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by Nate Southard


  »Noch ist deine Hand nicht frei, Freundchen.«

  »Freundchen?«

  »Klappe!«

  »Du meinst wohl Klappe, Freundchen!«

  Sie kicherte und versetzte ihm einen spielerischen Tritt in den Hintern. Er rutschte ein wenig zur Seite und zuckte zusammen, als etwas seinen Arm aufschürfte. »Okay. Das hat ein bisschen wehgetan.«

  »Scheiße. Entschuldige.«

  »Ich werd’s überleben. Wow. Ich glaube wirklich, dass ich’s schaffe.«

  Sie spähte in das Loch, in dem sein Arm feststeckte. »Ich verbreite eben Optimismus.«

  »Ich glaube, es ist nur noch ein einziges Stück im Weg.«

  »Sieht so aus. Lass mich mal sehen, ob ich da etwas rein bekomme, um’s zu bewegen.« Sie bückte sich und hob ein unangenehm scharfkantiges Stück Metall vom Boden auf.

  »Vorsicht. Nicht, dass du mir im letzten Moment noch die verdammte Hand abschneidest.«

  »Versuch mal, ein bisschen mehr Vertrauen in mich zu setzen, okay?«

  »Klar.« Er biss trotzdem die Zähne zusammen und schaute weg, während sie das Metallstück in die Lücke neben seinem Arm schob. Er konzentrierte sich aufs Atmen, hielt still und hoffte, dass die Kälte nicht abrupt in Schmerz umschlug.

  »Kannst du deinen Arm eine Winzigkeit nach links bewegen?«, fragte sie.

  »Sollte klappen.« Mehr als einen zusätzlichen Zentimeter schien ihr das Manöver nicht zu verschaffen. Aber wenn es ihn auf Abstand zu ihrem improvisierten Werkzeug brachte, konnte ihm das nur recht sein.

  »Halt still«, befahl sie. Er brachte nicht den Mut auf, zu erwidern, dass er das doch schon die ganze Zeit getan hatte. Er spürte, wie sich das Metall vor- und zurückbewegte. Es folgte ein lang gezogenes Stöhnen von Shannon, als sie das scharfgratige Trümmerstück vollständig aus der Öffnung zog.

  »Versuch’s noch mal.«

  Mit geschlossenen Augen öffnete er die Faust, um aus dem Gefängnis zu gleiten. Bei jeder Bewegung rechnete er damit, auf Stahl zu treffen, der sich als unüberwindlicher Widerstand in seiner Haut verhakte. Stattdessen starrte er wenige Sekunden später ungläubig auf seine Hand.

  »Sie ist so schön!«, sagte er. Er wackelte mit allen Fingern. Dann ballte er sie erneut zur Faust, um sie direkt wieder zu entspannen. Der kleine Finger ließ sich nicht vollständig krümmen, aber sonst fielen ihm keine Beeinträchtigungen auf. Bevor er etwas anderes tat, sprang er auf die Beine und schlang seine Arme um Shannon. »Vielen, vielen D…«

  Er wurde von einem starken Schwindel gepackt und verlor das Gleichgewicht. In der nächsten Sekunde knickten seine Beine weg und er prallte hart auf den Kabinenboden. Shannon fiel auf ihn. Ihr Gewicht quetschte die Luft aus seinen Lungen. Eine Sekunde lang konnte er nichts weiter tun, als panisch nach Luft zu schnappen, doch dann brach ein Kichern aus ihm hervor. Er spürte, wie es ihm Shannon dicht an seinem Hals gleichtat. Es fühlte sich gut an, befreit aufzulachen und für einen Moment zu verdrängen, dass sie knietief in der Scheiße steckten.

  Greg wurde ernst und legte eine Hand an Shannons Wange. Für einen Augenblick wollte er sie einfach nur bewundern. Ein Lächeln lag auf seinem Gesicht und sie erwiderte es. Dann zog er sie zu sich heran. Ihre Lippen trafen sich. Die Welt wurde heiß und hell, schien mit einer Energie geladen zu sein, von der er hoffte, dass er sie sich nicht nur einbildete. Er hielt kurz inne und auch Shannon zog sich zurück, nur um Sekunden später mit neu erwachter Leidenschaft zur nächsten Umarmung anzusetzen.

  Sie küssten sich weiter, bis Potters Stimme sie unterbrach.

