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by Nate Southard


  »Ist alles in Ordnung mit Ihnen, Potter?« Sie fürchtete sich vor seiner Antwort. Ob er ruhig blieb oder explodierte, war nicht abzusehen. Jedenfalls wusste sie, dass sie nicht länger tatenlos herumstehen konnte.

  Glücklicherweise nickte er mehrmals kurz hintereinander. »Ja. Tut mir leid. Ich bin nur …« Er schlug sich mit der Hand auf die Schenkel und deutete um sich, als würde das alles erklären. Seine Miene vermittelte eine klare Botschaft: Diese Scheiße ist doch nicht zu glauben.

  »Ich kann’s gut nachvollziehen.«

  »Haben Sie eine Ahnung, wie lange er schon weg ist?«

  »Nein. Ich habe an unserem Verteidigungszeug gearbeitet und sonst nichts mitbekommen.«

  »Tja, ich auch nicht.«

  »Ich komme mir ganz schön bescheuert vor.«

  »Nicht nötig. Mir geht’s genauso. Ich glaube … Ich bin mir nicht sicher, aber ich glaube, dieser Ort ist einfach schräg, auch wenn ich das Wort eigentlich nicht mag. Erst dieses Monster da draußen, dann die Zeit, die uns einen Streich spielt, und dann noch dieser Mist hier. Wenn man das alles über einen Kamm schert, ist es ein riesengroßer, unglaublicher Schlamassel.«

  »Hört sich nicht gerade beruhigend an.«

  »Ist es auch nicht.«

  In der Hoffnung, Greg irgendwo herumstolpern zu sehen, richtete sie den Blick auf die Baumreihen. Möglicherweise hatte er sich bloß verirrt oder war vor lauter Trauer nicht ganz bei sich. Doch da war nichts als Wald. Sie konnte nicht einmal den Wind über die Nadeln streifen hören. Falls sich Greg tatsächlich in der Nähe aufhielt, musste er aus den Latschen gekippt sein.

  »Tja, Mist.« Sie hob entschlossen den Speer und lockerte die Schultern. »Ich bin bald zurück, denke ich.«

  »Was?«

  »Na, ich gehe ihn suchen.«

  Potter schüttelte den Kopf. Falten und eine finstere Miene ersetzten sein Grinsen. »Nein.«

  »Nein? Greg steckt irgendwo da draußen. Jemand muss ihn finden und zurückbringen, bevor dieses beschissene Was-auch-immer ihn erwischt.«

  »Er hätte eben nicht weggehen sollen.«

  Für eine Sekunde stand ihr Mund offen wie ein Scheunentor. Hatte er das gerade wirklich gesagt? »Potter, Sie können doch nicht …«

  »Ich mein’s ernst. Zum Teil ist es sicher unsere eigene Schuld, weil wir ihn alleingelassen haben. Dani kann weitaus besser auf sich aufpassen und trotzdem haben wir darauf bestanden, sie nur mit einem Begleiter losziehen zu lassen, um Hilfe zu suchen.«

  »Aber Greg hat sich verirrt!«

  »Das wissen wir nicht mit Sicherheit. Und selbst, wenn’s so sein sollte, können wir nichts dran ändern. Er ist ein erwachsener Mann, Shannon. Wenn er auf die bescheuerte Idee kommt, tief in diesen Albtraumwäldern einen Spaziergang zu unternehmen, ist das allein sein Problem. Es ist gottverdammt nicht unseres.«

  Shannon starrte den Mann an. Sie wusste, dass sie ihren Mund wieder bewegen konnte, er öffnete und schloss sich, aber sie brachte keinen Laut hervor. Sie suchte nach passenden Worten und kapitulierte. Der Schock brachte alles zum Verstummen und etwas rauschte in ihren Ohren. Potter schüttelte erneut den Kopf und trabte zum Flieger zurück.

  »Fick dich doch.« Die Worte klangen matt, als sie aus ihrem Mund kamen, aber sie brachten den Tourmanager dazu, stehen zu bleiben. Er drehte sich um und runzelte die Stirn.

  »Ach, kommen Sie«, grinste er.

