Midnight Chronicles 02 - Blutmagie
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Ich presste die Lippen aufeinander, weil ich nicht wusste, was ich noch erwidern sollte. Es war offensichtlich, dass die Entscheidung bereits gefallen und nicht rückgängig zu machen war.
Wortlos stand ich von der Couch auf, schnappte mir mein Handy und marschierte aus der Wohnung. Hinter mir hörte ich noch die Stimme meiner Mum, die mich zurückrief, aber ich beschleunigte meine Schritte und hielt erst inne, als ich in einem vollkommen anderen Bereich des Quartiers angekommen war.
Ich zitterte am ganzen Körper, rasend vor Zorn. Meine Tränen waren getrocknet, als hätte meine brennende Wut sie verdampfen lassen. Jules hatte das nicht verdient. Ich würde nicht zulassen, dass es so endete. Was ihm zugestoßen war, war meine Schuld. Hätte ich an Halloween auf Verstärkung gewartet, anstatt Wardens Vampir im Alleingang zu töten, wäre das alles nicht passiert. Grant hätte mich nicht in die Waffenkammer verbannt, und ich wäre anstelle von Floyd bei Jules gewesen. Ich hätte ihn beschützen können, stattdessen hatte ich ihn im Stich gelassen. Doch noch einmal würde ich ihn nicht hängen lassen. Mir war egal, was Grant und die anderen entschieden hatten. Wenn sie nicht nach Jules suchten, dann würde ich es eben selbst tun. Scheiß auf die Regeln. Scheiß auf die Bestimmungen. Scheiß auf alle, die glaubten, es wäre in Ordnung, Jules einfach abzuschreiben.
Warden
Meine Hände rochen nach Blut und meine Haare nach Abwasser. Ich hatte bereits geduscht, doch der Gestank der Kanalisation haftete hartnäckig an mir. Mit gerümpfter Nase ließ ich mich auf mein Bett fallen und hoffte, dass ich den Geruch irgendwann nicht mehr wahrnehmen würde.
Ich hatte eine zwölfstündige Patrouille mit dem Ergebnis von zehn toten Vampiren hinter mir, und jeder Teil meines Körpers schmerzte. Eigentlich wäre heute meine letzte Schicht in der Waffenkammer gewesen, doch nachdem die Sache mit Jules passiert war, hatte ich mich ganz darauf konzentriert. Isaac war zurück. Der Mörder meiner Eltern. Drei Jahre lang war ich jedem Hinweis auf ihn quer durch Europa gefolgt, ohne ihm jemals wirklich nahe zu kommen. Aber jetzt war er hier in Edinburgh, und noch einmal würde ich ihn nicht davonkommen lassen. Und wenn ich dafür die ganze Stadt niederbrennen musste.
Ich holte mein Handy hervor, um nachzusehen, ob es etwas Neues gab. Zum ersten Mal seit Jahren war ich wieder Teil einer Hunter-Nachrichtengruppe, in der sich in diesem Fall sämtliche Teams, die an der Suche nach Jules beteiligt waren, austauschten. Unweigerlich fragte ich mich, ob es eine solche Gruppe auch damals für die Suche nach meinem Dad gegeben hatte. Die Parallelen waren erschreckend, mit dem einzigen Unterschied, dass Jules und Floyd nicht in ihrem Haus überfallen worden waren. Doch genau wie bei meinen Eltern war Isaac wie aus dem Nichts aufgetaucht, nur um anschließend spurlos wieder zu verschwinden. Genauso wie es keine Hinweise auf Jules gab, gab es auch keine auf den Vampirkönig. Einige Hunter zweifelten sogar daran, dass er in jener Nacht wirklich anwesend gewesen war. Jules hatte in seinem Notruf zwar behauptet, er hätte Isaac gesehen, aber wie die meisten von uns kannte er ihn nur von Bildern und körnigen Videoaufnahmen. Es bestand also durchaus die Möglichkeit, dass er sich geirrt hatte, wie einige andere Jäger im Chat hatten anklingen lassen. Aber ich zweifelte nicht an Jules’ Aussage. Früher waren er und ich einmal so etwas wie Freunde gewesen, bis die Sache zwischen Cain und mir in die Brüche gegangen war. Er war ein verdammt guter und dazu ein verdammt unterschätzter Jäger. Er hatte sich zwar immer angezogen wie ein Clown, aber er war clever und geschickt und hätte eine solche Aussage über Isaac niemals leichtfertig getroffen.
