Der letzte erste Song (Firsts-Reihe 4) (German Edition)

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Der letzte erste Song (Firsts-Reihe 4) (German Edition) Page 25

by Bianca Iosivoni


  »Nimm es mir nicht übel, aber ich kann deine Mom nicht ausstehen«, hatte Emery gesagt, als wir Seite an Seite die Treppe nach unten nahmen.

  Ich unterdrückte ein Seufzen. »Sie ist manchmal etwas … eigen.«

  »Sie ist ein Kontrollfreak«, widersprach Emery mir und betrachtete mich von der Seite. »Ganz ehrlich, Grace, nach der letzten Vorlesung warst du zwar müde, aber immer noch gut drauf und hast dich auf den Abend gefreut. Jetzt siehst du so aus, als hätte jemand dieses Leuchten in deinen Augen ausgeknipst wie bei einer verdammten Lampe.«

  Diese Aussage hallte auch eine Stunde später noch immer in meinen Gedanken wider, als wir unser Eis beinahe aufgegessen hatten und über alles Mögliche sprachen. Ich wusste nicht mal, wie wir bei Mason gelandet waren. Bei Mason und Jenny, um genau zu sein.

  Ich wich den entsetzten Blicken aus, stocherte in meinem Eis herum und fischte eine Erdbeere heraus. »Ähm … ja?«

  Was war schon so schlimm daran, ihm zu raten, sich mit seiner Freundin zu versöhnen? Alles war besser als dieses … dieses Etwas zwischen uns, als diese Chance, diese Möglichkeit, die keine war. Er liebte Jenny. Das wusste ich. Das konnte ihm jeder ansehen. Und ich war die Letzte, die sich in eine Beziehung drängen wollte.

  »Bist du irre?!«, rief Emery so laut, dass sich gleich mehrere Leute zu uns umdrehten. Tate, die öffentliche Szenen mindestens so sehr hasste wie alle Menschen, die ihr auf die Nerven gingen, warf ihr einen vernichtenden Blick zu, aber Emery ignorierte sie einfach. »Wir warten alle doch nur darauf, dass er sie in den Wind schießt! Diesmal endgültig.«

  »Aber …«, begann ich.

  »Kein Aber.« Tate stieß den Löffel in die Eiskugel in ihrem Milkshake, als würde sie ein Messer in einen Berg aus Schokolade rammen. »Sie ist Gift für ihn und hält ihn schon seit der Highschool ständig hin. Hast du eine Ahnung, wie sehr er sich den Arsch für sie aufreißt?«

  »Ich schon«, kommentierte Emery trocken. »Schließlich hat er Dylan sogar mal dafür bezahlt, mich vom Wohnheim fernzuhalten, damit Jenny nie erfährt, dass Maze sich das Zimmer mit einem Mädchen teilt.«

  Elle schien etwas sagen zu wollen, doch ich kam ihr zuvor, auch wenn mir bewusst war, wie unhöflich das war. Aber Emery hatte gerade die perfekte Vorlage für einen Themenwechsel in den Raum geworfen, und ich würde diese Chance nicht ungenutzt an mir vorbeiziehen lassen. Schon gar nicht, wenn das Thema Mason und Jenny das Letzte war, woran ich denken wollte. Na gut, das Vorletzte. Denn noch weniger wollte ich an diesen Moment auf der Tanzfläche denken oder daran, wie er mich gestern Abend in meinem Zimmer angesehen hatte, als ich ihn darum gebeten hatte, zu gehen …

  Ich räusperte mich. »Was ist jetzt eigentlich mit dir und Dylan? Wie sieht es nach der Apokalypse zwischen euch aus?«

  Emery pustete sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht, antwortete aber nicht sofort.