  »Nein, Potter. Sie können mich mal. Was, wenn er verletzt ist? Was, wenn diese Kreatur ihn erwischt hat? Finden Sie, dass es in Ordnung ist, wenn uns das am Arsch vorbeigeht?«

  »Was, wenn? Was, wenn? Wie wäre es damit: Was, wenn etwas die beiden Leute angreift, die da drüben im Flugzeug liegen und sich kaum rühren können? Glauben Sie, die hätten eine Möglichkeit, sich zu verteidigen? Glauben Sie, dass ich mit meinem Knie und dem Brummschädel großartig was gegen das Biest ausrichten könnte? Als ich ihn das letzte Mal sah, machte Greg dagegen einen recht fitten Eindruck. Damit ist er uns einen Schritt voraus.

  Hören Sie, Shannon. Es tut mir leid. Er ist Ihre aktuelle Flamme oder was auch immer, das ist toll. Aber ich brauche Sie hier zu unserer Verteidigung. Ich schaffe das nicht allein.«

  Sie schielte erneut in Richtung Wald und betete, irgendeine Spur des Bassisten zu entdecken. Aber sie ging wieder leer aus. Verflixt.

  »Na schön. Sie haben recht. Von mir aus.«

  »Danke.«

  »Gehen wir zurück, bevor ich’s mir anders überlege.«

  »Okay.«

  Potter setzte sich erneut in Bewegung und Shannon folgte ihm. Wut brodelte in ihr, darunter mischte sich Sorge. Sie hoffte, dass mit Greg alles in Ordnung war. Mit jedem Schritt hoffte sie, dass er zwischen den Kiefern auftauchen und hinter ihnen hertrotten würde. Eine Hoffnung, wie sie schwächer kaum sein konnte.

  Er kämpfte sich den Hügel hinauf, keuchte bei jeder schmerzhaften Bewegung und unterdrückte das Bedürfnis, sich zu übergeben. Er befürchtete, dass seine Haut um die Gelenke herum aufreißen würde, und kam zu dem Schluss, dass Dani kein normaler Mensch, sondern eine Art Laufmaschine sein musste. Sie wirkte nicht einmal erschöpft und jedes Mal, wenn er glaubte, dass sie anhalten und eine Pause einlegen wollte, ihn wenigstens ein paar Minuten lang dösen ließ, stand sie direkt auf und ging weiter.

  Und nun hatte sie etwas entdeckt. Ganz toll! Es bedeutete, dass sie sich zusätzlich auch noch beeilen wollte. Er fragte sich, ob sie ein schlechtes Gewissen bekam, wenn er ihr mit einem Herzinfarkt unter den Fingern wegstarb. Er ging davon aus, dass sie sich einen Dreck darum scherte. Wahrscheinlich würde sie in einem solchen Fall ungerührt weiterlaufen und höchstens einen kurzen Zwischenstopp einlegen, um ihm ein paar Nadeln aufs Gesicht zu streuen oder ihm einen kräftigen Tritt in die Eier zu verpassen.

  »Was … hast du genau gesehen?«

  »Ich sagte doch, ich weiß es nicht.« Sie machte sich nicht mal die Mühe, sich zu ihm umzudrehen.

  »Aber … da muss doch was gewesen sein. Sag schon!«

  »Es war Licht, okay? Und es hat sich auf irgendwas gespiegelt.«

  »Nichts als ein beschissenes Licht?«

  »Ich denke, es könnte eine Reflexion in einem Fenster gewesen sein. Das würde bedeuten, dass da eine Hütte ist. Ein Telefon. Was weiß ich, Conner! Es war das Einzige weit und breit, was nach einer möglichen Rettung aussah.«

  Heilige Scheiße, sie jagten Hirngespinsten hinterher. Sie würde stundenlang marschieren und dann beschließen, dass sie einen anderen Weg einschlagen mussten, oder noch einmal auf einen verfickten Baum klettern. Falls sie das tat, zog er sich definitiv eine Line. Er hasste sich dafür, bei der letzten Pause die Gelegenheit versäumt zu haben.

  »Wie wär’s, wenn ich einfach hier auf dich warte?« Er lehnte sich gegen den Stamm einer Kiefer und war davon überzeugt, auf der Stelle einzuschlafen, sobald er die Augen schloss. »Geh du ruhig weiter. Such … na ja, eben das, wonach du suchst. Wenn du eine Hütte findest, komm mich holen. Und wenn nicht … kannst du mich mal.« Er strich mit den Fingern durch die verschwitzten langen Haare und schuf so einen dunklen Vorhang vor dem Gesicht. Seine Lider klappten zu und eine Woge warmer Entspannung wanderte durch seinen Körper. Nicht viel, aber immerhin half es, das Brennen auf seiner Haut und das unangenehme Gefühl der Baumrinde, die sich wie ein Dutzend Messer in seinen Rücken bohrte, zu verdrängen.

