»Sorry«, sagt Bonnie lächelnd. »Aber immerhin weiß ich schon mal, dass du beim Schlafen laut atmest. Das hattest du auf deiner Liste vergessen.«
»Die wird mir ewig nachhängen, oder?«, frage ich, doch Bonnie nickt mir auffordernd zu, damit ich weiterlese.
Ich bin tief bewegt von den Worten, die Blythe findet, um ihre Freundschaft zu Bonnie zu beschreiben. Sie war immer gut im Umgang mit Worten. Immer gut mit allem. War fast zu perfekt für diese Welt.
»Sie hat so was von recht«, entfährt es mir. »Dich zu sehen hat jeden meiner Tage auf dieser komischen Welt schöner gemacht. Auch jeden meiner Tage, Bonnie.«
Ich presse meine Lippen auf ihre Fingerkuppen, schließe einen Moment lang die Augen und gönne mir einen tiefen Atemzug. Mein Herz explodiert bald vor lauter Gefühl. Bonnie mit meinen Kindern, Bonnies Lippen zwischen meinen. Blythes Brief …
»Wer dich an seiner Seite hat, Bonnie, der muss vor nichts Angst haben«, lese ich. »Gott, Bonnie, wenn du wüsstest, wie recht sie damit hat.«
Bonnie wendet sich kurz ab, wischt sich mit dem Finger eine Träne aus dem Auge. »Kannst du leise lesen?«, fragt sie. »Du machst mich fertig.«
»Leise lesen, leise atmen, nichts darf man mehr in diesem Haushalt«, sage ich mit einem sanften Lächeln auf den Lippen und wende mich wieder dem Brief zu. Nach einem weiteren Abschnitt bleibt mir fast das Herz stehen. »Sie wusste es!«, entfährt es mir.
»Ja. Sie wusste es, und sie wollte es«, erwidert Bonnie leise. »Sie hat uns ihren Segen gegeben, Jasper.«
»Und deswegen …«
»Ja, deswegen«, flüstert sie.
Ich lasse den Brief sinken und erhebe mich. Ziehe Bonnie auf die Beine und halte sie im Arm. So fest ich nur kann. Ich will sie nie wieder loslassen. Will für immer hier mit ihr stehen. Ihren Körper an meinen Körper gepresst. Will ihren Atem, ihren Herzschlag hören.
Die Sonne ist inzwischen untergegangen, und das Licht der Lampions tunkt die Terrasse in ein warmes, buntes, beinahe magisches Licht. Ganz langsam beginne ich Bonnie hin und her zu wiegen. Obwohl wir beide tief bewegt sind, weinen wir diesmal nicht. Wir sind einfach. Gemeinsam. Zu zweit.
»Ich hätte nie daran gezweifelt, dass sie ein Uns befürwortet«, sage ich in die Stille hinein. »Nie.«
»Ich hab etwas länger gebraucht«, erwidert sie.
»Aber du bist auch dahintergekommen. Und das ist alles, was zählt.«
Ich spüre, wie sie langsam nickt, wie sich ihre Brust an meiner hebt und senkt. Ich schließe die Augen und gestatte uns einen Moment der Erholung in all der emotionalen Überforderung. Dann fällt mir etwas ein.
»Ich wollte dir noch erzählen, was es mit der Kette auf sich hat«, sage ich. »Beim letzten Mal … hast du mich nicht wirklich gelassen.«
Bonnie vergräbt das Gesicht in ihren Händen. »Tut mir leid«, sagt sie und grinst entschuldigend.
»Die Kette ist das einzige Familienerbstück, das ich besitze.«
»Jasper!« Bonnie bleibt der Mund offen stehen. »Du musst nicht … du sollst nicht …« Sie macht Anstalten, die Kette von ihrem Hals zu lösen. »Das ist zu viel. Das hier ist gerade mal unser erstes Date!« Ihr Ton ist beinahe tadelnd.
»Das hier ist viel mehr als ein erstes Date«, sage ich. »Es ist der Startschuss. Ist ja nicht so, als müssten wir noch herausfinden, ob wir zusammenpassen.«
»Aber … willst du sie nicht lieber Maya schenken?«, fragt sie.
Der Gedanke ist mir auch schon gekommen. Doch ich bin mir sicher. »Weißt du«, sage ich leise, während ich beobachte, wie sie ihre Finger um den Anhänger legt, »vielleicht könntest du sie ihr eines Tages schenken. Wenn sie ihren Abschluss macht. Oder heiratet. Oder sich dazu entschließt, ein Leben als Aussteigerin in den Sümpfen zu führen.«
»Danke«, erwidert sie immer noch etwas ungläubig. »Danke, dass du sie mir anvertraut hast.«
Wir setzen uns wieder, essen ein paar Happen. Dann sage ich: »Und weißt du, was das Beste ist?«
Sie blickt fragend auf.