Ein Klopfen riss mich aus meinen Gedanken.
Überrascht richtete ich mich auf. Ich erwartete niemanden, und es verirrten sich nur selten Leute spontan vor meine Tür. Ich hatte nicht gerade viele Freunde im Quartier, ganz abgesehen davon, dass ich in den letzten drei Jahren kaum Zeit hier verbracht hatte.
Ich schwang die Beine über die Bettkante und setzte meine Brille auf, die Kontaktlinsen hatte ich bereits rausgenommen. Ohne Sehhilfe war ich blind wie ein Maulwurf.
Als ich die Tür öffnete, blinzelte ich verdutzt. War ich eingeschlafen und in einer Erinnerung aufgewacht?
»Hey.« Cain sah mitgenommen aus. Ihr rotes Haar war zu einem einfachen Knoten auf dem Kopf zusammengebunden, und sie trug einen Hoodie, in dem sie förmlich ertrank. Ihre Augen, unter denen dunkle Ringe lagen, waren rot geschwollen, doch ihr Blick … ihr Blick war wach und voller Zorn. Zorn, der sich ausnahmsweise nicht gegen mich zu richten schien. Dennoch blieb ich auf der Hut.
»Hey.«
Sie räusperte sich. »Darf ich reinkommen?«
Ich zögerte. Die letzten Begegnungen zwischen Cain und mir hatten nichts Gutes mit sich gebracht. Doch ich hatte nicht den Eindruck, dass sie hier war, um einen Streit anzufangen. In der Hoffnung, es später nicht zu bereuen, machte ich einen Schritt zur Seite.
Cain trat ein und ließ den Blick durch mein Zimmer gleiten, das identisch mit ihrem eingerichtet war. Es gab ein Bett, einen Wandschrank mit Spiegel, einen Schreibtisch, über dem ein veralteter Flachbildfernseher hing, und ein angrenzendes Badezimmer mit Dusche. Doch anders als ihr Zimmer war meines nicht militärisch sauber aufgeräumt. Überall lagen Waffen und Kleidung herum, und meine Wände waren mit Notizen und Hinweisen zu Isaac, seinen Vampiren und anderen Kreaturen beklebt. Auf meinem Schreibtisch stapelten sich Bücher über Baldur, die ich mir vor einigen Tagen aus der Bibliothek geholt hatte.
»Hier sieht es noch genauso aus wie früher«, stellte Cain fest und griff nach einem der Notizbücher, die auf meinem Schreibtisch lagen. Es war eines von denen, die nicht mit Anmerkungen und Hinweisen gefüllt waren, sondern mit Zeichnungen. Ein Hobby, für das ich nicht mehr viel Zeit übrig hatte.
Ich nahm Cain das Skizzenbuch aus der Hand. »Was willst du, Blackwood?«
»Sie haben beschlossen, die Suche nach Jules einzustellen.«
Davon hatte ich in der Gruppe noch nichts gelesen. »Woher weißt du das?«
»Meine Eltern haben es mir gerade gesagt. Sie, Jules’ Eltern, Grant und Xavier haben das anscheinend in kleiner Runde entschieden, da es keine brauchbaren Hinweise auf seinen Verbleib gibt. Und da er nun schon drei Tage verschwunden ist, wollen sie keine weiteren Ressourcen verschwenden«, erklärte Cain in einem solch bitteren Tonfall, dass klar wurde, dass es sich dabei nicht um ihre Wortwahl handelte.
Mich überraschte die Entscheidung nicht im Geringsten. Die Suche nach meinem Dad hatte damals gerade mal zwei Tage gedauert. Und auch für all die anderen Hunter, die in den letzten Jahren verschwunden waren, hatte man sich nicht gerade ein Bein ausgerissen. Was nichts mit Herzlosigkeit zu tun hatte. Unser Job brachte nun mal ein gewisses Berufsrisiko mit sich, das es zu akzeptieren galt.
»Das erklärt nicht, wieso du hier bist.«
Cain holte tief Luft, als müsste sie sich überwinden, die nächsten Worte auszusprechen. »Ich brauche deine Hilfe.«
Meine Augenbrauen schossen in die Höhe. Hatte ich mich verhört?
