»Geh ruhig«, sagt Jasper gerade zu Bonnie. Die beiden sind seit ein paar Wochen zusammen und schauderhaft süß dabei. Fast könnte es einem hochkommen, würde man sich nicht für sie freuen.
»Braucht sie jetzt deine Erlaubnis?«, frage ich, was dumm ist, weil ich meinen Freunden nicht ans Bein pissen sollte, wenn ich Gesellschaft will.
Doch Bonnie grinst nur. »Ein Drink, Curtis. Dann geh ich nach Hause.«
»Lieblingsmensch«, sage ich und nehme sie in einen sanften Schwitzkasten.
Link ist auch am Start, und zu dritt gehen wir Richtung Bourbon Street. Link hat die Gitarre auf dem Rücken und schiebt sein altes, klappriges Fahrrad. Jasper hat netterweise Bonnies Kontrabass mitgenommen. Das Schlagzeug gehört ohnehin dem Cat’s Cradle .
Es ist Montagabend, aber trotzdem ist das French Quarter voller angetrunkener Leute. In die Frenchmen Street, in der wir spielen, kommen sie vor allem wegen der Musik. In der Bourbon Street suchen sie Zerstreuung, Rausch und nackte Brüste. Deswegen machen Menschen wie Link und Bonnie meistens einen Bogen darum. Heute steuern sie mit mir eine der Bars an. Zwischen all den Besoffenen, der lauten Musik, die aus den Läden schallt, und den Neonschildern fällt es leicht, sich selbst zu vergessen. Ich liebe es. Liebe die kaputten Leute, den Lärm, die Zügellosigkeit.
Das Lou’s ist meine Stammkneipe auf der Bourbon Street, eine ehrliche Bar ohne großen Schnickschnack. Hinter der Bar steht Lous Frau, eine dralle Blondine, die hier so etwas wie die gute Seele ist.
»Curtis, Darling«, sagt sie, als sie mich erblickt. Ihre stark geschminkten Augen hellen sich merklich auf.
»Wanda, mein Engel, krieg ich drei Wodka und drei Bier?«, frage ich und klopfe auf den Tresen.
»Für mich keinen Wodka«, ruft Bonnie aus der Sitznische, die sie und Link besetzt haben, doch ich ignoriere sie.
Wir stoßen an, ich kippe den Wodka hinunter und nehme einen tiefen Schluck von meinem Bier. Ich fühle mich großartig und nur ein bisschen beschissen.
»Was für ein geiler Abend, oder?«, sage ich in die Runde.
»Haben wir lange nicht gemacht«, erwidert Link.
»Ja, weil ihr auf einmal langweilig geworden seid.«
»Oder glücklich«, schlägt Bonnie vor.
»Darauf trinke ich«, sagt Link.
Mir entgeht nicht, dass auch er seinen Wodka nicht angerührt hat. Also ziehe ich sowohl Bonnies als auch sein Shotglas zu mir. Umso besser.
»Dann erzählt mal, wie läuft’s in euren monogamen Beziehungen?«, frage ich und kippe Bonnies Wodka hinunter.
»Eigentlich ist alles perfekt«, sagt Link. »Franzis Visum wurde verlängert. Aber eine feste Stelle hat sie immer noch nicht gefunden. Sie hat ein paar kleinere Aufträge für Bekannte von Faye gemacht, sodass sie über die Runden kommt. Nur die Sache mit der Aufenthaltserlaubnis …«
Er spricht nicht zu Ende. Ich weiß, dass die Situation für ihn und seine Freundin Franzi, die aus Deutschland kommt, schwierig ist. Und ich weiß auch, dass es eine Lüge wäre, zu sagen, dass alles gut wird. So funktioniert es nun mal nicht. Für manche wird es gut. Andere bleiben auf der Strecke. Deswegen schweige ich und wünsche den beiden im Stillen alles Gute.
»Ich sage meiner Mom, sie soll sich in der Gemeinde umhören. Vielleicht hat jemand eine Idee«, sagt Bonnie. Sie ist eine echt gute Freundin. So gut, dass es fast albern ist. Wahrscheinlich ist sie der Mensch, dem ich am allermeisten vertraue.
»Genug von uns«, sagt Link. »Wie läuft’s bei dir und Jasper? Honeymoon-Phase und rosarote Brille?« Er grinst Bonnie an.