  Eine Hand wie Feuer packte seinen Arm und riss ihn vom Baum weg. Ein kurzer Aufschrei entfuhr ihm, als er plötzlich aufrecht stand, orientierungslos herumstolperte und versuchte, die brennende Pranke abzuschütteln. Das schreckliche Gefühl brachte ihn zum Keuchen, bis er es schaffte, sich aus ihrem Griff zu befreien.

  »Was soll das, Dani? Willst du mir den gottverdammten Arm abreißen?«

  »Ich habe dich kaum berührt«, entgegnete sie. Er konnte in ihrem Gesicht lesen, dass sie ihn für einen Idioten hielt. Die abfälligen Blicke von allen, die ihn jemals verurteilt hatten, spiegelten sich darin wider. Von allen, die dachten, er wäre nichts weiter als ein zugedröhnt
er Versager. Er hasste es, wenn Menschen so mit ihm umsprangen. Er hasste sie. Wie zum Teufel konnte sie es wagen, ihn zu verurteilen? Immer diese Sängerinnen mit ihrem gewaltigen Ego.

  »Was ist dein verficktes Problem?«, wollte er wissen. Seine Stimme klang schrill und bockig, aber das war ihm in diesem Moment egal.

  »Mein Problem? Wovon redest du, Conner?«

  »Ich … Ich will das hier nicht machen. Die Scheißlatscherei und alles. Du hast selbst gesagt, wir sind mitten im Nirgendwo. Ich meine … können wir umkehren oder so? Oder uns einfach eine Weile ausruhen. Komm schon, Mann. Ich kann nicht mehr.«

  Sie schaute ein bisschen traurig, aber das pisste ihn noch mehr an. Als ob er ihr Mitleid nötig hatte.

  »Conner, es ist nur noch ein Hügel oder so.«

  »Das weißt du doch gar nicht. Bist du dir überhaupt sicher, dass wir noch in die richtige Richtung laufen?«

  Sie blickte sich um, drehte den Kopf hin und her, und er fand, dass das alles sagte. Nein, sie war sich alles andere als sicher. Mochte sein, dass sie ursprünglich auf Kurs gewesen waren, aber nun irrten sie einfach nur ziellos umher, um von der Stelle zu kommen.

  »Noch ein Hügel«, wiederholte sie. »Wenn du den noch schaffst, legen wir eine Pause ein. Und wenn auf der anderen Seite nichts ist, kehren wir um.«

  Er tat sein Bestes, ihr einen kalten Blick zuzuwerfen, obwohl er wusste, dass das nichts brachte. »Wie wär’s, wenn du dein Konditionstraining allein absolvierst? Wenn wirklich was auf der anderen Seite ist, kommst du zurück und holst mich ab.«

  »Conner.«

  »Deine Entscheidung. Ich bleibe hier.«

  Sie schnaufte auf eine besonders zickige Art und begann, mit stampfenden Schritten den Hügel hinaufzustaksen. Conner beobachtete sie eine Weile. Immerhin gab sie keine schlechte Figur ab. Lecker, wie die Jeans über ihren Arschbacken spannte. Aber das änderte nichts daran, dass sie ein durchgeknalltes Miststück war.

  Als er lange genug hingesehen hatte, lehnte er den Kopf zurück und schloss die Augen. Herrlich, diese Ruhe. Er musste im Moment zu viel wegstecken. Das Beste wäre, sich mal so richtig zuzudröhnen. Mit ungeschickten Fingern wühlte er in der Tasche nach seinem Vorrat. Der Plastikbeutel fühlte sich viel zu leer an, aber das war immer so. Zur Sucht gehörte, dass man nie genug bekam und immer nach mehr verlangte. Aber egal, darüber wollte er sich jetzt nicht den Kopf zerbrechen.

  »Conner! Komm rauf!«

  So ein verfluchter …

  »Was ist denn?«

  »Das musst du dir schon selbst ansehen. Los, beweg deinen müden Hintern hier hoch!«

  »Wie bist du da überhaupt so schnell raufgekommen?«

  »Mit meinen Beinen. Los, komm!«

  Sie würde nicht lockerlassen, das stand fest. Wenn er einfach die Augen schloss und versuchte, einzuschlafen, kam sie wahrscheinlich runter, um ihn höchstpersönlich diesen dämlichen Hügel raufzuschleifen. Wenn er kletterte, würde sie ihm anschließend wenigstens eine kleine Pause gönnen. Er nahm sich vor, seinen Teil der Abmachung zu erfüllen und danach etwas durch die Nase zu ziehen, als ob sein Leben davon abhing. Wer weiß? Vielleicht tat es das sogar.