»Blythe hat sie geklaut.«
»Was?«
»Die Kette. Blythe hat sie meiner Mom geklaut.« Ich pruste los. »Sie hat es Umverteilung genannt. Ich hatte keine Ahnung, bis Con sie mir neulich gegeben hat.« Jetzt lache ich so heftig, dass ich mir den Bauch halten muss. »Umverteilung! «
Bonnie blickt mich etwas verdutzt an, als hätte ich den Verstand verloren. Doch dann stimmt sie in mein albernes Gelächter mit ein.
Als wir uns wieder einigermaßen beruhigt haben, nimmt Bonnie den Brief wieder an sich. Sie blättert durch die Seiten, dann beginnt sie zu lesen: »Und wenn du eines Tages so glücklich bist, wie ich es war, dann zünde die alberne Rakete. Denn die schafft es sicher durch den Smog hindurch. Und dann kann ich mich endlich zufrieden zurücklehnen und Nektar und Ambrosia schlürfen, ohne mir Sorgen zu machen. Ich glaube, ich wäre bald mal bereit für das hier.« Aus dem Einweckglas zieht sie eine abgebrochene Rakete.
»Ehrlich gesagt, verstehe ich gerade gar nichts«, sage ich.
»Die Rakete war von eurer Hochzeit übrig. Ich hab sie eingesteckt. Sie zu zünden ist Blythes und mein Code für Ich bin glücklich. «
»Ich bin auch glücklich«, sage ich. »Wenn du willst, hole ich ein Feuerzeug.«
Kurz denkt sie nach. »Oder wir warten, bis Weston und Maya dabei sein können?«, fragt sie, und nun bin ich mir sicher, dass mein Herz platzt.
Auf einmal sind wir viel zu weit voneinander entfernt. Und ich weiß, dass keine Umarmung, kein Kuss der Welt die Sehnsucht nach ihr stillen kann. »Ich hätte dich jetzt wirklich gern näher bei mir«, sage ich.
Bonnie kichert. »Wie nah?«, fragt sie.
»Ähm …« Ich räuspere mich peinlich berührt, denn das sollte kein billiger Versuch sein, sie ins Bett zu kriegen.
»Jasper?«, sagt sie vorsichtig. »Das hier ist nicht einfach ein erstes Date. Es ist ein Startschuss. Die ersten Male haben wir schon hinter uns.«
»Male? «, frage ich verdutzt.
»Na ja, wir hatten schon Sex …«
»… den wir bitte nicht zählen«, sage ich.
»Warum nicht?« Sie grinst.
»Das war nicht repräsentativ. Ich sage nicht, dass ich der grandioseste Liebhaber aller Zeiten bin, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass ich eines Tages wieder in der Lage sein werde, länger als eine Minute durchzuhalten.«
»Wir werden sehen«, sagt sie frech.
»Das werden wir!«, ergänze ich mit Nachdruck.
Und auf einmal verändert sich etwas in ihrem Blick. Er wird ernster, feuriger. Ein verschmitztes Lächeln legt sich auf ihre Lippen. Sie zieht langsam die Augenbrauen nach oben, als würde sie mir eine Frage stellen. Meine Kehle wird ganz trocken, und ich nehme noch einen Schluck Bier.
»Ein Startschuss«, wiederholt sie erneut meine Worte. Ihre Stimme klingt belegt. »Nachdem wir schon mit dem tatsächlichen Feuerwerk warten … Ich meine …«
In mir breitet sich eine aufgeregte Hitze aus. »Du meinst …«
»Ich bin bereit, wenn du es bist«, sagt sie.
»Wenn es ein Feuerwerk werden soll, brauche ich wahrscheinlich mehr als einen Versuch.« Meine Stimme ist leise, meine Haut glüht.
In dieser Sekunde wissen wir beide, dass es passieren wird. Bonnie steht langsam von ihrem Stuhl auf, kommt um den Tisch herum und ist nun diejenige, die mich hochzieht. Denn von alleine können meine Beine wohl nicht mehr. Sie sind zu Pudding geworden.
Bonnie geht zur Hintertür, doch ich halte sie auf. »Warte«, sage ich. »Komm.« Sanft ziehe ich sie in den Garten und Richtung Wohnwagen. Die Blüten um uns herum duften nach dem nahenden Sommer.