»Das haben wir übersprungen, glaube ich«, antwortet sie. »Bei uns ist von Anfang an Alltag gewesen. Aber …« Kurz zögert sie. »Der Alltag fühlt sich an wie Honeymoon.«
Ich stürze Links Wodka in einem Zug hinunter. »Da kriegt man ja fast Lust auf eine Pyjamaparty und gegenseitiges Nägellackieren, wenn man euch so zuhört«, sage ich. »Wanda? Kriegen wir noch drei Kurze?«
»Willst du vielleicht ein bisschen langsam machen?«, fragt Link.
Ich schnaube. »Da haben wir nach Monaten einmal Zeit, zu dritt ein bisschen zu feiern, so wie früher. Und ausgerechnet dann soll ich langsam machen?«
»Ich meine ja nur, du hast vermutlich mehr davon, wenn du dich morgen noch daran erinnerst.«
»Aber darum geht es doch«, sage ich und lege ihm meinen Arm um die Schultern. »Einmal nicht daran denken, was morgen ist.«
Wanda bringt drei neue Shotgläser.
»Trink einen mit, Wanda!«, rufe ich begeistert. Meine Zunge wird schon etwas schwer, mein Kopf ist allerdings vollkommen wach. Das hier ist ein guter Moment!
Wanda quetscht sich zwischen Link und mich. »Worauf trinken wir?«, fragt sie mit ihrer rauchigen Stimme.
»Auf das Leben. Auf uns!«, sage ich überschwänglich. »Darauf, dass wir uns genug sind.«
Bonnie und Link heben ihre Biergläser, doch mir entgeht der Blick nicht, den sie sich zuwerfen. Und auf einmal wünschte ich, ich wäre allein unterwegs. Ohne Leute, die auf mich aufpassen wollen. Die über mich urteilen. Die wollen, dass ich langsam mache, während sie vor ein paar Monaten noch genauso drauf waren wie ich.
Wanda versteht mich. Sie lacht und lebt einfach. Obwohl sie es sicher auch nicht leicht hat. Und in meiner euphorischen Stimmung gebe ich ihr einen Kuss auf ihre klebrige alte Wange.
»Ach, du«, sagt sie und wird unter der dicken Schicht Make-up tatsächlich etwas rot. »Wäre ich ein paar Jahre jünger …«
Der Alkohol macht alles besser. Alles ein bisschen wärmer. Alles ein bisschen lebendiger. Mich eingeschlossen. Ich werde richtig hungrig aufs Leben, hungrig auf Abenteuer. Hungrig auf neue Leute, fremden Sex. Ich spüre, wie etwas aus mir herausbrechen möchte, und bestelle noch eine Runde Bier und einen weiteren Shot.
Eine Horde junger Männer betritt johlend die Bar. Sie tragen einheitliche T-Shirts. Seine letzte Stunde hat geschlagen steht darauf. Der Bräutigam bahnt sich seinen Weg durch die Bar. Sein T-Shirt verrät, dass er heute noch ledig und ab morgen erledigt ist.
»Wir brauchen Bier«, grölt er, und seine Entourage antwortet mit wolfsartigem Geheul.
»Hey, du!«, rufe ich. »Wenn du deine Frau so scheiße findest, warum heiratest du sie dann?« Ich merke, dass ich etwas lalle.
»Curtis, lass ihn doch!«, sagt Bonnie.
»Würde mich aber echt mal interessieren.« Ich verschränke die Arme vor der Brust und sehe ihn spöttisch an. »Hat sie auch so ein megacooles T-Shirt?«
»Trink was mit uns«, sagt der Junggeselle und bedeutet Wanda, mir noch ein Bier zu zapfen. »Ist doch alles nur Spaß.«
»Nee, Leute, echt nicht.« Ich versuche, jede Silbe ganz genau auszusprechen, um nicht so dicht zu wirken, wie ich bin. »Lasst uns woanders hingehen.«
Das Bier, das der zukünftige Bräutigam vor mich stellt, exe ich, während ich aufstehe. Ich merke, dass ich etwas schwanke. Das ist das Problem am Alkohol. Während man im Kopf noch voll da ist, versagen die Muskeln langsam.
»Wollen wir vielleicht nach Hause gehen?«, schlägt Bonnie vor.
»Wollen wir vielleicht deine Schwester besuchen?«, frage ich. Bonnies Zwillingsschwester Lula tanzt in einem Nachtclub ein paar Blocks weiter.
»Da bin ich raus«, sagt Link.
»Bei dir hat das mit dem Erledigtsein schon vor der Ehe angefangen, oder?«, frage ich und fühle mich wie ein komplettes Arschloch dabei. Ich mag Franzi. Und eigentlich ist es wohl nett, dass Link sich keine anderen Brüste anschauen will. Aber es frustriert mich trotzdem.
