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Down

Page 11

by Nate Southard

»Conner!«

  Er sah auf, nur leicht überrascht unter dem Schleier eines sich langsam verflüchtigenden Rauschs.

  »Besorg uns ein paar Wasserflaschen für unterwegs und eine Waffe, falls du eine auftreiben kannst. In fünf Minuten brechen wir auf.«

  »Okay.« Das Wort war kaum mehr als ein Murmeln, aber er wandte sich vom Loch im Boden ab und schlurfte zurück in Richtung Absturzstelle. Zumindest konnte er simple Kommandos befolgen.

  »Du wirst doch vorsichtig sein, oder?«, versicherte sich Greg.

  »Klar.«

  Er schenkte ihr ein trauriges Lächeln. »Gut. Wir müssen uns schon einen neuen Schlagzeuger suchen. Nicht, dass wir auch noch Leute zum Vorsingen einladen müssen.«

  »Und Conner?«

  Sein Lächeln verwandelte sich in ein hinterhältiges Grinsen und er hob die Schultern. Ein leises Kichern folgte und Dani schüttelte zunächst missbilligend den Kopf, kapitulierte dann und stimmte ein. Mit einer wegwerfenden Geste in Richtung des Bassisten machte sie sich auf den Weg zum Wrack. Sie brauchte eine Minute allein mit ihrer Familie.

  »Glaubst du, sie schafft es?«, rätselte Shannon. Der Zweifel stand ihr ins Gesicht geschrieben. Möglicherweise war es auch Sorge.

  Conner legte seine Arme um sie und drückte sie kurz. »Wenn es jemand schafft, dann Dani. Sie hat sich von allen hier am besten im Griff.«

  »Eure Leadsängerin?«

  »Yup. Mach dir keine Sorgen. Die ist hart im Nehmen.«

  Potter kam angehumpelt und bei jedem Schritt verzerrte sich sein Gesicht zu einer Maske aus Schmerz. Er hielt an, blieb einige Minuten schwer atmend stehen und rieb sich mit einer Hand das Knie.

  »Bist du okay?«

  »Das ist relativ. Ihr beiden müsst für mich ins Flugzeug zurück.«

  »Das dachten wir uns schon. Was hast du vor?«

  »Ich arbeite noch an einem Plan. Im Moment ist da nur ein blinkendes Stichwort in meinem Kopf, und das lautet Verteidigung.«

  »Klingt für den Anfang nicht schlecht.«

  »Ich habe in dem Teil der Maschine, wo Greg eingeklemmt war, einige Metallteile gesehen. Die würden gute Waffen abgeben«, sagte Shannon.

  »Das ist super. Wie wär’s, wenn ihr beiden die aufsammelt und wir uns im hinteren Teil der Maschine treffen?«

  »Klar.«

  »Ich komme nach«, erklärte Greg. »Ich habe hier noch was zu erledigen, glaube ich.«

  Shannon wirkte besorgt. »Bist du okay?«

  »Ja. Ich will … Ich bin mir nicht sicher. Ich glaube, ich will einfach nur eine Weile allein sein.«

  »Okay.« Sie umarmte ihn und hauchte ihm einen flüchtigen Kuss auf die Wange. Dann schob sie ihre Schulter unter Potters Arm. »Komm, Großer. Bringen wir dich zurück.«

  »Danke.«

  Greg beobachtete, wie die zwei verschwanden, Potter sich auf Shannon stützte und sie ihr Bestes tat, um diesen Bär von einem Mann zu helfen. Es wirkte ungewollt komisch, reizte ihn aber nicht zum Schmunzeln. Der Tod seines besten Freundes beherrschte nach wie vor sein Denken. Er spähte noch einmal in die Senke auf die achtlos entsorgten Fleischstücke und Lumpen und wollte unbedingt herausfinden, ob einige der Überreste zu Curtis gehörten. Ein Teil seines Verstands versuchte ihn davon zu überzeugen, dass es keine Rolle spielte. Sein Freund war tot und er sollte sich auf sein eigenes Schicksal konzentrieren. Aber die Ungewissheit nagte an seinem Geist wie eine Ratte, arbeitete sich ins Zentrum vor und ließ nichts als Fetzen zurück.

