Ein schlurfendes Geräusch neben ihm lenkte seine Aufmerksamkeit von dem Verstorbenen ab und er war dankbar dafür. Als er sich umdrehte, ragte die Kreatur über ihm auf. Ihr rasselnder Atem drang in seine Ohren, der schwere, erdige Geruch ihres Körpers drang in seine Nasenlöcher und stieg ihm in den Kopf. Als er auf die schwarzen Tränen starrte, die aus ihren Augen strömten, stellte sich Greg die Frage, ob er sich in etwas Ähnliches verwandeln würde. War es das, was gerade passierte? Ergriff die Macht in der Tiefe Besitz von ihm und machte ihn zu etwas Stärkerem und Besserem?
Ohne es zu bemerken, grinste er das Monster an. Ein beinahe wahnsinniger Ausdruck, der ihm körperlich wehtat, trat auf sein Gesicht. Dem Biest war nicht anzusehen, ob es etwas davon mitbekam. Stattdessen streckte es ihm eine Klaue entgegen, in der ein Knochenstück lag. Es war zerbrochen und zersplittert und das eine Ende war zu einer Spitze abgeschliffen, sodass es an einen Dolch erinnerte. Er nahm es aus der kräftigen Pranke der Kreatur entgegen und fuhr prüfend mit dem Finger über die Spitze. Blut, das dunkler aussah als normal, rann über seine Knöchel. Es zog eine Spur über den Handrücken und lief am Unterarm entlang bis zum Ellenbogen. So viel Blut von so einem winzigen Stich in den Finger. Das ergab keinen Sinn, aber das galt für so vieles. Die Welt um ihn herum war ein einziges Rätsel und das geschärfte Knochenstück in seiner Hand würde ihm bei der Lösung behilflich sein.
Es gibt ein Loch in der Welt.
Sie steigt empor.
Er würde helfen, das Loch zu öffnen, und er würde der Dunkelheit bei ihrem Aufstieg aus der Tiefe behilflich sein. Das war seine Bestimmung und er würde alles daransetzen, sie zu verwirklichen.
Mit dem Knochenfragment in der Hand trat Greg an den nächsten Baum heran und begann, ein Muster zu schnitzen.
Zehn
»Dani, das ist wirklich abgefuckt. Ich meine, das ist noch abgedrehter als alles andere.«
Sie nickte, denn Conner sprach lediglich laut aus, was sie selbst dachte. Ein Blick in das Innere der kleinen Einpropeller-Maschine, die sie entdeckt hatten, erweckte den Eindruck, auf ein uraltes Artefakt gestoßen zu sein, mysteriös und voller Geheimnisse. Eine vertrocknete Leiche lag in der Kabine, so alt, dass sie nicht einmal mehr stank. Irgendwie hatte sie mit etwas Ähnlichem gerechnet. Seit dem Moment, in dem sie brennend aufgewacht war, schwirrte die Angst, dass man sie in einem vergleichbaren Zustand antreffen würde, um ihren Verstand herum wie eine Motte um eine Nachttischlampe.
Doch was ihr wirklich Sorgen bereitete, war die Schrift. Wörter und Symbole bedeckten die Innenwände des Flugzeugs. Sie alle waren mit etwas geschrieben, das zur Farbe von Rost verblasst war. Sie wusste nicht recht, was der tote Mann zum Schreiben benutzt hatte, bis Conner die zerkleinerten Knochen eines Fingers zwischen seinen Zähnen und vier abgenagte Stummel an seiner rechten Hand entdeckte. Was immer hier passiert war, hatte den Mann verändert, ihn dazu getrieben, etwas zu tun, das nach ihrer Meinung niemand bei klarem Verstand tat.
»Was glaubst du, was das bedeutet?«, wollte Conner wissen. Seine Stimme flatterte durch den Raum, als ob seine Nerven an ein Stromkabel angeschlossen waren und Funken sprühten.
Sie nahm sich erneut die Botschaft vor, die in sorgfältigen Druckbuchstaben verfasst war. Wenn sie sich gerade einen Finger abgebissen hätte, wäre sie nie und nimmer in der Lage gewesen, so ordentlich zu schreiben.