»Geh nach Hause, Curtis«, sagt er nun, und ich kann es ihm nicht mal verdenken.
»Sorry, Mann, war nicht so gemeint. Ein Drink bei Lula, dann gehen wir nach Hause.« Ich vermutlich nicht, allerdings muss ich ihm das ja nicht auf die Nase binden.
Bei meinen ersten Schritten Richtung Ausgang schwanke ich noch ein bisschen, doch dann pendelt sich mein Körper wie von selbst wieder ein. Ich klatsche Wanda ein paar Scheine auf den Tresen und werfe ihr eine Kusshand zu.
Draußen fische ich etwas unkoordiniert meine Zigarettenschachtel aus der Hosentasche und schnippe zweimal dagegen, bis ei
ne Kippe herausfällt. Meine Bewegungen sind zu langsam, und im nächsten Moment muss ich mich nach ihr bücken. Das Feuerzeug reagiert erst auf den dritten Versuch.
Inzwischen sind Bonnie und Link neben mir aufgetaucht. »Also, was is’?«, frage ich und inhaliere tief. Ein bisschen zu tief, denn sofort kippt die Welt. »Whoa«, mache ich und suche mein Gleichgewicht. Ich lehne mich an die Wand der Bar und fange an zu lachen. »Was für Trottel, oder?« Ich zeige durchs Fenster auf den Junggesellenabschied. »Besuchen wir jetzt Lula?«
»Ein Drink, Curtis«, sagt Bonnie. »Und Link lassen wir nach Hause gehen.«
»Abgemacht. Du bist eh mein Lieblingsmensch«, flüstere ich so laut, dass Link es auf jeden Fall hört. Ich fühle mich ziemlich witzig. Beschwingt. Link kann machen, was er will. Ich habe Bonnie.
Der Eingang zu dem Nachtclub, in dem Lula arbeitet, ist mit dem Neonschriftzug »Girls, Girls, Girls« verziert. Vor der Tür steht ein bulliger Typ und lässt sich Ausweise zeigen.
»Weißt du, ob Lula tanzt?«, fragt Bonnie.
»Sie müsste schon angefangen haben«, sagt der Bullige und winkt Bonnie herein. Ich klatsche mit Link ab und will hinter Bonnie in den Club gehen, doch der Türsteher bremst mich mit seiner Hand.
»Was, Mann?«, frage ich. »Ich gehöre zu Bonnie.«
»Du bist jenseits, Alter«, sagt er.
»Jenseits von was?«
»Jenseits von ›nüchtern genug, um hier reinzukommen‹.«
Bonnie ist inzwischen wieder neben mich getreten. »Er ist cool, er gehört zu mir«, sagt sie.
»Sorry, Bonnie, aber das kann ich nicht machen.«
»Was kannst du nicht machen, du Clown?«, frage ich.
»Besoffene Vollidioten wie dich in den Club lassen.«
»Alter, wie hast du mich gerade genannt?« Ich hasse diesen Typen. Vielleicht schwanke ich etwas, doch ich bin ein fucking zahlender Kunde.
»Anweisung vom Chef«, sagt er gerade zu Bonnie. »Ich kann da echt nichts machen. Die Sicherheit der Mädels geht vor.«
Ich fange an, laut zu lachen. »Was ist dein verfluchtes Problem, Mann? Glaubst du, ich würde Lula anfassen? Wir wollen einfach nur was trinken.«
»Das habt ihr sehr erfolgreich schon woanders gemacht«, erwidert er und wendet sich den nächsten beiden Kerlen zu, die ihm ihre Ausweise hinhalten.
»Komm, Curtis, das ist ein Zeichen. Wir gehen einfach bald wieder zusammen was trinken.« Es ist Link, der nach wie vor hinter mir steht, bereit loszufahren.
»Ich scheiß auf den Kerl und seine verfickten Regeln«, sage ich, und während er mit der Taschenlampe auf den einen Ausweis leuchtet, mache ich einen Satz an ihm vorbei und in den Club hinein.
Drinnen ist es dunkel und nicht so voll, wie man erwarten würde. Auf einer Bühne rekeln sich zwei Frauen in aufreizender Unterwäsche zu irgendwelchen Beats. Eine große Blonde und die tätowierte, zierliche Lula. Ich sehe mich hastig um, suche eine Möglichkeit, um mich vor dem Türsteher zu verstecken. Das Adrenalin bewirkt, dass ich mich auf einmal wieder ganz nüchtern fühle.
