Faded Duet 2 - Faded - Wenn alles stillsteht
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»Der einzige Grund, aus dem ich Qualen leide, ist die Richtung, in die sich diese Unterhaltung entwickelt hat«, brumme ich. »Können wir über etwas anderes reden?«
»Könntest du die Augen noch mehr vor der Wahrheit verschließen? Verdammt, da bin ich ja gerade noch rechtzeitig gekommen …«
»Ich verschließe die Augen nicht vor der Wahrheit!«
»Willst du wirklich wissen, warum die Leute so sehr an dir und Ryder interessiert sind?«
»Du wirst es mir ohnehin erzählen, oder?«
Sie tut so, als hätte sie mich nicht gehört. »Warum sind Carrie und Mr Big so beliebt? Oder Logan und Veronica? Chuck und Blair? Violet und Beck? Derek und Meredith? Verdammt, sogar Ross und Rachel?«
»Ähm … sie sind alle fiktional?«
»Nein. Sie leiden.« Sie seufzt wieder. »Die Massen lieben nichts mehr als ein Paar, das nicht zusammen sein kann, aus welchem Grund auch immer. Das liegt in der menschlichen Natur – wir fiebern mit den Dingen mit, die nicht passieren werden. Wir zerbrechen uns den Kopf über die Eine-Million-zu-eins-Chance. Wir drücken die Daumen und wünschen uns gegen jede Wahrscheinlichkeit, dass die zwei Menschen, bei denen die geringste Möglichkeit besteht, dass sie sich ineinander verlieben und miteinander glücklich werden, genau das tun.«
»Nur weil Ryder und ich eine komplizierte Beziehung miteinander hatten, bedeutet das nicht, dass wir dazu bestimmt sind, zusammen zu sein.«
»So magst du das sehen, aber das wird nichts daran ändern, wie die Öffentlichkeit es sieht. Die Wahrheit ist, dass sich niemand dafür interessiert, wie sich die einfachen Liebesgeschichten entwickeln. Die problemlosen Fälle sind völlig uninteressant.« In ihren Augen flackert die Leidenschaft eines treuen Fans auf, wenn es um seine Lieblingsseifenoper geht. »Wir wollen die Mühsal. Das Elend. Die lodernden Blicke und die brodelnde sexuelle Spannung. Das explosive Potenzial von etwas, das aller Wahrscheinlichkeit nach niemals passieren wird … weil eben die winzige Chance besteht, dass es doch passieren wird …« Sie kann ihr Grinsen nicht völlig unterdrücken. »Das verschafft uns den Kick.«
»Das hier ist mein Leben und keine fiktive Sitcom«, rufe ich ihr ins Gedächtnis. »Ich bin eine Person aus dem echten Leben. Und er ist das ebenfalls. Mit echten Problemen und Schwierigkeiten.«
»Ob es dir nun gefällt oder nicht, du bist eine Berühmtheit – für den Großteil der Welt könntest du ebenso gut eine fiktionale Figur sein. Die Felicity Wilde, wie die Medien sie darstellen, ist die einzige, die die meisten Leute je zu sehen bekommen werden. Sie schreiben das Drehbuch ohne dich.« Sie hält inne. »Aber das alles weißt du ja bereits. Du hast das schon mal durchgemacht.«
Ich schließe die Augen. »Ich hatte wohl gehofft, dass es dieses Mal anders sein würde.«
»Schätzchen – mit dir und Ryder wird es niemals anders sein. Die Welt liebte euch, als du achtzehn warst und mit ihm zusammen als virale Sensation der Inbegriff für überstürzte Jugendliebe wurdest. Und nun, da euch scheinbar unüberwindbare Hindernisse trennen … liebt sie euch nur umso mehr.«
»Scheinbar unüberwindbar?«
»Das ist dir aufgefallen, was?« Sie lacht. »Gib mir eine ehrliche Antwort: Warum bist du allein hier oben, anstatt die Dinge mit einem Mann, der eindeutig immer noch denkt, dass die Sonne deinetwegen auf- und untergeht, wieder in Ordnung zu bringen?«
»Carly«, warne ich sie. »Das ist nicht mal ansatzweise …«
Sie hebt eine Hand. »Spar dir den Vortrag. Ich weiß ohnehin, was du sagen wirst.«
Ich ziehe fragend die Augenbrauen hoch.