SO GEHT ES ZU ENDE
NIEMAND GEHT JEMALS FORT
DIE EWIGKEIT IST EINE GRUBE
ES GIBT EIN LOCH IN DER WELT
SIE STEIGT EMPOR
»Vielleicht befand er sich im Delirium oder so«, überlegte sie. »Wir wissen nicht, wie lange er hier drinnen festsaß. Er könnte kurz vor dem Verhungern oder dehydriert gewesen sein. Wer weiß?«
»Tja, ich jedenfalls nicht. Was ist das für ein Quatsch weiter unten?«
Dani schüttelte den Kopf. Sie war ebenfalls überfragt. Unter den letzten Satz hatte der mysteriöse Leichnam eine Reihe seltsamer Symbole gekritzelt. Falls es Buchstaben sein sollten, stammten sie aus einem Alphabet, das sie nicht kannte.
»Dani?«
Sie schüttelte erneut den Kopf, versuchte, sich zu sortieren. »Ich habe nicht die geringste Ahnung. Nur verrücktes Zeug, nehme ich an. Der Typ war immerhin am Verbluten.«
»Dani, da wäre ich mir nicht so sicher. Schau mal.«
Er starrte auf die andere Hand der Leiche, diejenige, die sie noch nicht untersucht hatte. Der fehlende Finger an der Schreibhand des Toten war ihr schnell aufgefallen. Sie war zu beschäftigt damit gewesen, dieses kleine Rätsel zu lösen, um die zerbrochene Flasche in der anderen Hand zu bemerken, die noch immer zur Faust geballt war. Die scharfen Kanten des zerbrochenen Glases reflektierten kein Licht. Eine bräunliche Schicht im gleichen Farbton wie die Schrift an der Kabinenwand überzog die Scherben.
Wie konnte das sein? Der Mann wies keine Schnittverletzungen auf. Conner bewegte sich um die Leiche herum, suchte alles ab.
»Hier.« Er deutete mit einem Finger auf die Kehle des Toten.
Dani beugte sich tiefer und spähte unter das Kinn der Leiche. Plötzlich begriff sie, was vorgefallen sein musste. Er hatte sich die Kehle aufgeschlitzt. Nein, er hatte mehr als das getan. Das verweste Gewebe offenbarte sich als gezackte Blüte aus Rissen und Furchen, eine Rose aus uraltem Fleisch. Der Mann musste die Worte geschrieben haben, bevor er sich das Leben nahm. Sie fragte sich, was einen Menschen dazu trieb, eine Flasche zu zerschmettern und sich damit nicht nur zu schneiden, sondern den eigenen Körper förmlich aufzureißen – ein Schauer des Ekels durchzuckte sie.
»Ziemlich abgefahrener Scheiß, was?«, kommentierte Conner.
»Ja«, gab sie zurück. »Ziemlich abgefahren.«
»Lass uns von hier verschwinden, okay?«
»Sofort. Lass uns nur schnell nachschauen, ob irgendwas rumliegt, das uns nützlich sein könnte.«
Conner seufzte und verdrehte die Augen. »Hör mal, ich bin hier reingeklettert, wie du’s von mir verlangt hast. Wenn wir noch länger bleiben, kann ich dann …?«
»Klar. Nimm nur nicht so viel, dass du hinterher nicht mehr laufen kannst.« Sie wandte sich wieder den Wörtern an der Kabinenwand zu. Denkbar, dass es sich lediglich um sinnlose Spinnereien von jemandem handelte, der ein wenig zu lange unter schrecklichen Bedingungen gelebt hatte. Der hoffte, dass das schreckliche Ding, das versuchte, zu ihm hereinzukommen, ihn am Leben ließ.
Aber die Symbole am unteren Ende der Botschaft zogen sie auf unerklärliche Weise an. Wieder und wieder glitten ihre Augen über die seltsamen Zeichen. Sogar, wenn sie sich wegdrehte, um die Kabine zu durchsuchen, ertappte sie sich dabei, sie zwischendurch kurz anzustarren, um die Bedeutung der Muster zu entschlüsseln. Sie krochen durch ihr Bewusstsein und brachten ihren Verstand zum Qualmen, bis jeder Zentimeter in ihrem Inneren lichterloh in Flammen stand.
Mit erhitztem Geist schielte sie zu Conner hinüber. Der Junkie zog sich eine Portion aus seiner Tüte durch die Nase und warf den Kopf zurück, als das Pulver bei ihm einschlug wie ein Blitz aus schwarzem Himmel. Sein Kopf sackte zur Seite, der Unterkiefer klappte auf und die Augen verwandelten sich in runde Monde, bevor sie ihm endgültig zufielen. So viel zum Thema Weiterlaufen.