  »Soll ich ihm in den Hintern treten?«, bot Tate an und ballte die Hand zur Faust, als würde sie gleich drauflosschlagen wollen. Da sie mittlerweile regelmäßig mit Trevor zum Boxtraining ging, traute ich ihr das sogar zu. »Ich mache es. Ein Wort von dir und ich trete ihm in den Arsch.«

  Irritiert zog ich die Brauen hoch. »Ist er nicht dein bester Freund?«

  Tate zuckte mit den Schultern. »Deswegen darf ich ihm ja auch die Hölle heiß machen und ihm sagen, was für ein Idiot er ist.« Ihr Lächeln war mörderisch. »Das Privileg der besten Freundin.«

  »Leute.« Entschieden schüttelte Emery den Kopf. »Danke für das Angebot, Tate, aber ich brauche keine Retterin. Und ich will auch nicht, dass irgendjemand sonst mit ihm redet. Das ist meine Aufgabe.«

  »Das sagst du schon seit Wochen …«, murmelte Elle und zog den Kopf ein, als sich die Blicke aller auf sie richteten. »Sorry. Ich meinte nur …«

  »Ich weiß.« Seufzend rieb sich Emery über das Gesicht. Doch was wie eine verzweifelte Geste wirkte, täuschte, denn da war auch ein kleines Lächeln auf ihrem Gesicht. »Der Streit war übel, okay? Ich habe so lange die Klappe gehalten, weil ich nicht … ich wollte nicht …« Sie suchte nach Worten, zuckte dann aber nur mit den Schultern und starrte auf ihr schmelzendes Eis.

  »Du wolltest ihn nicht verlieren«, ergänzte ich leise. »Oder dass er dich einfach fallen lässt.«

  Wie es alle anderen in unserem letzten Highschooljahr getan hatten. Ihr Ex. Ihre Freunde, von denen sie manche sogar schon seit dem Kindergarten gekannt hatte. Ihre Mitschüler. Sogar die Lehrer. Alle hatten sich gegen Emery gestellt – mich selbst eingeschlossen. Ich war nicht stolz darauf, hatte es aber wenigstens halbwegs wiedergutmachen können, als Emery in unserem ersten Jahr an der Blackhill University wieder von ihrer Vergangenheit eingeholt worden war. Auch diesmal hatten sich so viele gegen sie gestellt, aber ich hatte ihr zur Seite gestanden. Genau wie Elle und Tate, Luke, Trevor, Mason und Dylan. Vor allem Dylan.

  Statt einer Antwort presste Emery die Lippen aufeinander und sah mich direkt an. Ich wusste, dass ich recht hatte. Ich wusste es, weil da wieder dieser wilde, verletzte Ausdruck in ihren Augen war, bei dem ich sie am liebsten umarmt hätte. Oder geschüttelt, weil sie so lange zugelassen hatte, dass ihre eigene Angst sie davon abhielt, diese Sache anzusprechen und wieder in Ordnung zu bringen. Genau wie meine Angst mich davon abhielt, ehrlich zu mir selbst und zu Mason zu sein.

  Ich blinzelte überrascht. Moment mal. Woher kam denn dieser Gedanke auf einmal? Die Sache mit Mason und mir war nicht mal ansatzweise mit Emerys und Dylans Problemen zu vergleichen. In den letzten Wochen war Mason zu einem wirklich guten Freund geworden – und er gehörte zu Jenny. Das war ihm klar, auch wenn alle anderen das anders zu sehen schienen. Und ich musste das akzeptieren. Ich war nicht die erste Wahl für ihn. Nie gewesen. Und ich würde es auch nie sein.

  »Du hast die Frage noch nicht beantwortet.« Tate deutete mit dem Löffel in der Hand auf Emery. »Glaub nicht, dass uns das nicht aufgefallen ist.«

  »Weil ich es nicht kann. Wir haben uns gestritten, wir haben geredet und wir haben versucht, irgendwie auf einen Nenner zu kommen.«

  »Vergiss den Versöhnungssex nicht«, warf Elle amüsiert ein und deutete auf eine Stelle an ihrem Hals.

  Ich folgte ihrem Blick zu Emery und entdeckte jetzt auch den kleinen Knutschfleck auf ihrer Haut. Zumindest glaubte ich, dass es sich dabei um einen Knutschfleck handelte, denn Emery verdeckte die Stelle so schnell mit der Hand, dass ich sie nur einen kurzen Moment näher betrachten konnte.

  »Das tut überhaupt nichts zur Sache«, behauptete sie.