  Mit einem frustrierten Knurren wandte er sich von der Öffnung im Boden ab, um die Bäume in der Umgebung zu inspizieren. So vieles ergab derzeit keinen Sinn und die Symbole, die in die Kiefern eingeschnitzt waren, gehörten dazu. Als er eines der gewundenen Zeichen untersuchte, fragte er sich, ob es sich bloß um eine spezielle Form von Graffiti oder tatsächlich um eine Form von Bildsprache handelte. In Anbetracht der vielen merkwürdigen Ereignisse seit dem Absturz rechnete er fest damit, dass es eine Botschaft oder Kennzeichnung war. Das Einzige, woran es ihn erinnerte, war Elbisch. Jahrelang hatte er die erfundene Sprache auf Tolkien-Kalendern bewundert. Curtis hatte ihm jedes Jahr zu Weihnachten einen neuen geschenkt. Sein Mund verzog sich zu einem wehmütigen Lächeln.

  »Elben sind nicht so, wie wir sie uns immer vorgestellt haben, Kumpel.« Er trat näher an den Baum heran, als ob eine geringere Distanz dazu beitrug, dass alles schlagartig einen Sinn bekam. Je länger er das spiralförmige Symbol anstarrte, desto stärker fühlte er sich davon angezogen. Er konnte es sich nicht erklären, aber die Linien des Symbols schienen zunehmend dunkler zu werden und sich tiefer in die Rinde zu graben.

  Greg glaubte wahrzunehmen, wie sich in den Schatten des Piktogramms etwas regte, aber er musste sich irren. Dennoch griff er instinktiv mit abgespreizten Fingern danach. Sein Atem fühlte sich schwer und hart erarbeitet an. Ein unbestimmbares Gewicht schien ihn nach vorne zu ziehen, als strömte alles in seinem Körper in Richtung der Finger, um begierig die ominöse Vertiefung zu ertasten, die in den Stamm der uralten Kiefer eingekerbt war.

  Er strich mit den Fingerspitzen über die Umrisse und ein Schlag durchzuckte ihn. Sein Atem stockte in der Kehle und brach als schwaches Stöhnen hervor. Etwas loderte in den sich windenden Schatten auf, und er presste seine Handfläche gegen das Symbol.

  Seine Zähne schnappten mit einem lauten Klacken zusammen und er biss sich das Zahnfleisch blutig, während er mit weit aufgerissenen Augen zum ersten Mal in seinem Leben wirklich sah.

  Sieben

  Jen drückte ihrer Schwester ganz fest die Hand, verlieh ihr so viel Kraft, wie sie konnte, und versuchte, den Schmerz auszublenden, der in ihren Hüften und ihrem Hintern brannte wie eine Feuersbrunst. Am liebsten hätte sie mit den Zähnen geknirscht, gezischt oder laut gebrüllt, aber sie kämpfte mit aller Macht dagegen an, die Kontrolle über ihre Gesichtsmuskeln zu verlieren. Sie wollte nicht, dass Dani sich Sorgen machte, obwohl sie ihre Schwester gut genug kannte, um zu wissen, dass der Wunsch vergeblich war. Die Frau war ein unglaublicher Sturkopf. Wenn sie es sich in den Kopf setzte, durch die Wälder zu marschieren, um Hilfe zu holen, konnte sie nichts und niemand davon abbringen.

  »Wenn du zu weit gelaufen bist, ohne etwas zu finden, dann komm zurück. Lass uns nicht im Stich, okay?«

  »Kein Problem. Und ihr zwei passt bitte gut aufeinander auf.«

  »Machen wir«, versprach Kevin. Seine Worte beluden Jen mit Schuldgefühlen. Sie kämpfte gegen den Drang an, Danis Hand noch fester zu drücken. Obwohl sie sich diesmal fest vorgenommen hatte, nicht länger mit Kevin herumzuvögeln – nicht, dass es die letzten paar Male, als sie es sich geschworen hatte, klappte –, wollte sie sich durch solche Gesten nicht verraten. Als sie ihrer Schwester mit dem Wissen ins Gesicht sah, dass diese um sie alle zu retten in Kürze einen Wald durchkämmen würde, in dem ein gottverdammtes Monster lebte, wurde sie das Gefühl nicht los, der schrecklichste Mensch auf Erden zu sein.