»Der Wind im Moor weht wieder!«
Ich verdrehe die Augen. »Urkomisch.«
»Zwischen den Sternen und seinen Augen gibt es keinen Vergleich, und doch muss ich widerstehen!«
»Das wird langsam echt langweilig.«
»Der Sog des Mondes ist nur eine blasse Nachahmung seiner Verlockung, doch lieber werde ich wehklagen, als mein Herz erneut aufs Spiel zu setzen!«
»Carly.«
»Tut mir leid. Jetzt bin ich fertig.« Das schelmische Funkeln in ihren Augen verblasst ein wenig, als sie den Ausdruck auf meinem Gesicht sieht. »Du weißt, dass ich nur Spaß mache, oder?«
»Ist das denn so?« Ich schüttle den Kopf. »Ich glaube nicht, dass du das verstehst.«
»Dann erklär es mir.«
»Wenn ich ihr nachgebe – wie hast du das formuliert? – dieser Verlockung, die stärker als die Anziehungskraft des Mondes ist …« Frustriert fahre ich mit den Händen durch mein Haar und suche nach den richtigen Worten, um es ihr begreiflich zu machen. »Wenn ich mich zurück in Ryders Arme fallen lasse, wie ich es beim letzten Mal getan habe, dann wird es wieder auf die gleiche Weise enden: im Elend. Und zwar in sehr viel mehr Elend, als ich momentan verspüre.«
»Bist du dir da sicher? Denn du wirkst ziemlich elend, wenn man bedenkt, dass du in Kürze auf eine ausverkaufte Tournee aufbrechen und einen Traum leben wirst, für den jeder Musiker auf dem Planeten töten würde.«
»Nicht jeder Musiker«, widerspreche ich leise.
»Na gut. Ich weiß, dass du dieses Leben nie wolltest. Und auch wenn du vom Gegenteil überzeugt zu sein scheinst, versuche ich nur, dir zu helfen, Felicity. Wenn ich sehe, wie du den Weg ignorierst, der dich zum Glück führen würde, was für eine Freundin wäre ich dann, wenn ich dir nicht einen kleinen Schubs in diese Richtung verpassen würde?«
»Warum bist du dir so sicher, dass es dieses Mal funktionieren würde?«
»Warum bist du dir so sicher, dass es nicht funktionieren würde?«, kontert sie.
»Muss ich dich an die Verhaftungen wegen Trunkenheit am Steuer erinnern? An die zahlreichen Frauen in seiner Begleitung? An den von Drogen benebelten Zustand, in dem er fast ein Jahr lang durch die Gegend gestolpert ist, wenn die Fotos und Schlagzeilen, die ich gesehen habe, ein Hinweis darauf waren?« Ich atme tief durch die Nase ein. »Selbst wenn die Klatschpresse die Geschichten ausgeschmückt hat, war er nicht gerade ein Chorknabe, nachdem ich L. A. verlassen hatte.«
»Genau das ist der Punkt – nachdem du L. A. verlassen hattest.« Ihre Worte sind leise und eindringlich. »Du machst ihn für etwas verantwortlich, das er tat, als ihr nicht mehr zusammen wart. Findest du das fair?«
»Fair? Das soll wohl ein Witz sein. Nichts hiervon ist fair.« Plötzlich sind meine Augen voller Tränen, und meine Stimme bricht. »Denkst du, es ist fair, dass ich mich in einen Mann verliebt habe, der den einzigen Weg einschlug, auf dem ich ihm niemals folgen konnte? Denkst du, es ist fair, dass es mir irgendwie vorherbestimmt ist, das Leben meiner Eltern erneut durchzumachen, obwohl ich alles in meiner Macht Stehende getan habe, dem zu entkommen?« Eine Träne rollt über meine Wange. »Das ist nicht fair, Carly. Das ist das Universum, das mich dafür auslacht, dass ich dachte, ich hätte eine Chance auf etwas Besseres.«
Sie sagt nichts, sondern hüpft einfach nur neben mich auf die Theke und stößt mit ihrer Schulter gegen meine. Sie lässt mich ohne Worte wissen, dass sie für mich da ist – ob wir nun einer Meinung sind oder nicht.
