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Was auch immer geschieht 01 - Finding back to us

Page 12

by Iosivoni, Bianca


  Einige Falten hatten sich auf seiner hohen Stirn gebildet, während er mich genauso eindringlich musterte wie ich ihn, doch im Gegensatz zu mir hellten sich seine grünen Augen nun schlagartig auf.

  »Du erkennst mich nicht, oder?« Amüsiertheit schwang in seiner Stimme mit. Sie war klar und warm, was irgendwie nicht zu seinem Auftreten passen wollte.

  »Tut mir leid …« Ich schüttelte den Kopf. An meinem Namens- und Gesichtergedächtnis musste ich wirklich arbeiten.

  Der Fremde zog eine Grimasse, lächelte aber. »Kein Wunder, wir haben uns das letzte Mal irgendwann vor vier Jahren gesehen und ich habe mich ziemlich verändert.«

  Diese Stimme und dieser Gesichtsausdruck … Ich kannte ihn, dessen war ich mir sicher. Es war nicht so wie bei meinem ersten Zusammentreffen mit Keith, als ich ihn nicht hatte einordnen können. Diesmal wusste ich genau, dass ich den Mann vor mir kannte. Aber woher?

  »Ich gebe dir einen Tipp«, sagte er jetzt, als hätte er meine Gedanken gelesen. »Abschlussjahrgang 2012.«

  Ich konnte das Rattern der Zahnrädchen in meinem Kopf beinahe hören, genauso wie das Klicken, als sie endlich einrasteten und mir einen Namen gaben. »Oh mein Gott«, stieß ich hervor, halb lachend, halb überrascht. »Braden Scott?«

  Sein breiter Mund verzog sich zu einem Lächeln. »Hundert Punkte.«

  »Du verarschst mich doch!«

  Grinsend schüttelte er den Kopf, wobei seine weißen Zähne ebenso hervorblitzten wie der schiefe Eckzahn, den er schon während der Highschool gehabt hatte. Damals hatten sich die anderen Kids über ihn lustig gemacht – und nicht nur deswegen –, heute verlieh er ihm etwas Charmantes und Unpoliertes. Ich trat einen Schritt zurück, um ihn von oben bis unten zu mustern. Kein Wunder, dass ich ihn kaum wiedererkannt hatte, denn aus dem pummeligen Jungen, mit dem ich zur Schule gegangen war, war ein attraktiver junger Mann geworden.

  »Neunzehn Kilo runter und die Ausbildung in der Police Academy«, erklärte er, als ahnte er bereits, was ich dachte. »Auch wenn es ewig gedauert hat, bis ich für die Leute hier nicht mehr der Dicke war.« Er lächelte gequält, wurde dann jedoch wieder ernst. »Aber was machst du hier? Ich wusste gar nicht, dass du wieder in der Stadt bist.«

  »Nur den Sommer über. Holly hat ihren Abschluss gemacht und … Moment mal.« Anklagend deutete ich mit dem Zeigefinger auf ihn. »Du warst doch bestimmt auf der Feier, oder? Deine Schwester ist im selben Jahrgang.«

  Er nickte, nur um gleich darauf den Kopf zu schütteln. »Ist sie, aber ich war im Dienst und konnte leider nicht zur Feier kommen.«

  »Kein Scheiß.« Ich musterte ihn ein weiteres Mal von oben bis unten, wobei mein Blick an der Pistole hängen blieb, die an seinem Gürtel befestigt war. »Du bist ein Cop geworden.«

  »Sheriff Department«, warf er gut gelaunt ein. »Auf dem besten Weg zum Deputy.«

  Ich schüttelte den Kopf, noch immer fassungslos. Während der Schulzeit hatten Braden und ich nie viel miteinander zu tun gehabt, weil unsere Interessen in gänzlich verschiedene Richtungen gegangen waren. Aber er war der große Bruder von Hollys bester Freundin, also waren wir uns zwangsläufig immer mal wieder über den Weg gelaufen. Schon damals war er ein netter Kerl gewesen und ich war erleichtert, dass sich daran trotz seiner Wandlung zum attraktiven Polizeibeamten nichts geändert zu haben schien. Und das, obwohl er es heute all jenen heimzahlen könnte, die ihm die Schulzeit zur Hölle gemacht hatten.

