Charisma

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by Michael G. Coney

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  »Ich brauche ihn nur ein paar Minuten«, sagte er entschuldi-gend. »Es ist eine Polizeiangelegenheit.« Er sagte es so, als ob er erwartete, daß ich davon beeindruckt sein würde; er wußte nicht, daß ich längst aus dem Stadium heraus war, wo man von der Polizei beeindruckt ist. Ich fand sie jetzt nur noch angstein-flößend.

  Er fragte nicht nach meinem Namen. Der interessierte ihn nicht; außerdem hatte er es viel zu eilig, wieder zu dem gottgleichen Vertreter des Gesetzes zurückzukehren, der ihn durch einen Visiphonanruf geehrt hatte.

  Es war natürlich möglich, daß er später die Kassiererin nach meinem Namen fragen würde. Wenn er es tat, würde er bestimmt Bascus mitteilen, daß Maine in seinem Geschäft war und die Rechnungen durchgesehen hatte.

  Ich ging hinaus, während er noch mit Bascus sprach; durch Warten konnte ich nichts erreichen. Die Kassiererin sah, wie ich das Geschäft verließ, wirkte jedoch nicht interessiert. Ich war ziemlich sicher, daß sie mich bereits vergessen hatte; es war lediglich die Bewegung, die eine momentane Aufmerksamkeit in ihr ausgelöst hatte.

  Aber Bascus wußte jetzt, daß die Pistole mir gehörte.

  Als Kind habe ich mir oft vorzustellen versucht, welche Möglichkeiten einem flüchtigen Verbrecher offenstünden. Wenn meine Eltern mit ihrem Mountain Lion Mark III am Sonntag-nachmittag durch das Hochmoor und die Wälder am Rand des großen Nationalparks etwa dreißig Meilen nördlich von Falcombe fuhren, saß ich auf dem Rücksitz und stellte mir das Los eines entsprungenen Häftlings vor – es gibt ein Gefängnis in jener Gegend.

  Wenn ich dichtes Unterholz sah, stellte ich mir vor, ich würde mich darin verstecken; vom bequemen Hover Car aus gesehen, wirkte es beinahe einladend. Ich würde natürlich einen Schlafsack bei mir haben und in der gebärmuttergleichen Sicherheit des dichten Gestrüpps ruhen, während die Suchhunde in der Ferne bellten. Ich würde mir eine Höhle suchen und ihren

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  Eingang mit Gebüsch tarnen, und Beeren und wahrscheinlich Wurzeln essen. Geflohene Sträflinge essen immer Wurzeln.

  Meine erste Enttäuschung bei der romantischen Vorstellung eines Mannes auf der Flucht erlebte ich, als ich im Alter von zwölf Jahren ein Stück der herausragenden Wurzel einer Douglas-Fichte abschälte und das feuchte, weiße Holz benagte.

  Der Geschmack war unerträglich.

  Die zweite Enttäuschung erlebte ich, als ich das Sportartikelgeschäft verlassen hatte und in meinen Wagen stieg; zitternd vor Angst versuchte ich zu entscheiden, wohin ich jetzt gehen sollte.

  Ich spürte eine starke Versuchung, zum äußersten Ende des Landes zu fahren und mich dort zu verkriechen, bis sich die Dinge beruhigt hatten oder der wirkliche Mörder gefunden worden war. Doch war es sehr gut möglich, daß er nie entdeckt wurde. Bascus hatte sich vielleicht so völlig darauf versteift, mich zur Strecke zu bringen, daß er überhaupt nicht daran dachte, den Täter woanders zu suchen. Auf jeden Fall sagte mir mein Erwachsenenverstand, daß niemand sich für einen längeren Zeitraum verstecken kann. Mein Bild würde in Newspocket erscheinen. Das Geld würde mir ausgehen. Anstatt ein sorgloses Leben in der Freiheit der Wälder zu führen, würde ich in einer verkommenen Pension verhungern.

  Es sah aus, als ob mir nichts anderes übrig blieb, als nach Falcombe zurückzugehen, etwas Ordnung in die Dinge zu bringen und Bascus vorläufig aus dem Weg zu gehen – was bedeutete, daß ich mich sehr beeilen mußte, falls ich neue Spuren von Mellors’ Mörder finden wollte.