Sie wollte sich erneut den Symbolen widmen, als sie bemerkte, dass sie ihre Hand darauf presste. Etwas zuckte durch ihr Blickfeld, verschwamm und wurde dann schärfer, bis es schließlich klar zu erkennen war. Sie sah einen Mann mit Schweiß auf dem Gesicht und Blut am Kinn, der die Überreste eines Fingers zwischen den Zähnen balancierte. Er schrieb die Botschaft an der Kabinenwand zu Ende. Sein Gesicht machte einen angespannten und konzentrierten Eindruck. Dani hörte gemurmelte Silben, die der Mann undeutlich nuschelte.
Loch in der Welt. Sie steigt empor.
Der Mann hielt inne. Er bewunderte sein Werk und ein Grinsen krabbelte über sein Gesicht wie eine Spinne. Langsam hob er die Flasche auf, die neben seinem Knie abgestellt war, und zerschlug sie auf dem Boden. Sein Gesichtsausdruck veränderte sich selbst dann nicht, als er sich das zerbroc
hene Glas in die Kehle rammte und mit einem ungesunden Gluckern herumdrehte. Als sein Arm erschlaffte, taumelte er nach hinten. Das Grinsen hing wie festgewachsen im Gesicht. Ein Ausdruck tiefer Wahrheit trat in seinen Blick, fast so etwas wie Liebe. Bevor die Vision verschwand, hörte sie ein Flüstern. Es versprach ihr wundersame Dinge und sie glaubte zu sehen, wie sich graue Hände nach dem toten Mann ausstreckten.
Dani lächelte. Es war ein bösartiges Lächeln mit gefletschten Zähnen, das ihre Augen ausklammerte. Das Gefühl in ihrem Herzen blieb unangetastet, doch ihr Mund dehnte sich immer mehr in die Breite, bis sie glaubte, ihr Gesicht müsse jede Sekunde zerspringen, wie altes Papier zerknittern und von ihrem Schädel abfallen. Etwas hatte sich verändert – etwas Wunderbares und ungeheuer Mächtiges.
Die Symbole füllten ihren Kopf mit Geräuschen, mit Vogelgezwitscher, das wie ein Sommer voller Silberglocken klang. Ihr Lächeln verbreiterte sich noch mehr, drängte ihre Kiefer aufeinander. Jeder Muskel verwandelte sich in ein Feuer, das weißglühend flackerte. Der Mann, der die Worte und Symbole niedergeschrieben hatte, kannte die Wahrheit über den Lauf der Dinge. Er hatte der Welt ihre uralten Geheimnisse entlockt und den Versuch unternommen, sie mit anderen zu teilen.
Conner hatte irgendwo in der Nähe zu schnarchen begonnen, aber sie konnte ihn nicht finden. Ihr Blickfeld hatte sich zu einem Tunnel verengt und die Zeichen an der Wand waren das Einzige, was sie noch wahrnahm.
Das erste Kichern löste sich aus ihrem Mund wie eine platzende Luftblase. Ein weiteres folgte und bald stieg eine ganze Serie aus ihrer Kehle auf und verwandelte sich in hartes, bösartiges Gelächter. Der Klang füllte das zerstörte Flugzeug aus und harmonierte mit den Glocken und dem Vogelgezwitscher in ihrem Gehirn. Sie bemerkte die schrecklichen Gefühle nicht einmal, die wie schwarzes Wasser in ihr aufwallten. Erst als es zu spät war und sich ihre eiserne Umklammerung nicht mehr löste.
Dani warf den Kopf zurück und schrie. Es fühlte sich an, als ob die Welt um sie herum zusammenbrach.
Es war ruhig, fast totenstill. In den letzten 30 Minuten hatte er nichts als das gelegentliche Summen von Jen wahrgenommen. Potter blickte auf die Uhr. Ihm blieben nur wenig mehr als 24 Stunden. Der zweite Zeiger kreiste unaufhaltsam um das Ziffernblatt. Er hätte am liebsten das Plexiglas zerschlagen, um ihn davon abzuhalten. Bald würde die Sonne untergehen. Er fragte sich, ob das Monster dann zurückkehrte. Ein Teil von ihm wünschte sich fast, dass das Wesen auftauchte. Dann hatte er wenigstens Besseres zu tun, als untätig herumzusitzen und Jen zuzuhören, wie sie Songideen ausprobierte. Er kauerte mit dem Rücken an der Kabinenwand, fühlte sich nutzlos und stellte fest, dass ihm auch diese Empfindung nicht sonderlich sympathisch war.