  Stöhnend zog er sich am Stamm hoch, bis er stand. Dann kletterte er mit Todesverachtung die Anhöhe hinauf. Alle Gliedmaßen ließen ihn spüren, wie sauer sie über diese Entscheidung waren. Er landete dreimal mit dem Gesicht voran im Dreck, bevor er die Hügelkuppe erreichte, dann fiel er neben Dani auf die Knie und wischte sich die Erde aus dem Gesicht, während sie auf etwas zeigte.

  »Damit hatte ich nicht gerechnet.«

  Er folgte ihrem Finger und musste zustimmen. Nein, damit hatte er ebenfalls nicht gerechnet.

  Es war bei Weitem nicht so groß wie ihr Flugzeug. Er schätzte, dass zwei Leute darin Platz fanden, maximal vier. Beide Tragflächen waren spurlos verschwunden. An den Nahtstellen nichts als wie ausgefräst wirkende Metallkanten. Etwas hatte die Maschine gewaltig in die Mangel genommen und nach den Rissen in der Außenhülle zu schließen, war es nicht bloß der Absturz gewesen. Ihr Angreifer hatte sich auch über diese Maschine hergemacht.

  »Ich will nach Hause«, jammerte er, bevor ihm klar wurde, dass er laut gedacht hatte.

  »Ich hoffe, wir finden im Cockpit ein Funkgerät, das nicht den Geist aufgegeben hat.«

  »Du willst wirklich nachschauen, was?«

  »Du etwa nicht?«

  Verdammt. Doch, das wollte er. »Gehen wir«, sagte er und rappelte sich auf.

  Die ganze Welt war weich und elastisch geworden. Bei jedem Schritt spürte Greg, wie sie sich dehnte und anschließend wie ein Gummiband zurückschnappte. Um ihn herum geriet die Realität aus den Fugen. Manchmal befand sich die Kreatur, der er folgte, dicht vor ihm, ein anderes Mal verschwamm sie zu einem vagen Umriss in weiter Ferne. Die Bestie gab keinen Laut von sich, ließ nicht erkennen, ob es sie überhaupt interessierte, dass er ihr folgte. Sie bewegte sich zielstrebig durch den dichten Baumbestand. Greg wusste nicht mehr, wie lange er ihr schon auf den Fersen war. Minuten? Eine Stunde? Bestimmt keinen ganzen Tag, aber selbst das konnte er nicht mit Sicherheit sagen. Nichts ergab mehr einen Sinn. Na und? Er kam zu dem Schluss, dass es ihm völlig egal war.

  Sie wird emporsteigen. Es gibt ein Loch in der Welt. Die Worte hallten durch seinen Schädel wie der Klang von Kirchenglocken. Er wusste immer noch nicht, was sie zu bedeuten hatten, aber sie waren definitiv wichtig. Sie fühlten sich wichtig an. Während die Zeit auf diese merkwürdige Weise verrann, sich dehnte und verzerrte, reifte in ihm die Erkenntnis, dass er für diese Aufgabe bestimmt war, das Schicksal oder eine Art Vorsehung ihn hergeführt hatte, um eine neue Phase seiner Existenz einzuläuten. Etwas Fantastisches.

  Sie steigt empor.

  Er musste an die grauen Finger denken, die sich mit seinen verschlungen hatten, und der Gedanke brachte ihn zum Lächeln. Seit der Berührung fühlte er, wie sich in seinem Inneren eine Veränderung vollzog, wie einzelne Puzzlestücke sich verschoben und verrutschten, dabei neue Formen bildeten. Manchmal verursachte es Schmerzen, aber die meiste Zeit fühlte es sich wundervoll an und schickte eine wohlige Wärme durch seinen Körper. Bald würde er ein Teil von etwas Bedeutendem sein – von einem spektakulären Ereignis, das die Welt veränderte. Es gibt ein Loch in der Welt. Und er half beim Öffnen. Und wenn es das Letzte war, was er tat – er würde der Dunkelheit helfen, ans Licht zu gelangen.