  Ich startete, machte eine weite Kehre und fuhr in Richtung Falcombe. Vor allem wollte ich mit Dorinda sprechen. Ich war nicht sicher, wie weit sie in diese Sache verwickelt war und hatte den Verdacht, daß sie etwas darüber wußte. Natürlich war es durchaus möglich, daß ihr Geheimnis sie mit Schuld belud, und in dem Fall war es unwahrscheinlich, daß sie darüber sprechen würde; doch darauf mußte ich es ankommen lassen.

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  Ich fuhr rasch durch die Außenbezirke von Falcombe; ich war dankbar für den Regen, der dafür sorgte, daß die Straßen schon jetzt fast leer waren, und parkte den Wagen vor dem Krankenhaus. Näher traute ich mich nicht heranzufahren. Ich schloß den Wagen ab und lief durch Nebenstraßen in Richtung Flußufer und Hotel. Ich brauchte nur eine Hauptstraße zu überqueren, die Straße, die parallel zum Ufer verlief. Ich erreichte sie in der Nähe des Fährenanlegers, und, nachdem ich festgestellt hatte, daß Ebbe war, stieg ich zum Ufer hinab. Eine Weile stand ich auf dem Schlamm, sah auf das braune, von Regentropfen zernarbte Wasser, das vorbeifloß, dann ging ich in Richtung Hotel.

  Nach einer Weile machte der Schlamm den hohen, mit

  Tanggirlanden behängten Mauern an der Rückseite von Villen Platz, die sich das Flußufer mit dem Falcombe Hotel teilen; hier kletterte ich eine glitschige Eisenleiter hinauf. Der Rasen des Hotels lag in einer Entfernung von etwa hundert Yards. Ich kroch unter tropfenden Büschen hindurch, zwängte mich durch ein paar triefend nasse Hecken und lief über den Rasen, froh darüber, daß die Bar noch nicht offen war. Ich schloß die hintere Tür auf und war im Hotel.

  Eine Weile stand ich in der menschenleeren Bar und fragte mich, wie ich an der Rezeptionistin vorbei zur Treppe oder zu den Lifts kommen sollte. Bestimmt hatte Bascus sie beauftragt, ihn sofort zu benachrichtigen, wenn ich ins Hotel käme. Und da ich sie kannte, wußte ich, daß sie es auch tun würde. Ich öffnete die Bartür ein kleines Stück und blickte vorsichtig in die Lounge.

  Sie saß nicht an ihrem Tisch. Sie war auf der Toilette oder in der Küche oder wo sonst sie ihre Zeit zu verbringen pflegte, wenn sie eigentlich arbeiten sollte. Ich fragte mich, wie sie das Kommen und Gehen der Menschen am Tag des Mordes so sicher hatte beschreiben können. Ich lief an der Rezeption vorbei, die Treppe hinauf und klopfte an Dorindas Tür.

  Einige Sekunden lang war ich auf dem langen Korridor allen Blicken preisgegeben. Endlich öffnete sie die Tür, blickte mich mit überraschtem Erkennen an, nahm mich beim Arm, zog mich rasch herein und schloß die Tür wieder.

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  »John! Die Polizei ist hinter Ihnen her!«

  »Ich weiß.« Ich hängte meinen durchnäßten Regenmantel an einen Haken hinter der Tür und blickte sie nachdenklich an. Ihr Gesichtsausdruck war fast genauso, wie ich ihn erwartet hatte: Überraschung und eine Spur von Erschrecken. Sie trug einen grünen Morgenmantel, ihr Haar war zerwühlt, ihre Lider waren verquollen, als ob sie geschlafen hätte. Als ich an ihr vorbei zum Bett blickte, sah ich in der Tagesdecke eine flache Vertiefung an der Stelle, wo sie gelegen hatte. Das Zimmer war letzthin fast ausschließlich von ihr benutzt worden und hatte, wie es in solchen Fällen unvermeidbar ist, die Atmosphäre der Hotelan-onymität verloren. Sie hatte die Frisierkommode von ihrem normalen Platz gerückt, vor dem Fenster stand ein Stuhl, der nicht zum Hotelinventar gehörte, an den Wänden hingen Bilder, die ich nicht kannte. In einer Ecke des Zimmers befand sich ein 3-D Mobile; ein hochgewachsener, muskulöser Mann posierte endlos.

  »Was wollen Sie hier?« fragte sie und blickte nervös zur geschlossenen Tür, als ob sie befürchtete, Bascus konnte sich plötzlich aus der Luft materialisieren, wie das Mobile.