»Er ist jetzt clean«, sagt sie nach einer Weile mit leiser Stimme. »Macht das irgendeinen Unterschied?«
»Ich weiß es nicht«, flüstere ich ehrlich. Ich habe mir in den vergangenen zwei Wochen immer wieder die gleiche Frage gestellt, seit ich es von ihm erfahren habe. Es herrscht längeres Schweigen, während ich nach den richtigen Worten suche. »Als ich ihn das letzte Mal wegen der Drogen zur Rede gestellt habe, versprach er mir, dass er damit aufhören würde. Er sagte, dass er damit fertig sei … und wurde nicht mal zwei Tage später wegen Kokainbesitzes verhaftet.« Wieder schließe ich die Augen. »Also schätze ich … dass es nicht nur darum geht, ob ich weiß, dass er damit aufgehört hat. Es geht darum, dass ich ihm vertrauen muss, dass er nicht wieder damit anfangen wird.«
»Ah, Vertrauen. Dieses trügerische kleine Miststück.« Carly seufzt tief. »Meiner bescheidenen Meinung nach – auch wenn sie nicht allzu viel wert sein mag – ist es dir nicht vorherbestimmt, in die Fu�
�stapfen deiner Eltern zu treten, Felicity. Dafür bist du zu stark. Das habe ich immer an dir bewundert.«
»Warum klingst du dann so nervös?«
Sie verzieht die Lippen. »Ich mache mir einfach Sorgen, dass du so stark und so unabhängig bist … dass du dich vollkommen isolieren wirst.«
»Unabhängigkeit ist kein Verbrechen, Carly.«
»Nein.« Sie hält inne. »Aber nur weil du zäh genug bist, um alle Last des Lebens allein zu tragen, bedeutet das nicht, dass du das tun solltest. Es mag dir sicherer erscheinen, jeden auf Abstand zu halten … Aber ich könnte mir vorstellen, dass das auf Dauer ziemlich einsam werden wird.«
»Keine Sorge. Mittlerweile bin ich daran gewöhnt.« Das Lachen bleibt mir im Hals stecken und klingt fast wie ein Schluchzen. »Ich bin schon mein ganzes Leben lang einsam.«
Abgesehen von ein paar kurzen Monaten, in denen ich die zerbrechlichen Anfänge einer anderen Art von Leben in den Händen hielt. Ein Leben mit einem Mann an meiner Seite, der sagte, dass er die Sterne für mich bewegen würde, wenn ich nur darum bäte.
»Und was jetzt?«, fragt Carly geradeheraus. »Wirst du die nächsten vier Monate einfach leiden und ihn auf Abstand halten, bis du dich wieder aus dem Staub machen kannst?«
»Das wird sich wohl kaum vermeiden lassen«, stelle ich fest und schlucke schwer. »Aber zumindest wird es diesmal zu meinen eigenen Bedingungen sein.«
»Schön. Dann leide eben, du Sturkopf. Das wird diese Tournee wirklich zu einem Riesenspaß machen. Ich bin echt begeistert, dass ich das miterleben darf.« Sie schüttelt den Kopf und senkt die Stimme zu einem leisen Murmeln. »Von wegen keine Brontë-Heldin.«
Ich lache und lehne den Kopf an ihre Schulter. »Danke, dass du hergekommen bist.«
»Deine spirituelle Führerin meldet sich zum Dienst.« Sie wischt mir eine Träne von der Wange. »Und jetzt reiß dich zusammen. Du musst neunzigtausend Leute beeindrucken, und das kannst du nicht mit verheulten Augen.«
12. KAPITEL
Ryder
Ich tauche auf den allerletzten Drücker zum Soundcheck auf.
Ich bin nicht gerade stolz auf die Tatsache, dass ich auf die Vermeidungstaktik zurückgreife, aber mir bleibt kaum eine andere Wahl. Entweder gehe ich ihr komplett aus dem Weg oder ich erdulde die Qual, einen Meter von ihr entfernt zu stehen, ohne in der Lage zu sein, meine Lippen auf ihre zu pressen, meine Hände auf ihre Haut zu legen und die feinen blauen Venen nachzuzeichnen, die unter der Oberfläche verlaufen wie ein Wegweiser zu ihren empfindlichsten Stellen – zuerst mit meinen Fingerspitzen und dann mit meiner Zunge.
Beim bloßen Gedanken daran bekomme ich eine Erektion. Mein Schwanz ist wie ein Soldat, der noch immer strammsteht, obwohl der Krieg längst vorbei ist. Er ist nach wie vor bereit, zum Einsatz zu kommen, trotz der Tatsache, dass sein kommandierender Offizier bereits einen Waffenstillstand ausgerufen hat.