  Sechs

  Das ständige Dröhnen in Potters Schädel hatte ein wenig nachgelassen, doch sein Knie pochte weiterhin bei jedem Schritt. Immerhin ging langsam die Sonne auf. Das würde die Zahl seiner Fehltritte und Stolperer vermutlich halbieren. Die kleinsten Freuden waren manchmal die schönsten Freuden. Im stumpfen Grau der Morgendämmerung wirkte die Absturzstelle noch verstörender. Nachdem sich die drei Sektionen des Flugzeugs quer über den Kiefernwald verstreuten, fragte er sich, wie überhaupt jemand von ihnen überlebt hatte. Wohin er schaute: nichts als Metallschrott und versengte Bäume. Ein brutales Szenario.

  Greg und die Reporterin folgten ihm. Sie band dem Bassisten T-Shirt-Fetzen um die Wunde am Arm. Als er sie fand, waren die beiden gerade damit beschäftigt, aneinander herumzufummeln. Er wusste nicht recht, ob sie nun ein Paar waren, sich einfach einsam fühlten oder mächtig unvernünftig waren, aber er fand, dass es ihm nicht zustand, darüber zu urteilen. Seine Aufgabe war es vielmehr, die Leute am Leben zu halten und dafür zu sorgen, dass man sie rettete. Er glaubte, dass er einen guten Plan hatte, um beides zu erreichen. Und ja, es mochte ein simpler Plan sein, aber was konnte man schon erwarten, wenn man ihn in einem demolierten Cockpit mit dem Gestank herausgerissener Eingeweide in der Nase austüftelte.

  Als sie sich dem näherten, was früher das Heck des Flugzeugs gewesen sein musste, steckte Dani ihren Kopf aus der Bruchkante, die als Eingang diente. »Halleluja! Ihr habt Greg befreit?«

  »Nee«, witzelte Greg. »Ich bin nur der nächste Akt in deinem Albtraum.«

  »Spätestens nach dem Spruch bin ich mir sicher, dass du’s bist, Greg.« Sie trat aus dem Wrack und lächelte. Greg nahm sie in den Arm und drückte sie. Dabei grunzte er vor lauter Anstrengung.

  »Potter hat mir das mit Jen und Kev erzählt. Tut mir wahnsinnig leid.«

  Ihr Lächeln zerfiel. Sie nickte und schniefte ein paarmal. Für einen Moment stand sie da und atmete tief und ruckartig, wie Potter es bei Leuten gesehen hatte, die darum kämpften, nicht zu weinen. Dann wischte sie sich über die Augen und das Lächeln kehrte zurück. »Bitte sagt mir, dass das Funkgerät funktioniert.«

  »Keine Chance«, antwortete Potter. »Ich hab eine ganze Weile damit herumexperimentiert, aber ich weiß noch nicht mal, wie man in einem gecrashten Cockpit den Strom wieder zum Laufen bekommt. Keine Ahnung, ob das überhaupt möglich ist. Kann von euch zufälligerweise jemand zaubern?«

  Sie schüttelten die Köpfe. Greg sagte: »Tja, war ein netter kleiner Wunschtraum.«

  »Also, was jetzt?«, erkundigte sich Shannon. »Wie lange sind wir schon hier? Sechs Stunden vielleicht? Diese Kreatur hat sich schon eine ganze Weile nicht mehr blicken lassen, aber ich glaube nicht, dass das so bleibt.«

  »Bei ihrem zweiten Besuch hat sie sich die Piloten geholt«, meinte Potter. »Hoffen wir, dass sie eine Weile mit ihnen beschäftigt ist.«

  »Mein Gott …«

  »In der Zwischenzeit sollten wir etwas unternehmen.«

  »Was denn?«, fragte Dani.

  »Zuerst suchen wir die Senke, von der Conner berichtet hat.«

  Kevin wälzte sich auf dem Boden und versuchte, einen ausgiebigen Blick auf Conner zu ergattern. Er konnte das Gesicht des Gitarristen nicht erkennen, aber davon abgesehen machte der Kerl einen ziemlich apathischen Eindruck. Besser als nichts. Er konnte immer noch flüstern und falls Conner etwas mitbekam … wer würde schon einem Junkie glauben?