Ich öffne die Tür, schalte das Licht ein, gewähre ihr den Vortritt. Als sie auf der obersten Stufe angekommen ist, blickt sie sich zu mir um. Sie ist so schön, wie sie dort im Schein des Wohnwagens steht. Es ist, als würde sie leuchten. Von innen heraus.
»Bist du nervös?«, fragt sie, weil ich immer noch keine Anstalten mache, ihr hinterherzukommen.
»Du machst dir keine Vorstellungen«, sage ich. »Es ist eher blanke Panik.« Ich lache leise.
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nbsp; Und dann tut sie etwas, das mich auf dem völlig falschen Fuß erwischt. Sie beginnt langsam, sich auszuziehen. Hebt den Saum ihres T-Shirts leicht hoch, immer höher. Ich schlucke, stoße die Luft aus. Sie lässt es wieder leicht nach unten sinken, und beinahe will ich protestieren, da schiebt sie das Shirt quälend langsam über ihren Kopf und lässt es mit einem provokanten Lächeln neben sich auf den Boden fallen. Sie trägt einen schlichten, schwarzen BH darunter, doch ich komme nicht dazu, ihn näher zu begutachten, denn nun macht sie sich an ihrem Gürtel zu schaffen. Sie löst die Schnalle, zieht ihn mit einer einzigen Bewegung aus den Laschen ihrer Jeans. Sofort rutscht sie etwas weiter nach unten, gibt den Blick frei auf den Saum ihres Slips.
»Bonnie«, raune ich und wünschte, ich könnte mich irgendwo festhalten.
»Jasper«, flüstert sie und öffnet den Knopf ihrer Jeans.
Ganz langsam lässt sie die Hose an ihren Beinen hinuntergleiten, steigt erst aus dem einen, dann aus dem zweiten Hosenbein. Die Erinnerung an unseren ersten Sex prasselt mit aller Macht auf mich ein. Längst habe ich eine Erektion in der Hose, die nur darauf wartet, endlich befreit zu werden. Ich habe solche Lust auf sie. Solche Lust auf Bonnie, dass ich Sterne sehe.
Sie grinst mich verführerisch an, doch meine Mimik ist eingefroren. Ich habe keine Ahnung mehr, was ich tue, wer ich bin oder wo ich bin. Ich stehe einfach nur da, sehe sie an, wie sie die Träger ihres BH s über die Schultern streift. Dann löst sie den Verschluss und befreit ihre Brüste. Sie sind spitz und köstlich, und ich kann es nicht erwarten, ihnen nah zu sein. Schließlich beginnt sie, mit dem Saum ihres Höschens zu spielen. Sie schiebt ihre Zeigefinger darunter, zieht es ein Stück nach unten, hält dann inne.
»Weiter«, sage ich lautlos, obwohl ich es gern schreien würde, so ungeduldig, wie ich bin.
In einer fließenden Bewegung entledigt sie sich ihres letzten Kleidungsstücks. Sie dreht sich einmal um die eigene Achse, sodass ich alles sehe. Alles. Und alles ist schön. Mir fällt das Atmen schwer, das Schlucken, das Blinzeln. All die Dinge, die mein Körper sonst von alleine kann, muss ich nun für ihn übernehmen. Muss mich richtig darauf konzentrieren.
Und auf einmal ist Bonnie weg. Einfach um die Ecke gegangen. Ich sehe sie nicht mehr und verstehe jetzt, warum mein Körper von mir ans Atmen und Schlucken erinnert werden muss. Denn er ist damit beschäftigt, in einem Satz in den Wohnwagen zu springen. Ich hatte keine Ahnung, dass ich so schnell sein kann. Vermutlich sehe ich nicht sonderlich elegant dabei aus, aber es ist egal. Jeder Makel, den ich mitbringe, ist in diesem Augenblick egal. Hier sind nur Bonnie und ich, und wir lieben uns. So sehr, dass mir die Luft wegbleibt. Tiefste freundschaftliche Liebe ist zu einer alles umfassenden romantischen, leidenschaftlichen Liebe geworden, ohne dass ich es wirklich gemerkt hätte. Auf einmal war sie da, und ich spüre, dass sie nicht wieder weggehen wird.
Bonnie liegt auf dem Bett. Sie hat sich auf ihre Ellenbogen gestützt und betrachtet mich. Ich zerre an meinem Hemd, bin unfähig, logisch zu denken.