  »Ich mein’s ernst, Schwesterherz. Pass auf dich auf.«

  »Das werde ich.«

  »Versprich’s mir.«

  »Ich verspreche es, okay? Aber jetzt muss ich los.«

  »Okay. Hab dich lieb.«

  »Ich dich auch.«

  Kevin breitete die Arme aus. »Komm her.«

  Dani lehnte sich an ihn. Sie küssten sich. Jen lauschte dem intensiven Austausch von Zärtlichkeiten mit abgewandtem Blick. Ehe sie sich versah, spürte sie, wie ein kalter Dolch aus Eifersucht durch ihre Brust getrieben wurde. Er durchdrang nicht nur ihr Gewebe, sondern auch ihre Wut und Entschlossenheit. Wie hatte sie nur in diese üble Lage geraten können? Falls sie diesen Albtraum überlebte, würde sie sich zurück in der Zivilisation einen guten Therapeuten besorgen. Ihre Beckenverletzung konnte warten. Erst musste sie herausfinden, warum sie so wild auf ihren Schwager war.

  Dem schier endlosen Kuss zwischen ihrer Schwester und Kevin folgte ein kurzer Schmatzer. Jen drehte den Kopf, um Dani anzusehen. Diese hatte sich einen kleinen Tragesack aus Kleidern gebastelt und ein paar Flaschen
Wasser darin verstaut. Dani bückte sich, um ihre improvisierte Machete aufzuheben, dann winkte sie ihnen auf eine fast absurd fröhliche Weise zum Abschied.

  »Bis dann, Leute.«

  Jen kicherte nervös und winkte zurück. Als Dani die Kabine verließ, sprach sie in ihrem Kopf ein kurzes Gebet. Dann verbarg sie ihr Gesicht in den Händen und beschloss, sich für eine Weile in Selbsthass zu flüchten.

  Eine seltsame Mischung aus Aufregung und Angst überkam Dani. Sie freute sich einerseits darauf, aufzubrechen, um Hilfe zu suchen und sie alle von hier wegzubringen, andererseits ging ihr der Anblick des Monsters und der zum Teil undefinierbaren Überreste nicht aus dem Kopf. Wenn man die merkwürdigen Zeichen in den Baumstämmen hinzunahm, wurde der Wald zu einem ziemlich bedrohlichen Ort. Trotzdem, jemand musste sich um Unterstützung von außen kümmern, und das konnte genauso gut sie erledigen. Sie wollte nicht länger untätig herumsitzen, und so packte sie die Chance beim Schopf.

  »Bist du so weit?«

  Conner lungerte untätig zwischen den Trümmern herum. Als er sich zu ihr umdrehte, schien seine Kinnlade fast bis auf die Brust gesackt zu sein, und seine Augen wirkten wie zugeschwollen. Ja, es würde bestimmt ein Heidenspaß werden, diesem Kerl Beine zu machen.

  »Klar. Wo geht’s lang?«

  »Hast du Wasser besorgt?«

  »Hä?«

  »Herrgott noch mal. Hier liegen überall Flaschen rum, Conner. Schnapp dir ein paar davon und los geht’s.«

  »Ist ja schon gut. Hab’s kapiert.« Er schlurfte ein paar Schritte und wäre fast hingefallen, als er sich bückte, um eine der Flaschen aus dem Vorrat der Airline aufzuheben. Als er sich eine zweite in die Tasche seiner Cargo-Shorts stopfte, machte er den Eindruck, als könnte er sich schon ein wenig besser bewegen. Sie hoffte, dass er zu weiteren Steigerungen fähig war. »Also, wo geht’s lang?«

  Sie orientierte sich, wo die Sonne am Himmel stand, und zeigte in die entsprechende Richtung. »Nach Osten, würde ich sagen.« Die ersten Schritte fielen leicht. Sekunden später passierte sie bereits das demolierte Heck des Flugzeugs. Sie lauschte auf das Knacken von Zweigen und das Rascheln der Kiefernnadeln unter ihren Füßen. In einiger Entfernung sang ein Vogel, seine Stimme wurde durch die Baumkronen herangetragen. Sonnenlicht zerteilte die tragenden Äste der Kiefern und besprenkelte den Boden. Für einige Sekunden fühlte sich Dani im Einklang mit der Welt. Wenn sie sich Mühe gab, konnte sie eventuell die schrecklichen Bedrohungen verdrängen, die im Wald lauerten.

  Conners nervtötendes Schnaufen riss sie aus den Gedanken. Er stampfte neben ihr her und fuhr sich mit den Fingern durch die fettigen Haarsträhnen. »Wie weit laufen wir?«

  »Bis wir Hilfe finden.«

  »Okay, verstehe. Und was verstehst du unter Hilfe?«

  »Fragst du mich das im Ernst?«

  Er zuckte mit den Schultern. Sein Gesichtsausdruck wirkte stupide wie eh und je.