»Was habe ich dir gerade gesagt, Bürschchen?«, höre ich eine Stimme hinter mir. Der Türsteher hat mich sofort ausgemacht. Bonnie steht hinter ihm, auf dem Gesicht ein müdes Grinsen.
Ich bin stark, aber der bullige Kerl ist stärker als ich. In null Komma nichts hat er mich am Arm gepackt und schleift mich wieder nach draußen. Ein paar Köpfe wenden sich um.
»Ich will dich hier heute Abend nicht mehr sehen«, sagt der Türsteher. »Sonst gibt’s Hausverbot.« Vor dem Eingang lässt er mich los, jedoch nicht ohne mir einen kräftigen Schubs zu geben, sodass ich beinahe nach hinten umfalle. So behandelt mich keiner. Schon gar nicht so ein dahergelaufener Möchtegern-Hulk. In mir regt sich die Wut. Wut auf ihn, Wut auf seine beschissenen Regeln, die der Grund sind, warum ich nicht noch einen Drink mit Bonnie nehmen kann. Wut auf die ganze verfluchte Welt, in der nie irgendwas so läuft, wie ich es mir vorstelle.
»Finger weg!«, knurre ich und schubse ihn zurück, so fest ich kann. Ich will, dass er sich wehrt. Will, dass er mit seinem fetten Arm ausholt. Doch er hält einfach nur meine Hände fest und lacht. Lacht mich aus.
»Geh nach Hause, Junge«, sagt er und schenkt mir einen mitleidigen Blick.
Ich will sein verficktes Mitleid nicht. Ich will ihm seine hässliche Nase brechen. In dem Moment, als er mich loslässt, bin ich bereit. Ich hole aus, doch wieder fängt er meine Hand ab und hält sie fest.
»Mach dich nicht lächerlich«, sagt er. »Ich bin genau für so was ausgebildet.«
»Curtis?«, fragt Bonnie hinter mir. »Hast du jetzt genug?«
Und ja, ich schätze, das habe ich. Ich spucke auf den Boden und laufe mit großen Schritten die Bourbon Street zurück. Von ferne höre ich noch, wie Bonnie Link versichert, dass sie sich um mich kümmert. Als bräuchte ich einen Babysitter.
»Hey, Curtis«, ruft sie wenig später. »Warte auf mich.« Sie rennt hinter mir her und hat mich gleich darauf eingeholt. »Das war uncool«, sagt sie. »Ich hasse es, wenn du so bist.«
»Ich hasse es, wenn die Welt so ist.«
»Ich weiß«, sagt sie und legt mir eine Hand auf den Arm. »Aber die anderen können nichts dafür.«
Vielleicht hat sie sogar recht. Ich weiß es nicht. Ich weiß gerade gar nichts so richtig. Außer dass die Welt sich wieder dreht und ich auf einmal sehr müde werde.
»Tut mir leid, Bonnie.«
»Ist schon okay.«
»Nein, das ist es nicht. Ich wollte, dass wir einen geilen Abend haben. Einfach nur noch ein Drink. Deine Brüste an deiner Schwester sehen.«
»Du bist so ein Arsch«, sagt sie und boxt mich fest in die Seite.
»Aua!«
»Du bist ein Arsch, aber es liegt daran, dass Amory mit dir geredet hat, oder?«
Ich gebe einen knurrenden Laut von mir. »Komm mir bloß nicht so.«
»Es ist nicht schlimm, wenn man traurig ist.«
»Traurig? Dass ich nicht lache!«
»Du kannst vor mir du selbst sein, weißt du? Dass sie jetzt mit Richard –«
»Lass den Scheiß, Bonnie«, unterbreche ich sie. Denn den Namen dieses Langweilers kann ich im Moment echt nicht ertragen. »Er hat mich provoziert, und ich habe keinen Bock, mir alles gefallen zu lassen. Mehr ist da nicht.«
»Okay«, sagt sie, aber ich merke ganz genau, dass sie mir nicht glaubt. Das ist der Scheiß mit Freunden. Sie verstehen dich immer besser als du dich selbst.
3
Amory
Richard winkt mir von einem Tisch ganz hinten am Fenster zu. Das Restaurant ist eines dieser neuen hippen Lokale, die überall aus dem Boden sprießen. Moderne Küche, modernes Ambiente. Das Cochon befindet sich in einer ehemaligen Lagerhalle, in die man eine Galerie eingezogen hat. Die Fenster sind meterhoch, der enorme Hall verstärkt jedes Geräusch. Aber das Essen soll fantastisch sein, deswegen hat Richard es vorgeschlagen.
