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Page 2

by Nate Southard


  Das verbliebene Triebwerk beginnt zu stottern.

  Conner bewunderte, wie die Töne, die sein Instrument hervorbrachte, durch die Luft segelten. Er entlockte sie den Saiten und schickte sie mit Fingern, die dünn wie Spinnenbeine waren, in die Welt hinaus. Sie stiegen steil empor, kitzelten ihn am Kinn, glitten dann seine Wangen entlang und über die Ohren hinweg, bevor sie sich durch das Rattennest aus schwarzen Haaren kämpften, das seinen Kopf bedeckte, um zur Decke hinaufzuklettern.

  Er hätte vor der Show nichts nehmen sollen. Ein kleiner Teil von ihm wusste das, aber dem Rest war es scheißegal. Der Rest genoss es, wie er eine winzige Menge Pulver schniefte und sich noch einen kleinen Nachschlag gönnte. Dann einen weiteren, um die Sache ins Rollen zu bringen. Anschließend hockte er sich in den Schneidersitz und fing an zu spielen, die bemerkenswert leichte SG, in der Hand, mit Saiten, die wie Seide unter den schwieligen Kuppen seiner Finger entlangstrichen. In einer kurzen Pause rieb er mit den Händen über die braune Cordhose, die er trug. Das Gefühl des rauen Stoffs, der an seinen Handflächen schabte, versetzte ihn in Hochstimmung.

  »Ey, Conner. Du hast noch zehn … ach Scheiße.«

  Er sah auf, vermutete, dass er ein zugedröhntes Grinsen im Gesicht hatte, und begegnete Potters missbilligendem Blick. Hinter seinem Bart funkelte der mächtige Tourmanager ihn zornig an. Als er tief einatmete, bildete sich Conner ein, seinen Brustkorb knarren zu hören.

  »Wird das heute wieder einer dieser Abende?«

  »Was für ein Abend, Potter?«

  »Ich habe keine Zeit für blöde Spielchen. Kannst du auftreten?«

  »Was? Red keinen Mist, klar!«

  »Beweis es mir.«

  Ohne darüber nachzudenken, riss er das Solo von Annabelle runter, gefolgt vom Intro zu Static Blast. Er spielte beides perfekt und Potter nickte, als ob er ihm signalisieren wollte, dass er es akzeptierte, obwohl es ihm ganz und gar nicht gefiel.

  »Und wie viel Zeit hast du noch?«

  »Zehn Minuten. Naja, inzwischen wahrscheinlich nur noch neun.«

  »Solltest du dann nicht längst beim Einspielen sein?«

  »Verdammt, ja.«

  »Hoch mit dir. Zeig’s ihnen, Conner.«

  »Klar, Chef. Kein Ding.« Er stand auf und machte sich auf den Weg.

  Die Zeit verschwindet. Für jene, die im Dunkeln warten – sie beten und halten sich an den Händen – sind die Sekunden längst zu Stunden geworden. Ihre Muskeln schmerzen unter der Anspannung, die sie in eine schreckhafte Starre versetzt. Wie lange soll das noch so weitergehen?

  Einige schauen aus den Sichtluken. Diesmal konzentrieren sie sich nicht auf die verkohlte Hülle des Triebwerks, sondern suchen stattdessen den Boden nach Anzeichen ab, dass sie bald landen. Wenn schon nicht die Lichter einer Landebahn, so hoffen sie wenigstens auf eine Stadt oder ein kleines Dorf. Aber da ist nichts als Finsternis.

  Das Flugzeug steigt und fällt, schwankt durch die Luft wie ein Betrunkener. Jedes Absacken zieht ein Keuchen oder einen entsetzten Aufschrei nach sich.

  Mit jedem Moment, der verstreicht, klingt das verbliebene Triebwerk noch ein bisschen schwächer. Die Stillephasen zwischen dem gequälten Wimmern werden länger und länger.

  Als er den verlassenen Münzfernsprecher erreichte, ging Potter im Geist seine To-Do-Liste noch einmal durch und warf einen kurzen Blick auf die Uhr.

  1. Endkontrolle bei Technikteam

  2. Aufruf: 20 Minuten bis zum Auftritt

  3. Treffen mit Reporterin vom Rolling Stone

  4. Ginnys Verstärker

  5. Aufruf: zehn Minuten

  6. Persönlicher Anruf bei Marie

  7. Aufruf: fünf Minuten

  8. Beginn der Show

  Es waren noch acht Minuten bis zum Auftritt und er wünschte sich, dass ihm mehr Zeit blieb. Oder fast noch besser: gar keine mehr. Der Gedanke an den Anruf riss ein schwarzes Loch in seinen Magen. Es war kein Anruf, den er gerne tat, aber er musste ihn erledigen. Es wurde von ihm erwartet. Mit einem Seufzen, das mehr wie ein Knurren klang, griff er nach der Brieftasche und kramte mit tauben Fingern die Telefonkarte für Ferngespräche heraus.