  »Hey«, sagte er, während er sich zu Jen umdrehte. »Wie kommst du zurecht?«

  »Meine Hüften, mein Arsch und meine kostbarsten Teile fühlen sich an, als ob sie am Spieß geröstet werden. Und bei dir?«

  »Meine fühlen sich nach gar nichts an.« Irgendwie brachte er ein müdes Lächeln über seinen Scherz zustande. Jen erwiderte es nicht. Er streckte den Arm aus und griff nach ihrer Hand, aber sie zog sie weg.

  »Nein. Lass es.«

  »Sie sind draußen und reden.«

  »Und?«

  »Also haben wir eine Minute für uns. Ich wollte nur wissen, ob du okay bist.«

  Sie fixierte ihn mit einem kalten Blick. »Mein Becken ist gebrochen, Kevin. Was daran ist deiner Meinung nach okay?«

  »Ich weiß. Ich wollte nicht …«

  »Schon gut.«

  »Und?«

  »Nichts und. Wir beide sind fertig miteinander.«

  Insgeheim hatte er damit gerechnet. Aber es lag ihm fern, es zu akzeptieren. Er schob
die Fingerspitzen unter den Saum des T-Shirts, um ihren Bauch zu streicheln. »Ich finde, du überstürzt die Sache.«

  »Dann bist du ein Idiot.«

  »Warum das?«

  »Kevin, mein Becken ist zertrümmert. Du bist gelähmt. Im Moment wissen wir beide nicht, ob wir jemals wieder ficken können, schon gar nicht miteinander.«

  »Man weiß nie.«

  »Egal. Du solltest zur Abwechslung mal wieder Sex mit deiner Frau haben. Mit meiner Schwester, weißt du noch? Ich glaube, ihr seid euch schon mal begegnet.«

  »Aber ich liebe dich.«

  »Werden wir gerade dafür bestraft?« Sie würdigte ihn keines Blickes, als sie die Frage stellte, starrte stattdessen stumpfsinnig an die Decke der Kabine.

  »Ich … nein. Nein, das ist verrückt. Bloßes Karma bringt nicht mal eben ein ganzes Flugzeug zum Absturz.«

  »Doch, und bei der Gelegenheit zertrümmert es mein Becken und lähmt dich vom Schwanz abwärts.«

  »Hör mal, Jen. Es tut mir leid. Im Ernst. Wenn du willst, dass wir unsere Affäre beenden, dann tun wir das. Aber du darfst dich dafür nicht hassen. Wenigstens jetzt nicht. Wir werden beide noch genug Zeit haben, uns für Abschaum zu halten, wenn wir erst mal aus diesem gottverdammten Wald raus sind.«

  Er wartete auf eine Antwort, doch es kam keine. Als eine Träne aus dem linken Auge seiner Geliebten kullerte, verriet ihm das alles, was er wissen musste.

  Aus der anderen Ecke der Kabine ertönte ein Stöhnen. Kevin drehte sich im selben Moment um, als es Conner gelang, sich auf Hände und Knie hochzukämpfen, er kurz zusammenzuckte und schwankte, bevor er endgültig auf die Beine kam. Er zog eine Grimasse und fragte sich, wie viel der Junkie mitbekommen hatte. Wahrscheinlich gar nichts, aber konnte er sich da so sicher sein?

  »Verdammt. Ich schätze, das ist sie.«

  Dani stand zwischen Potter und Greg, lugte in die Grube und gab sich Mühe, nicht auf der Stelle umzukippen. Der Gestank war schlimm – ein moschusartiger, schwerer Geruch wie in einer heruntergekommenen Metzgerei, doch der Anblick allein reichte, um für wackelige Knie zu sorgen. Das Loch wirkte weniger wie eine natürliche Vertiefung im Waldboden als eine gezielt konstruierte Schlachtbank. Blut befleckte die Erde im unteren Abschnitt und von der gedachten Trennlinie abwärts baumelten überall Fleischfetzen an den Seiten des Schachts. Die meisten Überreste schienen von Tieren zu stammen. Das erkannte sie an der Größe der Knochen und den Fellresten, die an manchen davon hingen. Die zerrissene Jeans und die abgerissene Hand ließen dagegen keine zwei Deutungen zu.

  Sie spähte über die Schulter und schätzte die Entfernung zwischen dem Loch und dem Wrack auf knapp 100 Meter, mehr definitiv nicht. Kein Wunder, dass die Bestie sie so schnell gefunden hatte.

  »Ich verstehe das nicht«, murmelte Greg.