»Du brauchst meine Hilfe?«
»Ja, das hab ich doch gerade gesagt. Oder spreche ich undeutlich?«
Neugier flackerte in mir auf, die groß genug war, um mir Cains nächste Worte anzuhören, statt sofort abzublocken. Ich verschränkte die Arme vor der Brust. »Und was willst du von mir?«
Nervös schob sie die Hände in die Taschen ihres übergroßen Hoodies. »Ich will, dass du mit mir auf die Jagd gehst.«
Ich blinzelte. Zweimal. Dreimal. Viermal. Dann begann ich zu lachen. »Das ist ein Scherz, oder?«
»Nein«, antwortete Cain mit unveränderter Miene.
»Du meinst das wirklich ernst«, stellte ich amüsiert fest.
Sie nickte, und ich hätte am liebsten noch einmal laut losgelacht. Sie hatte das Vertrauen, das ich einst in sie gehabt hatte, schamlos ausgenutzt, mich verraten und gedemütigt, und nun wollte sie sich wieder mit mir zusammentun? Nachdem sie mich drei Jahre lang ignoriert hatte?
»Und, was meinst du?«, hakte Cain nach, als mein Schweigen andauerte.
Ich schüttelte den Kopf. »Du b
ist unglaublich. Nach allem, was passiert ist, denkst du wirklich, ich komm zu dir zurück, nur weil der Ersatz, den du dir damals für mich gesucht hast, jetzt tot ist? Vergiss es. Ich bin kein dressiertes Äffchen, das springt, weil es dir gerade in den Kram passt.«
Immerhin hatte sie zumindest den Anstand, beschämt auszusehen. »Das … Das weiß ich.«
»Gut, dann kannst du ja wieder gehen.« Ich öffnete die Tür und bedeutete ihr zu verschwinden.
Sie zögerte, machte dann jedoch einen Schritt nach vorne. Allerdings nicht, um zu gehen, sondern um unmittelbar vor mir stehen zu bleiben.
Ich senkte den Blick und sah sie an. Die Sommersprossen auf ihrer Nase waren deutlich sichtbar. Es war Jahre her, seit wir uns das letzte Mal so nahe gewesen waren. Ich hätte nur meinen kleinen Finger ausstrecken müssen, um sie zu berühren. Und als hätte es diese Jahre der Distanz nie gegeben, reagierte mein Körper auf sie. Als hätte er vergessen, dass ich Cain inzwischen hasste. Mein Herz hämmerte los, und in meinen Fingern breitete sich ein Kribbeln aus, als könnten sie es nicht erwarten, meine ehemalige Partnerin endlich wieder zu berühren. Aber das würde nicht passieren. Nicht heute, nicht morgen. Nie wieder.
»Warum haust du nicht endlich ab?«, knurrte ich, mehr von mir selbst als von ihr genervt, während ich mich ernsthaft fragte, warum sie sich das hier antat.
Doch sie zeigte sich unberührt von meiner ablehnenden Art. »Ich will, dass du mir hilfst, Jules zu finden«, sagte sie und sprach damit das erste Mal aus, was sie wirklich von mir wollte.
»Du hast mir gerade erklärt, dass die Suche eingestellt wurde.«
»Wurde sie auch, aber …« Cain schluckte schwer. »Ich bin noch nicht bereit, Jules aufzugeben.«
Sieh mal einer an.
»Du willst gegen die ausdrückliche Anweisung des Quartiers handeln?«
»Ja.«
»Aber die Regeln …«
»Scheiß auf die Regeln«, unterbrach sie mich, und das wütende Funkeln, das ich bei ihrer Ankunft in ihren Augen gesehen hatte, kehrte zurück. »Sie wollen Jules einfach sich selbst überlassen, obwohl sie keinen Beweis für seinen Tod haben. Das kann ich nicht zulassen.«
»Und ich soll dir helfen?«
Cain nickte, als hätte sie sich das hier gut überlegt.
Ich fragte mich, ob sie sich der Ironie des Augenblicks bewusst war. Wir hatten uns vor drei Jahren schon einmal in einer sehr ähnlichen Situation befunden, nur war damals ich derjenige gewesen, der sie um Hilfe gebeten hatte. Hilfe, die sie mir verweigert hatte.
»Danke, ich verzichte.«
»Sagst du das wegen dem, was damals passiert ist?«
Aha, sie war sich der Ironie also auch bewusst.
