einhörnern. »Wie bitte?«
»Du weißt schon. Ich hänge immer noch der Zeit nach, als wir eine komplette Familie waren. Mit Mom und Dad. Und du hast deine seltsamen Gläser, in denen du Erinnerungen aufbewahrst.«
»Ja, aber das mache ich doch schon lange nicht mehr«, sage ich, weil es mir ein bisschen peinlich ist.
»Süße, ich bin deine Zwillingin.«
Ich sehe sie an. Forschend. Fragend.
»Ich weiß, dass deine Sammlung wächst.«
»Wie …«
»Es werden immer mehr Gläser. Bald musst du auf ein neues Regal ausweichen. Denn dieses platzt aus allen Nähten.«
Ich suche in Lulas Blick nach einem Anzeichen von Wertung, vielleicht sogar Abwertung. Aber da ist nichts.
»Und du hast auch so eine freakige Angewohnheit?«, frage ich sie schließlich.
»Ich find’s gar nicht so freakig. Ich find’s eigentlich sogar ziemlich schön.« Sie lächelt. »Ich schreibe Zettel und lege sie in einen Schuhkarton. Ist platzsparender.«
»Das wusste ich gar nicht.«
»Ich hab auch lange nicht gecheckt, warum ich es mache. Es war irgendwie Teil meiner täglichen Routine. Aber irgendwann ist mir aufgefallen, dass mir die Zettel wichtiger waren als das, was um mich herum in diesem Moment passiert ist.«
»Verrückt«, sage ich. »Bei mir ist es irgendwie das Gegenteil. Ich mache es, um Erinnerungen loszuwerden.«
»Glaub ich dir nicht«, sagt Lula. »Ich glaube, bei dir ist es auch ein Konservieren. Nur eben geordneter.«
Das ist das erste richtig ernste Gespräch, das wir seit Langem führen, deswegen widerspreche ich nicht. Oder liegt es daran, dass ein Funken Wahrheit darin liegt?
»Ich habe nur gemerkt, dass ich ein bisschen aufpassen muss«, fährt Lula fort.
»Was meinst du?«
»Du hast es im Griff, glaube ich. Aber mir ist irgendwann aufgefallen, dass ich mein Leben in der Gegenwart nicht mehr ernst genommen habe. Manchmal sogar sabotiert habe. Die Konflikte mit Mom, zum Beispiel …« Sie hält kurz inne. »Ich war sauer, weil sie nicht Dad war. Und statt anzuerkennen, dass sie diejenige ist, die bei uns geblieben ist, habe ich vieles an ihr ausgelassen. Aber diese Konflikte hast du natürlich nicht. Dass Blythe gestorben ist, war ja niemandes Fehler.«
Nein, denke ich, das war es nicht. Und doch … Sabotage an der Gegenwart. Es klingt nach einem bekannten Prinzip. Nach Sicherheit und Stillstand. Nach Stagnation und emotionaler Mauer. Nach etwas, das Lula und ich gemeinsam haben. Und es ist weit von Amorys Philosophie des Schauen-wo-man-selbst-bleibt entfernt.
30 – Jasper
Vor neun Jahren
Sie sitzt mit Bonnie auf der Mauer hinter ihrer Schule, wie Link es mir gesagt hat. Die Beine hat sie übereinandergeschlagen, die Knie gerade noch bedeckt von ihrem weiten weißen Rock. Sie hat sich auf die Ellbogen gestützt in die Beete zurückgelehnt und lacht gerade über etwas, das Bonnie gesagt hat. Der Klang ihres Lachens schallt bis zu mir herüber, hell und fröhlich. Die bestickte Bluse ist ihr über die linke Schulter gerutscht, doch sie macht keine Anstalten, es zu korrigieren.