»Erst die Knöpfe«, sagt Bonnie sanft, und ich bin ihr wirklich dankbar für den Hinweis.
Mit zitternden Fingern löse ich einen nach dem anderen, bis ich mir das Hemd über den Kopf ziehen kann.
»Jetzt die Hose«, sagt Bonnie grinsend. »Gürtel, Hosenladen, Hosenbeine.«
Ich tue, wie mir geheißen, jedoch nicht, ohne eins der Kondome aus meiner Hosentasche zu fischen. Sofort schießt mein steifer Penis in meinen karierten Boxershorts heraus.
»Deine Unterwäsche ist sexy genug«, sagt Bonnie etwas heiser. »Aber sie muss trotzdem weg.«
Ich warte keine Sekunde und streife mir die Boxershorts von den Beinen. Dann bin ich bei ihr. Über ihr. Meine Lippen finden ihre, meine Hände fahren über ihren warmen Körper. Sie umfasst mich, zieht mich auf sich. Sie dringt mit ihrer Zunge in meinen Mund, ist so voller Lust, dass mir schwindelig wird. Mit meiner einen Hand fahre ich ihren Bauch hinab zwischen ihre Beine. Bonnie streicht meinen Rücken hinab und an meinen Lenden wieder hinauf. Ihre Berührung macht mich verrückt. Meine Bewegungen sind etwas zu hektisch, aber ich kann mich nicht bremsen. Es kann nicht schnell genug sein, ich kann sie nicht nah genug bei mir haben. Meine Finger dringen in sie ein. Sie ist feucht und heiß, und ich habe Angst, dass ich vielleicht schon kommen könnte, ehe ich es noch in sie geschafft habe. Deswegen ziehe ich mich schnell zurück, positioniere mich über ihr. Wir unterbrechen unseren Kuss, sehen einander in die Augen.
»Bereit?«, frage ich.
Sie nickt. »Ich will dich in mir«, sagt sie. »Und wenn es nur für eine Minute ist.«
Ich reiße die Kondompackung, die ich noch in meiner Hand habe, auf, ziehe mir mit zitternden Fingern den Gummi über. Ich bin wirklich aus der Übung. Dann dringe ich in sie ein. Langsam, um jeden Millimeter zu spüren. Ich würde gerne ein »O Gott« oder etwas ähnlich Lästerliches stöhnen, denn das hier muss der Himmel sein. Der Himmel auf Erden.
Aus irgendeinem Grund nehmen wir unseren Kuss nicht wieder auf, sehen uns stattdessen an, während ich mich vor und zurück bewege. Ich merke nach kürzester Zeit, dass ich eigentlich bereit bin, zu kommen. Alles prickelt, kribbelt. Mein gesamtes Blut muss zwischen meinen Beinen sein. Mein Penis pulsiert, will mehr, will schneller, will explodieren.
Ich. Muss. Mich. Zusammenreißen.
Darf. Noch. Nicht.
Kann. Nicht.
Werde.
Fuck.
Muss.
Werde.
Stöhne.
Keuche.
Höre.
Bonnie.
Stoße.
Muss.
Darf.
Werde.
…
Komme.
Ich breche auf ihr zusammen. Spüre, wie sie mit ihren Händen über meinen nackten Rücken streicht. Wie sie leise kichert.
»Okay, das war der erste Versuch«, sage ich. »Vier Jahre sind eine lange Zeit.«
»Ich habe mich nicht beschwert«, sagt Bonnie. »Du kannst auch noch siebzehn Versuche haben. So lange nehme ich es als Kompliment. Danach müssen wir dann mal sehen.«
»Bonnie?«, frage ich, rolle mich von ihr hinunter und lege mich neben sie. »Du hast vorhin von ersten Malen gesprochen. Plural.« Ich drehe mich zu ihr, stütze mich auf meinen Ellenbogen. Dann beginne ich mit der Hand träge Kreise auf ihren wunderschönen nackten Körper zu malen. »Das erste Mal Sex hatten wir schon. Was noch?«
Bonnie grinst etwas verlegen. »Das erste Ich liebe dich. «
Ich sehe sie fragend an, und sie beginnt zu lachen.
»Ich wette, du könntest allen sagen, dass du sie liebst. Vermutlich könntest du mir sagen, dass du mich liebst. Hier und jetzt«, sagt sie mit verstellter Stimme. Sie versucht zu klingen wie ich. Und nun weiß ich es.