  »Ich brauche einen Drink.«

  »Natürlich.« Sie schenkte mir einen großen Scotch ein, auf einem anderen Möbelstück, das auch nicht zur Standardausrü-

  stung gehörte, einer Eckbar. Nach kurzem Zögern goß sie auch einen für sich ein.

  »Danke.« Ich nahm einen Schluck von dem Scotch und fragte mich, wie ich beginnen sollte. Ich setzte mich auf die Bettkante; sie ließ sich auf dem Stuhl nieder und sah mich wartend an. »Ich sitze bis zum Hals in der Tinte, Dorinda«, sagte ich. »Es sieht so aus, als ob meine Pistole für den…« Ich zögerte.

  »Für den Mord an Wal benutzt worden ist«, brachte sie den Satz zu Ende, ohne daß sich ihr Gesichtsausdruck veränderte.

  »Ja. Dummerweise habe ich abgestritten, daß es meine Pistole ist. Und jetzt weiß Bascus, daß sie mir gehört.«

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  »Und was soll ich dabei tun?«

  »Das weiß ich nicht. Ich dachte nur… vielleicht würden Sie…«

  »Ein Alibi für Sie erfinden? Kommen Sie, John. Dazu ist es jetzt zu spät. Wir haben alle unsere Aussagen abgegeben.«

  Ich blickte sie mit einem, wie ich hoffte, bedeutsamen Blick an.

  »Ich denke, daß wir sie abändern könnten – unter gewissen Umständen.«

  Falls ich gehofft hatte, sie durch Einschüchterung zu einem Geständnis zu treiben, wurde ich enttäuscht. Sie wirkte lediglich ein wenig verwirrt. Hinter ihr erging sich der Muskelmann unaufhörlich in neuen Posen; er schien auf dem Achterdeck eines Bootes zu stehen. Gelegentlich sprühte leichte Gischt aus dem Nichts und verschwand genauso abrupt am gegenüberliegenden Rand. Es war ein Amateur-Mobile, ohne Ton und schlecht gemacht. Die Projektoren an der Wand summten leise. Dorinda, die sich der stummen Szene hinter ihr anscheinend nicht bewußt wurde, nahm einen kleinen Schluck Scotch.

  »Was meinen Sie damit, John?«

  Ich sah mich gezwungen, meine Taktik zu ändern. »Ich begreife nicht, wie meine Pistole in den Aufzugsschacht gekommen sein kann.« Ich konnte sie schließlich nicht geradeheraus fragen, ob sie sie genommen hatte. Ich begann mich zu fragen, was ich zu erreichen gehofft hatte, als ich hierher kam.

  Doch jetzt, plötzlich, blickte sie mich prüfend an. Sie hatte den Kopf etwas zurückgelegt und blickte mich aus Augen an, deren Lider jetzt noch schwerer wirkten, und ich fragte mich, ob sie Drogen nahm. Langsam erhob sie sich. »Entschuldigen Sie mich einen Augenblick, John«, murmelte sie, ging ins Bad und schloß die Tür hinter sich.

  Ich saß auf der Bettkante und fragte mich, was sie jetzt vorhatte; dabei blickte ich unkonzentriert auf das Mobile. Der Muskelmann hörte mit seinen Liegestützen gegen die Bootsreling auf und blickte jetzt auf die See hinaus; dabei legte er eine Hand

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  als Sonnenschutz über die Augen und stellte seinen mächtigen Bizeps zur Schau. Er hatte sein goldfarbenes Afro-Hemd abgelegt und trug nur noch eine knappe Badehose.

  Dorinda kam aus dem Bad, und ich blickte auf ihre Hände; ich hatte erwartet, daß sie irgendein mysteriöses Beweisstück mitbringen würde, doch ihre Hände waren leer. Sie setzte sich neben mich auf den Bettrand, und die Plötzlichkeit der Bewegung, verbunden mit der Elastizität der Matratze ließ mich gegen sie fallen – eine Annäherung, die sie nicht zurückwies.

  Im Gegenteil, plötzlich lagen wir zusammen auf dem Bett.

  Der Morgenrock stand offen, und eine Brust lugte heraus, als sie ihre Arme um mich schlang, sich an mich preßte und Wortloses murmelte. Ihr Gesicht näherte sich dem meinen, das ich unwillkürlich abwandte, so daß meine Wange sich in ihr Haar vergrub und ihr Atem in mein Ohr fächelte. Ihr Körper drängte sich gegen den meinen, und ihr Bein hakte sich um meinen Oberschenkel und zog mich noch näher an sie heran.