Nur für den Fall der Fälle kontrollierte er seine To-Do-Liste. Das Notizbuch wurde vor seinen Augen aufgeschlagen. Der einzige Eintrag auf der blassblauen Lineatur frustrierte ihn:
1. Warten
Sein Blick war finster wie ein schwarzes Loch. Bevor er verstand, was er vorhatte, hievte er sich auf die Beine und grummelte dabei ununterbrochen vor sich hin.
»Was?« Shannon schreckte auf. Ihre Hand wanderte automatisch zum Speer und er hätte sie dafür küssen können.
»Ich mache Feuer«, erklärte er.
Sie kam auf die Beine. »Halten Sie das für eine gute Idee?«
»Mir ist ganz schön kalt«, meldete Jen sich zu Wort.
»Sie meinen aber kein Feuer hier drin, oder?«
»Nein«, erwiderte Potter. »Ich zünde im Freien ein Leuchtfeuer an. Vielleicht bemerkt es jemand.«
Shannon trat ihm in den Weg. »Ich halte das für keine gute Idee.«
»Fällt Ihnen etwas Besseres ein?«
»Potter, dieses Ding lässt uns nun schon den ganzen Tag in Frieden. Warum wollen Sie seine Aufmerksamkeit unnötig auf uns lenken?«
»Weil ich etwas unternehmen muss. Das ist ein ebenso guter Grund wie jeder andere. Wenn wir ein anständiges Feuer zustande bekommen, schreckt es das Biest möglicherweise ab.«
»Ihr guter Grund ist also idiotisch? Kommen Sie! Wer sagt, dass das Ding Angst bekommst, wenn es ein Feuer sieht? Wir wissen überhaupt nichts über diese Kreatur. Verdammt, beim Absturz hat es auch gebrannt und sie kam trotzdem.«
»Erst als das Feuer fast runtergebrannt war. Jemand, der über uns fliegt, könnte uns dadurch bemerken.« Er versuchte, sich an ihr vorbeizuschieben, aber sie hielt ihn erneut auf.
»Wir haben den ganzen Tag kein Flugzeug zu Gesicht bekommen. Ist Ihnen das aufgefallen? Wie kann das sein?«
»Ich weiß es nicht.«
»Dann locken Sie nicht dieses Vieh an, nur weil Sie sich langweilen.«
Er spießte sie mit seinem Blick auf. Ein Kniff, den er sich beim jahrelangen Umgang mit Musikern, Konzertveranstaltern und Hotelangestellten angeeignet hatte. »Dani, Conner und Greg. Denken Sie einen Augenblick über diese Namen nach, Rolling Stone. Sie sind alle irgendwo da draußen unterwegs, und keiner von ihnen kann im Dunkeln sehen. Wäre es nicht gut, dass Sie uns sofort finden, wenn sie zurückkommen? Oder ist es Ihnen lieber, wenn Greg die ganze Nacht durch den Wald irrt?
Wirklich, ich wünschte, es gäbe eine Alternative. Die ganze Angelegenheit stinkt von vorne bis hinten. Aber im Moment müssen wir alles daransetzen, Risiken zu minimieren und unsere Chancen auf Rettung zu erhöhen. Ja, wenn wir ein Feuer anzünden, lässt sich nicht ausschließen, dass dieses Ding auf uns aufmerksam wird, aber genauso gut lässt sich argumentieren, dass wir damit Gregs Aufmerksamkeit erregen. Oder es sieht doch jemand anders den Rauch. Ich kann’s nicht garantieren, aber es reicht mir nicht, dass wir uns auf den Hosenboden setzen und abwarten.«
Sie musterte ihn und die Rädchen in ihrem Kopf rotierten offenbar auf Hochtouren. Falls Rolling Stone ihn bei seinen Bemühungen nicht unterstützen wollte, konnte er sie kaum dazu zwingen. Solange sie nicht auf die Idee kam, ihn zu boykottieren, würden sie miteinander auskommen.
Schließlich zuckte sie mit den Schultern. »Okay«, sagte sie. »Beeilen wir uns.«
Alles war Schatten. Conner wusste noch, dass sie ins Flugzeug eingestiegen waren, danach verschwamm alles. Da war irgendwas mit einem toten Typen, aber die Schleier verhinderten, dass er sich darauf konzentrieren konnte. Sie wirbelten um ihn herum, zogen ihn tiefer und tiefer, brachten ihn an einen Ort, an dem es warm und weich war und ihm nichts etwas zuleide tun konnte. Überhaupt nichts.