  Doch Tate lehnte sich neugierig über den Tisch. »War es gut? Wart ihr allein in der Wohnung?« Im nächsten Moment schnitt sie eine Grimasse. »Aber lass die Details aus, so viel will ich nämlich nicht über Dylan wissen.«

  Emery lief knallrot an, aber sie ließ die Hand sinken und reckte das Kinn provozierend vor. »Wir waren allein. Und laut. Und haben es mehr als einmal getan. Sonst noch was?«

  »Ja, wo …«

  »Ahh, das reicht!« Ich hielt mir die Ohren zu. »Ich will wirklich nicht wissen, was ihr wo in der Wohnung getan habt. Ich muss sie vielleicht irgendwann in diesem Leben noch mal betreten.«

  Wir sahen uns an, dann prusteten wir alle gleichzeitig los. Und es war egal, wie viele Leute zu uns herüberschauten und sich wunderten, was mit uns los war. Es tat gut, einfach mal über gar nichts mehr nachzudenken und die Zeit mit meinen Freundinnen zu genießen. Denn genau das waren diese unglaublichen, unterschiedlichen Frauen geworden: meine Freundinnen.

  Emery hob abwehrend die Hände. »Hey, ihr habt gefragt! Aber wir haben das geklärt. Die Welt ist nicht wieder rosarot, aber wir versuchen, es irgendwie hinzukriegen. Er wird nicht mehr jede Schicht in der Klinik annehmen, die man ihm anbietet, und ich werde einen Kurs wechseln, damit wir vormittags etwas mehr Zeit miteinander verbringen können.«

  Elle nickte zufrieden. »Klingt nach einem guten Anfang.«

  »Jepp«, bestätigte auch Tate. »Aber mein Angebot steht weiterhin.«

  Emery grinste. »Danke. Vielleicht komme ich irgendwann mal darauf
zurück.«

  »Sehr gut. Und jetzt: Schluss mit dem ganzen Drama.« Tate riss die Hände hoch, als wollte sie damit ein herannahendes Auto stoppen. »Ihr zwei kriegt das wieder hin. Wenn nicht, mache ich es, und das willst du nicht erleben. Und, Grace?«, fuhr sie fort, als Emery schon Luft holte, um darauf zu antworten, und wandte sich an mich.

  Ich setzte mich auf. Schultern zurück, Wirbelsäule durchgedrückt. Manche Gewohnheiten wurde man nur schwer los. Ganz besonders, wenn sie einem jahrelang eingetrichtert worden waren.

  Tate deutete mit dem Finger auf mich. »Keine Ratschläge mehr an Maze. Schon gar nicht, wenn es um Jenny geht.«

  Abwehrend zog ich die Schultern hoch. »Ich meinte doch nur … Und was habt ihr eigentlich alle gegen sie? Ich kenne sie zwar kaum, aber sie scheint … nett zu sein?«

  Selbst wenn ich es gewollt hätte, den fragenden Unterton konnte ich nicht aus meiner Stimme verbannen. Weil ich Jenny im Grunde genommen überhaupt nicht kannte. Ich hatte sie nur zwei-, dreimal gesehen und ein paar Floskeln mit ihr ausgetauscht. Mehr nicht. Aber nachdem ich in meinem letzten Highschooljahr die Schulkönigin gewesen war und auf alle anderen von meinem hohen Ross herabgeblickt hatte, nur um dann sehr schnell und tief zu fallen, hatte ich mir vorgenommen, nicht mehr vorschnell über jemanden zu urteilen. Ich war die Letzte, die sich eine Meinung über Jenny oder sonst jemanden erlauben durfte.

  Ich wusste, wie es sich anfühlte, ganz oben zu sein – und ganz tief zu fallen. Dafür bedurfte es nur eines einzigen Fehlers. Nur ein verpatzter Auftritt, und schon zerbrach die ganze wohl geordnete Welt um einen herum. Dass ich mich im Zuge dessen an Halloween betrunken hatte und Auto gefahren war, hatte die Sache auch nicht besser gemacht. Im Gegenteil. Mir war erst klar geworden, dass ich dringend etwas ändern musste, als es fast zu spät gewesen war. Es gab so viele verschiedene Versionen davon, wie diese Halloweennacht sonst hätte enden können – und nur in den wenigsten davon überlebte ich sie.