  Ich lag dort, paralysiert vor Verlegenheit, und fragte mich, wie ich in diese furchtbare Situation geraten war. Ich hatte keine Ahnung, wie ich mich daraus befreien konnte. Ich dachte an unser wenige Minuten zurückliegendes Gespräch und konnte nicht den geringsten Grund für ihr Benehmen entdecken; schließlich konnte keine Frau so etwas tun, ohne irgendwie dazu ermuntert worden zu sein. Ich ließ meinen Arm um ihre Hüfte liegen und meine Wange in ihrem Haar, während ich dem Muskelmann bei seinen stummen Freiübungen zusah. Wahrscheinlich hoffte ich, daß sie einschlafen würde, wenn ich lange genug reglos lag, und dann konnte ich entwischen.

  Sie zeigte jedoch nicht die geringste Spur von Müdigkeit, und ihre Hände fuhren drängend über meinen Körper. Ich versuchte, mich zu etwas Enthusiasmus zu zwingen, doch es war hoff-nungslos. Ich war an dieser Frau einfach nicht interessiert. Und dann geschah etwas, was mich all dies vergessen ließ.

  Eine Frau in einem Bikini war zu dem Mann im Mobile getreten.

  Anfangs standen sie mit ihren Rücken zu mir, eng beieinander,

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  und schienen etwas zu betrachten; dann trat der Mann zurück, und die Frau wandte sich um. Es war Dorinda.

  In ihrer Hand hielt sie eine Fischpistole.

  Sie umspannte das Handgelenk mit der linken Hand, um die Waffe ruhig zu halten, als sie am Lauf entlang zielte. Ich sah Rauch herauspuffen, die dünne Nylonschnur von der Rolle abspulen.

  Ich versuchte, mir zu sagen, daß es nichts anderes war, als eine Frau mit einer Fischpistole, doch ich konnte mich nicht von der Vorstellung befreien, daß ich eine Mörderin anblickte.

  Und Dorinda, die wirkliche Dorinda, richtete sich plötzlich auf.

  »Was ist mit Ihnen los?«

  Sie stützte sich auf einen Ellbogen und starrte mich wütend an.

  Mir fiel nichts ein, was ich ihr sagen konnte.

  Ihre Augen waren unnatürlich hell, und Tränen glänzten auf den unteren Lidern. »Ich meine«, fuhr sie mit einer Stimme fort, die immer schriller wurde, »Sie hätten doch wenigstens so tun können, als ob es Sie interessiert. Mein Gott, ich erwarte doch nicht Liebe. Die habe ich niemals erwartet und werde sie auch niemals bekommen. Aber wenn ein Mann mit mir ins Bett geht, erwarte ich zumindest, daß er seinen Teil der Abmachung einhält.«

  »Abmachung.?« murmelte ich.

  »Tun Sie doch nicht so verdammt unschuldig, Sie Bastard. Sie wollten ein Alibi, und ich wollte… Ach, zum Teufel, Sie wissen genau, was ich wollte. Ich war bereit, Ihnen zu helfen. Jawohl, ich hätte sagen können, daß ich mir Ihre Pistole ausgeliehen und verloren hätte, ich hätte behaupten können, jemanden mit der Waffe gesehen zu haben, ich hätte alles mögliche sagen können.

  Und ich hätte es wirklich getan, und dann wären Sie aus allem heraus gewesen. Aber nein, Sie wollen nicht einmal…« Ihre Stimme brach, ihr Gesicht verzog sich, und sie weinte.

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  Das Gesicht einer Mörderin. Ich konnte sehen, wie sich ihr Finger um den Abzug krümmte. Sie war auf meinem Boot gewesen, und jetzt sah es so aus, als ob sie mit Fischpistolen auch umgehen konnte.

  Ich trat zurück. »Sie wissen, wie man eine Fischpistole benutzt«, sagte ich brutal.

  »Was, zum Teufel, wollen Sie damit sagen?«

  Ich deutete mit einem Kopfnicken auf das Mobile. Sie wandte sich um, sah es und wurde trotz ihrer Tränen rot. Sie und der Strandläufer lächelten einander an und sagten unhörbar etwas zueinander, und der Mann löste einen langen Fisch von dem Bolzen.