»Nein, ich sage es, weil die anderen recht haben. Jules ist tot.«
»Das weißt du nicht.«
»Doch, ich weiß es«, sagte ich, nicht weil ich gemein sein oder mich rächen wollte, sondern weil es die Wahrheit war. Ich wusste es, seit Grant und Cains Mum die Waffenkammer betreten hatten. »Siehst du das?« Ich deutete auf meinen tätowierten Unterarm. »Jeder Strich steht für einen Vampir, den ich getötet habe. Willst du wissen, wie viele es sind? Über achthundert, und das in drei Jahren. Ich kenne diese Blutsauger besser als jeder andere. Sie sind Monster, und sie machen keine Gefangenen. Keine Ahnung, was sie mit Jules’ Körper angestellt haben, damit wir ihn nicht finden, aber er ist tot. Die Vampire haben keinen Grund, ihn am Leben zu lassen. Je schneller du das akzeptierst, umso besser für dich.«
Cain schüttelte den Kopf. »Du irrst dich.«
»Ich wünschte, es wäre so.«
»Du wirst mir also nicht helfen?«
»Nein.«
Kleine Falten erschienen auf Cains Stirn, und einen Moment wirkte es so, als würde ihr noch irgendein Argument auf der Zunge liegen oder vielleicht auch nur eine Beleidigung. Doch dann besann sie sich eines Besseren und trat einen Schritt zurück, dann noch einen und noch einen, bis sie den Flur vor meiner Tür erreicht hatte. Der Blick, mit dem sie mich bedachte, war nicht zu deuten. »Wir sehen uns, Warden.«
Das wird sich nicht vermeiden lassen.
14. KAPITEL
Warden
Von: Grant Livingston
An: Hunter Edinburgh – ALL
Betreff: Julius (Jules) Marlowe und Floyd Gunnach
Nach reichlichen Überlegungen und Abwägungen und in Absprache mit Julius’ Eltern, Olivia und Charles Marlowe, haben wir uns dazu entschieden, die Suche nach Julius einzustellen, da keine Hinweise auf seinen Verbleib gefunden werden konnten. Wir bedauern seinen Verlust sehr, ebenso wie den von Floyd Gunnach. Eine Trauerfeier für die beiden findet morgen Abend um 20 Uhr statt. Sowohl die Familie Marlowe als auch die Familie Gunnach bitten darum, von Beileidsbekundungen abzusehen. Dr. Kivela steht wie immer für eine Trauerberatung zur Verfügung.
Kaum hatte Cain mein Zimmer verlassen, war das Schreiben von Grant in meinem Maileingang gelandet. Ich hatte die Nachricht gelöscht, weil ich nicht vorhatte, die Trauerfeier zu besuchen. Ich wollte meine Zeit nicht mit deprimierenden Reden, heuchlerischen Gesprächen und erzwungenem Gelächter verschwenden. Lieber war ich allein. Doch mein Plan wurde von Roxy, Shaw und Finn, der extra für die Trauerfeier aus den Highlands zurückgekommen war, vereitelt, die mich ungefragt abholten. Ich wusste nicht, warum ich mich ihnen anschloss, aber ich tat es.
»Ganz schön viele Leute hier«, bemerkte Shaw, als wir die Cafeteria betraten, in der sich rund zweihundert Hunter versammelt hatten, womöglich sogar mehr, denn das Quartier in Edinburgh war mit knapp dreihundert aktiven Jägern eines der größten der Welt. Ich war mir sicher, die Mensa noch nie so überfüllt erlebt zu haben.
Mein Blick glitt über ein Meer aus schwarz gekleideten Menschen. Nichts Ungewöhnliches für ein Hunterquartier, doch das Fehlen von Waffen und die traurigen Mienen änderten alles. Die Luft vibrierte nicht vor Anspannung und Vorfreude auf den Kampf, stattdessen herrschte eine gedrückte Stimmung. Die Anwesenden redeten mit gesenkten Stimmen, niemand lachte oder alberte herum. Nur eine Person hier wirkte glücklich: der Junge in dem pinken T-Shirt, der mir von der anderen Seite des Raumes zunickte. Eigentlich hätte ich nicht überrascht sein dürfen, Kevin zu sehen. Trauerfeiern entsprachen vermutlich seiner Vorstellung von einer Party.
»Ich sag Jules’ Eltern Hallo«, murmelte Finn und berührte Roxy im Vorbeigehen kurz an der Schulter.