Die Schlacht ist vorbei, Jungs. Es war eine überwältigende Niederlage.
Diese Liebe steht auf verlorenem Posten.
Vor einem Monat trieb ich noch am schönsten Ort der Erde auf einem Surfbrett im Wasser und dachte, dass ich wahre Trostlosigkeit erfahren hätte.
Ich lag falsch.
Der Tiefpunkt besteht nicht darin, in ihrer Abwesenheit zu leben. Es ist das langsame Verkümmern, das ich erleide, während ich zusehe, wie sie immer mehr aus meinem Blickfeld verschwindet und sich ebenso effektiv aufzulösen scheint wie die Erinnerungen ihrer Großmutter, die dieser nach und nach durch ihre Krankheit genommen wurden.
Sie zu verlieren, obwohl sie sich immer noch in meiner Reichweite befindet, ist weitaus schlimmer, als sie gar nicht zu sehen.
Die ganze Band hat sich auf der Bühne eingefunden und wartet auf mich, während die Leute von der Technik ein paar letzte Einstellungen vornehmen. Ich bleibe für einen Moment im dunklen Seitenbereich der Bühne stehen und beobachte sie einfach.
Sie lacht über etwas, das Linc sagt, und mein Magen wird zu Stein.
Sie schenkt Aiden ein warmes Lächeln, und ich balle die Hände zu Fäusten.
»Du bist immer noch total in sie verschossen, oder?«
Ich wirbele herum, um zu sehen, woher die Stimme kommt, und stelle verblüfft fest, dass sie der ehemaligen Bühnenmanagerin des Nightingale in Nashville gehört. Sie sitzt auf einer Ausrüstungskiste und hat die Beine verschränkt. Ihr Anblick versetzt mich sofort zwei Jahre zurück, und ich erinnere mich an die Abende, an denen ich und die Jungs in Spelunken statt in Arenen spielten. Damals bestand unser Publikum aus Kneipenhockern, die kaum in der Lage waren, einen verständlichen Satz hervorzubringen, statt aus eingefleischten Fans, die für Premiumplätze bezahlen.
»Carly? Was zum Teufel machst du hier?«
»Felicity hat mich eingeladen.« Sie hüpft von der Kiste und kommt zu mir herüber. Dabei hält sie mir ihren VIP-Ausweis hin. »Schön, dich zu sehen, Ryder.«
»Es ist eine Weile her.«
»Allerdings. Seit unserer letzten Begegnung hat sich eine Menge verändert.« Sie legt den Kopf schief und schaut über meine Schulter zu der Frau auf der Bühne. »Und manche Dinge haben sich kein bisschen verändert, wie es scheint.«
Ich atme geräuschvoll aus. »Ich wusste nicht, dass du und Felicity noch Kontakt habt.«
»Natürlich haben wir Kontakt«, sagt sie, als sollte das selbstverständlich sein. »Ich meine, angesichts ihrer seltsamen Abneigung gegen Handys war es nicht leicht, aber die Schneckenpost war besser als nichts. Wenn sie einfach wie vom Erdboden verschluckt gewesen wäre, hätte ich natürlich … Oh.« Sie errötet, als sie den düsteren Ausdruck auf meinem Gesicht bemerkt. »Klar. Tut mir leid.«
»Ich bin froh zu hören, dass sie ein paar ihrer Kontakte aufrechterhalten hat.« Mein Lächeln ist rasiermesserscharf. »Ich schätze, manche von uns konnte sie leichter aus ihrem Leben streichen als andere.«
»Ryder …«
Ich spanne den Kiefer an. »Sie warten. Ich sollte auf die Bühne gehen.«
»Natürlich. Ich wollte dich nicht aufhalten.«
Ich mache zwei Schritte, bevor sie meinen Namen ruft. Ich drehe mich um und ziehe fragend die Augenbrauen hoch.
»Ich kenne nicht alle Einzelheiten von dem, was sie erlebt hat, während sie nicht hier war. Ich weiß nicht mal genau, warum sie gegangen ist. Aber ich weiß, dass es nicht leicht für sie war, egal was du vielleicht denken magst. Kein bisschen leicht.« Sie schluckt nervös. »Und wenn du mich fragst, ist es das immer noch nicht.«
Sie versucht nur zu helfen, aber ihre Worte sorgen dafür, dass ich meine Faust durch die nächstbeste Wand rammen will. Mit einem knappen Nicken drehe ich mich um und marschiere auf die Bühne hinaus.