  Er hämmerte auf die Zahlentasten und wartete, dass sich die Verbindung aufbaute. Als das Freizeichen aus dem Hörer dröhnte, fragte er sich, was er tat, wenn sie nicht abnahm. Die Frage erübrigte sich, als ein »Hallo?« an seinem Ohr erklang.

  »Marie, hi. Hier ist Jake.«

  »Jake. Ich dachte mir gerade, dass es langsam Zeit wird.«

  »Tut mir leid. Ich habe hier höllisch viel zu tun.«

  »Der reinste Zirkus, was?«

  »Das kannst du laut sagen.« Die Genervtheit in ihrer Stimme war rau wie eine Drahtbürste und er wünschte sich, an Ort und Stelle im Boden zu versinken und zu verschwinden. Obwohl er sein Bestes getan hatte, schien es ihm nicht genug zu sein. Er wünschte, er wäre von Anfang an dabei gewesen. Vielleicht verstand seine Schwester das, vielleicht aber auch nicht. So oder so fühlte er sich deswegen ziemlich beschissen. »Wie geht es ihm?«

  »Der Doktor ist gerade weg. Er war mit seiner Visite etwas spät dran. Dad hängt noch am Beatmungsgerät. Es sieht nicht besonders gut aus. Sein Zustand ist zwar stabil, aber es gibt keine Anzeichen für eine Besserung.«

  »Und was heißt das?«

  »Der Chefarzt sagt, es bedeutet, dass uns noch 48 Stunden bleiben. Dann werden wir ein paar unangenehme Entscheidungen treffen müssen.«

  Potter lehnte sich dichter an die Wand, als ein Teil seiner Kraft sich verflüchtigte. Er schaute noch einmal auf die Uhr und hasste sich dafür, dass er nur noch rund eine Minute mit ihr sprechen konnte.

  »Du meinst, ob man den Stecker zieht?«

  »Ja, Jake. Ob man den Stecker zieht, wie du das so treffend nennst. Wirst du rechtzeitig hier sein?«

  Wenigstens diese Frage konnte er guten Gewissens beantworten. »Ja. Wir haben in fünf Minuten einen Auftritt in Austin. Direkt danach fahren wir zum Flughafen, um einen Charterflug nach New York zu erwischen. Die Band dreht dort ein paar Tage lang ihr neues Video und kann sich hinterher ein wenig ausruhen. Ich schnappe mir einen Mietwagen und bin spätestens morgen Vormittag bei dir.«

  »Meinst du das ernst?«

  »Ja, Marie. Mit etwas Glück bin ich da, wenn er aufwacht.«

  »Jake …«

  »Ich weiß. Hör zu, ich muss mich jetzt um die Show kümmern. Ich melde mich von New York aus und wir sehen uns dann am Morgen. Pass auf dich auf.«

  »Du auch.«

  Er legte den Hörer auf die Gabel und fand, dass er dabei ein Geräusch verursachte wie ein Hammer, der auf einen Nagel trifft. Für einen kurzen Augenblick lehnte er seine Stirn an die kühle Betonmauer und ordnete seine Gedanken. Dann sammelte er sich und kümmerte sich um den Fünf-Minuten-Aufruf.

  Der Lärm ist nahezu allgegenwärtig, ein heftiges Dröhnen, das sich in ihre Schädel bohrt und ihre Wirbelsäulen zittern lässt. Unter dem Lärm nehmen die meisten eine schrille Stimme wahr: »Bitte! Nein!« Doch niemand weiß, zu wem sie gehört. Es könnte jeder von ihnen sein. Das Entsetzen hat sie ihrer Identität beraubt und in ein verängstigtes Kollektiv verwandelt. Zähne knirschen, Hände werden gedrückt. Jemand stöhnt.

  Das Flugzeug kippt zur Seite und kämpft sich in die Waagrechte zurück. Der Motor hustet und stottert. Diejenigen, die dem Heulen lauschen, fragen sich, wie lange er noch durchhält. Sie befürchten, dass es nicht mehr lange dauert.