  »Was gibt’s da nicht zu verstehen?«, hakte die Reporterin – wie war noch mal ihr Name? – nach.

  »Okay. Diese Jeans mag Curtis gehören. Ich bin mir nicht sicher, aber ich schließe es zumindest nicht aus.« Er drehte sich zu Potter um. »Du hast aber erwähnt, dass es sich auch die Piloten geschnappt hat, oder?«

  »Ja.«

  »Da unten ist aber keine Spur von Uniformen.«

  Dani ließ ihren Blick über den Haufen von Überresten wandern und stimmte ihm zu. »Möglich, dass es seine Opfer woanders tötet«, überlegte sie. »Gut denkbar, dass dieses Loch lediglich ... keine Ahnung ... als Müllkippe oder so etwas dient.«

  Potter schüttelte entschlossen den Kopf. »Die Piloten waren schon tot. Curtis im Übrigen auch.«

  »Das schließt nicht aus, dass es vor dem Verspeisen noch was anderes mit ihnen anstellt.«

  Alle verstummten für einen langen Moment und stierten betreten auf ihre Füße, auf den Boden, in den Himmel. Irgendwohin, nur um nicht den Blicken der anderen zu begegnen.

  »Ich will versuchen, Curtis’ Leiche zurückzuholen«, eröffnete Greg ihnen.

  Potter gab einen erstickten Laut von sich. »Was?«

  »Er ist mein bester Freund. Ich habe ihn gekannt, seit wir in die vierte Klasse gingen. Das Letzte, was ich will, ist, dass er als Zwischenmahlzeit im Magen dieses Monstrums endet.«

  »Wie lange ist es jetzt her, dass das Biest ihn weggeschleppt hat? Sechs Stunden mindestens. Hör mal, mir gefällt die Vorstellung auch nicht, aber unsere Chancen, ihn noch in einem Stück anzutreffen, stehen miserabel.«

  »Ist mir ...«

  Dani versetzte ihm mit der Faust einen Schlag gegen den Oberarm. »Wenn du jetzt so einen Machospruch wie Ist mir egal zum Besten gibst, werden wir dich später ebenfalls in dieser Grube entdecken. Wir haben im Moment ganz andere Sorgen. An erster Stelle wäre da, dass diejenigen von uns, die noch am Leben sind, zusehen, wie sie heil aus dieser Sache rauskommen.«

  Greg runzelte die Stirn, während er in die Senke starrte, aber er schwieg.

  »Was ist das denn?«

  Dani drehte sich um, als sich die Reporterin einem der Bäume in der Umgebung näherte. »Was Wichtiges?«

  »Seht’s euch besser selbst an.«

  Die Gruppe folgte der Aufforderung. Dani spähte über ihre Schulter. Symbole waren in die Rinde des Baums geschnitzt – ungewöhnliche geometrische Formen, die sie nicht zuordnen konnte. Es erinnerte sie an einen Geheimcode, Symbole, die für Buchstaben standen, aber sie war sich nicht sicher. Je länger sie darauf starrte, desto weniger Sinn ergab es.

  »Was ist das denn für ein Quatsch?«, grummelte Potter. »Kann einer von euch was damit anfangen?«

  »Nein. Ich habe so was noch nie gesehen.« Dani schob sich an der Journalistin vorbei und hielt den Blick auf den spiralförmigen Umriss gerichtet, der tief in den Baumstumpf gekerbt war. Das Symbol zog sie magisch an und sie spürte ein merkwürdiges Vibrieren im Schädel. Bevor sie wusste, was sie tat, schnellte ihre Hand mit ausgestreckten Fingern nach vorn. Sie wollte es berühren, mit den Fingern die Konturen nachfahren, da riss Gregs Stimme sie jäh aus ihrer Trance.

  »Sie sind überall.«

  Sie wandte sich um. Greg inspizierte die übrigen Bäume in der Umgebung. Als sie seinem Blick folgte, erkannte sie, dass er recht hatte. An sämtlichen Kiefern, die um die Senke herum wuchsen, prangte ein Symbol – eins seltsamer als das andere. Die Bandbreite reichte vom leicht Fremdartigen bis zum offenkundig Unirdischen.

  Potter schüttelte irritiert den Kopf. »Das wird mir langsam alles zu krass. Unser monströser Angreifer ist schlimm genug, aber das ist noch eine ganze Ecke durchgeknallter.«

  »Vorschläge?«, meldete sich Greg zu Wort.