Durch fast komplett geschlossene Lider betrachtete er das … was war das? Befand er sich etwa immer noch im Flugzeug? Warum hatten sie das nur für eine gute Idee gehalten? Jeder Idiot konnte sehen, dass … zum Teufel damit. Es spielte keine Rolle. Jedenfalls befand er sich im Inneren der Maschine und starrte in einen engen Tunnel aus Schatten und Leere, der um ihn herum pulsierte. Schweben. Es fühlte sich an, als schwebte er. Er konnte sich einfach fallen lassen, durch diese wundersame Sphäre aus Dunkelheit und Wärme treiben. Hatte er sich das nicht verdient? Nach allem, was er heute durchgemacht hatte, belohnten ihn das Schweben und die Schatten und die Wärme und alle Glückseligkeit der Welt. Holt die Frauen zum Tanzen. Schaltet die Musik ein und nehmt sie an der Hand. Wenn es die richtigen Mädchen sind, werden sie sich an euch reiben, sobald die Musik einsetzt, und euer Schweiß wird sich vermischen.
Eine Bewegung. Er wusste nicht, was es war oder woher es stammte. Ein Teil der Schatten schien sich zu verschieben. Er kroch dichter heran und irgendwo in den Tiefen seines Geistes erklang eine leise Warnung. Der Appell, sich zu fürchten. Doch er verschwand sofort wieder. Alles war Schatten. Alles war Wärme. Er wusste, dass er einen Rausch durchlebte und nichts von alledem real war. Es machte keinen Unterschied, nicht den geringsten, warum sich also Sorgen machen?
Er war durch den Wald gewandert, der nach Weihnachten und Erde und altem Schweiß roch, und nicht einer hatte ihm dafür gedankt. Konnte sein, dass er deswegen ein bisschen sauer war, sogar wütend, aber nun war alles Schatten und war alles Wärme. Gut. Es war einerlei. Holt die Frauen. Zur Hölle mit dem ganzen Mist. Damit musste er sich nicht länger beschäftigen.
So ist’s richtig, Conner. Zeig ihnen, wie man die Schwarte krachen lässt.
Etwas berührte ihn. Er war nicht sicher, aber es fühlte sich an wie Finger, die an seinem Knöchel entlangstrichen, dem Bereich nackter Haut genau über dem Rand seines Turnschuhs. Sie waren weich, frei von Hornhaut an den Fingerkuppen. Daraus schloss er, dass es keine Gitarristenhand sein konnte Er selbst war Gitarrist – oh ja, und kein schlechter! – und er wusste, wie solche Hände sich anfühlten. Und die Band, in der er spielte, war verdammt gut. Sie standen kurz davor, groß rauszukommen. Oder halt, sie waren längst groß rausgekommen. Scheiße, sie konnten sich ein Flugzeug leisten, oder? Nicht jede Band unter der Sonne hatte genügend Cash, um mal eben einen Jet zu chartern. Und sie waren damit abgestürzt, verfluchter Mist.
Eine Bruchlandung mitten im Wald. Tote Menschen. Verletzte. Und dann dieses Loch. Eine wirklich große Öffnung im Boden. Überall Knochen und Blut. Und es gibt ein Loch in der Welt. Er hatte das irgendwo gesehen. Wo war das noch gleich gewesen? Ach ja, an der Wand. Der Wand an der Innenseite des anderen Fliegers, in dem alles Schatten und alles Wärme war. Dani befand sich in seiner Nähe und sie berührte ihn. Sein Ständer wurde immer härter. Er wollte nicht, dass das passierte, weil Dani keins von diesen Mädchen war. Sie war verheiratet, ein bisschen peinlich und eine blöde Zicke, aber er hatte beobachtet, wie sie diesen Hügel hinaufkletterte und ihre Jeans den Knackarsch küsste. Es hatte so sexy ausgesehen und nun fasste sie ihn auch noch an!
»Dani?« Ob er den Namen deutlich ausgesprochen oder nur ein Stöhnen aus seinem Mund gedrungen war, konnte er nicht sagen. Er brachte es nicht fertig, darüber nachzudenken. Alles war Schatten. Alles war Wärme.
Alles war in bester Ordnung.
Er erhielt keine Antwort, zumindest keine, die er hören konnte. Stattdessen kletterten die Finger höher. Ein Schauer durchlief seinen Körper und er fröstelte. Die Wärme brach wieder über ihn herein, aber das Zittern weigerte sich aufzuhören. Er wollte sich selbst umarmen, aber sein Körper gehorchte ihm nicht. Alles war Schatten. Alles war in bester Ordnung.
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