  Im Krankenhaus aufzuwachen war ein Weckruf für mich gewesen, genau wie das anschließende Gespräch mit Gillian. Ich musste unbedingt etwas ändern. Und das hatte ich getan. Ein College weit weg von zu Hause. Weit weg von Mom und dem Mann, der sich Vater nannte. Ein neuer Look. Ein neues Leben. Und ich würde mich nie mehr so verbiegen, nur um anderen zu gefallen. Zumindest hatte ich mir das fest vorgenommen.

  »Jenny ist nett«, bestätigte Elle, selbst wenn Tate im selben Moment schnaubte. »Darum geht es auch gar nicht. Sie hält Mason hin. Diese ganzen On und Offs zwischen ihnen? Das ist nicht Masons Idee.«

  Tate nickte grimmig. »Keine Ahnung, was ihr Problem ist, aber sie sieht nicht, wie dreckig es ihm geht, wenn sie sich wieder mal getrennt haben. Sie ist nicht für ihn da, wenn er Probleme hat, sondern will nur die guten Phasen mit ihm haben, nicht die schlechten. Und glaub mir, die schlechten Phasen sind es, die eine Beziehung definieren.«

  Tate klang so überzeugt, als würde sie aus Erfahrung sprechen, und irgendwie glaubte ich ihr das sogar. Bis heute wusste ich nicht genau, was Anfang des Jahres zwischen Trevor und ihr vorgefallen war, aber ich hatte Tate an einem ihrer tiefsten Tiefpunkte erlebt. Wir hatten nie über jene Nacht geredet, und wahrscheinlich würden wir das auch nie tun. Es war unser unausgesprochenes Geheimnis.

  Damals war ich mit Daniel in diesem Club gewesen, den ich bis dahin nicht gekannt hatte und der auch nicht besonders vertrauenerweckend gewirkt hatte. Tate war ebenfalls dort gewesen, allein und ziemlich fertig, und wäre fast zu irgendwelchen zwielichtigen und schon sehr betrunkenen Typen ins Auto eingestiegen. Ich hatte sie aufgehalten, so gut ich konnte. Letzten Endes war sie nicht mit irgendwem mitgefahren, sondern zurück zum Campus gelaufen, und Trevor hatte sich um sie gekümmert. Was auch immer diese schlechte Phase zwischen ihnen gewesen war, sie hatten sie überwunden. Und soweit ich das beurteilen konnte, hatte sie das näher zusammengebracht als alles andere. Nicht sofort, aber mit der Zeit.

  »Apropos Beziehung.« Elle wedelte mit ihrem Smartphone.

  Tate schnaubte. »Hat Luke dir wieder irgendwelche Memes geschickt? Oder Shakespeare-Zitate?«

  Elles Wangen wurden rot, aber sie versteckte weder ihre Reaktion noch ihr Lächeln. »Nicht ganz. Er hat mir angedroht, dass wir bei unserem nächsten Filmabend den Bachelor schauen statt Silent Hill, wenn wir nicht endlich losgehen. Er wartet schon seit zehn Minuten vor dem Kino auf uns.«

  »Ach, lass ihn warten.« Tate wedelte nachlässig mit der Hand, stand dann aber doch als Erste auf und packte ihre Sachen. Womöglich, weil Luke nicht als Einziger auf uns wartete, sondern Trevor ebenfalls schon dort war. »Das könnte sein Ego stutzen.«

  Elle lachte auf. »Glaubst du echt, das ist noch möglich?«

  »Ich fürchte nicht. Aber die Hoffnung stirbt bekanntermaßen zuletzt.«

  Die beiden übernahmen die Führung unserer kleinen Gruppe. Und während Tate ihre beste Freundin mit den vielen kleinen Ritualen zwischen Luke und Elle aufzog, die schon lange, bevor sie ein Paar wurden, die besten Freunde gewesen waren, konterte Elle damit, wie laut Tate nachts regelmäßig war. Insbesondere dann, wenn es zwischen Trevor und ihr nicht im Bett, sondern überall sonst in ihrem Zimmer zur Sache ging.

  Emery schüttelte sich und verzog das Gesicht. »Details, die ich niemals wissen wollte …«

  Ich hmmte zustimmend, während ich durch die Videos auf meinem Handy scrollte und den anderen folgte. Tates Wagen stand noch hinter unseren Wohnheimen, weil es im Umkreis der Eisdiele nahezu unmöglich war, einen Parkplatz zu finden, und Tate schon zweimal einen Strafzettel wegen Falschparkens kassiert hatte. Aber es machte mir nichts aus, das Stück zurück zu laufen. So konnte ich wenigstens weiterrecherchieren.