  Etwas zog seinen Blick auf sich, ein Schemen zu seiner Rechten, der fehl am Platz, regelrecht fremdartig erschien. Er blieb stehen und starrte ihn an, stellte fest, dass eine merkwürdige Statue mitten im Wald thronte. Hätte er sie nicht bemerkt, wäre er achtlos an ihr vorbeigegangen. Aber jetzt nahm er nichts anderes mehr wahr. Die Kreatur war stehen geblieben. Sie musterte ihn aufmerksam und er spürte, dass sie ihm Zeit lassen würde. Er nickte und trat auf das seltsame Kunstwerk zu.

  Soweit er feststellen konnte, war es überwiegend aus Knochen, Felsbrocken und Schlamm errichtet, hier und da auch aus einigen anderen Bestandteilen. Er entdeckte eine ehemals glänzende Gürtelschnalle, die zwischen den Steinen eingeklemmt war. Etwas, das ein Brillenglas sein mochte, schimmerte in der Sonne. Niemand auf ihrem Flug hatte einen solchen Gürtel getragen und ihm fiel auch keiner ein, der eine Brille trug. Seine Brust schnürte sich zusammen, als er realisierte, dass diese funkelnden Habseligkeiten einer anderen Person aus einer anderen Zeit gehörten.

  Die Knochen und der Schlamm formten eine Art Monster. Es war nicht die Bestie – das sah er sofort –, aber je länger er den Schemen anstarrte, desto überzeugter war er davon, dass er etwas ungleich Bedeutenderes darstellte als ihr pelziger Besucher. Die Gestalt, die über ihm aufragte, stand auf drei Beinen – geknickt wie bei einer Spinne, jedoch so dick wie Kiefernstämme. Der Torso war robust und stand gebückt. Gliedmaßen ragten in verschiedenen Richtungen daraus hervor. Was er für den Kopf des Wesens hielt, war mit Kerben versehen. Ein Ring von Vertiefungen symbolisierte die Augen, eine breitere Schnitzerei nahm die Stelle des Mundes ein. Eine Aura von tiefer Verwundbarkeit und seltsamer V
erkehrtheit umgab die Statue. Greg fragte sich, ob es an der Gestaltung oder bloß an den verwendeten Materialien lag.

  Ein raues Grunzen trieb ihn zum Weitergehen. Er nickte und folgte der Bestie, die sich bereits in Bewegung gesetzt hatte. Seine Gedanken schwebten um ihn herum wie Staubflocken durch Sonnenstrahlen. Mit ausgestreckten Fingern versuchte er, sie zu berühren, aber sie wichen ihm aus und tanzten davon. Es war alles so fantastisch. Er wollte sich vollständig in diesem neuen Leben verlieren. Erst, als er den grollenden Atem der Bestie hörte, blickte er auf und merkte, dass sie eine kleine Lichtung betreten hatten.

  Durch den verworrenen grauen Schleier, der sein Sichtfeld ausfüllte, nahm er eine quadratische, etwa zwölf Meter durchmessende Fläche wahr, auf der keine Bäume wuchsen. Nicht eine Nadel lag auf der Erde. Kiefern, deren Stämme deutlich dunkler gefärbt zu sein schienen als die der anderen, flankierten die Lichtung in kleinen Grüppchen. Sie erweckten den Eindruck, diesen Ort vor einer Bedrohung von außen zu beschützen, und waren so dicht zusammengerückt, dass sie wie zusammengewachsen wirkten. Er spürte, dass an dieser Stelle etwas Wichtiges geschehen würde. Er wusste nicht, was oder wann, aber die Tragweite des künftigen Ereignisses hing wie Gewitterwolken über der Lichtung.

  Drei Leichen hockten in deren Mitte – Rücken an Rücken mit ausgestreckten Beinen. Zwei der blutverschmierten Männer trugen Überreste von Uniformen. Sein erster Eindruck war, dass er die Monturen von irgendwoher kannte, doch dann verließ das Gefühl ihn wieder. Bei einem prangte ein Hohlraum anstelle des früheren Bauchs, das Fleisch war zerfetzt und klaffte auseinander. Der Dritte kam ihm sogar noch bekannter vor und er fragte sich, ob er die Person zu Lebzeiten gekannt hatte. Es verwirrte ihn, dass das Wissen über diesen toten Mann außerhalb der Reichweite seiner Gedanken angesiedelt war. Das neue Wissen, das in sein Hirn drängte, schien alles andere zu verdrängen. Bald würde es ihm egal sein, dass er den Mann nicht zuordnen konnte. Aber in diesem Moment runzelte er die Stirn und starrte die Leiche an.

 

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