  »Ist doch okay, wenn ich mich an den seitlichen Rand der Bühne stelle, oder?«

  »Klar«, erwiderte Potter. Er fragte sich, warum die Reporterin eine solche Frage stellte. Hatte wirklich schon einmal jemand die Leute vom Rolling Stone aufgefordert, sich ein Ticket zu kaufen wie jeder andere auch? Er überlegte, was für ein Arschloch zu so etwas in der Lage war, und dann fiel ihm ein, dass er ziemlich viele Arschlöcher von dieser Sorte kannte. »Ich stehe meistens rechts. Da finden wir ganz bestimmt auch einen Platz für Sie.«

  »Danke.«

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bsp; Dani stand ganz in der Nähe und hatte die Finger hinter dem Rücken verschlungen. »Hey, Potter?«

  »Ja?«

  »Sind wir rechtzeitig in New York, um in Gray’s Papaya zu gehen?«

  »Klar, die haben rund um die Uhr geöffnet.«

  »Scheiße, stimmt ja. Dann müssen wir unser Set heute Abend wohl nicht kürzen!«

  »Beruhigend, was?«

  Potter sprach in sein Walkie-Talkie und erhielt die Rückmeldung, dass alles bereit war. Auf seine Anweisung wurden die Lichter im Saal abgeschaltet. Kollektiver Jubel brandete auf, als die ersten Töne des aufgezeichneten Intros über das Soundsystem der Halle abgespielt wurden. Lächelnd drehte er sich zu den Frequency Brothers um.

  »Meine Damen und Herren, auf sie mit Gebrüll!«

  Potter beobachtete die Mitglieder der Band, als sie den Schutz der Katakomben verließen und den Backstage-Bereich betraten. Sie mussten noch ein ganzes Stück laufen, bis sie die Bühne erreichten, und er nahm sie immer gerne gründlich unter die Lupe, bevor sie die erste Note anstimmten. Dani und Jen hüpften Arm in Arm vorweg. Kevin hielt sich dicht hinter ihnen und hatte die Hände in den Taschen versenkt. Seine Augen zuckten zwischen seiner Frau und ihrer Schwester hin und her, dann kicherte er über ihre Darbietung. Hinter ihnen dehnte und streckte sich Curtis und hielt ein Schwätzchen mit Greg, aus dessen Mundwinkel eine Rauchwolke aufstieg. Conner bildete die Nachhut, die Hände hinter dem Rücken. Er starrte auf seine Schuhe und schlurfte langsam vorwärts. Die über seine Schulter gehängte SG schien er fast vergessen zu haben. Er hielt die Augen halb geschlossen und Potter fragte sich, ob der Gitarrist tatsächlich in der Verfassung war, sein legendäres Solo hinzulegen. Er musste zusehen, dass er den kleinen Trottel zurück in die Spur brachte.

  Das Intro schwoll in einem Crescendo an, während die Band über die Stufen zur Bühne hinaufspurtete und Potter die Treppe mit einer Taschenlampe anleuchtete, damit keiner von ihnen stolperte oder hinfiel. Oben hielten zwei Mitglieder der Crew Jens Gitarre und Gregs Bass bereit. Er war davon ausgegangen, dass Jen heute Abend die Tele spielte, aber anscheinend hatte sie ihre Meinung kurzfristig geändert. Stattdessen stieß sie ein fröhliches »Danke, Kumpel!« aus, als sie eine in Zeitungspapier gewickelte Stratocaster vom Roadie entgegennahm. Sie glotzte ihre Schwester mit einer übertriebenen Rockstargrimasse an, als sie sich die Gitarre umschnallte. Dani konterte mit einem Paar Teufelshörnern.

  Potter wusste, dass das Intro noch exakt 20 Sekunden dauerte. Das rhythmische Quietschen von Rückkopplungen vermischte sich mit dem hypnotischen Sound afrikanischer Trommeln. Conner hüpfte nervös auf den Fußballen herum und schien sich gefangen zu haben. Curtis und Greg umarmten sich kurz.

  »Wer ist die beste Band der Welt?«, rief Curtis.

  »Zeppelin«, antworteten die anderen.

  »Und die zweitbeste?«

  »Die Beatles!«

  »Und was sind wir?«

  »Platz sechs!«

  »Und das braucht uns verdammt noch mal nicht peinlich zu sein!«

  Jubel brandete auf und die Bandmitglieder sprangen unter dem ohrenbetäubenden Beifall der Menge auf die Bühne.