»Seht mal, wer da endlich seinen Hintern zum Soundcheck bewegt hat!«, ruft Linc hinter seinem Schlagzeug. »Der Ball konnte nicht ohne dich losgehen, Aschenputtel.«
»Wir warten seit zwanzig Minuten auf dich.« Aiden sieht mich mit gerunzelter Stirn an. Er steht auf der anderen Seite der Bühne und redet mit einem der Tontechniker.
»Gebt nicht mir die Schuld dafür, sondern dem Verkehr. Da war einfach kein Durchkommen«, murmle ich und weiche ihren Blicken aus, während ich meinen Platz am Mikro einnehme. Als ich in die Arena hinausschaue, stockt mir angesichts ihrer gewaltigen Ausmaße der Atem. All diese leeren Sitze – in ein paar Stunden werden sie voller Leute sein, die unseren Liedern lauschen und unsere Texte mitsingen …
»Ziemlich unwirklich, oder?«, fragt Felicity leise links neben mir. Ihre Stimme zittert. »Schwer zu glauben, dass so viele Leute kommen werden, um uns zu sehen.«
Ich erwidere nichts, während ich mir den Gitarrengurt über die Schulter schlinge und ein paar Einstellungen an den Stimmwirbeln vornehme. Dann drehe ich mich wieder zu Aiden und rufe: »Lass uns anfangen!«
Der kleine verletzte Laut, der sich Felicitys Kehle entringt, zwingt mich fast in die Knie, aber ich würdige sie nicht mal eines Blickes. Zwei Wochen lang habe ich ein Interview nach dem anderen absolviert und ihr dabei zugehört, wie sie der Welt erz
ählte, dass wir als Freunde besser funktionieren. Und die Wut, die sich dadurch in mir angestaut hat und seitdem in mir brodelt, droht plötzlich überzukochen.
Schweigen ist das Einzige, was die Explosion verhindern kann. Wann immer ich meinen Mund öffne, wird es zunehmend schwerer, all die Dinge hinunterzuschlucken, die ich ihr sagen will. Dinge, von denen sie sehr deutlich gemacht hat, dass sie kein Interesse daran hat, sie zu hören.
Als uns der Tontechniker grünes Licht gibt, spielen wir »Don’t Break My Heart« – eine eingängige Eröffnungsnummer, die dafür sorgen wird, dass die Zuschauer schon nach den ersten paar Takten auf ihren Plätzen tanzen. Aiden wollte mit einem unserer langsameren Lieder anfangen, aber wir haben ihn überstimmt.
Das ist eine Stadiontournee, kein Open-mic-Abend in kleiner Runde.
Wir spielen die erste Strophe und müssen dreimal innehalten und neu anfangen, während das Technikerteam an dem Lautsprechersystem herumbastelt und die Bühnenscheinwerfer richtig einstellt. Ich blinzle Sterne aus meinen Augen, als mich die Scheinwerfer anstrahlen und für einen Moment blenden.
Aus dem Augenwinkel kann ich sehen, dass es Felicity ähnlich ergeht.
Wir haben die letzten zwei Wochen damit verbracht, auf einer provisorischen Bühne im Studio von Route 66 zu proben, aber das ist kein Vergleich dazu, hier auf der echten Bühne zu stehen. Sie ist wie ein großes T gebaut. Ein schmaler Laufsteg führt zu einer runden zweiten Plattform in der Mitte des Zuschauerraums. Im Laufe des Auftritts werden wir unsere Mikrofonständer verlassen und dort hinausgehen, um mitten in der Menge zu spielen. Wir werden Rücken an Rücken singen, während die Blicke unzähliger, sich im Rhythmus wiegender Fans auf uns gerichtet sein werden.
Die Techniker testen jedes Mikrofon, jede Lichteinstellung und jeden Lautsprecher, bevor sie uns schließlich entlassen, damit wir uns entspannen und vorbereiten können. Uns bleibt noch eine Stunde, bevor sich die Türen öffnen werden. Wir sind alle vier unheimlich still, während wir in den Backstagebereich gehen. Die Tatsache, dass unser erster großer Auftritt unmittelbar bevorsteht, schüchtert uns so sehr ein, dass für den Moment sogar Lincolns übliches Gequassel verstummt.