  »Herzlichen Glückwunsch.«

  »Danke.« Sein Lächeln wurde blasser, bis es ganz verschwand und von einem Stirnrunzeln ersetzt wurde. »Was machst du hier, Callie?«

  Und mit einem Mal wurde mir wieder bewusst, wo wir waren. An welcher Straße wir standen. Kälte schoss so schnell durch meine Adern, als hätte mir jemand eine Injektion mit Eiswasser verpasst, und ich schauderte unwillkürlich.

  »Ich …« Hatte keine Erklärung dafür. Jahrelang mied ich diesen Ort und jetzt war ich einmal Joggen gegangen und landete ausgerechnet hier? Warum? Welchen kranken Scherz erlaubte sich mein Unterbewusstsein da mit mir? »Ich weiß es nicht«, beendete ich den Satz ehrlich.

  »Du bist über sieben Meilen von zu Hause entfernt.« Braden betrachtete mich besorgt. »Soll ich dich nach Hause fahren? Ich bin sowieso auf dem Weg zurück in die Stadt.«

  Erst jetzt fiel mir der weiße Streifenwagen mit dem Sheriff-Aufdruck an der Seite auf. Ich sah vom Auto zurück zu seinem Fahrer und nickte ihm dankbar zu. »Das ist nett von dir, danke.«

  »Kein Problem.« Langsam führte er mich zu seinem Wagen, die Hand behutsam auf meinem Rücken, als hätte er Angst, ich würde gleich ausflippen oder kollabieren. Nun, in Anbetracht des Ortes, an dem wir uns befanden, und der Tatsache, dass ich gerade die längste Strecke seit zwei Jahren gelaufen war, vielleicht nicht ganz unbegründet.

  Im Inneren des Autos war es sauber und roch nach Leder. Der einzige Hinweis darauf, dass der Wagen tatsächlich benutzt wurde, waren der Pappbecher Kaffee und das Smartphone, das gleichzeitig Navigationssystem war. Braden glitt hinters Lenkrad und lächelte mir zu.

  Ich wollte die Geste erwidern, konnte meine Mundwinkel jedoch nicht dazu bewegen, sich zu heben. Mein Magen zog sich zusammen, als er den Motor startete, und ich umklammerte die ganze Fahrt über meinen Sicherheitsgurt. Ich war eine furchtbare Beifahrerin. Immer gewesen. Aber beim ersten Mal mit einer anderen Person war es immer am schlimmsten.

  »Wenn du darüber reden willst …«, begann Braden plötzlich, aber ich schüttelte den Kopf. Er warf mir einen wachsamen Blick samt Stirnrunzeln zu. »Ich kenne die Geschichte, Callie. Ich bin auch hier aufgewachsen.«

  Es war lange her, seit mir jemand zuletzt dieses Angebot gemacht hatte. Direkt nach dem Unfall waren alle zur Stelle gewesen, hatten angeboten, mir zuzuhören und hatten mich mit ihrem Mitgefühl fast erstickt, während ich einfach nicht mehr an diese Sache hatte denken wollen. Ich hatte sie ausblenden wollen, als wäre sie nie geschehen. Irgendwann war es besser geworden. Freunde, Familie und besorgte Lehrer hatten mein Schweigen akzeptiert. Doch nun drohte dieser Frieden zu zerbrechen. Ich spürte die mitleidigen Blicke, die man mir in der Stadt zuwarf, nun, da die erste Überraschung über Keiths Rückkehr abgeklungen war, und ich tat das, was ich immer schon getan hatte: Ich blendete sie aus, ignorierte sie so lange, bis ich sie selbst kaum noch wahrnahm.

  Aber das funktionierte nicht mit Braden. Dafür kannte er meine Familie schon zu lange. Sein Vater war jeden zweiten Sonntag mit meinem Angeln gegangen und seine kleine Schwester Katelyn war seit ihrer Kindheit in unserem Haus ein- und ausgegangen. Vermutlich wusste Braden sogar mehr Details als ich, was den Unfall anging, da sie im internen Polizeibericht standen, während mir selbst kaum eine Erinnerung an den Vorfall geblieben war. Doch obwohl ich dankbar für seine Hilfe und dieses Angebot war, sträubte sich alles in mir, das Thema wieder aufzurollen. Sieben Jahre lang hatte ich nicht mehr daran gedacht, hatte meine Erinnerung zusammen mit dem Schmerz begraben, als sie Dads Sarg in die Erde hinabgelassen hatten. Doch so langsam wurde mir bewusst, dass ich mich nicht länger vor meiner Vergangenheit verstecken konnte. Denn irgendwie gelang es ihr immer wieder, mich einzuholen – ob ich wollte oder nicht.