  Das letzte Triebwerk der Maschine gibt ein hart schepperndes Geräusch von sich. Etwas, das an das Lungen zerfetzende Husten eines alten Mannes erinnert, rasselt durch die Kabine – laut genug, um die Schreie zu übertönen – dann erstirbt der Motor. Die restlichen Schreie ersterben im selben Moment, zerbröseln zu leisem Wimmern und stillen Gebeten. Alles wird ruhig. Das Pfeifen von Tragflächen, die durch die wütenden Böen schneiden, wird zum vorherrschenden Klang. Überall in der Chartermaschine kneifen sich Augen zusammen und drücken sich Hände fest genug, um Knöchel kreideweiß hervortreten zu lassen.

  Dann ertönt das neue Geräusch: ein scharfes Knistern, als die Baumspitzen am Boden des Flugzeugs kratzen. Erst ist es nur eine. Dann kommen weitere hinzu. Bald verstärkt es sich zu einem rauen Chor aus splitterndem Holz und dann kehren die Schreie zurück. Etwas erbebt, ein metallisches Ächzen, das durch die gesamte Länge des Flugzeugs läuft.

  Dann brüllt etwas noch lauter als die Menschenmenge in einem riesigen Stadion und die Welt erhebt sich, um sie zu rammen.

  Zwei

  Dani wachte auf und stand in Flammen. Qual und Entsetzen füllten ihr ganzes Dasein aus und der Schrei, der sich aus ihrer Kehle löste, war das beängstigendste Geräusch, das sie je in ihrem Leben gehört hatte. Er kreiste durch ihren Kopf wie eine lebende Sirene. Sie wusste nicht, wo sie war oder wer sich bei ihr befand. Das Feuer nahm ihre gesamte Aufmerksamkeit in Anspruch. Flammen züngelten über ihren Körper und fraßen sie Stück für Stück auf. Als ihr Schrei verstummte, versuchte sie zu atmen, was lediglich dazu führte, dass sie Hitze in ihre Lungen sog. Ihr blieb die Luft weg, in ihrer Brust breitete sich ein beklemmendes Gefühl aus. In ihrer Kehle klickte es, als sich der erste klare Gedanke in ihr Bewusstsein drängte.

  Kevin! Jen!

  Sie waren ganz in der Nähe. Das wusste sie, erinnerte sich daran, obwohl sie sich an nichts sonst erinnern konnte. Ihr Mann. Ihre Schwester. Sie musste sie finden und sich vergewissern, dass es ihnen gut ging.

  Großer Gott, dieses Feuer!

  Sie schaute nach unten und sah Flammen an ihrer Brust züngeln. Sie kräuselten sich in Richtung ihres Gesichts und leckten am Shirt. Sie brach in wilden Aktionismus aus und versuchte, sie zu ersticken. Ihre Unterarme trommelten gegen den Oberkörper, Panik ließ sie schneller und schneller werden. Sie nahm die Hitze an ihrem Körper kaum wahr. Die Panik blendete jede bewusste Wahrnehmung aus. Das Verlangen, ihren brennenden Leib zu löschen, verdrängte sogar die Sorge um ihre Familie.

  Während sie das Menschenmögliche unternahm, um ihre eigene Haut zu retten, fing sie langsam an, andere Geräusche, andere Stimmen zu registrieren. Sie versuchte, Kevin und Jen in dem Gewirr auszumachen, aber es gelang ihr nicht. Alle schrien wild durcheinander. Was war bloß passiert? Wo in Gottes Namen war sie? Alles kam ihr schrecklich vor, nichts ergab einen Sinn.

  Die letzte Flamme erlosch. Der Schmerz trieb eine Lanze durch ihren Schädel und brachte sie dazu, den Arm von der Brust zu nehmen. Ihr Oberteil – ein schickes Star Wars-Shirt in Babyblau – war fast vollständig verbrannt. Auf der blassen Haut am Bauch hatten sich bereits Blasen gebildet. Sie roch verbrannte Haare. Ein kurzes Abtasten ihres Kopfs verriet, dass nicht viel von ihrer Mähne übrig geblieben war. Sie fletschte die Zähne und presste sie zusammen, bemühte sich, nicht laut zu kreischen. Gott, ihr tat alles weh! Ob sie sich irgendwo den Kopf angeschlagen hatte? Sie war nicht sicher, aber das wunderte sie nicht. Das Rätsel, wo sie sich befand, stand nach wie vor ungelöst im Raum.

  Stöhnend versuchte sie, von ihrem Sitz aufzustehen. Etwas zerrte an ihrer Hüfte und hielt sie davon ab. Ein Sicherheitsgurt. Moment mal. Ein Sitz? Ein Gurt? Was war …?