Wir anderen suchten uns eine freie Ecke, um nicht im Weg herumzustehen, denn trotz der zusätzlich aufgestellten Stühle waren sämtliche Plätze besetzt.
Ich lehnte mich gegen die Wand und ließ den Blick durch den Raum schweifen. Auf keinen Fall hielt ich dabei Ausschau nach einer bestimmten, rothaarigen Person, die ich seit unserem letzten Gespräch nicht mehr aus dem Kopf bekam.
Ich entdeckte Cain an einem Tisch mit ihren Eltern. Statt ihrer üblichen Hunterkleidung trug sie ein ärmelloses schwarzes Kleid, das ihre trainierte Figur betonte.
Cain hatte keine weichen Kurven wie Roxy oder Ella, sondern den gestählten Körper einer Blood Huntress; mit Muskeln, die sich deutlich an ihren Armen abzeichneten und keinen Zweifel daran ließen, dass sie wusste, wie man zuschlug. Und ihrem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, hätte sie gern genau in diesem Moment auf etwas oder jemanden eingeschlagen. Sie wirkte nicht traurig wie die meisten der Anwesenden, sondern wütend und so als wäre sie lieber an jedem anderen Ort als an diesem. Ich kannte diese Wut nur zu gut. Sie brannte in mir, seit Isaac in das Haus meiner Eltern eingedrungen war. Und mit den Jahren war sie zu meiner engsten Verbündeten geworden.
Das Klirren eines Messers, das gegen ein Glas geschlagen wurde, ertönte. Die Gespräche verstummten, und alle Köpfe wandten sich in Richtung des Geräusches.
Grant war auf einen der Tische in der Mitte des Raumes gestiegen. Er trug einen schwarzen Anzug mit einem dunklen Hemd darunter; neben ihm stand Hugo, der unterstützend seine Hand hielt. »Liebe Jäger und Jägerinnen, danke, dass ihr so zahlreich erschienen seid, um Roseanne und Percy Gunnach sowie Olivia und
Charles Marlowe in dieser schweren Stunde beizustehen. Wir haben uns heute hier versammelt, um Abschied von ihren Söhnen, unseren Kollegen und Freunden zu nehmen – Julius Marlowe und Floyd Gunnach. Vor vier Tagen kamen die beiden im Kampf gegen Vampire ums Leben. Sie haben ihre Leben gegeben, um die Menschen dieser Stadt zu beschützen. Floyd war ein einfallsreicher, nie um einen Spruch verlegener Magic Hunter. Er schloss seine Ausbildung hier in Edinburgh am 11. April 2009 ab und entschied sich im Anschluss …«
Grant erzählte noch mehr über Floyd, den ich nur flüchtig gekannt hatte. Ich bemühte mich, ihm zuzuhören, doch immer wieder wanderten meine Gedanken zu Cain. Obwohl ich mich davon abgehalten hatte, wieder in ihre Richtung zu schauen, wusste ich, dass sie noch immer wie versteinert an ihrem Platz saß. Ich konnte sie spüren. Es war derselbe Instinkt, mit dem ich auch die Anwesenheit einer Kreatur wahrnahm. Nur war Cain kein Monster. Sie war etwas anderes, viel Gefährlicheres. Und wie auch bei einem Wendigo, einer Banshee oder einem Vampir gelang es mir nicht, die Augen zu verschließen und einfach wegzusehen. Es lag in meiner Natur, mich der Gefahr zu stellen, weshalb mein Blick wider besseres Wissen erneut in ihre Richtung wanderte. Sie hatte die Arme vor der Brust verschränkt und war offenbar noch immer verärgert, aber der Zug um ihre Lippen wirkte angestrengter als zuvor. Ich bezweifelte, dass es für die anderen Hunter ebenso leicht erkennbar war, aber ich war mir sicher, dass sie grade verzweifelt darum kämpfte, nicht zu weinen.
»An der Seite von Floyd Gunnach stand Julius Marlowe, den wir alle nur Jules nannten. Er war ein allzeit verlässlicher und sehr erfolgreicher Grim Hunter, der seine Ausbildung am 06. Oktober 2015 hier in Edinburgh beendet hat. Seither widmete er einen Großteil seiner Zeit den Huntern. Nach einer kurzen Partnerschaft mit Eliott Donovan wurde seine Cousine, Cain Blackwood, seine neue Kampfpartnerin.«