  Ich war noch nie in einem Sheriffwagen nach Hause gebracht worden. Vermutlich, weil ich nie etwas angestellt hatte, das es erforderlich gemacht hätte. Doch als Braden vor unserem Haus anhielt, war ich insgeheim froh, dass Stellas Jeep nicht in der Einfahrt stand. Wahrscheinlich hätte sie bei diesem Anblick mit dem Schlimmsten gerechnet.

  »Danke.« Ich löste den Sicherheitsgurt und tastete nach dem Türgriff.

  Ich hatte erwartet, dass er mir einfach zunicken und sofort weiterfahren würde, doch ich hatte mich geirrt. Denn Braden stieg ebenfalls aus, stützte sich mit einem Unterarm an der Fahrertür ab und musterte mich über das Autodach hinweg mit gerunzelter Stirn.

  »Wenn du je darüber reden oder Einsicht in die Akten haben willst …«

  Bot er mir da gerade an, gegen seine Dienstvorschriften zu verstoßen, nur um mir zu helfen? Das würde zu ihm passen. Er war s
chon während unserer Highschoolzeit hilfsbereiter gewesen, als für ihn gut war.

  »Nicht nötig«, fiel ich ihm ins Wort, bevor er den Satz beenden konnte. »Ich war nur joggen.«

  Jetzt gesellten sich deutliche Zweifel zu dem besorgten Ausdruck auf seinem Gesicht. »Wie du willst. Aber das Angebot steht.«

  Diesmal konnte ich gar nicht anders, als zu lächeln. »Hör auf, dir selbst Ärger einhandeln zu wollen, nur, weil du mir helfen willst.«

  Sein Grinsen war so unbekümmert und verspielt, dass es jede Ernsthaftigkeit aus seinem Gesicht vertrieb. »Oh, glaub mir, ich habe auch so schon genug Ärger am Hals.« Mit einem Nicken deutete er hinter mich. »Mit ihr zum Beispiel.«

  Ich musste mich nicht umdrehen, denn die stapfenden Schritte hätte ich überall erkannt. Holly blieb neben mir stehen, die Hände in die Hüften gestemmt und funkelte Braden an, als wäre es seine Schuld, dass ich aussah, als wäre ich in einen Mähdrescher geraten.

  »Was ist passiert?«, wollte sie so herrisch wissen, dass ich überrascht die Brauen hochzog. Whoa! Was war mit meiner fröhlichen kleinen Schwester passiert?

  Braden warf mir einen Blick zu, der besagte, dass er nichts verraten würde. Ich nickte ihm dankbar zu.

  »Gar nichts«, antwortete ich an seiner Stelle und versuchte Hollys Aufmerksamkeit auf mich zu lenken. »Ich war Joggen, bin ausgerutscht und habe einen kleinen Abhang näher kennengelernt, als mir lieb war.«

  Die Lüge brannte auf meinen Lippen, aber ich konnte ihr unmöglich die Wahrheit sagen. Wir sprachen nicht über den Unfall, und ich war die Letzte, die die Erinnerung daran in ihr wachrufen wollte. Das einzig Gute an jenem Tag war, dass Holly nicht dabei gewesen, sondern mit Stella zu Hause geblieben war. Sie auch noch zu verlieren, hätte ich nicht ertragen können.

  »Ich habe sie aufgegabelt und heimgefahren«, fügte Braden erklärend hinzu und brachte es fertig, mit seinen Worten voll und ganz bei der Wahrheit zu bleiben.

  Jetzt endlich wandte sich Holly mir zu und starrte mich an, als hätte ich den Verstand verloren. »Du bist bei ihm mitgefahren?«

  Ich wechselte einen irritierten Blick mit Braden. »Äh … ja?«

  »Du fährst bei niemandem gern mit, schon gar nicht bei Leuten, die du kaum kennst.«

  Warum klangen ihre Worte wie ein Vorwurf? Und weshalb war es so eine große Sache, dass er mich nach Hause gebracht hatte?

  »Er gehört zum Sheriff Department«, murmelte ich, als wären seine Uniform und das Auto nicht offensichtlich genug. Was, um Himmels willen, war ihr Problem?

  Sie tat meinen Einwand mit einer Handbewegung ab und wandte sich wieder Braden zu. Das war eindeutig meine Chance, um zu verschwinden. Inzwischen brannten die Kratzer auf meiner Haut, als hätte jemand Säure darauf verschüttet, und – ganz ehrlich? Ich wollte aus diesen verschwitzten Sachen raus und mich wieder menschlich fühlen.