Meine Hände sind feucht. Ich könnte es auf die Temperatur schieben, aber ich weiß, dass ich nervös bin. Nervös und gleichzeitig so selbstsicher, wie ich mich noch nie in meinem Leben gefühlt habe. Denn sie wird Ja sagen. Ich weiß es. Sie wird. Sie wird. Sie wird. Ich spreche es mir wieder und wieder vor. Erinnere mich noch einmal an die Blicke, die wir uns zugeworfen haben. Zögerlich am Anfang, doch in letzter Zeit immer häufiger. Nach Bandproben, bei Link zu Hause, auf Bonnies Veranda. Blicke, die mich durchs Leben tragen. Blicke, die bewirken, dass ich nicht mehr aufhören will, mich selbst anzufassen, und Blicke, die bewirken, dass ich Blythe anfassen will.
Ehe mein Gehirn anfangen kann, zu zweifeln, stoße ich mich vom Zaun ab. Mein Gang ist bewusst langsam. Ich gebe mir Mühe, mich so lässig wie möglich, ja, beinahe schlendernd zu nähern. In meinem Kopf höre ich einen langsamen Rhythmus, an den ich mich halte. Die Hände habe ich in meine Hosentaschen gesteckt. So wirkt mein ganzer Auftritt fast schon beiläufig. Wie seltsam, geht es mir durch den Kopf, dass die größten Momente im Leben stets diejenigen sind, die man mit der größtmöglichen Gleichgültigkeit zu inszenieren versucht.
Bonnie erblickt mich zuerst und hebt die Hand. Ich nicke nur, denn meine eigenen Hände sind in diesem Moment so schwer (und inzwischen nass geschwitzt), dass ich sie nicht aus meinen Hosentaschen herausbekomme.
Nun wendet Blythe den Kopf und sieht mich an. Ihre Lippen verziehen sich sofort zu einem leichten Lächeln. Dem Lächeln, das mich nachts wach hält.
Den halben Schulhof habe ich inzwischen durchquert. Und je näher ich komme, desto waghalsiger erscheint mir die Aktion. Auf einmal bin ich mir sicher, jede Regung in Blythes Gesicht der letzten Jahre überinterpretiert zu haben. Wer bin ich überhaupt, dass ich mir anmaße, irgendetwas über sie zu wissen oder auch nur zu erahnen? Wie eingebildet muss man sein, wenn man denkt, man hätte eine Chance bei Blythe Hughes?
Aber jetzt gibt es kein Zurück mehr. Ich kann mich lediglich noch um Schadensbegrenzung bemühen, indem ich so tue, als wäre mir ihre Antwort eigentlich egal.
»Hi«, sage ich, als ich vor den beiden zum Stehen komme, »alles klar?«
»Und bei dir?« Es ist Bonnie, die antwortet. Sie grinst mich an.
Ich muss mich beeilen, denn innerhalb der nächsten fünf Minuten werde ich vor Aufregung anfangen zu schwitzen.
»Kann ich kurz mit Blythe reden?«, frage ich, an Bonnie gewandt und ohne Blythe auch nur anzusehen. Dabei spüre ich ihren Blick und ihr inzwischen vermutlich spöttisches Lächeln auf mir.
»Oh, ja klar«, sagt Bonnie und hüpft von der Mauer, in der Hand eins ihrer Comichefte. »Ich muss eh los.«
Ich höre, wie sich ihre Schritte entfernen. Dann räuspere ich mich. Ich habe keine Ahnung, wie man in so einem Fall vorgeht. Das Eis brechen könnte. Jetzt denke ich an Eisbecher. Na toll. Schokolade.
Blythe kichert leise und weckt mich damit aus meiner Starre. Ich hebe den Blick. Sie sieht mich an, grinst, sodass sich ihre Nase leicht kräuselt. Ihre Nase, die übersät ist mit kleinen, wunderbaren Sommersprossen. Über den Winter waren es weniger, aber jetzt sind sie wieder da. Ich bin mir sicher, ich könnte eine genaue Karte ihrer Sommersprossen malen, so gut kenne ich sie.
»Du wolltest mich was fragen?«, sagt sie und streicht sich eine Strähne ihres dicken, dunkelblonden Haars hinter das Ohr.