  »Es bedeutet Menschen, Conner. Jemand mit einem Telefon oder einem Funkgerät, dem wir mitteilen, was passiert ist und wo sie uns abholen können.«

  »Sicher, aber man weiß doch längst, dass wir verschwunden sind, oder? Wir sind nicht wie geplant in New York gelandet. Sie dürften kaum annehmen, dass wir spontan gewassert haben, um auf einer einsamen Insel Ferien zu machen.«

  Sie starrte ihn an. Seine Mundwinkel zuckten kurz zu einem dümmlichen Grinsen nach oben und sackten direkt wieder herab.

  »Wir können ihnen sagen, wo sie uns finden.«

  »Ach, wo sind wir denn? Zeigen wir einfach in irgendeine Richtung und verkünden Hier geht’s lang?«

  Dani spürte, wie ihre Finger das Stück Metall in ihrer Hand fester umklammerten. Verdammt, dieser Nichtsnutz hatte recht. Es änderte zwar nichts, weil es immer noch besser war, überhaupt etwas zu tun, als untätig in der Gegend herumzusitzen, aber es setzte ihrem großartigen Plan ein deprimierendes Maß an Realismus entgegen. Eine Woge aus Frustration und Scham rollte über sie hinweg und verschwand sofort. Sie würde sich nicht davon abhalten lassen, weiterzugehen. So einfach war das.

  »Das überlegen wir uns, wenn wir angekommen sind.«

  »Du bist der Boss.«

  Mehr oder weniger!, dachte sie und blieb in Bewegung.

  Shannon hockte im Schneidersitz auf dem Boden. Sie balancierte einen langen, stählernen Speer auf dem Schoß und wickelte ein paar Boxershorts um den mittleren Teil, benutzte Stofffetzen von einem T-Shirt, um sie festzubinden. Potter wühlte unterdessen überall in der Kabine herum, um nach anderen nützlichen Gegenständen zu suchen. Als sie sich das nächste Mal um ihn kümmerte, schaute er gerade auf die Uhr und runzelte die Stirn.

  »Müssen Sie irgendwohin? Ich meine, abgesehen davon, dass wir alle gern irgendwo anders wären?«

  Ein Ausdruck von Traurigkeit und Frustration überschattete kurzzeitig sein Gesicht, dann schüttelte er ihn ab. »Das könnte man so sagen. Ich sollte unbedingt in Pennsylvania sein.«

  »Ach ja?«

  Er nickte. »Mein Dad liegt dort im Krankenhaus.«

  »Scheiße. Das tut mir leid.«

  »Danke, aber ich kann es ja sowieso nicht ändern.«

  »Stehen Sie sich nahe?«

  Der Tourmanager erstarrte und blickte ins Leere. Vielleicht lief auch gerade eine Erinnerung als Film vor seinem geistigen Auge ab. Als er sich wieder zu ihr umdrehte, zuckte er fast unmerklich mit den Achseln. Sie nahm an, dass sie keine aufschlussreichere Antwort bekommen würde.

  »Tut mir leid«, meinte sie.

  »Es ist nur … nun, er liegt im Koma. Eventuell ist es kein Koma im medizinischen Sinn … egal … jedenfalls ist er an eine Beatmungsmaschine angeschlossen und das ist im Moment das Einzige, was ihn am Leben hält. Ich wollte dort sein, bevor die Ärzte entscheiden, ob sie den Stecker ziehen oder nicht.« Er sah noch einmal auf die Uhr. »In etwas mehr als 35 Stunden ist es so weit.«

  »Sie können es immer noch schaffen.«

  »Nein, ausgeschlossen. Selbst wenn wir innerhalb der nächsten zehn Minuten gerettet werden, stellen sie uns bestimmt 24 Stunden lang unter Beobachtung. Dann würde es Pressekonferenzen und Interviews geben und ich würde mich darum kümmern müssen, dass der Rest der Tour abgesagt oder verschoben wird. Es gibt viel zu viel Kram, der erledigt werden muss, und Potter ist nun mal der Typ, der sich darum kümmert.«

  Sie lauschte der Mischung aus Traurigkeit, Wut und Entschlossenheit in seinen Worten und wusste nicht, ob sie ihn umarmen oder ohrfeigen sollte. »Versteh ich«, gab sie zurück. »Ich habe Hochzeiten, Geburten und Krankenhausaufenthalte verpasst, weil ich über irgendwelche Bands berichtet habe. Man macht diesen ganzen Mist, der einen menschlich wie das letzte Arschloch dastehen lässt, aber das liegt bloß daran, dass viele Leute nicht mehr wissen, was es bedeutet, Profi zu sein.«