  »Danke noch mal.«

  Braden nickte mir zu, schien aber keine Anstalten zu machen, wieder ins Auto zu steigen und davonzufahren. Oha. Er wollte sich tatsächlich mit Holly anlegen? Respekt. Ich konnte nur hoffen, ihn lebend wiederzusehen. Denn wenn Holly einmal loslegte, war sie nicht mehr zu bremsen.

  Ich hatte mich noch nicht einmal abgewandt, als die Diskussion zwischen den beiden begann. Oder eher die wütende Tirade meiner kleinen Schwester. Kopfschüttelnd ließ ich sie zurück und ging aufs Haus zu. Braden war ein erwachsener Mann und wenn er meinte, es mit Holly aufnehmen zu müssen, würde ich ihn sicher nicht davon abhalten.

  Die Haustür fiel hinter mir zu und ich zog die Sportschuhe noch neben der Garderobe aus, um die Erde, die an meinen Sohlen klebte, nicht im ganzen Haus zu verteilen. Aber Stellas Vorliebe für Sauberkeit und Ordnung war nicht der einzige Grund dafür. Alles in mir wehrte sich dagegen, etwas von diesem Ort hierher zu bringen. Als trügen die Blätter und Erdbrocken auch die Erinnerungen an jenen Tag in sich.

  Ich schüttelte den Kopf, um diese Vorstellung loszuwerden und stürmte die Treppe hinauf. Plötzlich konnte ich die Sachen nicht schnell genug loswerden. Ab damit in die Waschmaschine, um jeden Beweis meines Trips in die Vergangenheit auszulöschen. Jetzt musste mir das nur noch mit meinen Gedanken gelingen.

  Mit den Sportschuhen in der einen Hand, öffnete ich die Tür zum Badezimmer. Ein Schwall warmer, feuchter Luft schlug mir entgegen und brachte mich zu einem abrupten Halt. Was zum …? Das Rauschen der Dusche verklang im selben Moment, in dem ich scharf einatmete. Doch die Luft blieb mir im Hals stecken, als sich eine große Hand um den Duschvorhang schloss und ihn beiseitezog.

  Meine Kinnlade klappte herunter. Ich starrte in ein Paar vertraute braune Augen, die sich bei meinem Anblick vor Überraschung weiteten. Sekunden verstrichen, in denen sich keiner von uns bewegte. Ich war mir nicht mal sicher, ob überhaupt jemand in diesem Raum noch atmete. Keith rührte keinen Finger, um nach einem Handtuch, dem Duschvorhang – irgendetwas – zu greifen und sich zu bedecken. Und ich … nun, ich konnte meinen Blick nicht davon abhalten, auf Wanderschaft zu gehen.

  Wassertropfen rannen über seine gebräunte Haut, als wäre er einer dieser lächerlichen Parfümwerbungen entsprungen, in denen der sexy Kerl aus dem Meer watete. Wie hypnotisiert folgte ich einem dieser Tropfen auf seiner Spur an Keiths Oberkörper hinab, über seine definierten Bauchmuskeln und noch etwas tiefer, bis der Tropfen mit seinem Tattoo verschmolz. Mein Mund fühlte sich an wie eine staubige Landstraße in Texas, als ich die schwarzen Linien zum ersten Mal zur Gänze erblickte. In einem wilden Tribal-Muster bedeckten sie Keiths Haut, schlangen sich um seinen Hüftknochen und schossen abwärts über seinen Oberschenkel. Ich sollte nicht hinschauen, ich sollte mich auf der Stelle umdrehen und von hier verschwinden, aber mein Körper hörte schon längst nicht mehr auf die Befehle meines Kopfes. Und ich sah hin. Sah zu seinem besten Stück, das jetzt wie ein Soldat vor mir salutierte.

  Ich blinzelte. Einmal, zweimal, doch der Anblick blieb noch immer derselbe. Erst als ich den Kopf hochriss und dieses unverschämte Lächeln in seinem Gesicht bemerkte, kam wieder Leben in mich.

  »Oh mein Gott.« Ich machte auf dem Absatz kehrt und stürmte aus dem Badezimmer, ohne auf Keiths Rufen zu reagieren.