»Ach, du Scheiße«, sage ich und vergrabe mein Gesicht in ihrer Schulter. »Was war ich für ein Arsch!«
Sie lacht immer noch. »Ach was. Du konntest ja nicht wissen, dass ich es genau so meinte.«
»Ich überlege mir was. Was Großes. Und dann sage ich es noch mal und meine es so wie du«, verspreche ich und küsse sie auf den Mundwinkel.
49 – Bonnie
Heute
Jaspers Lippen auf meinen Lippen. Einfach so. Es ist kein Traum. Das hier, das alles, ist Wirklichkeit. Und ich bin mittendrin.
»Das sollte dich nicht unter Druck setzen«, sage ich sanft, während ich mit meinen Händen durch Jaspers Haare fahre.
»Tut es nicht.« Kurz schweigen wir, dann stützt er sich wieder auf seinen Ellenbogen und sieht mich ernst an. »Eine Sache, Bonnie, können wir festhalten. Meinetwegen auch auf einer Liste.« Er grinst. »Bonnie, du setzt mich nicht unter Druck. Mir macht nichts Angst. Das Furchteinflößende habe ich bereits überstanden. Jetzt, mit dir, ist das Mutigsein ein Klacks.«
Alles wird auf einmal leicht. Meine Gesichtszüge entspannen sich, meine Augen werden groß. Es kommt mir vor, als gäbe es keine Schwerkraft mehr, als würde uns nichts auf dem Boden halten. Als schwebten wir über allem. Nur Jasper und ich. Nach all den Jahren der unerfüllten Liebe, des Versteckspielens und der verschämten Sehnsucht wurde ein
Gewicht von mir genommen, von dem ich nicht einmal bemerkt hatte, dass es auf mir lastete. Nun, da es weg ist, atme ich frei, bewege ich mich frei, bin ich frei. Frei in meiner Liebe zu Jasper, frei in meiner Freundschaft zu Blythe.
»Mit dir auch«, sage ich etwas erstickt, weil die Emotionen bereits wieder drohen, mich zu übermannen. »Mit dir ist das Mutigsein auch ein Klacks.«
»Du warst schon immer mutig«, erwidert Jasper lächelnd. »Du hast schon immer den Leuten die Stirn geboten. Und das schwerste Instrument geschleppt. Ernsthaft, wie machst du das?«
»Mein Rücken ist ziemlich stark«, sage ich und zucke mit den Schultern. »Jahrelange Übung.« Genauso wie die unsichtbare Last, denke ich. Darin hatte ich auch jahrelange Übung.
Mit den Fingern fahre ich an Jaspers Seite entlang, über seine Rippen, seine Hüfte. Ich bin vollkommen ausgehungert nach Berührung, und ihm geht es nicht anders. Seine Hände sind überall auf mir. Auf meiner Nacktheit. In einer normalen Welt würde ich mich wahrscheinlich unter die Decke verkriechen. Bislang war es mir immer unangenehm, so vollkommen entblößt zu sein. Mit den falschen Männern fühlte sich nichts richtig an.
Ich räuspere mich. Dann frage ich: »Gefalle ich dir denn?«
»Was?«, fragt er und lacht laut auf.
»Na ja, du hast mich gefragt, worauf ich stehe. Ob du deine Brust rasieren sollst. Da ist es nur fair, wenn ich …«
»Du spinnst«, unterbricht er mich. »Du bist absolut makellos. Du gefällst mir so sehr, dass ich nachts kaum schlafen kann.«
»Jetzt spinnst du «, sage ich, finde es aber unheimlich süß von ihm, so etwas zu sagen.
»Ich meine es ernst, Bonnie. Seit Oak Valley … seit ich weiß, wie es ist, dich bei mir zu haben, war es, als würde etwas fehlen.« Ich sehe, wie sich beim Schlucken sein Adamsapfel hebt und wieder senkt.
»Ach du!«, sage ich in einer seltsam quietschigen Stimmlage und schlinge meine Arme und Beine um seinen nackten Körper. Ich ziehe ihn so nah an mich, dass ich meine, wir müssten jeden Moment verschmelzen. Und vermutlich hält mein Herz das für das ultimative Ziel. Ich vergrabe mein Gesicht an seiner Halsbeuge, sauge seinen Duft nach herbem Parfüm, Schweiß und Sex ein und wünschte, ich könnte mich für immer darin verlieren. In diesem Geruch, dem Gefühl seiner Haut auf meiner Haut, dem Klang seines erleichterten Seufzens an meinem Ohr. Dem leichten Druck seines wieder erigierten Penis.
Love is Bold – Du gibst mir Mut: Roman (Love-is-Reihe 2) (German Edition) Page 33