  Einer seiner Mundwinkel zuckte. »Eine Seelenverwandte.«

  »Ich schätze schon. Trotzdem muss man hin und wieder tief durchatmen und sich aufs Menschsein konzentrieren.«

  »Indem man mit dem Bassisten knutscht?«

  Ein Kichern schüttelte sie, als sie aufstand. Sie wog den improvisierten Speer in der Hand. Sein Gewicht schien sich gleichmäßig zu verteilen und das Metall machte einen stabilen Eindruck. Sie versuchte, sich vorzustellen, wie sie ihn diesem Monstrum in die Brust stieß. Wenn die Zeit gekommen war, fühlte sie sich dazu durchaus in der Lage. Der Speer würde es wahrscheinlich auch aushalten.

  »Nun ja, also ich und Greg … ist er schon zurück?«

  Potter suchte die Umgebung mit zu Schlitzen verengten Augen ab. »Ich habe ihn noch nicht gesehen. Aber es sind ja erst ein paar Minuten.«

  »Mindestens eine Viertelstunde.«

  »Shannon, er hat einen Menschen verloren, der ihm sehr nahestand. Und dort unten in der Grube haben wir vorhin möglicherweise Curtis’ Überreste gefunden. Wir wissen es nicht genau und Greg weiß es auch nicht. Ich würde sagen, geben wir ihm etwas Zeit. Solange dieses … Wesen nicht zum Wrack zurückkehrt, gibt es keinen Grund, sich Sorgen um ihn zu machen.«


  Sie sah auf den Speer in ihrer Hand und dann auf die Metallstücke neben ihr, die sie eingesammelt hatte, um weitere Waffen daraus zu bauen. »Nein, das stimmt wohl.«

  »Sag ich doch. Wie wär’s, wenn wir wachsam bleiben, aber trotzdem versuchen, uns ein bisschen zu entspannen?«

  »Klar. Wie Sie meinen.«

  »Ich besorge Essen und Wasser und schaue bei der Gelegenheit, ob unsere Schützlinge Hunger haben. Haben Sie Hunger?«

  Shannon hatte vorher nicht darüber nachgedacht. Bei allem, was passiert war, hatte ihr Geist sich gar nicht mit ihrem Bauch beschäftigt. Doch jetzt zog sich ihr Magen zusammen, knurrte und gab ihr zu verstehen, dass sie gut daran tat, ihn schleunigst zu füllen.

  »Großer Gott, ja.«

  »Mal sehen, was ich auftreiben kann.« Potter humpelte davon und ging mit seinem gesunden Bein vorsichtig in die Knie, um die erste Wasserflasche aufzuheben, die er fand. Die Bewegung wirkte unbeholfen, fast schon waghalsig, aber es gelang ihm, sich wieder aufzurichten, ohne hinzufallen.

  Shannon widmete ihre Aufmerksamkeit den Bäumen. Nicht ein Geräusch drang aus dem Wald und sie stellte sich die Frage, ob Greg wirklich allein sein wollte oder in Wahrheit jemanden brauchte, der ihm Halt gab. Sie fühlte sich albern, weil sie so dachte. Jemanden aus einem Flugzeugwrack zu befreien und einen Angriff zu überleben, machte Leute noch längst nicht zu verwandten Seelen, sondern einfach zu einer Zweckgemeinschaft, die in der wahren Welt wohl nicht mal einen Monat überdauern würde. Doch ihre Sorge war aufrichtig. Das wusste sie. Wenn sie sonst nichts hatte, blieb ihr zumindest diese Gewissheit und die Erinnerung an einen fantastischen Kuss.

  Genervt von sich selbst verdrehte sie die Augen und ließ sich wieder im Schneidersitz nieder. Sie griff nach dem nächsten Metallstück und machte sich an die Arbeit.

  »Es will raus. Großer Gott, es will raus.«

  Greg stolperte zwischen den Föhren hindurch, ohne ein Ziel zu haben. Ein verzweifelter Drang nach Bewegung trieb ihn an. Seine Beine verhedderten sich, er stolperte in den Dreck und kroch vorwärts, bis er sich aufgerappelt hatte und weitergehen konnte. Er bedeckte das Gesicht mit beiden Händen. Etwas sickerte aus seinen Augen, lief aus seiner Nase. Sein Mund stand offen und ein Stöhnen löste sich aus seiner Kehle, bevor er wieder zu sprechen begann.

 

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