  »Was machst du da?« Emery versuchte über meine Schulter zu spähen, als wir an der Kreuzung stehen blieben. Ziemlich leicht für sie, da sie ganze zehn Zentimeter größer war und ich selbst mit den hohen Sandaletten noch immer kleiner als sie.

  »Ich schaue mir nur ein paar Fitness-Videos an. Ich will ein neues Workout ausprobieren.«

  Emery senkte die Stimme. »Was ist aus eurem Morgensport geworden?«

  »Das …« Ich zögerte, als ich an diesen dummen Streit zurückdachte, und befeuchtete mir die Lippen. »Ich schätze, das hat sich erledigt.«

  »Ja? Warum?« Sie lief los, als die Ampel umschaltete, und ich setzte mich ebenfalls in Bewegung.

  »Sagen wir einfach, es war nicht das, was ich mir erhofft hatte.«

  Weil ich in Wahrheit gar kein Workout gewollt hatte, sondern etwas, das meine Selbstzweifel wegzauberte. So viel hatte ich inzwischen verstanden.

  Emery wartete, bis wir die Straße überquert hatten und ein paar Meter zwischen Tate und Elle und uns lagen, bevor sie weitersprach. »Ich weiß, ich hab dich das schon vor einer Weile gefragt, aber was läuft da zwischen Maze und dir?«

  Ich verkrampfte mich unwillkürlich. »Was meinst du?«

  »Komm schon, Watkins. Du hast zwar mal einen auf Schönheitskönigin gemacht, aber du bist weder naiv noch dämlich. Du hattest die besten Noten in der Highschool, also tu nicht so, als wüsstest du nicht genau, wovon ich rede.«

  »Ich habe keine Ahnung, was das eine mit dem anderen zu tun hat«, gab ich zurück und steckte mein Handy ein, ohne das neueste Dance-Fitness-Video angeklickt zu haben. »Aber wenn du es genau wissen willst: Zwischen Mason und mir läuft gar nichts.« Ich verhaspelte mich fast, so schnell sprudelten die Worte aus meinem Mund. »Wir studieren dasselbe Hauptfach, sind befreundet und singen zusammen in einer Band. Das ist alles.«

  Doch Emery ließ sich nicht so leicht abwimmeln. »Sicher, dass das alles ist?«

  Nein. Und genau das war das Problem …

  »Weißt du, es ist okay, mehr für ihn zu empfinden, als du solltest …«

  »Er hat eine Freundin!«, rief ich laut genug, dass sich Tate und Elle zu uns umdrehten.

  Ich atmete tief durch und setzte eine unbeteiligte Miene auf. Und vielleicht beschleunigte ich auch meine Schritte, um endlich zu diesem Auto zu kommen, damit wir ins Kino fahren und das Thema Mason f
ür den Rest des Abends nicht mehr anschneiden würden. Am besten nie wieder.

  Allerdings hätte ich wissen müssen, dass Emery nicht so schnell aufgeben würde. Kaum saßen wir im Wagen und schnallten uns an, hielt sie mir ihr Smartphone hin.

  Ich griff zögerlich danach, während Tate den Motor startete. »Was ist das?«, fragte ich im Flüsterton.

  »Das bist du. Und Mason«, antwortete Emery genauso leise und deutete auf das Foto. »Das habe ich letztes Semester bei Wahrheit oder Pflicht aufgenommen. Kurz nach eurem Kuss.«

  Oh Gott … Mir wurde abwechselnd heiß und kalt. Ich wusste, dass ich es mir nicht anschauen sollte. Ich wusste, dass es ein monumentaler Fehler sein würde. Warum? Weil es ja doch nichts ändern würde. Nichts an den Umständen und nichts daran, dass ich mich nicht an einen vergebenen Mann ranmachen würde. Niemals. Denn dann wäre ich nicht besser als all die Frauen, mit denen sich mein Vater während seiner sogenannten Geschäftsreisen vergnügte. Und wenn es eines gab, das genauso schlimm für mich wäre, wie eines Tages so zu werden wie meine Mom, dann war es, eine von diesen Frauen zu sein.

 

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