  »Warte!« Am Treppenabsatz holte er mich wieder ein. »Das war …«

  »Unangemessen? Total verstörend?«, bot ich ihm an und wirbelte so schnell zu ihm herum, dass ich fast mit ihm zusammengeprallt wäre. Im letzten Moment packte er meinen Arm, um uns beide festzuhalten. Ein kurzer Blick gen Süden verriet mir, dass er wenigstens den Anstand besessen hatte, sich ein Handtuch um die Hüften zu wickeln. Nicht, dass das etwas an seinem Zustand geändert hätte, der sich noch immer deutlich gegen den Stoff abzeichnete. Großer Gott. Und mit großer Gott meinte ich auch groß.

  Keith grinste. Er hatte tatsächlich den Nerv, jetzt zu grinsen. »Das war nicht das Wort, nach dem ich gesucht habe. Aber du bist einfach reingeplatzt.«

  »Ja, weil normale Menschen das Badezimmer abschließen, wenn sie duschen!«, zischte ich.

  »Mein Fehler.« Abwehrend hob er eine Hand, und ich dankte Gott, Buddha und Kurt Cobain dafür, dass er das nicht mit beiden Händen tat und dabei sein Handtuch fallen ließ. »Kann ich es wiedergutmachen?«

  »Wie wär’s mit einer Lobotomie?«

  »Wenn du darauf bestehst, dass ich etwas Langes und Hartes in dich hineinstoße, gibt es angenehmere Möglichkeiten, weißt du?«

  Ich starrte ihn sprachlos an. Für gewöhnlich war ich nicht auf den Mund gefallen – aber das? Schlimmer als Keiths Worte und dieses Grinsen in seinem Gesicht war die Wirkung, die beides zusammen auf mich ausübte. Hitze schoss mit der Wucht eines Hurrikans durch meine Adern und sammelte sich an den ungünstigsten Stellen überhaupt – in meinen Wangen und zwischen meinen Schenkeln.

  »Sieh mal einer an …« Seine Stimme nahm einen rauen Klang an, und ich verfluchte meinen Körper dafür, dass er mit einem prickelnden Schauer darauf reagierte. »Die Vorstellung gefällt dir?«

  Ich knirschte mit den Zähnen. »Wie wäre es, wenn ich dir stattdessen mit meinem langen harte
n Fuß in den Hintern trete?«

  Seine Mundwinkel zuckten. »Ach, komm schon, Calliope. Das kannst du besser.«

  »Nenn mich noch einmal so und …«

  »Und was?«, fiel er mir ins Wort. »Gibst du dann zu, dass du am Flughafen kurz davor warst, mich nach meiner Nummer zu fragen? Und dass dir der Anblick im National Forest ebenso gefallen hat wie das, was du gerade gesehen hast?«

  Die Hitze in meinem Körper schien förmlich zu explodieren. Wütend entriss ich ihm meinen Arm.

  »Fahr zur Hölle!«

  »Da war ich schon, Baby. Und du bist …« Keith hielt inne und musterte mich von Kopf bis Fuß, als würde er meinen desolaten Zustand erst jetzt bemerken. »Total zerzaust und zerkratzt. Was ist passiert?«

  Ich konnte die plötzliche Sorge in seiner Stimme nicht ertragen. Mit dem arroganten, provokanten Kerl konnte ich umgehen, aber nicht damit, dass er mich so besorgt ansah wie jetzt. Oder mit seinen Fingern, die so behutsam über meinen Arm strichen, dass mir die Luft wegblieb.

  »Gar nichts«, brachte ich hervor und wich vor ihm zurück. Konnte er es bitte unterlassen, mich zu berühren, wenn er nackt war? Auch wenn er sich, wie jetzt, ein Handtuch umgebunden hatte und es festhielt, hatte ich noch immer den nackten Keith vor Augen. In. Allen. Details.

  Bevor diese Situation noch peinlicher werden konnte, machte ich auf dem Absatz kehrt und lief die Treppe hoch. In meinem Zimmer angekommen, schloss ich die Tür und lehnte mich dagegen. Mein Herz raste noch immer und in meinem Kopf herrschte ein einziges Chaos aus Gedankenfetzen, Erinnerungssplittern und unbeantworteten Fragen. Nichts ergab noch einen Sinn.

  Warum hatte mich mein Unterbewusstsein an genau jenen Ort zurückgeführt, an den ich nie wieder hatte zurückkehren wollen? Allein beim Gedanken daran schnürte sich mir die Kehle zu und ich hatte Probleme zu atmen. Nahm man noch Hollys seltsames Verhalten und den unfreiwilligen Zusammenstoß mit Keith dazu, hatte ich die perfekten Zutaten für eine Panikattacke. Aber mein Verstand erlaubte es mir nicht, mich auszuklinken und in Panik zu verfallen.

 

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