  »Guter Schuß.« sagte ich.

  »Das war gestellt«, sagte sie mechanisch und starrte mich an.

  »Was hoffen Sie eigentlich zu erreichen, John?« Sie hatte sich wieder in der Gewalt.

  »Ein Geständnis vielleicht.«

  »Ein Geständnis?« Ihre Selbstkontrolle zerbrach völlig, und sie schrie: »Ein Geständnis, Sie Bastard? Für wen halten Sie mich?«

  Sie stürzte zur Tür. »Raus, Sie gottverdammter Mörder! Ich habe keine Angst vor Ihnen! Sie bringen es nur fertig, einen schlafenden Mann zu erschießen, das ist alles, wozu Sie Mut haben!« Sie riß die Tür auf. »Raus! Raus!« Ihr Schreien echote durch den Korridor. Ich hörte, daß Türen geöffnet wurden.

  Ich lief.

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  ALS ICH UM DIE BIEGUNG der Treppe und in das Gesichtsfeld der Rezeptionistin kam, blickte sie auf; der Ausdruck auf ihrem puppenhaften Gesicht veränderte sich nicht spürbar, obwohl sie etwas nicht Hörbares sagte, als ich an ihr vorbeistürzte und auf die Straße lief. Ich blickte wild nach links und nach rechts, Dorindas Geschrei noch in den Ohren, und erwartete, daß Polizeiwagen mich von allen Seiten einkreisen würden.

  Die Straße war leer. Nach rechts fiel sie feucht und eng zwischen alten, überhängenden Häusern zur Pier ab. Links verbreiterte sie sich hangaufwärts und umrundete die Landzunge, bevor sie auf dem Kamm des Bergrückens zur Straße nach Boniton führte.

  »Soll ich Ihnen ein Taxi rufen, Mr. Maine?«

  Ich fuhr herum. Wahrscheinlich sah ich aus wie ei
n gehetztes Kaninchen. Carter, der Portier, blickte mich an, das Gesicht unbewegt wie immer. Eine Welle hilflosen, blinden Hasses brandete in mir auf. Der Bastard wußte, daß ich auf der Flucht war. Er spielte mit mir. Ich schrie ihn an; er sah den Ausdruck in meinen Augen, sein Gesichtsausdruck veränderte sich und er wich nervös zurück. Ich lief die Straße entlang und ließ ihn stehen. Es war mir egal, was er denken mochte.

  Kurz darauf verließ ich die Hauptstraße und folgte dem Pfad, der auf die Klippen entlangführt; zum selben Zeitpunkt hörte ich auch auf zu laufen und versuchte, in einem normalen Tempo zu gehen. Links von mir befand sich die steile, zerklüftete Felswand, die hier zwanzig Fuß tief zum eisigen Wasser abfiel; rechts auf dem Hang standen Häuser und ein paar kleine Hotels. Der Pfad war mir vertraut; vielleicht hatte ich ihn aus diesem Grund gewählt. Etwas weiter führt er um ein paar sandige Buchten herum, steigt dann einen steilen Hang hinauf und windet sich zwischen Ferienhäusern am Bergrücken zur Starfish Bay hinab.

  Ich ließ mich völlig von meinen Instinkten leiten, blieb aber so weit klar, um zu wissen, daß ich, wenn ich diesen Weg

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  weiterging, schließlich auf die Reste der Einsiedlerhütte und einen umgestürzten Baum starren und an Susanna denken würde. Und das würde mir überhaupt nicht weiterhelfen. Starfish Bay war eine Sackgasse.

  Der Pfad hatte eine Reihe von Stufen, die zu einer weiten, sandigen Bucht führten. Es herrschte noch immer Ebbe; der Sand glänzte feucht und alles andere als einladend. Hier und dort lag ein Boot in einer Pfütze, die das ablaufende Wasser zurückgelassen hatte. Ich blieb stehen. Auf der anderen Seite der Bucht sah ich wieder die Straße, die an einem geschlossenen Cafe vorbeiführte. Jenseits der Straße standen keine Häuser mehr; eine flache Weide führte bis zum Rand eines Waldes. Ich ging eilig in diese Richtung, überquerte die Straße und den verlassenen Parkplatz des Cafes, trat durch ein Gatter auf die Weide. Ich trabte über den weichen, marschigen Grund, fühlte mich exponiert und ein wenig albern, wie ein Mann, der mit Kindern im Freien spielt.

 

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