»Wie geht’s dir?«, frage ich, weil mir nichts Besseres einfällt. Meine Hände in den Hosentaschen zerfließen langsam. Aber ich lasse sie an Ort und Stelle. Kicke, um die Coolness aufrechtzuerhalten, einen Kiesel achtlos gegen die Mauer.
»Gut«, sagt Blythe. Sie streicht ihren Rock glatt.
Dann stehe ich einen viel zu langen Moment schweigend vor ihr, blinzle in die Sonne und versuche, genug Mut zusammenzukratzen, um sie endlich zu fragen.
»Jasper?«, fragt sie. »Alles okay?«
»Ich … also.« Entspann dich. Es ist dir egal, was sie sagt. »Ich wollte dich nur fragen, ob du vielleicht mal Bock hast, mit mir abzuhängen«, sage ich. Viel zu schnell. Viel zu gehetzt. Doch nun ist es raus.
»Wo?«, fragt sie.
»Keine Ahnung.« Ich starre auf den Boden, als gäbe es dort etwas sehr Interessantes zu entdecken. Meine Schultern sind merkwürdig nach oben gezogen, eine Begleiterscheinung der Hände in den Hosentaschen. Aber wenn ich sie jetzt herausziehe, triefen sie vermutlich vor Schweiß. »Wo immer du willst.«
»Hier?«, fragt sie.
»Klar, mir egal.« Das ist gut. Das ist cool.
»Wann?«
»Wann du willst.« Ich klinge absolut beiläufig. Perfekt.
»Sofort?«
»Okay.« Ich zucke mit den Schultern.
Sie klopft mit der Hand neben sich, doch ich lehne
mich stattdessen nur an der Mauer an, überkreuze lässig die Beine. Mein Herz rast, und ich habe keine Ahnung, ob das hier läuft. Ob sie weiß, was ich eigentlich von ihr will.
»Jasper?«, fragt sie.
»Hm?«
»Ist das ein Date?«
Ich hebe den Blick, sehe sie an. Das Grinsen ist aus ihrem Gesicht gewichen.
»Wäre das denn … wäre das etwas … hättest du darauf Lust?«
»Glaub schon«, sagt sie und klingt dabei so souverän, dass ich vor Ehrfurcht erstarre.
»Okay, gut, ich auch«, sage ich und merke, wie ich unter meinem T-Shirt nun wirklich anfange zu schwitzen. Vor Erleichterung.
»Wollen wir vielleicht Händchen halten?«, fragt sie – und ich will nichts auf der Welt mehr als das. Aber meine Hände ertrinken immer noch in meinen Hosentaschen und sind inzwischen sicher ganz verschrumpelt.
»Klar«, sage ich, ziehe umständlich meine Rechte aus der Hosentasche und versuche, so viel Schweiß wie möglich in der Tasche zurückzulassen. Dann wische ich sie kurz unauffällig an meiner Hose ab. Sollte gehen.
Ich umschließe ihre Finger mit meiner Hand und kann mein Glück nicht fassen.
»Sorry, meine Hände sind ein bisschen feucht«, sagt sie und strahlt mich an. Und in diesem Augenblick würde ich sie am liebsten küssen. Doch meine Beine sind Pudding, und mich ihr zu nähern würde unweigerlich in einem Zusammenbruch meinerseits enden.
Stattdessen beugt sie sich zu mir herüber und presst ihre Lippen für einen flüchtigen Moment auf meine Wange. Es ist, als hätte sie ihr Grinsen mit diesem Kuss auf mich übertragen. Meine Mundwinkel fühlen sich an, als würden sie gleich meine Augen berühren.
»Ich glaub, ich sollte vielleicht Marco Bescheid sagen«, sagt Blythe. »Wenn wir jetzt daten und so.«
»Okay, klar«, sage ich und habe offenbar meine Coolness wiedergefunden. Daten und so. Das klingt wie Musik in meinen Ohren! Dann erst fällt mir auf, was sie gesagt hat. »Wer ist Marco?«
Love is Bold – Du gibst mir Mut: Roman (Love-is-Reihe 2) (German Edition) Page 19