Ich schlängle mich an den Tischen vorbei, und wie automatisch verzieht sich mein Mund zu einem Lächeln. Richards Blick ist auf mich geheftet, und er sieht gut aus. Ein bisschen wie eines dieser Brillenmodels. Dunkle Haare, Seitenscheitel, Undercut, Dreitagebart. Unter einem hellblauen Hemd zeichnet sich sein schlanker Körper ab. Sobald ich nah genug bin, erhebt er sich, kommt mir entgegen. Er legt seine rechte Hand in meinen Nacken und zieht mich sanft zu sich, um mir einen Kuss auf die Lippen zu drücken.
»Du siehst toll aus«, sagt er und lässt seinen Blick einmal von oben nach unten über mich wandern. Mit einiger Genugtuung nehme ich wahr, dass er etwas länger an meinem Ausschnitt hängen bleibt.
Eigentlich mache ich mir nicht viel aus dem Urteil anderer. Ich habe gelernt, dass Makel augenblicklich aufhören, welche zu sein, wenn man sie an sich selbst akzeptiert. Oft werden sie dann zu einer Stärke. Doch nach all den Monaten, in denen ich single war, in denen ich mich geweigert habe, irgendwen wirklich in mein Leben zu lassen, ist es schön zu wissen, dass ich es bringe.
»Danke«, erwidere ich und setze mich auf den Stuhl ihm gegenüber.
»Die sind hier berühmt für ihren Aperitif. Portwein mit hauseigenem Tonic Water«, sag
t Richard und studiert die Getränkekarte.
»Klingt gut«, erwidere ich. »Aber ich freue mich schon den ganzen Tag auf ein Glas Weißwein.«
»Wollen wir uns ein paar von den Appetizern teilen?«, fragt er dann und zeigt mir auf der Speisekarte, was er meint. Ich nicke, denn es klingt alles ziemlich fantastisch. Shrimps mit Knoblauchbutter, gebratener Alligator mit Chili-Mayonnaise, Krebs-Pie, Schweinebäckchen mit Kürbispüree …
»Hey.« Richard greift über den Tisch und nimmt meine Hand. »Es ist schön, dich zu sehen.«
Mit Richard ist es so einfach. Kein Minenfeld, auf dem man aufpassen muss, wo man hintritt, wenn man vermeiden will, dass etwas (oder jemand) in die Luft geht. Er schwankt nicht ständig zwischen himmelhochjauchzend und brüllender Wut auf alles und jeden. Es ist entspannt. Und ich bin es überraschenderweise auch. Obwohl so etwas auch immer Risiken birgt. Obwohl man sich verletzlich macht. Aber ich habe es mir ausgesucht. Ich wollte es. Wollte es wieder wagen. Zu zweit.
Wenig später stoßen wir mit unseren Getränken an. Richard lässt mich seinen Aperitif kosten, der wirklich gut schmeckt.
Wir unterhalten uns kurz über die Arbeit. Wir sind Kollegen an der mathematischen Fakultät der Tulane University, schreiben beide an unserer Doktorarbeit. Richard promoviert über numerische Optimierung, während meine Forschung in der Chaostheorie deutlich weniger anwendungsorientiert ist. Das Schöne ist, dass wir dennoch darüber reden können, etwas, das mit niemandem außerhalb der Mathematik so richtig möglich ist.
Das Essen kommt und schmeckt hervorragend. Richard ist glücklich, und ich bin es auch. Und in diesem Moment weiß ich, dass ich die richtige Entscheidung getroffen habe. Dass ich endlich wieder bereit bin, mich auf jemanden einzulassen, nachdem ich vor ein paar Jahren so fies hintergangen wurde. Auch wenn ich Curtis damit wehgetan habe. Aber es war von Anfang an klar, dass wir beide den Status der Unverbindlichkeit nicht aufgeben würden. Es war das, was wir beide brauchten. Ich nach einem Vertrauensmissbrauch, er, weil er zu mehr nicht fähig ist. Und wir wussten, dass dieser Status ein Ablaufdatum hatte. Ich mag ihn. So, so gern. Doch ich kann nicht mit ihm zusammen sein. Niemand kann das. Er kann es ja nicht einmal selbst.
Love is Wild – Uns gehört die Welt (Love-is-Reihe 3): Roman (German Edition) Page 2