  »Ich gehe Hilfe holen«, antwortete Dani. Die Worte verließen ihren Mund, ehe sie darüber nachdachte. Dabei wusste sie, dass sie schon eine ganze Weile darauf gewartet hatte, sie laut auszusprechen.

  Ein schockierter Ausdruck zeichnete sich auf Gregs Gesicht ab. »Das kannst du vergessen.«

  »Wieso? Irgendjemand muss es tun. Kein Funkgerät, du erinnerst dich? Außerdem gehöre ich zu den wenigen, die nicht allzu schlimm verletzt sind.«

  »Dani, du hast ’ne Schraube locker.«

  »Es gibt nichts, was ich hier tun könnte!« Sie erschrak über die Vehemenz in ihrer Stimme. Doch die Worte sprudelten nur so aus ihr heraus und sie glaubte nicht, dass sie sich hätte bremsen können, selbst wenn sie es wollte. »Es zählt einzig und allein, dass wir überleben und gerettet werden. Und um Letzteres werde ich mich kümmern.«

  »Die nächste menschliche Siedlung könnte meilenweit entfernt sein«, gab Potter zu bedenken.

  »Ich renne jede Nacht zwei Stunden lang auf einer Bühne hin und her. Da werden mich ein paar Kilometer Fußmarsch kaum überfordern.«

  »Ich komme mit.«

  Dani zuckte zusammen, als Conners Stimme in ihrem Rücken ertönte. Sie hatte ihn gar nicht kommen gehört. Den Ausdruck auf dem Gesicht des Gitarristen kannte sie nur zu gut. Fast jeden Morgen setzte er seine charakteristische Mein Rausch lässt nach-Miene auf. In solchen Momenten würde sie ihn immer am liebsten mit dem Arsch voran aus dem Tour
bus werfen.

  »Das halte ich für keine gute Idee.«

  »Wieso nicht?«

  »Conner, sieh dich doch mal an.«

  »Mir geht’s gut. Hab mich ausgekotzt und alles.«

  »Er sollte dich begleiten«, schaltete sich Potter ein.

  »Was? Auf gar keinen Fall!« Sie trat nahe an den Tourmanager heran und senkte ihre Stimme. »Ich kann’s nicht gebrauchen, dass mir dieser Junkie am Rockzipfel hängt.«

  Er fasste sie an den Schultern und drückte sie sanft. »Aber du brauchst Unterstützung. Ich würde dir Greg oder Shannon mitgeben, aber jemand muss Jen und Kevin beschützen, falls das Biest zurückkehrt. Ich kann’s nicht machen. Mein Knie zickt rum und ich habe ständig heftige Schwindelanfälle.«

  »Er wird mich nur aufhalten.«

  »Dann musst du ihn eben antreiben.«

  »Conner ist kein Hund, den man an einer Leine Gassi führt, Potter.«

  Er grinste. »Aber so ganz falsch ist der Vergleich nicht.«

  Sie starrte ihn an. Ihre Miene verfinsterte sich, während sie nach einer passenden Erwiderung suchte. Das Beste, was ihr einfiel, waren einige zielsicher platzierte Beleidigungen, also zuckte sie mit den Achseln und erwiderte: »Na schön. Aber wenn er zurückfällt, fällt er zurück. Ich lege für ihn keine Extrapausen ein. Was ist mit euch?«

  »Wir müssen uns verteidigen«, entgegnete er. »Das Vieh hat schwere Schäden am Cockpit angerichtet. Ich will den Teil des Fliegers sichern, in dem sich deine Familie aufhält, und dafür sorgen, dass es nicht in die Kabine eindringt.«

  »Lass nicht zu, dass ihnen etwas zustößt, Potter. Ich mein’s ernst.«

  »Wir tun, was wir können.«

  »Das will ich dir auch geraten haben.« Sie wandte sich von dem großen Mann ab und konzentrierte ihre Aufmerksamkeit auf Conner. Der Gitarrist stand am Rand der Senke und starrte auf das Gemetzel am Boden, während er an dem getrockneten Blut auf seinem Shirt herumkratzte. Sein Gesichtsausdruck war irgendwo zwischen Vollrausch und Trance angesiedelt. Sie ahnte, dass sich die Aufgabe, Hilfe zu organisieren, mit ihm im Schlepptau ausgesprochen anstrengend gestalten würde.

 

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