  Das Flugzeug! Mit einem Mal kehrte alles zurück. Die Erkenntnis traf sie mit solcher Wucht, dass ihr Kiefer ungefragt aufklappte und sie zu zittern begann. Sie befanden sich in einem Flugzeug und dieses Flugzeug war abgestürzt. Schreie und andere, schreckliche Laute drängten in ihre Erinnerung, außerdem Kevins Hand, die sich um ihre klammerte. Er hatte links von ihr gesessen, doch nun war der Sitz neben ihr leer. Mit hektischen Händen tastete Dani nach dem Sicherheitsgurt ihres Mannes, aber sie fand ihn nicht. War der Aufprall so heftig gewesen, dass der Gurt gerissen war? Die von ihnen gecharterte Maschine hatte sich offenbar nicht im besten Zustand befunden. Das brennende Triebwerk unterstrich diese Einschätzung.

  Urplötzlich brach ein Kichern aus ihr heraus. Sie wusste nicht, ob es trotz oder wegen ihrer Panik war, aber ungeachtet dessen schlug sie sich hastig die Hand vor den Mund. Dies war nicht der richtige Zeitpunkt, um sich zu amüsieren, egal worüber.

  Die Flammen in der Kabine und um sie herum waren nahezu vollständig erloschen. Die verbliebene Glut spendete ein wenig Licht. Eingedelltes Metall und rissiges Plastik füllten ihr Blickfeld. Einige der Sitze waren aus der Verankerung gerissen und verteilten sich überall im Wrack. Einige Meter weiter e
rspähte sie eine zerklüftete Metallwand und konnte sich zunächst keinen Reim darauf machen, bis ihr mit aufkeimendem Entsetzen klar wurde, dass der Aufprall den Rumpf verzogen haben musste. Was, wenn sie im Flieger eingesperrt waren? Wenn es ihnen nicht gelang, das Feuer zu löschen und die Flammen immer wieder von Neuem aufloderten, um sie schließlich alle bei lebendigem Leib zu braten?

  Wo steckte der Rest ihrer Truppe? Überall um sich herum hörte sie Stöhnen und andere gequälte Laute, aber sie sah niemanden. Keine Spur von ihrem Mann oder ihrer Schwester oder ihren Bandkollegen. Das trug nicht gerade zu ihrer Beruhigung bei.

  Sie verdrehte sich in ihrem Sitz, schielte über die Schulter und keuchte. Unmittelbar hinter ihrem Sessel klaffte eine ausgefranste Öffnung in der Seite des Rumpfes. Es war kein besonders großes Loch, wies nicht einmal die Abmessungen einer Tür auf, trotzdem konnte ohne Weiteres jemand hindurchgeschleudert worden sein. Sie würde sich damit beschäftigen, sobald sie die Überreste der Kabine abgesucht hatte.

  Wie in Zeitlupe kletterte sie aus ihrem Sitz. Ihr tat alles weh. Ihre verbrannte Haut fühlte sich an, als ob sie gleich reißen würde, also ließ sie sich auf den Kabinenboden nieder und kroch vorwärts. Direkt vor ihr stöhnte jemand auf. Sie krabbelte hin und betete, dass es sich um ihren Mann handelte.

  Aua. Dieses Pochen in seinem Kopf war … aua!

  Eine Kanonenkugel aus Schmerzen raste durch Potters Schädel und ließ ihn schlagartig hochschrecken. Er öffnete langsam die Augen und sah Teppichflusen, die sich gegen sein Gesicht drückten. Warum lag er mit dem Gesicht nach unten auf dem Teppich? Irgendetwas mit dem Absturz …

  Der Absturz.

  Er kämpfte sich auf Hände und Knie, zuckte aufgrund des Pochens im Schädel zusammen und brüllte, als sich ein Dolch tief in sein Knie zu bohren schien. Was zur Hölle? Wo kam all dieser Schmerz …?

  Was? Er blinzelte und seine Gedanken zerfielen zu nichts. Okay, es blieb also beim Aua. Ein Blick durch die Kabine offenbarte nichts als Verwüstung. Der gesamte Innenraum war etwa drei Meter vor ihm zu einer Falte schartigen Metalls zusammengequetscht und versiegelt worden. Herausgelöste Sitze türmten sich vor ihm auf. Blutflecken bedeckten den Teppich und er glaubte, dass sie aus seinem Mund getropft sein könnten, denn er nahm den typischen Geschmack auf der Zunge wahr. Er versuchte, sich umzudrehen, um den hinteren Bereich der Kabine zu inspizieren, doch eine Schmerzattacke spießte seinen Nacken auf und setzte seine Stirn in Brand. Vor seinen Augen begann alles schwarz zu werden und wild umherzutanzen.

 

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